Cancel culture LdN

Wisst ihr was wirklich cancel culture ist? Wenn ich bei der aktuellen Verlosung von LdN für den Studiobesuch nicht gezogen werde! :face_with_monocle:

Aber kein Druck…

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Hallo Ulf,

zum Thema der Frau, die ihren Job verloren hat, weil Sie die Polizei rufen wollte / lt. Deiner Interpretation „white privilege“ ausnutzen wollte. Unabhängig davon, ob dies zum Thema „Cancel Culture“ gehört oder nicht … Du bist sehr schnell mit Deinem Urteil. Wie Ihr in einer der anderen LdN schon einmal festgestellt habt, könnt Ihr (können wir) als alte, weiße Männer das Thema nicht wirklich beurteilen - also denke ich, dass es nicht schlecht wäre mal den oder in dem Fall dem Betroffenen zuzuhören. Da Ihr ja bereits aus THE DAILY verwiesen habt - in diesem Podcast hat der betroffene schwarze Mann geäußert, dass er das was der Frau im Nachgang passiert ist, für vollkommen überzogen hält. Fraglos nicht OK, wie sie sich da aufgeführt hat, aber deswegen den Job zu verlieren und das in den USA, in der aktuellen Situation? Und Dein Kommentar dazu … naja dann macht sie halt ein Sabbatical und dann sucht sie sich halt einen neuen Job?! Hörst Du Dir eigentlich selber zu? Dein Empathie-Level scheint mir ziemlich herab gesunken. Du kennst die genauen Umstände nicht (ich unterstelle einmal, dass Deine Quelle nur THE DAILY ist), aber Du hast Dir schon eine Meinung gebildet und Leute zu entlassen ist der richtige Weg. Schwacher Beitrag, schwacher Kommentar - da erwarte ich von einem halbwegs intelligenten und emphatischen Menschen mehr Anstrengung. Beste Grüße, Roland

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Ich finde deinen Einwand den Betroffenen zuzuhören sehr richtig; das kommt meist zu kurz in solchen Debatten. Wenn der konkret Betroffene Mensch in diesem konkreten Fall nicht ihre Kündigung fordert ist das sehr edel – trotzdem allerdings sollte ein Unternehmen das Recht haben Rassist*innen (sie hat sich ganz offensichtlich strukurellen Rassismus zu nutze machen wollen) zu kündigen. Ein Problem für die Bekämpfung von Rassismus ist, dass er zu sehr toleriert wird.

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Ich fand die Reaktion von Ulf auch nicht angemessen. Die Frau hat sich rassistisch geäußert, das steht außer Frage, ist nicht zu tolerieren und sollte meiner Auffassung nach auch, in welcher Form auch immer, justiziabel sein, wie es eine Beleidigung etwa auch ist. Aber, ihre Aussage wurde ungefragt aufgezeichnet und veröffentlicht (ich kann mir nicht vorstellen, dass sie der Veröffentlichung zugestimmt hat). Daraufhin wird sie von einer aufgebrachten Öffentlichkeit ausfindig gemacht, in social media an den Pranger gestellt, ihr Arbeitgeber ausfindig gemacht und dieser unter Druck gesetzt sie zu entlassen, was dann auch passiert. Sie ist keine öffentliche Person oder Institution. Diese Kette von Gesetzesverstößen (Veröffentlichung ohne Einstimmung, Stichwort Recht am eigenen Bild / Ton) und Selbstjustiz (doxing, anprangern in social media, beim Arbeitgeber verpfeifen) findet Ulf verhältnismäßig? Als Richter? Und dann noch dieser Spruch, dann mache sie halt ein sabbatical und suche sich einen neuen Job. Wie respektlos ist so eine Aussage, ohne die Hintergründe der Frau zu kennen?

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Hallo!

Ich höre seit einigen Monaten LdN sehr gerne und kommentiere hier nun zum ersten Mal.

Ich finde es interessant, wie kritisch ihr diesen Begriff seht. Ich kann diese Portion verstehen (vor allem auch was die Verwendung des Begriffs von rechter Seite betrifft, wo ja, wie ihr treffend beschrieben habt auch eine Art ‚Cancel Culture‘ betrieben wird, die sehr massiv sein kann). Allerdings hat der Begriff bei mir einen Nerv getroffen.

Zunächst einmal möchte ich fragen, ob es wirklich gegen einen Begriff spricht, wenn dieser auf verschiedene Arten verwendet wird und keine ganz klaren Ränder hat? Vielleicht ist die präzise Definierbarkeit von Begriffen eher eine Illusion? Gerade im juristischen Bereich wird oft deutlich, wie verschieden scheinbar eindeutige Begriffe ausgelegt werden…

