Ich habe gerade die Folge 238 gehört und die Diskussion zum Thema CO2-Reduktion durch Moore und Wälder. Hierzu möchte ich gerne anmerken, dass es nicht korrekt ist eine CO2-Reduktion durch Aufforstung mit der CO2-Vermeidung durch z.B. die Verbrennung weniger fossiler Brennstoffe gleichzusetzen.
Bei der CO2-Reduktion durch Aufforstung wird CO2, welches nun Teil des CO2-Kreislaufes der Atmosphäre ist, nur temporär in Biomasse (Bäumen) gebunden und nach Absterben des Baumes wieder in nicht unerheblichen Mengen in die Atmosphäre abgegeben. Lediglich Moore können hierbei als ein längerfristiger Speicher des CO2 verstanden werden.
Somit ist die Vermeidung des CO2-Ausstoßes durch die Verbrennung fossiler CO2-Speicher wie Kohl oder Öl wesentlich signifikanter wenn es um die Einsparung von CO2-Emissionen geht!
Da bin ich auch drüber gestolpert. Das ist so ein bisschen so, als würde man Stromerzeuger (Bsp. Solaranlage) mit einem Strom-Speicher gleichsetzten. Klar, die Anlage kann so einbisschen laufen, aber wenn der Speicher voll ist, dann muss der Strom woanders hin. Also solange die Biomasse der abgestorbenen Bäume nicht auf eine Art verwendet oder eingelagert wird, sodass kein CO2 remitiert wird, finde ich es falsch die Reduktion von CO2 Emmissionen mit der Einspeicherung von CO2 durch Biomasse gleich zu setzten. Denn das eine sagt etwas über den jährlichen Ausstoß aus und das andere über einen einmaligen reduzierenden Effekt (Selbst wenn der natürlich über einige Jahre des Wachstums wirksam ist). Was anderes wäre es, wenn wir das CO2 tatsächlich einsammlen und so weiterverwenden würde, dass es nie mehr als CO2 in die Atmosphäre gelangt (Bsp.: Power to Fuel und dann Einlagern oder CO2 to Plastics) und das eben auch mit einem Durchsatz der über die Zeit wachen kann und nicht davon abhängt, dass irgendwann alle Lager einfach voll sind. Denn genau diese EInschränkung gilt eben aktuell für die CO2 Verursacher nicht, die können grob so lange emittieren wie es nur irgendwie Nachfrage nach etwas gibt.
Also in meiner naiven Vorstellung ist das so: wenn ein Wald neu aufgeforstet wurde auf einer Fläche, die vorher Wiese war, dann schluckt der Wald während er wächst CO2, und irgendwann ist er „ausgewachsen“, dann beginnt das mit dem Absterben alter Bäume irgendwann, und dabei wird auch wieder ein Teil CO2 freigesetzt. Aber: erstens verschwindet der Wald ja nicht, sondern es wachsen einfach neue Bäume, wo alte absterben (die dann in der Wachstumsphase wieder viel CO2 in ihrer Biomasse speichern), und zweitens „atmet“ der Wald ja auch weiterhin CO2 weg, wenn auch netto weniger, da dieser Betrag etwas gesenkt wird durch die Freisetzung früher eingelagerten CO2s.
Wenn man das halbwegs kompetent berechnet, dann sollte man so einen Wald problemlos über lange Zeithorizonte quantitativ korrekt in jährliche CO2-Budget-Rechnungen einbeziehen können. Macht man das, ist eine durch einen Wald aus der Atmosphäre geholte Tonne CO2 meiner Meinung nach absolut gleichwertig mit einer gar nicht erst durch Verbrennung fossiler Brennstoffe freigesetzten Tonne.
