Eine kurze Frage, wieviele Morde und andere schwere Straftaten werden im Jahr von Personen unter 14 Jahren begangen?
Warum begehen Personen in so jungen Jahren überhaupt schwere Straftaten? Führen die Strafen, die in den einschlägigen Gesetzbüchern vorgesehen sind zu einer Resozialisierung oder sind andere Maßnahmen effektiver, ohne tiefer in die Rechte der Kinder einzugreifen?
Das wäre die entscheidenden Fragen und die sehe ich nicht im Sinne einer Herabstufung der Strafbarkeit beantwortet.
Dies wäre dann aber eher Kritik an Gefängnissen an sich, da sich die erwähnten Punkte:
nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern das gesamte Justizsystem einbeziehen. Dort kann man auch auf eine Reform hinarbeiten, die vor allem versucht die Rückfallquote zu senken. Sowas wird/wurde auch überlegt.
Die Aufgabe des Strafrechts ist es jedoch Straftäter für ihre Taten zu bestrafen, damit das Leben in Deutschland sicher bleibt. Dies funktioniert bei schweren Straftaten vor allem durch Gefängnisstrafen.
Exakt. Diese Diskussion sollten wir führen: wie schaffen wir es, wesentlich weniger Menschen einzusperren, als wir das heute tun?
Wir genügen mit den vielen Inhaftierungen möglicherweise dem Rachebedürfnis der Bild-Zeitung, aber wir schaden (!) uns als Gesellschaft ganz massiv. Selbstverständlich gibt es bestimmte Fälle, in denen Gefängnisstrafen Sinn machen oder doch jedenfalls ein unvermeidliches Übel sind, aber das betrifft leider nur einen Teil der Menschen, die wir heute einsperren. Und für unsere skurrile Lust am Einsperren zahlen wir als Gesellschaft einen hohen Preis, weil diese Menschen nicht arbeiten können und im Gefängnis in aller Regel nicht gerade zu besseren Menschen werden (Ausnahmen gibt es, vor allem wenn Menschen eine Ausbildung machen und im offenen Vollzug sind).
Verpflichtung zu bestimmten Stunden Sozialarbeit, bevorzugt mit Menschenkontakt, insbesondere bei Jugendlichen oder jüngeren Erwachsenen, um sie in andere Lebenssituationen zu bringen, neue, positive Erfahrungen machen zu lassen.
Bewährungshelfer oder -begleiter, der ihnen in ihrer Lebenssituation hilft.
Wiedergutmachung
Es gibt Alternativen zum Gefängnis (Es sei denn jemand ist ernsthaft gefährlich. Dann erfüllt das Gefängnis die Schutzfunktion für die Gesellschaft)
Vielleicht ist einiges davon teuer, aber Gefängnisunterbringungen kosten auch. Und wir brauchen sie für wirklich gefährliche Menschen.
Zum Thema zurück: Das Alter der Strafmündigkeit herabzusetzen wäre absurd.
Solche dramatischen Taten bleiben Einzelfälle und sind eher ein Symptom von Gesellschaftsproblemen. Wenn wir diesem als Gesellschaft vorbeugen wollen, müssen wir die Kindergärten und Schulen verbessern und auf Ganztag umstellen. Die soziale Durchmischung von Wohnquartirren fördern. Jugendliche bei der Ausbildungs- und Sinnsuche unterstützen. Etc
Was auch noch mit reinspielt: Diese beiden Mädchen werden ohnehin eine hohe Strafen bezahlen, indem sie niemals auch nur ansatzweise ein normales Leben werden führen können. Allein die Tatsache der Strafunmündigkeit führt zu einem starken, auf Rache bedachten Fokus im Netz, der so schnell nicht abebben wird.
Was in den 90er im Fall James Bulger nicht funktioniert hat, wird jetzt in Zeiten der sozialen Medien auch in Deutschland nicht funkionieren.
