Cancel culture LdN

Ich poste hier mal fröhlich weiter Artikel, die Cancel Culture nicht wie die LdN für eine Erfindung halte, die einen, wenn man ihn im Munde führt, als rechts oder sogar rechtsextrem ausweist:

Wer Cancel-Culture leugnet - tut dies vielleicht aus guten Grund? Und wer auf diesem Auge blind ist, erkennt vielleicht einen ganz wesentlichen Sachverhalt in der Lage der deutschen Nation nicht?

Der Begriff Cancel culture hat doch aber nichts, wirklich rein garnichts mit der Hautfarbe oder dem Alter der Menschen zu tun.

Es geht nicht darum das man von jemandem „Zurückhaltung verlangt“, (was auch immer das heißen soll, keiner hat hier etwas von irgendwem zu verlangen) sondern dass der Diskurs zunehmend dadurch begrenzt wird, dass man für manche Meinungen oder auch nur manche Debatten in seiner wirtschaftlichen und sozialen Existenz bedroht wird. Und der Brückenschlag zum islamistischen terror liegt darin begründet, dass es eben diese cancel culture unmöglich macht, eine breite öffentliche Debatte über den politischen islam und wie wir ihn eindämmen können zu führen, da einem direkt islamophobie unterstellt wird, was einem wiederum zu einem Rassisten macht, wodurch man zu einem „nazi“ wird und mit nazis spricht man ja bekanntlich nicht, man „puncht“ sie.

Man sieht es im übrigen schon daran, wie sie die verlinkten Artikel behandeln. Sie biegen sich zurecht, dass die ja alle aus einer „rechten“ filterbubble zusammengesucht sind, was ja ziemlich gelegen kommt, denn sobald etwas „rechts“ ist (man bemerke „rechts“, nicht „rechtsextrem“ oder „-radikal“) muss man sich mit den Meinungen und Argumenten nicht mehr auseinandersetzen. Denn was rechts ist, kann ja per Definition nicht richtig sein. Sie machen es sich da ein wenig zu einfach.

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Cancel Culture - kann übrigens jeden treffen und ist zudem absolut humorlos:

"Vor zehn Jahren hat der Münchner Gastronom Charles Schumann also einmal gesagt, dass er Frauen nicht raten würde, ins Bargewerbe zu gehen. Das reicht, um ihn als [Feminismus]Feind zu markieren, den man boykottieren muss. Wenn man einen Barmenschen wie Schumann zu einem Symbol im politischen Kampf machen kann, dann kann es jeden treffen, würde ich sagen. Aber das zu demonstrieren ist ja vielleicht auch das Ziel.

Wann ist die linke Bewegung auf den Weg des Pietismus eingeschwenkt? Die Linke, mit der ich aufgewachsen bin, war stolz auf ihre Aufmüpfigkeit und ihren Widerspruchsgeist. Bei den sogenannten K-Gruppen gab es schon damals nichts zu lachen. Wer gläubiger Marxist ist, hält Ironie für ein Zeichen von Dekadenz."

Ich bin übrigens auch absolut humorlos, wenn es um die Leugnung von Cancel-Culture geht. :grin:

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Ich will es nochmal zusammenfassen, um meinen Beitrag zu dieser Diskussion abzuschließen:
Ich denke wir sind uns alle einig, das der öffentliche Diskurs Grenzen hat (im Minimalfall das Strafrecht, aber auch darüber hinaus) und das man für seine Meinung natürlich auch Kritik einstecken muss.
Worum es den Nutzern des Cancel Culture Begriffs aus meiner Sicht geht, ist, dass aus ihrer Sicht:

  1. die Grenzen des Sagbaren immer enger zusammenrücken
  2. diese immer enger werdenden Grenzen mit immer härteren Sanktionen geahndet werden, die teilweise bis zum Existenzverlust reichen.

Für mich ist Cancel Culture die Folge aus unserer Empörungsgesellschaft, in der Dinge auch einfach bewusst missverstanden werden, um Sie im Anschluss zu skandalisieren.

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Natürlich ist das Schweigen von links nach dem Anschlag auf den Pariser Lehrer auffällig. Aber in diesem Fall finde ich eher, dass Deutschland als Ganzes hier viel zu still war, und das aus unterschiedlichen Gründen. Mir ging es ja genauso: Ich hätte viel mehr dazu sagen und schreiben können und sollen. Aber, ehrlich: Mir fehlten die Begriffe dafür. Vielleicht war ich auch ein Stück weit überfordert - nach all dem Mist, der in diesem Jahr passiert ist. Und ich schäme mich auch ein wenig. Dafür, dass wir im Rahmen der deutsch-französischen Freundschaft derzeit wohl nicht die besten Freunde sind.