Wo kommen außerdem die fossilen Brennstoffe alle her? Aus Wäldern! Das beweist doch, dass Wälder langfristig gesehen immer eine Senke für CO2 sein werden, dass also eventuell während ihrer Lebenszeit wieder freigesetztes CO2 immer weniger sein muss als zuvor eingelagerte Mengen. Das muss man jetzt nur korrekt auf jährliche Budgets umrechnen (da schwankt der Beitrag eines Waldes dann über die Zeit).
Ich denke da hast du einen Denkfehler. Angenommen ein neuer Wald wird gepflanzt und nimmt 100 tonnen CO2 auf über sagen wir mal hundert Jahre. Soweit schonmal gut, klar. Dann sterben die ersten Bäume und setzten wieder CO2 frei, sagen wir mal 1 tonne. An der selben Stelle wächst wieder die selbe Anzahl Bäume, können jetzt aber dennoch nicht mehr CO2 aufnehmen, binden also auch wieder nur ungefähr 1 tonne CO2. D.h. die Speicherkapazität dieser Fläche ist nach hundert Jahren mit 100 tonnen gebundem CO2 voll und wird dann auch nicht mehr größer.
Da ist natürlich etwas dran. Teile des Kohlenstoffes in dem Baum werden nicht wieder zu CO2, sondern werden zu Biomasse im Boden. Genau weiß ich es natürlich nicht, aber ich habe bisher immer den Eindruck, dass dieser Effekt nicht besonder groß ist. Also stimmt im großen und ganzen schon: „Ein Baum stirbt und setzt die über seine Lebenszeit gespeicherte Menge an CO2 auch wieder frei“. Ein neuer Baum kann diese natürlich wieder binden, aber eben nicht mehr. In Mooren ist das was anderes, da dort tätsächlich sehr viel Kohlenstoff eingelgert werden kann, ohne dass daraus wieder CO2 wird. Das ist aber auch schon da einzige, was wir in einem halbwegs vernünftigen Zeitrahmen hinbekommen. Oder willst Du etwas sagen, dass wir ja nur ein paar tausend Jahre warten müssen, bis der Wald wieder zu Kohle geworden ist?
Ich störe mich auch etwas an der Sicht, dass man die Einsparung von CO2 mit dem „rausziehen“ von CO2 aus der Atmosphäre gleichsetzen kann. Allgemein ist Net Zero bei den CO2 Emissionen schon lange ein Wunschdenken der Regierungen, die, was zahlreiche Studien immer wieder zeigen, nach dem aktuellen Stand der Technik nicht machbar sind. Die Vorstellung, CO2 durch Aufforstung zu kompensieren ist im kleinen sicherlich korrekt, aber in größeren Skalen nicht machbar. Auch andere Konzepte wie das auffangen von CO2 bei Gas- oder Ölbohrungen und dann ein anschließendes zurückpumpen in den Boden, wo es dann gespeichert wird, sind zwar theoretisch denkbar aber praktisch in der notwendigen Größenordnung nicht umsetzbar. Ein riesiges Problem bei der aktuellen Klimapolitik (weltweit, aber auch in Deutschland und der EU) ist, dass mit Zukunftstechnologien gerechnet wird um die Bilanz zu schönen und uns ein gutes Gefühl zu geben, dass die Technologie es schon richten wird. Leider sind diese Technologien oft noch gar nicht ausreichend erforscht bzw. ist oft auch komplett unklar, was solche Ansätze eigentlich mit dem Rest der Umwelt machen würden (z.B. carbon capture in großem Stil im Boden).
Richtig ist, meiner Meinung nach, dass solche carbon capture Ansätze in einigen Bereichen durchaus ihre Berechtigung haben. Darauf aber großflächig zu setzen und große Bereiche des eigenen Klimabudgets damit zu schönen ist denke ich unehrlich und nicht der richtige Weg.
(zu dem Thema sehr zu empfehlen ist folgender Artikel von drei Klimaforschern aus England und Schweden: Climate scientists: concept of net zero is a dangerous trap)
Zum Thema Stahl / Eisen / Wasserstoff:
Euer Erklärungsversuch war hier etwas missglückt, daher mein Versuch:
Eisenerz (Fe2O3) wird im Hochofen zu Eisen (Fe) durch die „Entfernung“ des Sauerstoff (O).
