Liebe Lage,
bitte setzt euch mal mit dem Thema Rückzug aus der Gasversorgung auseinander. In der vorletzten Lage habt ihr schon sehr interessant das Thema Geothermie und Fernwärme aufbereitet, auch die Wärmeplanung, das Heizungsgesetz und Wärmepumpen waren schon öfter Thema in der Lage (so wie überall).
Sich mit den Lösungen zu beschäftigen ist alles schön und gut - ABER: Noch hängen die Hälfte der Haushalte am Erdgasnetz. Wie der Rückzug aus der Gasversorgung funktionieren soll, ist bislang völlig ungeklärt! Das Problem: Viele Menschen denken, man könne die Gasnetze einfach so lange weiterlaufen lassen, bis die letzte Kund:in ihre Gasheizung austauscht. Das ist falsch - der Betrieb eines Gasnetzes wird schon viel früher für den Betreiber nicht mehr rentabel. Das heißt, dass sehr wahrscheinlich viele Erdgasnetze in Deutschland schon in den 30er Jahren schrittweise stillgelegt werden müssen. Wenn nicht, dann wird es für die letzten Gaskund:innen im Netz extrem teuer. Wer also jetzt noch eine Gasheizung einbaut - das tun leider noch ca. die Hälfte der Menschen - der tappt in eine Kostenfalle. Wasserstoff und Biomethan sind teure Scheinlösungen und bei Weitem nicht in ausreichenden Mengen verfügbar.
DIeses Thema wird bisher noch völlig vernachlässigt. Bald wird es aber ins Rampenlicht rücken, da die EU in ihrer Gasbinnenmarkt-Richtlinie die Erstellung von Gasnetzstilllegungsplänen fordert. Im Koalitionsvertrag bekennen sich CDU/CSU und SPD dazu, die Richtlinie „zügig“ umzusetzen.
BILD und Co. stehen sicher schon in den Startlöchern, um zu titeln „die GroKo macht den Habeck und will euch den Gashahn abdrehen“ - obwohl man die Menschen durch eine gut kommunizierte Ankündigung (und inbesondere Mieter:innen) eigentlich vor hohen Gaskosten und Fehlinvestitionen schützt. Zwar gehen schon einige Städte voran (z.B. MVV Mannheim, enercity Hannover, Augsburg), aber bei den restlichen 11.000 Kommunen ist es noch kein Thema und das wird zu Verwerfungen führen, wenn diese nicht mit der Stilllegungsplanung beginnen.
Liebe Lage, ihr analysiert solche komplexen Themen immer so schön ruhig und sachlich: bitte schaut euch dieses Spannungsfeld mal genauer an! Hier einige interessante Quellen:
- Zusammenfassung der Problematik für Kommunen (Umweltinstitut München)
- Diskussionspapier zur Umsetzung der EU-Gasrichtlinie (Umweltinstitut München)
- Beispiel aus Basel: Stilllegung des Erdgasnetzes bis 2037
- Beispiel aus Zürich: Stilllegung bis 2040
- Beispiel aus Winterthur: Stilllegung bis 2040
Noch eine Anmerkung zum Thema Gaskonzessionen (was ihr in der vorletzten Lage angesprochen habt): Die Gaskonzessionen selbst sind anscheinend gar nicht so hohe Gewinne für die Kommune. Es ist vielmehr der Gewinn aus dem Verkauf von billigem Erdgas, mit dem viele Stadtwerke die Kommune querfinanzieren. Teilweise können sie das natürlich durch das Fernwärmegeschäft und Stromverkauf ersetzen, aber nicht in dem Maße, wie viel sie mit dem Gas erwirtschaftet haben.
Bei Rückfragen zum Thema stehe ich gern zur Verfügung.