Die vollständigen Identitäten inkl. der Bilder der Mädchen kursieren im Netz und werden auf TikTok und co geteilt. Die Täterinnen werden im deutschsprachigen Raum keine normale Schule mehr besuchen, keine Ausbildung machen oder studieren können. Selbst neue Identitäten für die ganze Familie würden wahrscheinlich nur einen kurzfristigen Effekt bieten - dafür ist das Internet einfach zu unbarmherzig.
Sehe ich auch so, jedoch würde ich dies, um es auch auf Kinder und Jugendliche zu beziehen, mit der Frage ergänzen, wie wir eine effektive Mobbingprävention schaffen können. Da finde ich folgende Fragen sehr wichtig:
Wie sieht die Mobbingsituation in den Schulen heute aus?
Was wird gegen Mobbing in den Schulen heute getan?
Wenn es zu Mobbing kommt, wie können sich die Opfer zu wehr setzen, ohne das sich die Situation durch Racheaktionen der Täter weiter verschlimmert?
Wie werden Opfer von Mobbing nach dem Mobbing unterstützt, dass es nicht zu psychischen Problemen kommt?
Wenn man dazu noch Anlaufstellen für Kinder schafft, wie denen geholfen werden können, ohne das sie zu befürchten haben, dass sie aus ihren Umfeld gerissen werden (das ist bei Kindern oft das größte Problem, weshalb sie nichts gegen Gewalt in der Familie unternehmen), bzw eine Sensibilisierung des Umfelds schafft, um Probleme der Kinder zu erkennen, kann man höchstwahrscheinlich Straftaten in den jungen Alter effektiv verhindern.
Dies sind meine persönlichen Einschätzungen, die sich auf meine eigenen Erfahrungen stützen. Ich hatte auch familäre Probleme, bin ohne mein leiblichen Vater aufgewachsen, mit dem ich seit 12 Jahren kein Kontakt mehr habe (bin 25, also seit dem 12. Lebensjahr). Außerdem hatte ich von der 5. bis zur 10. mit Mobbing zu tun. In der Zeit habe ich mich vom System alleine gelassen gefühlt, da das Wenden an Erwachsene, wie zum Beispiel die Lehrerin, zwar dafür gesorgt hatte, dass die Täter Ärger bekommen haben, es aber auf der anderen Seite zu Racheaktionen und zu immer heftigerem Mobbing geführt hat. Bei mir hat es nach meiner Schullaufbahn zu Depressionen und Selbstmordgedanken geendet, die ich jedoch mit psychologischer Hilfe überwinden konnte.
Genau dies sind die Maßnahmen, die auch eher für Jugendliche mehr Sinn ergeben. Gefängnisstrafen bringen vor allem bei solchen Straftätern was, wenn die eine Gefährdung für andere darstellen. Jedoch würde ich dies trotzdem mit sehr schweren Straftaten wie Tötungsdelikte, zum Beispiel Mord, ergänzen. Politisch wird dort nichts geschehen, weil das Justizministerium eine Änderung ablehnt.
Dann machen wir es wie in anderen Kulturkreisen und kompensieren den Verlust (monetär). Die Strafe des Täters kann aus meiner Sicht keine Kompensation sein, sonst sind wir alttestamentarisch unterwegs.
Grundsätzlich halte ich überhaupt nichts von Debatten über „strategische“ Ausrichtungen unter dem Eindruck aktueller Ereignisse. Mir ging die Überwachungsdiskussion vor dem Hintergrund aktueller terroristischer islamischer Anschläge auch deutlich gegen den Strich.
Ein ehrlicher Politiker würde die Diskussion in einem Jahr wieder aufmachen und dann können wir gerne gucken, was sich ergibt.
Achtung, mein Kommentar ist etwas bissig, gilt aber nicht Ihnen, sondern dem Thema.