Der Hochofenprozess macht das mit Hilfe von Koks (gebacken Kohle) einerseits für die Wärme andererseits für das bei der Verbrennung entstehende Kohlenstoffmonoxid (CO). Zusätzlich bleibt fester Kohlenstoff (C) übrig ~ 4%
Fe2O3 + 3 CO → 2 Fe + 3 CO2
Hier kommt der Wasserstoff (H) ins Spiel, denn das Reduktionsergebnis ist nun nicht mehr CO2 sondern Wasser (H2). Hier muss Wärme zusätzlich zugefügt werden.
Fe2O3 + 3 H2 → 2 Fe + 3 H2O
Stahl ist erstmal Eisen mit <2% Kohlenstoffanteil, je nach Sorte mit Zusatzstoffen legiert.
Das Eisen aus dem Hochofen wird dafür nochmal erwärmt und mit Sauerstoff angepustet, da entsteht nochmal CO2, allerdings weniger als im Hochofen.
Bei der Direktreduktion mit Wasserstoff entfällt dieser Schritt.
Das ist mir auch aufgefallen.
Im Wesentlichen ist hier wichtig:
Von der zu Grunde liegenden chemischen Reaktion her gesehen lässt sich Stahl mit Wasserstoff weitgehend CO2 neutral herstellen.
Im Gegensatz dazu ist das z.B. bei der Herstellung von Zement nicht möglich, hier wird unabhängig von der Ernergiezufuhr fossiles CO2 aus den Rohstoffen (Kalk = Calciumcarbonat) freigesetzt.
Es stimmt, dass durch das Schaffen neuer Flächen für Wälder und durch die Wiedervernässung von Mooren CO2 aus der Atmosphäre gebunden werden kann, solange diese Biotope neue Biomasse aufbauen, also wachsen. Ich erinnere mich an Folien aus meinem Geographie-Studium, die gezeigt haben, dass ausgewachsene Wälder hingegen fast klimaneutral sind, also genauso viel CO2 ausstoßen, wie sie aufnehmen. Es muss also darum gehen, zusätzliche Wälder und Moore zu schaffen, während man gleichzeitig alte erhält und pflegt.
Das Problem daran, die natürlichen Senken plötzlich mit einzuberechnen, ist aber, dass man als EU den selbst gesteckten Zielen auf einmal schon viel näher scheint als vor der Änderung der Rechenmethode. Man könnte sagen, dass eine solche Änderung der Rechenmethode ohne entsprechend angehobene Selbstverpflichtungen Greenwashing und sogar ein Rückschritt in Sachen Klimapolitik wäre.
Nun hat die EU ihre Ziele ja tatsächlich angehoben, weshalb es trotzdem eine „Verbesserung“ in Sachen Klimaschutz darstellt - trotz veränderter Rechenmethode (in der Wirkung 52,5% im Vergleich zu 40% davor). Ich finde es aber korrekt von Greenpeace, die Änderung der Rechenmethode zu thematisieren, denn 65% Reduktion wären aus ihrer Sicht vor Änderung der Rechenmethode nötig gewesen. Mit der neuen Rechenmethode müsste man demnach eher 67,5% einsparen, was bedeutet: Die EU hinkt mit ihren Zielen noch weiter hinterher, als es zunächst den Anschein hat. Und das ist das eigentliche Problem - nicht die Änderung der Rechenmethode.
Diese Diskrepanz zu dem, was global eigentlich nötig wäre, wird mir in den Medien bisher leider viel zu schwach thematisiert. Es heißt häufig: „Umweltverbände fordern mehr“ oder „für 1,5 Grad wäre mehr nötig“. Wieviel mehr eigentlich nötig wäre, bleibt dabei recht unkonkret, und es stellt sich der Einsruck ein, dass die Erhöhung der Selbstverpflichtungen schon in Ordnung war.
