Corona Warn-App: warum nicht obligatorisch?

Angesichts der erneut drastisch steigenden Infektionszahlen (und das, erst am Anfang des Herbstes!), hätte ich eine ehrliche Frage, und zwar:

Was spricht denn eigentlich dagegen, die Corona Warn-App für jedes genutzte und App-kompatible Handy obligatorisch zu machen? Abgesehen von der Frage der Akzeptanz in der Bevölkerung, gäbe es denn ernste verfassungsrechtliche Bedenken, die gegen ein solches Gesetz sprechen würden, insbesondere dann, wenn die Meldung eines positiven Tests weiterhin auf freiwilliger Basis erfolgen würde?

Nachteile sehe ich kaum einen, insbesondere nicht für den Datenschutz. Der Nutzen für die Allgemeinheit allerdings wäre enorm. Die Durchsetzung und Kontrolle einer solchen Maßnahme scheinen mir auch nicht unmöglich. Daher: gibt es denn einen fundamentalen Unterschied zwischen einer solchen Maßnahme, und, z.B., einer Steuerpflicht oder einer obligatorischen Autoversicherung? Zumal dieser, meiner Meinung nach minimaler Eingriff in den freien Gebrauch unseres Handys, uns andere, deutlich drastischere Eingriffe in unser Leben und unsere Fundamentalrechte (wie z.B. Freizügigkeit, Versammlungsrecht, Bars und Veranstaltungen, etc.) ersparen könnte.

Ich denke, es bringt halt nichts, es obligatorisch zu machen, weil man es nicht kontrollieren kann.
wann und wo soll das kontrolliert werden? Soll die Person, die es kontrolliert, eine laaange Liste von Handys kriegen, auf denen das Ding sicher läuft? Muss dann auch kontrolliert werden, ob man überhaupt der App die richtigen Berechtigungen erteilt hat, die zusätzlich bei jedem Handy gefühlt komplett anders gestaltet sind.
So ein Handy ist ja schon ein sehr privates Gerät. Dass da jemand meine Einstellungen kontrollieren können darf ist für mich ein krasser Eingriff in die Privatsphäre.
Was passiert, wenn ich einfach behaupte, ich hätte mein Handy nicht dabei?
Außerdem bringt das alles reichlich wenig, wenn ich dann mein Handy nicht am Körper trage und dazu kann man nun wirklich niemanden verpflichten.

Und eine Verordnung zu erlassen, die dann aber in keinster Weise kontrolliert wird ist eher kontraproduktiv, da man doch dann lernt, dass Verordnungen nicht so wirklich gelten.
Also meiner Meinung nach einfach nicht umsetzbar.
Und so wie in China, wo man seinen grünen Status vorzeigen muss, bevor man Busse, Geschäfte etc betritt, funktioniert es bei uns nicht, weil du niemanden diskriminieren darfst, weil er eben kein neueres Handy hat. Oder sein Handy nicht dabei hat.

Viel mehr sollte man meiner Meinung nach die App auf anderem Weg pushen. Wenn du einen Test machst, solltest du gefragt werden, ob du die App hast und sonst gebeten werden, sie zu installieren.
Wenn du einen sonstigen Arzttermin hast, solltest du darauf hingewiesen werden.
Wenn du dich zu einer Veranstaltung anmeldest, sollte man dich bitten, die App zu installieren und zu nutzen. Die App sollte allgegenwärtig sein. Im Moment habe ich eher das Gefühl, sie ist schon in Vergessenheit geraten.

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Das können sie im teils technikfeindlichen Deutschland vergessen. Wenn dann geht es nur mit Zwang.

Ich kenne mehrere gut gebildete Menschen, die niemals sich eine solche App installieren würde. Wenn sie denn überhaupt irgendeiner Google oder Apple AGB zustimmen, ihr Bluetooth anmachen, geschweige den je den Standortdienst aktivieren. Denen kann man 10x erklären, dass die App dezentral ist. Die wollen es nicht verstehen und sehen die App als Bevölkerungs Kontrollapp der Bundesregierung.

