In der öffentlichen Debatte um Migration wird praktisch immer vorausgesetzt, dass „unkontrollierte“ Migration für Länder wie Deutschland nicht verkraftbar ist und deshalb verhindert werden muss. Unter „unkontrolliert“ werden dabei zwei sehr unterschiedliche Konzepte zusammengefast:
- Keine Kontrolle darüber wer bleibt: Es gibt kein geordnetes Verfahren und keine Möglichkeit einen Migranten im Einzelfall auf Grundlage klarer Kriterien abzulehnen oder wieder auszuweisen (z.B. im Falle der Straffälligkeit).
- Keine Kontrolle darüber, wieviele kommen: Die bloße Menge an (theoretischen oder tatsächlichen) Migranten ist für unsere Gesellschaft „zu viel“. Oft schwingt hier Rassismuss mit, denn kaum jemand macht sich Gedanken über die Menge der spanischen, us-amerikanischen oder norwegischen Zuwanderer. Als „in großen Mengen inkompatibel“ werden aktuell vor allem arabische und afrikanische Menschen angesehen, früher waren es mal Polen, Ungarn und Türken.
Ich würde gerne vor allem den 2. Teil dieses Narrativs hinterfragen. Teil 1 („wer bleibt?“) ist vor allem eine bürokratisch-diplomatische Frage und schon jetzt weitgehend gelöst. Es gibt nur eine verhältnismäßig kleine Zahl ausreisepflichtiger Menschen ohne Duldung in Deutschland und der Staat hat sehr weitgehende Befugnisse, mögliche Gefährder unter Kontrolle zu bringen, bis hin zum Arrest.
Zur Frage „wieviele kommen“:
Die mit Abstand stärkste Zuwanderung von Menschen aus dem Ausland nach Deutschland seit 1950 gab es 2022, als insbesondere in Folge des Ukraine-Kriegs gut 1,5 Millionen Ausländer nach Deutschland kamen (Migrationssaldo, also Zuzug abzüglich Wegzug). Das entspricht etwa 1,7% der damaligen Gesamtbevölkerung.
Der „übliche“ Wanderungssaldo nach Deutschland auch im Rahmen der geopolitischen Destabiliserung der letzten Jahre liegt sehr viel niedriger. Der Durchschnitt seit 2014 (also einschließlich des ebenfalls sehr überdurchschnittlichen Jahr 2015 liegt bei einem Wanderungssaldo bei Ausländern von knapp 620.000 Menschen, also 0,7% der aktuellen Bevölkerung.
Im selben Zeitraum ist die Zahl der deutschen Staatsbürger aufgrund der geringen Geburtenrate und dem zunehmend hohen Alter um gut 160.000 Menschen im Jahr gesunken. Tatsächlich wird durch den hohen Zuzug der letzten Jahre also einfach nur das Schrumpfen der deutschen Bevölkerung leicht überkompensiert.