Wie weit weg wir wirklich von dem entfernt sind, was eigentlich nötig wäre, ist auf der Seite EU | Climate Action Tracker sehr schön dargestellt. Dort sieht man, dass minus 65% vor der geänderten Rechenmethode ganz vielleicht für 2 Grad gereicht hätte. Wenn man hingegen 1,5 Grad Erwärmung am Ende dieses Jahrhunderts einhalten wollte, müsste man um mehr als 85% reduzieren bis 2030. Das heißt: Die Zahlen, die in der Diskussion auftauchen sind viel zu niedrig. Und Ich frage mich, ob das System hat.
Zur Machbarkeit von CO2 Reduktion gibt es seit letztem Jahr die Metastudien des Wuppertal Instituts für Fridays for Future und das sehr gut lesbare Handbuch Klimaschutz. Die legen nahe, dass es nicht einfach ist, dass aber noch mehr Klimaschutz (auch bis 2030) sicher möglich und auch finanziell sinnvoll wäre. Ich finde, der Diskurs muss jetzt ganz klar in die Richtung gehen, dass wissenschaftlich gesehen, wesentlich stärkere Anstrengungen von uns nötig wären, damit wir Wege finden, die Pariser Ziele zu erreichen, ohne wieder andere Staaten zu unterdrücken, indem wir Ihnen die Klimapolitik aufbürden, die wir selbst nicht rechtzeitig hinbekommen.
Meinetwegen kann man über Klimaneutralität bis 2040 oder sogar 2050 reden, aber nicht ohne aufzuzeigen, wie man gleichzeitig in allen anderen Ländern der Welt die Energiewende und CO2 Senken finanziert, die dadurch nötig sind, dass andere Länder wegen unserem langsamen Tempo noch viel schneller CO2 neutral werden müssten.
Ist mir auch sofort aufgefallen. Um das kurz zu fassen, um den CO2 Gehalt in der Athmosphäre zu stabilisieren gibt es zwei Prämissen:
- Den oberirdischen C-Kreislauf in Balance halten. („So viele Bäume pflanzen, wie man verbraucht.“)
- Die unterirdischen C-Reserven aus dem oberirdischen Kreislauf raus halten. („Keep it in the Ground!“)
Um die Industrielle Revolution zu kompensieren, gibt es eine dritte Prämisse:
3) C dauerhaft aus dem oberen Kreislauf entnehmen und sicher verwahren. (CCS - Cabon Capture and Storage)
Die Nettoemission von fossilen(!) Klimagasen ist da aussagekräftiger. Da CCS noch nicht so weit ist, dürfte die der absoluten fossilen Emission entsprechen.
Nun ja, ich persönlich finde es aber umgekehrt auch nicht korrekt von Greenpeace, die Möglichkeit der technischen CO2-Abscheidung komplett unter den Teppich zu kehren und derartige Ansätze in „ihrer“ bevorzugten Rechenweise komplett zu ignorieren. Denn auch das ist ein Ergebnis der Änderung der Rechenmethode: jegliche Art, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen, wird der Verhinderung des Ausstoßes dieses CO2 gleichgestellt. Nicht nur „natürliche“ Wege wie die diskutierte Anlage neuer Wälder, auch bereits bekannte und noch zu entwickelnde technische Verfahren.