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Und das ist dann doch auch in Ordnung, oder?
Man kann mit Vertrauen werben, kann beschreiben das kritische zivilgesellschaftliche Organisationen an den Datenschutz-aspekten der App nichts auszusetzten haben und wem das nicht reicht, dem reicht es nicht.
Den Menschen, die nichtdestotrotz eine Kontrallapp der Regierung vermuten, die App aufzuzwingen hilft glaube ich überhaupt nicht.
Zum Einen weil es, wie oben beschrieben schwer zu kontrollieren ist (ginge vermtl. höchsten wenn man Apple /Google dazu bringt das über den Appstore zu pushen).
Vor allen aber, weil es den Menschen die diese Sorgen haben dann eben Wasser auf die Mühlen gibt und den Unfrieden in der Gesellschaft weiter anheizt.

Dagegen spricht, dass ich instant mein Smartphone verschrotten würde. Und ich mir nicht vorschreiben lasse welche Funkverbindungsarten auf meinem Gerät aktiv sind. klar kann man jetzt sagen Google installiert da auch Sachen drauf etc. etc… Aber das ist eher eine prinzipielle Frage für mich.

Danke. Ich dachte bisher, ich wäre der einzige mit diesem Gefühl. Ich war auch bereits beim Arzt und bei diversen beruflichen Terminen - nirgends nur Ansatzweise ein Hinweis. Gerade eben in der Regierungserklärung zu den neuen Maßnahmen war ich geradezu überrascht, dass sie dort Erwähnung fand.

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Vielen Dank für die Antworten!
[Sorry, man darf nur 3 Benutzer pro Kommentar erwähnen: deswegen manchmal kein @ Zeichen vorm Usernamen)

  1. Bzgl Kontrolle (@b88781612 @Zombie): ich sehe das nicht wirklich als ein Problem. Es wäre nicht schwierig ein kleines Zeichen zu schaffen, dass auch im Sperrmodus bezeugen würde, dass Kontakttracing eingeschaltet ist (z.B. klein in einer Ecke). Ein Polizist/-in könnte dann bei einer Personenkontrolle auch verlangen, dass dieses Zeichen vorgewiesen wird, wenn er/sie feststellt, dass diese Person ein kompatibles Handy mit sich führt. Eine Person könnte dann zwar behaupten, kein Handy dabei zu haben, aber nicht, wenn er/sie gerade mit Handy gesehen wurde (und das wären ja schon ein großer Anteil der Bevölkerung). (Und, ohne jetzt ins Detail gehen zu wollen: die Kompatibilität zu prüfen, scheint mir auch kein unlösbares Problem.)

  2. Bzgl. 100% Sicherheit der App (@b88781612) : die kann natürlich nur schwierig bewiesen werden, aber dadurch, dass sie open source ist, macht es sie doch wirklich transparent.

Ich sehe weder 1. noch 2. als Problem oder größeren Eingriff in unsere Grundrechte, zumal das Ausmaß dieser einen Eingriffe ja mit dem der anderen Eingriffe in unsere Grundrechte abzuwägen ist (zB Berufsausführungsverbot aller derzeit zwangsgeschlossenen Betrieben/Aktivitäten; Recht auf Schutz, z.B. für das medizinische Personal, dass gerade auch ihr Leben riskiert, etc.). Ich finde da die Abwägung doch ziemlich eindeutig. Aber es würde mich wirklich interessieren, wenn jemand dazu rechtliche Fachkenntnisse hätte.

  1. Bzgl. Misstrauen (CB87 @Vernunftbaer, Hasenkoettel ) : dadurch, dass man nicht gezwungen wäre, ein (kompatibles) Handy mit sich zu führen (siehe Punkt 1.), sehe ich auch das nicht als kritisch. Wer generell keine Ortungsdienste benutzt oder keinen Apple AGBs zustimmt, der hat in den aller meisten Fällen auch kein advanced Smartphone, und müsste somit auch nicht die App installieren/vorweisen…

Das heißt, Ihnen ist tatsächlich lieber, dass vorgeschrieben wird, wo Sie Urlaub machen dürfen, ob Sie arbeiten dürfen, mit wem und wie vielen Menschen Sie sich treffen, etc.? (Ich meine diese Frage ganz ehrlich: ich versuche wirklich den Gedankengang zu verstehen; es kann ja wirklich sein, dass unsere Prioritäten ganz andere sind… Aber zu einem Kompromiss sind wir ja so oder so gezwungen.)

