Ich finde in LdN 241 wurde eine gute Neubetrachtung des Grundrechtethemas vorgenommen, die einen sachlichen Diskurs ermöglicht. Generelle Anerkennung eines berechtigten Ungerechtigkeitsempfindens dürfte ein prima Schritt gegen das „Sich-vergessen-Fühlen“ sein. Im weiteren Verlauf konnte man dann den Eindruck gewinnen, dass die Krise nun vorbei sei (hoher Anteil Sprache in Vergangenheitsform, bspw „Kinder, Familien waren Schiebemasse…“, „Die Last landete bei den Familien…“) und insofern schlüssig wurde dann ein Brückenschlag zum Langfrist-Krisenfolgenbewältigungsvorschlag der Linken hergestellt.
Angenommen die Krise wäre in acht Wochen vorbei und Alle könnten ihre Grundrechte ausleben, dann gäbe es womöglich kein ernsthaftes Problem. Vielleicht auch nicht bei 12 Wochen. Und bei 16 Wochen? Oder bei 20 Wochen?.. Je weiter man dieses fiktive Datum gedanklich in die Zukunft schiebt desto mulmiger wird bei mir das Gefühl, dass sich aus der faktischen Freiheitsungleichheit häßliche gesellschaftliche Effekte ergeben könnten.
Viele Familien mit Kindern unter 12 Jahren haben noch Last zu tragen. Denen hilft eine auf 20 Jahre ausgelegte Solidarmaßnahme nix, die bräuchten etwas mit Gegenwartsbezug (und sei es einfach nur Teststationen vor den Schwimmbädern und Zoos…). Eine Impfung ist für sie ebensowenig greifbar wie eine Sicherheit, dass wir keine Escape Mutanten mit neuen Wellen und neue Impfkampagnen erleben - samt erneutem Hintanstellen versteht sich. Das Risiko bei sommerlichen Temperaturen mit einem Dreijährigen eine Zweizimmerwohnungsquaränte zu erleben ist für Einige real - der Gedanke als Präventivmaßnahme die Kinder nicht in Schulen/Betreuungseinrichtungen mit Testungen zu geben liegt da nicht fern…Oder sich seine Freiheit eigenmächtig zurückzuerobern… Vielleicht sollte man sich doch nochmal Gedanken machen, wie man solche Menschen bei der Stange hält, vielleicht braucht man sie ja nochmal (vielleicht gebietet das aber auch einfach nur der Anstand).
Die Pandemie ist nach meiner Wahrnehmung nicht zuende, sie geht in eine neue Phase über. Wenn absehbar nicht mehr die Überlastung des Gesundheitssystems oder erschreckend hohe Todeszahlen ein Risiko darstellen könnten, welches Endekriterium sollte greifen? Welche Güter wären denn dann gegeneinander abzuwägen? Was ist denn in der Phase ein sinnvolles und vermittelbares Ziel? Dürfen die beiden Gruppen (Unimmunisierte | Immunisierte) gegenseitig etwas voneinander erwarten? Wie schätzt ihr das Risiko der Bildung einer Zweiweltengesellschaft ein?
Fänd’ ich schön dazu einen Lagebericht aus dem neuen Blickwinkel heraus zu bekommen.