Wirtschaftliche Anreizsysteme sind die mächtigsten Motivatoren und Lenkmechanismen, die wir als Gesellschaft kennen. Weit mächtiger als die Ideale, die Greenpeace vertritt und die sie vermutlich dazu motiviert haben, diese Änderung der Rechenweise „aus Prinzip“ anzukreiden (denn die Kritik bezüglich „die Zielerhöhung ist nicht weitreichend genug“ haben sie ja separat und klar in genau dieser Form gebracht, man muss also nicht mehr annehmen, dass das der Hintergrund der Kritik an der neuen Rechenweise ist, denn wozu einen Kritikpunkt, den man klar formuliert, nochmal indirekt verklausuliert aufbringen?). Es ist daher wichtiger, dass die wirtschaftlichen Anreize zur (Weiter)entwicklung von CO2-Abscheidungtechnologien vorhanden sind, als dass man hier Greenpeaces’ Prinzipienreiterei folgt. Und vor dem Hintergrund einer zunehmenden Besteuerung von CO2-Ausstoß sowie der Realität, dass gewisse Industrien aktuell und auch absehbar keine Chance haben werden, jeglichen Ausstoß zu vermeiden, weil der nun mal unvermeidbarer Teil mancher chemischer Prozesse ist, ist dieser wirtschaftliche Anreiz nur dann gegeben, wenn ich alternativ zur Vermeidung von CO2-Ausstoß auch einen unvermeidbaren Ausstoß anderweitig durch Entfernung derselben Menge kompensieren und so denselben wirtschaftlichen Vorteil erlangen kann.
Die meisten meiner Vorredner haben schon viele Zusammenhänge angesprochen, allerdings ergibt sich für mich noch folgende Diskrepanz:
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Die Wälder in Europa sind ein Nullsummenspiel da diese genutzt/verbraucht werden. Sei es als Baustoff oder Brennstoff, sie werden in relativ naher Zukunft verbrannt und das gebundene CO2 wird wieder frei gesetzt.
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Die absolute Menge an CO2 in der Atmosphäre nimmt mit jedem verbrauchten fossilen Brennstoff zu!
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Um die Freisetzung von fossilen CO2 zu stoppen müssten wir auf die meisten Errungenschaften unserer „Zivilisation“ verzichten.
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Die Natur hat Jahrmillionen benötigt um den Kohlenstoff „unter die Erde zu schaffen“, wir Menschen haben ca. 150 Jahre benötigt um eine wahnsinnig große Menge davon wieder frei zusetzen. Dass dies Auswirkungen hat müsste eigentlich jedem klar sein.
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Die meisten propagierten Maßnahmen sind Rechentricks. Um eine Klimakatastrophe zu verhindern müssten wir die absolute Menge an CO2 in der Atmosphäre stabil halten oder sogar reduzieren da schon Mechanismen in Gang gesetzt sind die sich selbst beschleunigen (Freisetzung von CO2 im Permafrostboden der auftaut).
Hier noch ein Beispiel für den Wahnsinn was mit unserem Holz passiert.
CCS wurde/wird bereits in großem Stil seit Jahrzehnten gemacht. Nur nicht, um das CO2 zu speichern, sondern um Erdöl zu gewinnen. Hierfür hat CO2 nämlich sehr vorteilhafte Eigenschaften. Die Forschung dazu ist auch angelaufen, doch wurde das Thema dann gestopt, da der öffentliche Widerstand zu groß war. Dann hat man die Förderung eingestellt und die Idee als nicht umsetzbar verworfen.
Was man bei der Aufforstung mit beachten muss: Ein neu gepflanzter Wald bindet erst mal kein CO2 sondern benötigen dafür Jahrzehnte. Wenn ich also einen Wald pflanze muss ich die „CO2 Einsparung“ über Jahrzehnte in meiner Bilanz abschreiben. Will ich also langfristig emittieren und durch Aufforstung kompensieren, muss ich jährlich Wald zupflanzen und minimal abholzen. Wald von den Alpen zur Nordsee wäre dann langfristig die Aussicht von einem Netto-Null.
Ein zweiter Punkt: Die jährliche Abschreibung des tatsächlich gebundenen CO2 ist wichtig. Es wäre fatal wenn wir 2030 Wald für eine GT CO2 pflanzen und direkt emittieren, obwohl im ersten Jahr vllt nur 1MT gebunden wird. (Zahlen sind random, ich weiß nicht wie das genaue Verhältniss ist) Die Zukunft mit einzupreisen ist beim Klimawandel eben nicht möglich.