  1. Bzgl. Pushen der App (@Zombie und to_bias ): das eine schliesst das andere ja nicht aus. Natürlich wäre ich dafür, dass die App auf freiwilliger Basis mehr gepusht wird. Leider aber sieht man ja, dass dies bisher nicht funktioniert, trotz stark steigender zahlen. Deswegen nun mein Vorschlag, hier nun mehr einzugreifen. Und zwar, noch einmal, nicht weil ich das toll finde, sondern weil ich diesen Eingriff als deutlich kleiner finde, als die, die gerade in Deutschland --ganz geschweige denn in Ländern wie Frankreich-- entschlossen wurden.
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Zu 1.: Der massive Grundrechtseingriff fängt doch schon an, wenn ich einfach anlasslos jederzeit von der Polizei kontrolliert werden darf.

In Hamburg wird die App z.B. intensiv im ÖPNV beworben.

Ich bin kein Jurist, aber hätte da Mal ein paar Fragen:

Die APP obligatorisch klingt verlockend, aber was willst du damit erreichen?

Es ist nunmal so, dass nicht alle Handys die APP können und das es in Deutschland auch reichlich Leute gibt die keins haben/haben wollen.

Wie stellst du dir das dann vor? Wie in China wo Zutritt nur mit APP gewährt wird?

Das wird jedes Gericht sofort wegen Diskriminierung einkassieren.

Wenn du aber die Pflicht zur APP nicht an irgendetwas koppelst, hast du bei der Akzeptanz deines Vorschlags gleich verloren.

Wie du es drehst und wendest, bleibt dir am Ende nur werben für die Nutzung. Verpflichtend geht nicht.

Ich sehe das auch als unrealistisch:
Wir deutschen geben nichtmal dem Perso einen entsprechenden obligatorisch Status.

Für eine Kontrolle des Smartphone gibts tausend Gründe das abzulehnen (zu alt, inkompatibel, nicht dabei, kein Bock, Verweigerer etc…) und es gibt keine guten Möglichkeiten das dann zu forcieren oder unter Strafe zu stellen.

Technisch ist es auch komplex, ein Wallpaper/Sperrbildschirm das auch das obligatorische "grüne Warn-App Häkchen zeigt würde dann der Renner und wenn jemand das Phone nach dem vorzeigen wieder in Alupapier einwickelt hat man auch nichts gewonnen.

Realistisch sind folgende Wege:

  1. Gruppenzwang - die Freunde/Familie hat genug Angst vor dem Virus und man wird sozial herausgedrängt wenn man die App nicht hat.
  2. Hausrecht - die Arbeit, die Unternehmen und Händler machen die App zum Gatekeeper und man kann dann gegbenenfalls Sonderkündigen (neuen Arbeitsvertrag nicht unterschreiben) oder online liefern lassen (weil man da kein privates Grundstück betritt)

Insgesamt nimmt es schon erschreckende Züge an. Wir lachen über die Maskenverweigerer in den USA - uns geht es nur noch zu gut, und sobald es schlimmer wird, werden viele von uns zu den gleichen Trotzköpfen und Egomanen.

Datenschutz und persönliche Freiheiten sind ein sehr hohes Gut, aber wenn ich einem anderen Mitmenschen das Leben retten kann (und auch nur potentiell) dann gebe ich meine Funkverbindung und Standortdaten gerne.

vg
Jörn

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Ich weiß auch nicht, wie eine Verpflichtung mit dem mobile device management von Firmengeräten vereinbar wäre.

Zum Thema „100%sicher“: kein IT-System kann 100% sicher sein, so lange Menschen darauf Zugriff haben. Sicherheit ist immer ein Prozess, in dem Lücken entstehen, aufgedeckt und geschlossen werden. Etwas anderes zu erwarten ist unrealistisch oder der Versuch eines Totschlagarguments.
Aber die App ist derart datensparsam, dass es selbst bei Sicherheitslücken eigentlich kein erkennbares Risiko geben dürfte.

Ich verstehe deine Sicht, aber ich glaube nicht, dass du das tun würdest.

Homöopathie grassiert ja auch unter formal hochgebildeten. Manche Bildung ist halt auch eher Einbildung…

Homöopathie, Strahlung und Überwachung…Joa…die Klassiker hier im Schwabenland.

Ich versuche mich mal ganz vorsichtig auszudrücken, weil die Juristerei nicht mein Steckenpferd ist.