Ich finde @TilRq hat das fantastisch auf einen Punkt gebracht und erläutert auch, dass der Racheimpuls im Zweifel für die Gesellschaft nicht die bessere Option ist.
Natürlich ist das Bedürfnis nachvollziehbar. Aber genau das grenzt eben Rechtsstaatlichkeit von Selbstjustiz ab. Es werden bei Mördern und Sexualstraftätern auch immer wieder Todesstrafen verlangt, was dem emotionalen Befinden erstmal guttut, aber schon beim 2. Gedanken daran wieder Unsinn ist.
Aufgrund unserer Verfassung sind wir dem Wohl der Gesellschaft und dem Individuum verpflichtet. Da gehört - so traurig das ist - auch immer ein gewisser Preis dazu. Die Frage nach der „realistischen Alternative“ - die übrigens von gewissen Menschen gefordert wird - ist ja:
wir sperren Kinder ein
Lebenslänglich heisst bis zum Ableben
So, vielleicht kennt jemand den Film „Die Verurteilten“. Jetzt haben wir in DE natürlich keine US-Knastverhältnisse, aber gehen wir mal davon aus, dass die 12-jährigen für 20 Jahre in den Knast wandern. Wie stellt ihr euch vor, dass die wieder rauskommen? Das ruiniert ihnen im Zweifel das ganze Leben und führt in jedem Fall wieder zu Gewalt und gescheiterten Existenzen. Die Gewalt kann sich dann an sich selbst oder an anderen entladen. Entlädt sie sich am Individuum ist es uns als Gesellschaft irgendwie wieder „egal“, weil man ggü. Straftätern ggf. biased ist. Entlädt sie sich an der Gesellschaft / anderen folgt daraus zwangsweise die Frage, wieso diese der Justiz bekannte Person „einfach so frei herumläuft“ und dann sind wir eben dummerweise innerhalb eines 2. Gedankens bei der totalen Dystopie - dann werden die Forderungen laut, die Leute halt einzukerkern, bis sie verrotten. Das kostet aber Steuergeld, also ist die Giftspritze halt doch irgendwie convenient. Und die Hemmschwelle „die Bösen“ halt einfach zu entsorgen ist von diesem Schritt auch wieder nur eine potenzielle Frage der Zeit.
Mein persönliches Fazit
Ich halte eine Senkung des Strafbarkeitsalters nicht für die wirklich sinnvollste Lösung. Ja, wir hatten jetzt einen Fall und solche Dinge passieren immer wieder - aber halt nicht ständig. Das sind krasse Ausnahmen. Dazu bin ich der Auffassung, dass es für solche Kinder sehr viel naheliegendere Verfahren geben müsste als sie einfach mal einzuknasten. Im Zweifel sind bei 12-Jährigen die Eltern und andere Bezugspersonen mindestens schwerstens mitverantwortlich, daher halte ich höhere Strafen oder ein geringeres Alter der Strafmündigkeit persönlich für den falschen Weg.
Und eine Sache sollten wir vielleicht alle nicht vergessen:
Wir alle sind nur ein paar dumme Entscheidungen und im Zweifel eine glückliche Kindheit vom Straftäter entfernt.
Die Frage, die wir als Gesellschaft beantworten müssen ist: wollen wir wegen emotionaler Befindlichkeit wieder mal in die Dystopie abrutschen?
Das ist für mich auch die wichtige Frage. Wenn ich mich an meine Jugend erinnere fallen mir haufenweise fragwürdige Aktionen ein. Vieles war leichtsinnig und hätte zumindest potenziell Mitmenschen gefährden können. Ich denke vielen von uns fallen solche dummen Entscheidungen ein.
Stellt euch vor ihr hättet im Affekt oder zumindest im Leichtsinn gehandelt und dabei wären Menschen schwer zu Schaden gekommen. Hätte diese Idiotie euer ganzes Leben ruinieren sollen? Wer hätte davon einen Vorteil?