Hallo an alle Vorredner,
hier sind schon viele gute Punkte erwähnt worden, die Ulf und Philipp hoffentlich nochmal klar stellen. Denn in der Summe erreicht ihr Podcast bestimmt eine Menge Hörer*innen, die sich nicht ganz so tief in die Materie eingearbeitet haben.
Das Thema netto wird schon sehr lange kontrovers diskutiert. Ursprünglich war es ein Lobby-Trick der fossilen Industrie, inzwischen leider traurige Realität. Fast kein Szenario des IPCC kommt auf 1,5°-2°C, ohne eine Form der Kohlenstoffspeicherung. Es gibt hier auch, teilweise dramatische, Aufrufe von Wissenschaftlern. Letzten Endes zockt man hier mit den Lebensgrundlagen von uns allen. Im besten Fall geht die Rechnung gerade so auf (zumindest kurzzeitig), im schlimmsten Fall werden die geplanten Ziele nicht erreicht, mit den bekannten Folgen.
Aufforstung, was hier von Philipp und Ulf erwähnt wird, ist sicherlich eine Möglichkeit, allerdings stellen sich hier eine Reihe von Problemen, die hier im Forum auch schon richtig erwähnt worden sind.
Was mir, neben der zeitlichen Auflösung der Reduktion noch fehlt, ist die Überprüfbarkeit von tatsächlich realisierten Reduktionen. Hier kann ich auch einen Artikel empfehlen, wie das teilweise in der Realität gehandhabt wird: ZEIT ONLINE | Lesen Sie zeit.de mit Werbung oder im PUR-Abo. Sie haben die Wahl.
Zudem kommt es, wie bei versch. Anrechnungsmechanismen im EU-ETS immer wieder zu Mehrfachanwendungen, Schummeleien und Mitnahmeeffekten.
Die Technologie, auf die sich in den meisten Energiesystemmodellen bezogen wird, um Emissionen zu reduzieren, ist BECCS, bioenergy with carbon capture and storage. Diese Technologie ist, zusammen mit DACCS, Direct Air Capture with Carbon Storage, die einzige Technologie außer der Aufforstung, die tatsächlich in derLage sein wird, in relevanten Mengen tatsächlich auch sog. negative Emissionen zu erzeugen.
Das Problem mit DACCS ist letztlich der hohe Energieverbrauch und die hohen Kosten. Die Energie muss natürlich aus Erneuerbaren Energien kommen, aber gerade für Energiesystemmodelle ist das nicht sonderlich attraktiv. In der Realität werden in Zukunft wahrscheinlich Anlagen gebaut werden, da wir die anvisierten Ziele massiv überschießen werden.
BECCS ist zwar potentiell attraktiv, aber bringt massive Probleme mit der Landnutzung mit sich. Manche Studien bescheinigen der Aufforstung deswegen eine bessere Klimawirkung.
BECCS wird in vielen, vielen Studien spätestens ab 2035 eingesetzt, ist aber bisher noch technisch nicht ausgereift. Das macht mir erhebliche Sorgen, da man damit den wirklich wichtigen Punkt, die Reduzierung von Emissionen, unterschätzt.
Aus meiner Sicht sieht es wie folgt aus. Man ist dem Konzept der negativen Emissionen so lange auf den Leim gegangen und hat mit ernsthaften Maßnahmen so lange gewartet, das man eigentlich nicht mehr ohne auskommt. Dabei stehen die Chancen, dass diese Technologien wirklich ein Game Changer sind, wirklich schlecht.
Das ist umso trauriger, da wir im Moment in vielen Bereichen echte technologische Durchbrüche in vielen Bereichen sehen, in denen vor 10 Jahren noch nicht viel Hoffnung bestand: E-Mobilität, Wärmepumpen, PV und Wind auf dem Vormarsch. Wenn man jetzt mutig handeln würde, könnte es noch möglich sein, die Ziele ohne negative Emissionen zu erreichen. Aber in 10 Jahren definitiv nicht mehr.
