CDU - Grundsatzprogramm - Solidarität und Armut

Könntet ihr ggf. das Themengebiet „Armut und Solidarität“ behandeln.

Ich nehme hier Bezug auf Herrn Laumann (Sozialer!!! Flügel der CDU):
"CDA-Bundesvorsitzender Karl-Josef Laumann ist überzeugt: „Ein Sozialstaat, wie der, den wir uns in den letzten 75 Jahren geschaffen haben, funktioniert nur, wenn Solidarität und Eigenverantwortung in einem guten Verhältnis stehen. Das Bürgergeld ist aber zu sehr ausgeschlagen in die Solidarität und zu wenig in die Eigenverantwortung.“ Für eine neue Grundsicherung - CDA Deutschlands

und dem neuen Armutsbericht: Armutsbericht 2024: Armut in der Inflation - Der Paritätische - Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege

„Auf einen neuen traurigen Rekordwert ist nach der Studie zudem die Kinderarmut gestiegen: Mehr als jedes fünfte Kind ist mittlerweile von Armut betroffen (21,8 Prozent). Unter Alleinerziehenden lag die Armutsquote bei 43,2 Prozent.“

D.h. nur ca. 5 % der Arme sind erwerbslos! Also nur ein verschwindend kleiner Anteil.Dies geht für mich irgendwie nicht zusammen. Für mich ist dies einfach eine Scheindebatte!
Und die wichtigste Aussage: Arbeit schützt vor Armut nicht!

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Der Herr Laumann sollte mal nachschlagen, was „Solidarität“ eigentlich bedeutet.

Nach Habermas: „Wer sich solidarisch verhält, nimmt im Vertrauen darauf, dass sich der andere in ähnlichen Situationen ebenso verhalten wird, im langfristigen Eigeninteresse Nachteile in Kauf.“

Aus dem Duden: „(besonders in der Arbeiterbewegung) auf das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Eintreten füreinander sich gründende Unterstützung“

Wenn Herr Laumann davon redet, dass sich im Bürgergeld zu viel Solidarität findet, dann hat er weder begriffen, wie wenig solidarisch das Bürgergeld ist, noch, dass schon der Verweis auf „Eigenverantwortung“ als Bedingung für Solidarität mit der Idee von Solidarität in dieser Form nicht vereinbar ist. Solidarität empfindet und lebt man innerhalb einer Gruppe Menschen oder man tut es nicht. Die CDU tut es ganz offensichtlich nicht, wenn es um arme Menschen geht.

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Genau hier sehe ich auch das Problem. Es werden arme Menschen mit ganz armen ausgespielt (und das vom sozialen Flügel der CDU! - also nicht von bspw. der „Werteunion“).
Wenn schon von „Solidarität“ geredet wird sollte man auch die Vermögensverteilungsentwicklung in Deutschland betrachten:


https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Schlaglichter-der-Wirtschaftspolitik/2024/03/05-vermoegensungleichheit-in-deutschland-und-europa.html

Hiervon wird aber nicht geredet. Mit keinem Wort.

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Demnach hätten alle Perzentilgruppen in 2023 ein höheres Nettovermögen als noch 2011.

klingt als ob das nicht inflationsbereinigt ist

Wenn wir mal davon ausgehen, dass das ZDF nicht auch populistisch eine Agenda gegen Arme vertritt, dann zeigt diese Doku klar auf, warum Leute hier ein Problem haben. Der Christian in dem Beitrag ist sich einfach zu fein zum arbeiten. Wenn sich alle so verhalten würden, wäre das nach dem neuen Bürgergeld zwar möglich, würde in D aber zu massiven Problemen führen, das ist alles andere als solidarisch. Die andere Dame ist dagegen genau ein Beispiel dafür, wie es sein sollte.

Ich habe wirklich keine Lust diese Sache zum gefühlten 100. Mal zu diskutieren, daher nur kurz: Irgendjemanden, der sich asozial verhält (bzw. dem man das wirksam unterstellen kann), wird man immer finden. Mit der Begründung ließe sich jedes Sozialprogramm Deutschlands, aber natürlich auch jede Steuerbefreiung, abschaffen.

Was Habermas in dem von mir zitierten Satz sagt ist nicht, dass Solidarität voraussetzt, dass nie jemand gegen die Regeln verstößt. Wie sich der „Empfänger“ der Solidarität verhält, ist nach dieser Definition völlig unerheblich. Es zählt nur, ob ich als „Spender“ der Solidarität darauf vertraue, dass das System auch funktionieren würde wenn die Rollen vertauscht wären.

Insofern ist auch nicht das Verhalten eines Individuums entscheidend, sondern die Gruppendynamik: Sehen wir arme Menschen als Teil der Gemeinschaft an, die Solidarität verdient, einfach nur, weil sie auch Teil der Gemeinschaft sind?