Mir schwirrt auch seit Tagen der Gedanke im Kopf rum, dass eine obligatorische Nutzung der App uns helfen würde.

  1. Wenn man nur bei 25% der Infizierten weiß wo diese sich angesteckt haben, muss mE ganz dringend dran gearbeitet werden, wo die letzten 75% her kommen!!! Ok ein Lockdown light hilft das Problem zu lösen, aber das ist nunmal die Holzhammermethode (wie oft wollen wir das diesen Winter machen?) Die App könnte und sollte dabei helfen. Dafür müssen alle die App nutzen und Ergebnisse dieser müssen ordentlich ausgewertet werden.

  2. Kann man in einem lockdown light als Bonus einführen, dass Leute mit einer funktionstüchtigen App Restaurants besuchen und in Veranstaltung gehen dürfen. Das Infektionsgeschehen könnte man dann nachhalten und wer nicht die App hat und will, Tja der ist im lockdown light wie gerade jeder von uns… dieses hätte Vorteil für die jetzt schließenden Betriebe aber auch evtl. Weniger Verbreitung → Punkt 3.

  3. Ich glaube auch, dass bei diesen lockdown light sich immer noch viele bzw jetzt mehr Leute zu Hause treffen werden (unkontrollierte Übertragung, weil kein Hygienekonzept, eng, wenig lüften, versacken bis tief in die Nacht). In einem Restaurant mit Hygienekonzept könnte man sowas glaube ich besser kontrollieren. Die Leute haben bisschen Abstand, man sitzt nicht bis tief in die Nacht, es wird mehr gelüftet - es wäre glaube ich alles etwas kontrollierter/ „gesitteter“

Das so paar Ideen von mir, die mE sinnvoller wären als dieser Lockdown. Wie das bezüglich Grundrechten aussieht kann ich leider nicht beurteilen - vielleicht müsste man aber hier den Fokus mal etwas schifften in Richtung mit Corona leben bis ein Impfstoff da ist.

Auf Google Geräten besteht per Design ein Konflikt mit der DSGVO: DLF 25.07.2020

Auf meinem Android Smartphone kann ich die App zwar installieren, ist aber nicht lauffähig, da statt „Google Play Services“ die datenschutzfreundliche Alternative „microG“ installiert ist, welche die technische Modifikation für Corona Warn App noch nicht implementiert hat (…die arbeiten aber wohl daran).

Ich denke unsere Regierung sollte von Google eine technische Änderung an Android fordern, die Unabhängigkeit der Warn App von Goolge Play Services ermöglicht → dann klappt’s auch mit dem Datenschutz und die App würde vermutlich auch auf älteren Geräten laufen.

Da viele Android Geräte keine (Hersteller-) Updates bekommen, gab es ja eben die Lösung über die auf (fast) jeden Gerät vorhandenen Services. Die Nutzung der CWA führt soweit man weiß nicht dazu das mehr Daten (an Google) gesendet werden, ist also aus Datenschutzsicht vollkommen unerheblich. Die Notwendigkeit für die nicht offenen Services ist für datenschutz-besorgte Bürger ärgerlich - aber dieser Anteil ist auch unerheblich für die Bekämpfung der Pandemie. Die App läuft auch nicht auf mehr technisch veralteten Smartphones, nur weil die Schnittstelle offen ist - oder?

Die App ist datensparsam. Für die gewünschte Funktion ist aber nicht App das zu betrachtende System, sondern: App + Google Play Services (=Funkzentrale zu Google Server auf Telefon, closed source) + Telefon mit aktivierter feingranularer Geolokalisation.

Offensichtlich kann Google mithilfe der Corona Warn App feingranulare Bewegungsprofile von vielen Millionen neuen Nutzern erstellen (ohne deren Wissen oder bewußter Einwilligung). Ein Angriff auf die informationelle Selbstbestimmung. Und das soll nun für alle Bürger zwangsverordnet werden? Bitte nicht!

Gegenvorschlag: Google dazu zwingen…

  • den Quellcode der Play Services ab jetzt offenzulegen (damit es mit gleicher Akribie auditiert werden kann wie die Warn App) …ODER…
  • die technische Abhängigkeit zu Geolokalisation und Google Play Services aufzulösen.

weiter interessiert?
Überwachungskapitalismus, Deutschlandfunk 20.10.2018
DSGVO Konflikt, Deutschlandfunk 27.07.2020

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