-55% bis 2030 = -8,5% pro Jahr > 1x Coronaepdiemie
Hallo,
ich finde es immer interessant, sich Ziele bis X (hier 2030) auf ein Jahr runter zu rechnen.
Dabei kommt heraus: 55% weniger Emissionen bis 2030 (also in 9 Jahren) bedeutet … 8,5% Senkung pro Jahr. Das ist nicht einmal so viel wie Senkung die wir 2020 wegen des Wirtschaftseinbruch durch Corona hatten. Ein bisschen überspitzt formuliert könnte man also sagen: nicht einmal eine zusätzliche Coronaepidemie jedes Jahr bis 2030 würde reichen um diese Ziele einzuhalten.
Fazit: So schön sie auch sind, diese Ziele werden niemals eingehalten werden… (Trotzdem freue ich mich sehr über deren Annonce, wenn sie denn die Klimapolitik voranbringt.)
Grüsse!
Danke für die Antwort! Ich hatte mich damals auch gefragt, warum Greenpeace darauf herumreitet und hatte gedacht, dass es vielleicht darum ging, zu verdeutlichen, wie weit wir tatsächlich von unserem Soll entfernt sind.
Wegen der Anreize, die Sie genannt haben und die auch in der Lage selbst angesprochen wurden, war das aber wohl sehr ungeschickt von Greenpeace, weil es gute Gründe dafür gibt, die Berechnungsmethode anzupassen.
Wie gesagt, sehe ich in der Berechnungsmethode auch kein Problem, sondern in der Diskrepanz zwischen dem, was wir tun und dem was wir tun sollten, aber darauf ist in dieser Runde noch niemand eingestiegen.
Ich stimme den bisherigen Beiträgen voll und ganz zu. Vieles ist bereits gesagt. Auch ich möchte den Wert von Wiederaufforstungsprojekten nicht in Abrede stellen - sie sind wichtig und zukunftsweisend - , allerdings gibt es aus meiner Sicht auch hierbei, wie so oft, kritische Punkte, die diskutiert werden sollten.
Zum einen bezeichnen sich immer mehr Unternehmen nur durch Kompensation - meist in Form von Aufforstungsprojekten - als klimaneutral. Das erweckt zunächst den Anschein, sie würden keine Treibhausgase mehr ausstoßen, was nicht der Fall ist. Durch Verbrennung fossiler Energieträger wird über Jahrmillionen gebundenes CO2 in den atmosphärischen CO2-Haushalt der Erde eingeleitet, während die Kompensation über eine Eins-zu-eins-Verrechnung mit - wie die bisherigen Beiträge schon dargelegt haben - deutlich flüchtigerer CO2-Bindung erfolgt.
Im Bereich der Klimakompensation entsteht derzeit eine neue Branche, die nebenbei aufgrund ihrer noch fehlenden Aufsicht/Regulation auch anfällig für Betrug ist. Problematisch an diesem Ansatz ist aus meiner Sicht nicht nur, dass dauerhaft gebundenes CO2 durch vergleichsweise flüchtig gebundenes CO2 kompensiert wird, sondern dass durch Entwaldung von z. B. Regenwäldern gleichzeitig ein viel wertvollerer, wenn auch ebenfalls eher flüchtigerer CO2-Speicher, zerstört wird. Der Schutz von Urwäldern kann aber leider viel schlechter argumentativ zur Kompensation herangezogen werden, weil hier nicht wirklich ein aktiver Part wie zum Beispiel das Pflanzen neuer Bäume gegeben ist und entsprechend für ein Zertifikat vergütet werden könnte. Dabei wäre zunächst der Schutz der bestehenden Wälder aus meiner Sicht viel effizienter. Klar, man muss erstmal loslegen und beides tun, bestehende Speicher schützen und neue anlegen, aber CO2-Kompensation kann aus meiner Sicht nicht die einzige Lösung sein, solange es keine effiziente Methode gibt, CO2 gleichwertig zu fossilen Energieträgern zu binden.