Sollte man nicht die Frage der Strafmündigkeit vom Prozess trennen. Eine Verurteilung wäre ggf. wichtig und es besteht vielleicht auch ein Recht auf Freispruch. Bei Strafunmündigkeit könnte es ein Urteil ohne Strafe geben.
Im Grunde genommen ist wohl das eingetreten, was ich gesagt habe. Die Strafmündigkeit hätte wohl die Tat verhindert.
Im Grunde genommen war dies mein Eindruck, dass die Strafmündigkeit schon eine große Rolle spielt ob man was macht oder nicht, wurde auch so von meiner 15 jährigen Schwester bestätigt.
Aus meiner Sicht ist es pure Spekulation, ob eine Strafmündigkeit „die Tat verhindert“ hätte. Das würde ja bedeuten, dass eine Strafandrohung per se jegliche kriminelle Handlung verhindert - was absurd ist. Ob die Strafandrohung im konkreten Fall etwas geändert hätte, wissen höchstwahrscheinlich weder der Focus, noch Du oder ich - vielleicht wird es auch nie jemand mit Sicherheit sagen können. Schließlich ist es immer etwas anderes, eine Tat hinterher zu bereuen, als sie gar nicht erst zu planen oder zu begehen. Statistisch gesehen wäre die Annahme nur dann gerechtfertigt, wenn strafmündige Jugendlich keine Tötungsdelikte begehen würden. Tatsache ist aber, dass Jugendliche (ab 14 Jahre, also strafmündig) sehr viel mehr Tötungsdelikte begehen, als Kinder (unter 14, also nicht strafmündig).
Ich sehe hier kein neues Argument, warum es sich um mehr als einen persönlichen Eindruck handelt - dieser wird lediglich noch einmal wiederholt.
Ich sehe die Probleme grundlegend an anderen Stellen. Eine bessere Versorgung für psychische Gesundheit, eine Entdigitalisierung im privaten Umfeld (mehr „echte“ Freunde, weniger Suchtkranke, mehr Gespräche und Unternehmungen statt Handyspiele; auch in diesem Fall scheint ja zumindest ggü. der Täterinnen jetzt Cyber-mobbing aufzutreten, etwas, worüber sich 12-jährige keine Gedanken machen sollten) und viele andere gesellschaftliche Probleme, die leider oft nicht mitdiskutiert werden…
Hoffe das ist nicht zu offtopic… Ich bin eher gegen eine Herabsetzung. Interessant finde ich jedoch die Verbindung zum Wahlrecht (auch hier bin ich eher dagegen). Wer ein niedrigeres Wahlrecht fordert geht ja davon aus, dass jüngere Menschen schon reifer sind als früher.
Mit 16 über Weltgeschehnisse mitbestimmen zu können über die Wahl, mit 21 aber noch Jugendstrafrecht bekommen geht für mich nicht zusammen. Daher vielleicht nochmal als Gedankenanstoß:
In welchen Bereichen erwarten wir von Jugendlichen/Kindern heute mehr Einsicht und Reife und bei welchen lehnen wir das ab? Und müsste eine Senkung von Altersgrenzen, bei was auch immer, nicht auch Auswirkungen auf andere Altersgrenzen haben?
Wäre statt mit 16 mit 18 ok?
Und was ist mit Erwachsenen, die als (Wiederholungs-)Straftäter ihre Unverantwortlichkeit unter Beweis gestellt haben? Oder frei gesprochen wurden aufgrund psychologisch nachgewiesener Unreife?
Warum nicht? Die beiden Dinge zu vergleichen ist aus meiner Sicht nicht redlich. Geht es bei einem um die Abgabe einer Stimme an eine Partei ihrer oder seiner Wahl schon in etwas jüngerem Alter nach einer fundierten Schulausbildung (immerhin schon mindestens 9 Jahre), zielt das Strafrecht langfristig auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft ab.