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" Levit erzählte bei unserem Treffen in München, dass ihn Bekannte angeschrieben hätten, weil er eine Kolumne von mir mit einem Like versehen hatte – das müsse er erklären. Er fand an dem Vorgang nicht nur erstaunlich, dass sich Menschen offenbar die Mühe machen, die Liste seiner Likes daraufhin durchzusehen, ob irgendetwas Verdächtiges dabei ist. Noch mehr irritierte ihn verständlicherweise das Ansinnen, er solle Rechenschaft ablegen, warum er einen Text von mir gelesen und auch noch für gut befunden hatte."

Hallo,

ich verfolge diese Diskussion (immerhin meistgelesene/meistkommentierte im ganzen Forum) mit Interesse.

Leider scheint sie in letzter Zeit etwas ins Leere zu Laufen bzw. zerredet zu werden. Bissl gesunder Menschenverstand und weniger Wortgeplänkel sollten weiterhelfen:

  • Cancel culture als Phänomen: Die Tatsache, dass die Diskussion die meistgelesene und meistkommentierte im ganzen Lage-Forum ist, die obenstehenden Beiträge, zahllose andere Beispiele, öffentliche Diskussionen in allen namhaften Medien, zahllose links etc… verdeutlichen wohl das Offensichtliche: Cancel Culture als Phänomen existiert.
  • Cancel Culture als Begriff: Ob der Begriff „Cancel Culture“ glücklich gewählt ist, den unterschiedlichen Definitionen von „Kultur“ standhält, schon immer existent war unter anderen Namen, noch dem Ursprungsbegriff „canceln“ by Kanye West entspricht, in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich ausgeprägt ist usw usw….darüber kann man sicher endlos sinnentfernt diskutieren…Aber ich denke, Allen ist klar, was der Begriff im Prinzip meint.
  • Der Gebrauch des Begriffs „Cancel culture“: Cancel culture kann als Begriff korrekt geraucht werden (z.B. von einem Opfer der Cancel Culture, dass zu Unrecht seine Existenz verloren hat) und auch missbraucht werden (z.B. von einem Rechtsextremen, der Nazipropaganda verbreiten will und Kritik daran Cancel Culture nennt).

Bei den meisten Diskussionen, die ins Leere laufen, werden die Punkte vermischt. Z.B. jemand postet einen Link, in dem ein Rechtspopulist Kritik an seinen bösen Machenschaften als Cancel Culture bezeichnet. In diesem Falle solle man das Kind beim Namen nennen: Cancel Culture gibt es, aber der Begriff wird in diesem Fall missbraucht.

Problematisch wird es, wenn man den Fehler macht, zu glauben, dass es Cancel Culture als Phänomen nicht geben kann, da ein Rechtspopulist den Begriff missbraucht. Damit würde man allen wirklichen Opfern der Cancel Culture Unrecht tun.

Hoffe, die Diskussion geht nun weiterhin konstruktiv voran…

LG, Toni

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Das ging leider voll am Punkt vorbei. Es geht grade nicht um einen reinen „Diskursausschluss“. Siehe Beiträge oben und nochmal die Links zu einem podcast, der vielleicht etwas Klarheit bringt:

Cancel Culture, Part 2: A Case Study - The New York Times?

Cancel Culture, Part 1: Where It Came From - The New York Times?

Es gibt natürlich auch viele andere Quellen, die sich differenzierter mit dem Thema auseinandersetzen, aber wie immer ist The Daily extrem gut recherchiert und hier wird gut erklärt, welche Trolls im Netz Cancel-Mobs aufhetzen, um Menschen zu sanktionieren und größtmöglichen Schaden im Leben von Menschen anzurichten. Meist ist der größtmöglich zu erzeugendem Schaden, der Verlust des Arbeitsplatzes, was in USA auch den Verlust der Krankenversicherung und in manchen Fällen der kompletten Existenz bedeutet.

Das Schema eines Cancel-Mobs ist immer ähnlich: Die zu schädigende Person stalken, private Informationen, Wohnort, Arbeitgeber etc. herausfinden, Druck auf den Arbeitgeber ausüben, der zum Jobverlust etc. führt. Diese Selbstjustiz von selbsternannten Richtern geht weit über eine Diskussion, einen „Diskussionsauschluss“, „Mundtotmachen“, „political correctness“ etc. weit heraus. Es ist insofern neu, da diese Mobs hauptsächlich auf den sozialen Medien agieren, die es ja z.B. Bei der political correctness Debatte früher noch gar nicht gab. Die Algorithmen tun unbewusst wie immer ihr Bestes, um die Mobs in Echo chambers oder Filterblasens aufzuheizen, sich selbst zu bestätigen und zur Eskalation zu bringen.