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Diese Annahme halte ich für sehr gewagt. Ich würde sagen, dass unsere Gesellschaft von Vorurteilen gegen Arme ziemlich gesättigt ist. Sicherlich sind die öffentlich rechtlichen nicht die Speerspitze der Skandalisierung von Einzelfällen, die das Narrativ vom faulen Arbeitslosen anheizen. Aber sie tragen wie auch hier definitiv dazu bei. Wie sollte es auch anders sein. Die Reporter sind ja auch in unserer Gesellschaft aufgewachsen.

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Welche Frage in dem Zusammenhang noch erhellend zu beantworten wäre:

Wie entsteht Armut in einem der reichsten Länder der Welt?
Besteht nicht an der Stelle schon ein Defizit bei der Solidarität in unserer Gesellschaft?
Oder ist ein Gefälle zwischen Arm und Reich mit der zugehörigen Armut evt sogar notwendig für unsere Gesellschaft?
Funktioniert unsere Soziale Marktwirtschaft bzw ein Kapitalismus ohne Arm und Reich?

Ich wüsste diese Frage nicht zu beantworten…

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Ja, diese Leute gibt es. Aber es sind ganz ganz wenige um so einen Aufriss zu machen (irgendwas zwischen 7000 und 15000). Haben wir keine wichtigeren Themen um ein Grundsatzprogramm zu entwickeln?
Die CDU thematisiert nicht Kinderarmut, Altersarmut, Armut durch Care Arbeit. Armut durch Teilzeitarbeit (wegen Kindern). Armut weil man nicht genug Geld für die Arbeit bekommt……
Und was machen wir mit den“Totalverweigerern“. Habe bisher keine Antwort gehört. Leistung auf 0%? Dann treffe ich sie auf der Straße, vorm Edeka betteln und unter der Brücke?

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Starten wir doch mal bei der Definition: Da die Definition von Armut i.d.R. relativ zum Einkommen ist, entsteht Armut statistisch zunächst einmal durch Varianz in der Einkommensverteilung. Als armutsgefährdet gelten demnach alle mit weniger als 60% des Median-Einkommens.

Heißt qua Definition: Wenn alle auf einmal das Doppelte verdienen, sind immer noch genauso viele von Armut bedroht.

Dass die Armut in den letzten Jahren gestiegen ist, hat u.a. auch mit der Migration zu tun, da Migranten meist mit nichts oder wenig kommen und weniger verdienen als der Median. Das ist wenig verwunderlich und soll auch keine Hetze gegen Migranten sein, stellt aber einen Treiber dar, der zu der statistisch gestiegenen Armut beiträgt - die Aussage bitte nicht wieder absichtlich falsch verstehen ;).

Das bedeutet natürlich nicht, dass man gegen Armut nicht trotzdem was machen muss!

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Wie spielen da Vermögen rein? Der Milliardär, der aus Langeweile und Geiz sich für 600€ beschäftigen lässt, um von der gesetzlichen Krankenkasse zu profitieren, wäre demnach arm?

Von der Definition soweit her klar, danke.

Aber was bedeutet Armut in Deutschland konkret?

Also dahingehend, das zusätzliche (staatliche) Leistungen notwendig sind, um
a. Die im Grundgesetz geforderte Menschenwürde zu gewährleisten
b. Einen definierten Mindest-Lebensstandard für ein Leben in Deutschland zu sichern?

Wenn es also einen grundlegenden Fehler in unserem System gibt, der Armut offenbar unabdingbar macht, was bedeutet dann Solidarität?

Einkommen ist ja nicht nur Einkommen aus nicht-selbstständiger Arbeit. Ich denke es gibt keine Milliardäre, die ihr Geld so schlecht anlegen, dass sie damit nicht ganz weit im oberen Bereich liegen. Ich denke den von dir skizzierten Milliardär wird es wohl nicht geben.

Mein Punkt ist aber die relative Messung. Auch wenn wir Einkommen und Vermögen relativ messen, bleibt die Aussage dieselbe.

Dann ist es aber nicht ganz korrekt, nur das Einkommen zu verdoppeln, dafür müsstest Du auch das Vermögen verdoppeln - und vor allem die Gewinne. Und da das Nettoeinkommen gilt, wäre je nach Höhe des Einkommens ein Verdoppeln nicht ausreichend. Vielmehr wären es weniger Arme, da ja die Steuerlast bei den Besserverdienenden steigt.
Und um die Gewinne zu steigern, wäre eine Inflation unvermeidlich.
Ich sehe die rechnerische Grundlage nicht ganz so schlecht.

Fun Fact: Wenn die Anzahl unter dem Median steigt, sinkt der Median und immer mehr alteingesessene Arme werden statistisch aus der Armut gerückt. Die armen Migranten machen also die armen Alteingesessenen reicher.