Ein, wie ich finde, spannender Punkt ist in dieser Diskussion, dass Bäume von bestimmten Pflanzinitiativen z. T. an ihrem Wachstumsmaximum bewusst gefällt und für den Hausbau oder andere Zwecke genutzt werden, da so Platz für neue Bäume frei wird und das im Holz gebundene CO2 länger aus dem Kreislauf genommen werden kann als würde der Baum nach und nach seinem natürlichem Ende entgegengehen.
Alles in allem ein sehr komplexes aber auch spannendes und wichtiges Thema, denn kein Problem dieser Zeit, hat aus meiner Sicht so weitreichende Folgen wie der Klimawandel.
Zu der Frage, mit welchen Maßnahmen wir unseren Treibhausgasausstoß verringern können, möchte ich noch einmal das Handbuch Klimaschutz empfehlen: https://handbuch-klimaschutz.de/
Hier wird weitgehend von Szenarien ausgegangen, nach denen wir kaum unser Verhalten ändern müssen und in denen es trotzdem gelingt bis zum Jahr 2038 komplett emissionsneutral zu sein. Es gibt Maßnahmen in den Bereichen Industrie, Energieerzeugung, Hauswärme etc., die keinesfalls die Aufgabe der Errungenschaften unserer Zivilisation bedeuten. Auch so eine positive Zukunft ist möglich - sie ist nur sehr viel Arbeit.
Tatsächlich hat gerade jetzt am 26.04. auch die erste Sitzung des Bürgerrats Klima in Deutschland stattgefunden, wo 160 zufällig ausgewählte Bürger*innen die Aufgabe haben, Maßnahmen für das Erreichen der Pariser Klimaziele für Deutschland zu diskutieren und zu empfehlen: Klimaschutz in Deutschland: Bürgerrat Klima nimmt Arbeit auf | tagesschau.de
Die wissenschaftlichen Inputs für diesen Prozess sind wirklich hochkarätig, und man kann große Teile des Prozesses online nachschauen auf ihrer Webseite: Sitzung 1 | Bürgerrat Klima
Ich bin also gespannt auf die Ergebnisse dieses Prozesses.
Vllt sollte man auch mal die Relationen beachten:
Wir müssen pro Jahr ~5Gt CO2 aus der Atmosphäre entfernen wenn wir ein Net-zero erreichen wollen. Die gesamte Photosynthese Leistung an Land heute beträgt 3.4Gt CO2. Man müsste also den Photosynthese Umsatz um einen Faktor 2.5 nach oben fahren. (2.5 mal alle Wälder, Felder, Wiesen etc zusammen!) und die entstehende Biomasse oder zumindest den darin enthaltenen Kohlenstoff dann ohne sie zu essen oder verbrennen „wegschließen“.
Zu den antropogenen Quellen kommt, dass wir zusätzlich noch die bereits aktiven Feedback-Loops brechen müssen, also zum Beispiel das CO2 Äquivalent des austretenden Methan der tauenden Permafrostböden zusätzlich einfangen müssten.
Hallo,
die Ziele beziehen sich immer auf das Basisjahr 1990. Im Jahr 2020 hatten wir eine Reduktion von circa 42 % erreicht, das heißt in den nächsten 10 Jahren ist eine Reduktion um circa 13% geplant, das sind 1,3% pro Jahr. In den 20 darauf folgenden Jahren müssen dann die restlichen 45% eingespartwerden, also eine jährliche Reduktion um 2,25 % pro Jahr. Wenn man den eine gleichmäßige Reduktion annimmt, dann müsste das 2030er Ziel bei circa 62% liegen.
Die Ziele sind selbstverständlich zu erreichen. Nur leider sind sie viel zu niedrig.