Besonders interessant im Podcast ist der Teil in dem die Trolls, die versuchen die Existenz von Menschen derart zu beschädigen/vernichten, mal selbst unter die Lupe genommen werden. Spoiler: Ein Hauptakteur eines Mobs, der jemanden wegen Rassismus canceln wollte, hatte selber rassistische Kommentare abgelassen und schmückt sich nun mit #BLM in seiner Bio…. Deshalb wurde er dann selber getrollt und eine cancel-Kampagne gegen ihn gestartet… Hat auch was Komisches, allerdings für die Betroffenen wohl nicht.

Ich habe das Gefühl, dass Du den Thread nicht ganz von Anfang an gelesen hast, deshalb wiederhole ich mich kurz: Die Intention der Trolls im Netz ist häufig nicht eine ehrliche Diskussion, Meinungsaustausch oder ein Umdenken einer Person zu bewirken. In einigen Fällen ist die Intention einzig und allein, größtmöglichen Schaden im Leben eines Menschen anzurichten, egal warum, egal mit welchen Mitteln und egal ob verhältnismäßig. Wie bei Lynchmobs nimmt das Ganze dann noch eine Gruppendynamik an, bei der sich die Meute gegenseitig anheizt.

Es geht also nicht um einen reinen „Diskursausschluss“. Cancel Culture ist ein Schema und nicht zu verwechseln einer ehrlichen Diskussion, einem „Diskussionsauschluss“, „Mundtotmachen“, „political correctness“. Auch werden keine „Bilder grauer linker Massen erzeugt“, (auch hier hilft The Daily, um zu verstehen, dass einige Hauptakteure von Rechts kommen).

Es gibt wohl doch noch mehr Missverständnisse, als ich gedacht hatte. Aber ich hoffe, es ist jetzt etwas klarer.

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Sehr guter Artikel (Link am Ende des Beitrags, evtl nur mit SZ Plus lesbar) bezogen auf die Lehren die Progressive aus dem Biden Sieg auch in anderen Ländern ziehen können, das könnte m.E. auch durch die Macher und manche Hörer der Lage mal öfter thematisiert oder zu Herzen genommen werden:

„Die Demokratien müssen den Wählern des Populismus, die keineswegs nur Faschisten, Rassisten oder gewehrschwingende Rednecks sind, ein Gegenangebot machen. Dieser Kampf um hearts and minds, Herzen und Seelen, ist nicht durch moralische Überheblichkeit zu gewinnen - und der Schutz der Freiheit durch die besseren Engel unserer Natur längst keine Selbstverständlichkeit mehr.“

Hier ein aktueller Beitrag von Serdar Somuncu zum Thema, finde ich sehr lesens- und teilenswert:

„Wir brauchen mehr „egal“ - Über die Unkultur des Shitstorms

,Die Sprache ist wie Raum und Zeit eine dem menschlichen Geist notwendige Anschauungsform, die uns die unsrer Fassungskraft fort und fort sich entziehenden Objekte dadurch näher bringt, daß sie sie bricht und zerbricht."
(Christian Friedrich Hebbel)

Sprache ist manchmal böse. Sie birgt Missverständnisse. Sie dient nicht nur zur freundlichen Kommunikation. Sie kann auch beleidigen und kränken. Sprache ist die Übersetzung unserer sozialen Kompetenz. Und sowohl uns selbst gegenüber, als auch den anderen gegenüber vermittelt Sprache, wie wir denken und fühlen.
Sprache ist aber auch ein variables Werkzeug, das Verständnis erfordert. Sie ist die Waffe des Intellekts, sie kann ironisch und zynisch sein, sie kann barbarisch klingen und oft auch hetzen. Sprache kann ein Konglomerat aus allem sein und wenn sie eindeutig ist, wird sie oft bedrohlich, obwohl die Eindeutigkeit nicht immer als Gefahr gesehen werden muss.

Wenn wir heute über unseren Umgang mit komplexen Meinungen und Ansichten sprechen, verschwenden und verlieren wir uns oft in hastigen Interpretationen des Unmittelbaren. Statt Absichten zu hinterfragen und zu verstehen, berufen wir uns dabei auf die konkrete Ebene unserer Empfindung und selten sehen wir, welche abstrakte Idee hinter der Aussage des anderen steht. Es scheint paradox: Je mehr sich unsere Ausdrucksmöglichkeiten entwickeln, desto eingeschränkter scheinen wir in unserem Verständnis zu werden.