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Ich glaube, dass Armut kein „Bug“ dieses Systems ist, sondern ein „Feature“, um es mal ganz zynisch zu sagen. Und ausgedrückt wird das perverserweise in dem Satz „Arbeit muss sich lohnen“.
Vereinfacht gesagt glaube ich, dass es eine Grundhaltung gibt, die sagt: Die Leute sind nur bereit zu arbeiten, wenn Sie sich damit Möglichkeiten „erarbeiten“ die sie ohne die Arbeit nicht hätten: Urlaub, schicke Klamotten, Auto, Haus, usw.
Es ist also umgekehrt: Der Grundzustand ist eigentlich Armut, aber in einem reichsten Länder Welt haben natürlich viele Menschen die Möglichkeit sich im Schweiße ihres Angesichts von der Armut zu befreien. Ich glaube, dass wir ganz bewusst eine gewisse Menge Armut akzeptieren, weil wir Angst haben, dass sonst keiner mehr arbeiten geht.

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Du wirfst hier zwei Dinge komplett durcheinander: „Armut“ und „Armutsgefährdungsquote“.

Für „Armut“ gibt es, abhängig vom Kontext, eine ganze Reihe von unterschiedlichen Definitionen. Oft umfassen diese Definitionen erheblich mehr Indikatoren als nur das „Einkommen“.

Die „Armutsgefährdungsquote“ ist eine statistische Größe, die in Relation vom Medianeinkommen definiert wird. Wie aber schon aus dem Begriff selbst ersichtlich ist, geht es dabei um eine Gruppe Menschen, die von Armut gefährdet ist. Teilweise sind diese Menschen arm, teilweise nicht (abhängig von der jeweiligen Definition). Verglichen wird außerdem das „Nettoäquivalenzeinkommen“ der einzelnen Haushaltsmitglieder, nicht das Einkommen, so wie wir es in Alltag verstehen.

Dass „Armutsgefährdung“ abhängig vom Medianeinkommen definiert ist macht auch total Sinn, denn in einer normal funktionierenden Wirtschaft ist die Kaufkraft eines Einkommens i.d.R. von der Höhe des Einkommens in Relation zu anderen Einkommen abhängig. Das von dir vorgeschlagene Gedankenexperiment der Verdoppelung aller Einkommen hätte also tatsächlich zur Folge, dass zwar nominell alle doppelt so viel verdienen, die einkommensärmsten 40% aber der selben Armutsgefährdung wie vorher ausgesetzt sind. Über einen längeren Zeitraum hinweg wird das durch die Inflation demonstriert: wir alle verdienen mehr als vor 10 Jahren, können uns deshalb aber nicht unbedingt mehr kaufen.

Was die Auswirkungen von Migration auf die Zahl der Menschen in Armut angeht: für alle praktischen Zwecke ist es völlig Wurscht, welche Nationalität ein armer Mensch hat. Die negativen gesellschaftlichen Folgen werden akut, solange sich die Person im Inland aufhält.

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Also impliziert das Prinzip „Leistung muss sich wieder lohnen“ das ein gewisser Druck gegeben sein muss, um eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu erlangen.

Eine Gesellschaft funktioniert in der Regel ja am besten, wenn ihre Mitglieder arbeitsteilig ihren (gleichwertigen) Beitrag für diese Gesellschaft leisten (soweit mir noch aus der Soziologie in Erinnerung geblieben ist).
Problematisch ist somit ja die „Gleichwertigkeit“ der verschiedenen Tätigkeiten für die Gesellschaft aktuell.
Die CDU legt den Schwerpunkt eher auf den Leistungswillen, blendet aber den Aspekt Leistungsfähigkeit (und dazu nötige Unterstützungsleistungen) eher aus.

Der Elefant im Raum ist doch die geradezu zufällige Bezahlung. Ist man in einem gut organisierbaren Arbeitsumfeld (Industrie, Tarifvertrag)? Zufällige Marktlage einer Branche? Zwangslagen aller Art der Arbeitenden? usw.

Ja, die Qualifikation als Rechtferigung. Ist doch sehr fragwürdig. Nur weil jemand ein paar Jahre später angefangen hat Geld zu verdienen und sich vielleicht mehr angestrengt hat, soll dessen 8-Stunden-Tag das mehrfache wert sein das ganze restliche Arbeitsleben lang und in der Rente und mit höherer Lebenserwartung? Einsatz und Leistungsbereitschaft sind mE keine verallgemeinerbaren Kriterien. Es gibt Akademiker und gleichermassen Hilfsarbeiter, die sich vor der Arbeit drücken (wobei Akademiker es vermutlich leichter haben, sich durchzumogeln) und es gibt wahrscheinlich gleich viel wirkliche Arbeitstiere in beiden Gruppen. Oder würde sich jemand trauen, ein klares Übergewicht auf einer Seite zu behaupten?

Was also kann eine solch krasse Ungleichbewertung von Arbeit wirklich begründen? Mir fällt nur ein: das ist halt so, schon immer gewesen. (Dürfte historisch gesehen allerdings auch schon falsch sein). Das ist natürlich die Domäne der Konservativen, die alles erhaltenswert finden, was altherbegracht ist (der winzige Mindestlohn schon der Untergang Deutschlands z.B.). Wahrscheinlich wissen das die klugen Köpfe in dere CDU viel besser, aber man will Wahlen gewinnen, da zählen Instinkte und Ängste mehr als Rationalität bei so vielen Wählenden.

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