Manchmal überhöhen und missverstehen wir Sprache sogar absichtlich, um sie unserer eigenen Moral anzupassen und sie wiederum zu einem sekundären Werkzeug unserer Auffassung von richtig und falsch zu missbrauchen. So ist es mittlerweile der affektive Habitus einer Nomenklatur von Besserwissenden, den alleinigen Anspruch auf die Deutungshoheit vielschichtiger Ausdrucksformen und Begrifflichkeiten zu erheben, sie passend zu reduzieren und für eigennützige Kampagnen zu gebrauchen, die weder der Verständigung und dem Austausch, noch der Aufklärung dienen, sondern lediglich kurzzeitig die soziale Selbstbestätigung innerhalb der eigenen Blase vorantreiben.

Oft ist dabei die marktschreierische Antwort auf das Gegenüber eine viel entblößendere Darstellung der eigenen Intoleranz, als der Schaden, den das angeblich Missverständliche an der Toleranz anrichten kann. Aus der vermeintlichen Beleidigung wird eine kalkulierte und gekränkte Unfähigkeit, sich auf das scheinbar durchschaute Gegenüber einzulassen und sie mündet in ihrer trotzigen Reaktion, noch häufiger in persönlicher Diffamierung und Drohgebärden. Gleichzeitig entfernt es sich sich davon, den wahren Demagogen Konkurrenz zu bieten, indem sie als Antwort auf ihre Wirkung, den spielerischen Umgang mit Bedeutung an einen übertriebenen Anspruch aus Eindeutigkeit und ideologischer Treue überlässt.

Die daraus entstehende, verständnisstarre Empörung basiert meistens auf der Vervielfältigung oberflächlicher Kriterien und der Reduzierung auf neuralgische Einzelpunkte, sodass am Ende keinem der Beteiligten mehr klar ist, worin der eigentliche Mehrwert solcher selbstbefruchtenden Diskurse liegen soll.
Indem die Bedeutung von Begriffen und Wörtern so auf ein Mindestmaß an Verständnis trifft, sorgt sie auch dafür, dass die Analyse der Inhalte an der Reproduktion der erwartbaren Klischees von Zuordnung und Fehlinterpretation scheitert. Sprache wird zum kontaminierten Träger von vagen Behauptungen und die berechenbare Reaktion darauf nichts anderes, als ein Empören über die Orientierungslosigkeit der eigenen Auffassungsgabe. Das ist mehr als tragisch und in jedem antiken Drama besser besprochen, als in der heutigen öffentlichen Realität. Es ist der Offenbarungseid einer unaufgeschlossenen Gesellschaft von Meinungsmachern, die freiwillig in den Abgründen ihrer eigenen Denkmuster gefangen bleibt, solange sie die Rage ihrer Resonanz in Sturheit absorbieren kann. Eine zum Neospießertum mutierte Spartenempfindlichkeit, die in ihrer inflationären Erscheinung an ihrer eigenen Unglaubwürdigkeit erstickt, je mehr sie sich potenziert. Und erst, wenn auch der letzte seinen literarischen Senf dazu gegeben und sein altkluges Bäuerchen gemacht hat, ist der Spuk vorbei und der nächste Hash wird zum Hetztag.

Was aber können wir auf die Vielschichtigkeit der Sprache angewiesenen Wortarbeiter dagegen tun, dass wir in einem Zeitalter der absichtlich in Kauf genommenen Missverständnisse leben? Müssen wir wieder lernen gelassener zu sein, oder müssen wir um die Deutung unserer Aussagen in den offensiven Widerstand gegen die Vermarkter ihrer eigenen Images von Poltical Correctnes und künstlicher Echauffage treten? Oder müssen wir sogar gemeinsam lernen wieder egaler zu sein? Denn egal bedeutet gleich und nicht gleichgültig.
Erst, wenn wir zusammen lernen wieder ein Mindestmaß an Gelassenheit zu entwickeln und akzeptieren, dass es andere Meinungen gibt, erst, wenn wir unterscheiden können, was bedrohlich daran ist, dass nicht alles was von unseren kollektiven Normen abweicht, abwegig für unsere gemeinsamen Ideale ist, können wir auch unseren aufklärerischen Geist zielgerecht gegen die richten, die uns mit ihren Formulierungen in ihre ideologischen Fänge verwickeln.
Solange wir dies nicht können, bleiben wir uns selbst ausgeliefert und bewegen mit unserer Aufregung nichts weiter als die große Kugel der eigennützigen Ambiguität, die am Ende niemandem etwas bringt, außer denen, die uns in ihrer Debattentauglichkeit schon längst am rechten Rand überholt haben.“

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