Was mir zum Phänomen „Cancel Culture“ seit einigen Jahren unangenehm auffällt, ist eine Tendenz der eher links-liberal eingestellten Hälfte des universitär ausgebildeten Mainstreams (zu der ich mich durchaus auch zähle), bei Meinungsäußerungen zu unterscheiden, ob man diese äußern „dürfe“ oder nicht und es besser zu finden, wenn bestimmte Kunst nicht produziert wird. Ich finde, es geht über Kritik noch hinaus, wenn bestimmten Äußerungen ihre Daseinsberechtigung abgesprochen wird. Ich finde auch, dass es so wirkt, als ob diese Art „Diskussionskultur“, die durch den Begriff Cancel Culture beschrieben werden soll, besonders häufig von Menschen betrieben wird, die finanziell gut aufgestellt sind, ein verhältnismäßig gutes gesellschaftliches Standing haben und keiner marginalisierten Gruppe angehören aber gerne „auf der guten Seite“ sein wollen und den Drang haben, „alles richtig machen zu wollen“. (Das ist wirklich nur eine Wahrnehmung, vielleicht verhält es sich ganz anders und es liegt an mir, dass ich das so wahrnehme)

Ich finde, die Frage sollte nicht sein: „Darf ich xyz sagen?“ (weil ich befürchte, sonst irgendwie auf diffuse Weise in der eigenen peer-group nicht mehr dazuzugehören), sondern sie sollte lauten: „Sollte ich xyz sagen?“ oder „Will ich xyz sagen?“ (weil die Bedeutungen, die ich damit transportiere, vielleicht doch nicht dem entsprechen, was ich ausdrücken will, weil ich damit Menschen verletze usw.). Das eine ist extrinsisch motiviert, das andere ist intrinsisch motiviert. Eher schüchterne, nachdenkliche Menschen (häufig Frauen und nichtbinäre Personen), neigen oft zu überzogener Selbstkritik und Angst von anderen abgelehnt zu werden. Solche Ängste könnten durch eine übertriebene „Cancel Culture“ noch verstärkt werden. Aber gerade diese Menschen sollten stärker gehört werden! Lieber mal aus Versehen was Falsches sagen, als jedes Wort auf die Goldwaage legen und sich dann am Ende gar nicht äußern… Demgegenüber hauen die Nazis von der AfD, deren Meinung niemand gebraucht hat, laufend krass rassistische Dinge raus und lassen sich von der von ihnen beklagten „Cancel Culture“ null beirren.

Ein Beispiel, was ich grob unter das Phänomen „Cancel Culture“ verstehen würde, wäre die Diskussion um das „Avenidas“-Gedicht von Eugen Gomringer, das sich gut sichtbar an einer Außenwand der Alice-Salomon-Hochschule befand. Es wurde entfernt, weil einige Frauen der Meinung waren, dass eine Beschreibung von Frauen als entindividualisierte Objekte der Schönheit (wie Blumen) sie an ein unangenehmes Betrachtet-Werden durch Männer erinnert und sie damit nicht konfrontiert werden wollen. Das kann man sicherlich so sehen! Selbstverständlich dürfen die Student_innen der Alice-Salomon-Hochschule auch selbst entscheiden, was sich an der Wand ihrer Hochschule befindet - Ich finde es nur ziemlich traurig, wenn man oder frau ein solches Gedicht als entfernungswürdig empfindet. Ich bin ganz ehrlich: Ich als bisexuelle Frau finde manchmal Männer und Frauen ziemlich sexy und betrachte sie ganz gerne auch dann, wenn ich sie weder als Individuum kenne noch näher kennen lernen will. Ich finde es auch nicht schlimm, wenn andere Leute das bei mir machen. Diese Position, die ich eigentlich für gut vertretbar hielt, wurde auf dem Höhepunkt der Debatte teilweise so dargestellt, als sei sie völlig aus der Zeit gefallen und zutiefst antifeministisch.

Vielleicht reagiere ich auch deshalb so allergisch auf „Cancel Culture“ weil es in meiner Kindheit und frühen Jugend kaum öffentliche Darstellungen von nicht-hetereosexueller Sexualität gab (das also alles „gecancelt“ wurde) und ich deshalb eine Abneigung gegen die Struktur entwickelt habe („So etwas sagt man aber nicht!“), selbst wenn diese sich gegen Dinge richtet, die ich selbst sehr kritisch sehe,

So, das war jetzt eine ganze Menge und hat eher am Rande etwas mit eurem auch sehr interessantem Beitrag zu tun, aber ich wollte mal beleuchten, warum ich Beschwerden über „Cancel Culture“ durchaus für wichtig erachte.

Liebe Grüße :slight_smile:

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Hallo Roland,

wenn ich als hoffentlich halbwegs intelligenter und empathischer Mann versuche diesen Fall aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, komme ich wie Ulf zu dem Schluss, dass es absolut legitim ist eine so rassistische Person zu entlassen. Vielleicht arbeiten in dem Betrieb auch BPoC, die sich vom Handeln der Frau angegriffen fühlen? (Schließlich richtet sich das Handeln dieser Frau nicht nur gegen den einen Schwarzen Mann, der im Video zu sehen ist, sondern gegen alle Schwarzen!) Vielleicht hat dieser Vorfall das Betriebsklima zerstört? Vielleicht hat das Unternehmen wirtschaftlichen Schaden genommen? Es ist wie Du selbst schreibst: Wir kennen die genauen Umstände nicht. Mein Mitgefühl gilt nicht der Frau, die sich wie Du sagst „fraglos nicht OK“ verhalten hat, sondern allen BPoC, die sowas überhaupt ertragen müssen. Ulfs Kommentar „die kann jetzt halt ein Sabbatical machen, dann wird sie schon einen neuen Job finden“ ist schlichtweg treffend, wie ich finde, denn: Das Fehlverhalten dieser Frau wird nach einiger Zeit vergessen sein. BPoC werden dann aber immer noch unter Rassismus leiden. In anbetracht dessen finde ich es nicht angebracht hier fehlende Empathie zu unterstellen. Mag sein, dass die Frau eine harte Zeit durchgemacht hat und dass einzelne in diesem Shitstorm auf sie zu weit gegangen sind. Trotzdem ist die rassistische weiße Frau hier nicht das Opfer. Wir wollen doch eine Gesellschaft sein, die sich wirklich mit Menschen solidarisiert, die Rassismus, Sexismus und sonstige Formen von Diskriminierung erleben müssen, oder? Dann müssen wir Rassist*innen eben spüren lassen, dass dieses Verhalten bei uns nicht erwünscht ist, auch wenn es ihnen dann eben mal für eine Zeit nicht so gut geht. Schließlich werden durch strukturellen Rassismus auch ständig BPoC benachteiligt. Auch auf dem Arbeitsmarkt. Zahlen dazu:

https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-06/rassismus-usa-schwarze-menschen

Wenn du also das Verhalten dieser Frau wirklich „fraglos nicht OK“ findest, solltest du vielleicht darüber nachdenken, ob es Sinn macht, deine Empathie öffentlich der einen Rassistin zu schenken, die ihren Job verloren hat, wo doch viele andere wegen ihrer Einstellung benachteiligt werden.

Ich wünsche dir und allen Lagehörer*innen einen schönen Sonntag!

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Hmm. Empathie mit Rassisten ist aber halt auch nicht gerade einfach. Die Frau hatte aktiv damit gedroht, die Polizei zu rufen, da die beiden wussten, dass dem Schwarzen dadurch große Gefahr droht. Und gerade such, weil sie wusste, dass ihm das auch klar war. Das ist auf so vielen Ebenen asozial, da muss man erstmal hinkommen.

Muss man dafür seinen Job verlieren? Keine Ahnung. Aber echte Opfer sehen anders auch. Die Rassisten fühlen sich nur dauernd so.

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Ich finde die Gedicht-Entfernung an der ASH übrigens ein Beispiel für sehr gelungene Cancel-Culture – genau so wie die Straßenumbenennung hier in Berlin neulich; es ist im Kern doch das was du befürwortest; marginalisierte Menschen setzen durch, dass sprachliche Diskriminierung an ihnen entfernt wird. Traurig (wie du sagst) ist ja nicht die Empfindung der marginalisierten Menschen, sondern traurig ist die Marginalisierung, die diese Empfindung auslöst, oder?

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Hallo Ihr (speziell Bene & celalkcc),

ich habe in keinster Weise Empathie für Rassisten … was mich hier stört ist, dass man glaubt ohne im konkreten Fall die genauen Hintergründe zu kennen, es für in Ordnung zu halten, dass in der aktuellen Situation in den USA eine Frau entlassen wird und der Kommentar von Ulf dazu ist … naja macht sie halt ein Sabbatical und sucht sich dann einen neuen Job. Keiner derjenigen, die hier diskutieren kennen den konkreten Fall über das, was in THE DAILY berichtet wird hinaus, viele wahrscheinlich nur das, was die LdN berichtet. Ohne weitere Hintergründe eine so lapidaren Kommentar abzusetzen, finde ich erschreckend. Hier erwarte ich von einem hochintelligenten Menschen wie Ulf, der seines Zeichens aus noch Richter ist, einfach mehr Feingefühl … er fügt doch auch sonst immer wieder hinzu, dass er die Details nicht kennt und sich eigentlich kein Urteil erlauben kann oder nur basierend auf dem, was er gerade gelesen hat … aber hier einfach so etwas raus zu hauen, passt nicht und ist verkehrt.

Beste Grüße,

Roland

Das sehe ich völlig anders: Die Frau hat sich rassistische Stereotype bei der Polizei zueigen gemacht, um hemmungslos egoistisch ihre Interessen durchzusetzen. Und das kann man ausnahmsweise auch beurteilen, weil der Fall so gut dokumentiert ist.

Dieses Verhalten ist nun wirklich das allerletzte. Ich bin irritiert, wie man lang und breit darüber nachdenken kann, dass sie nun ein hartes Schicksal getroffen habe … ich finde, dass hier ein Mensch die angemessenen Konsequenzen für einen sittlich-moralischen Tiefflug zu tragen hat. Und in der Tat finde ich Empathie mit dieser Täterin völlig fehl am Platze.

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Hallo zusammen - es ist ebenso mein erster Kommentar hier. Ich bin großer LdN-Fan, finde aber, dass ihr (Ulf & Philip) es euch bei der aktuellen Cancel Culture Diskussion etwas zu leicht gemacht habt:
Nach meinem Verständnis (und ich bitte um Korrektur :slight_smile: ) bezeichnet cancel culture die Neigung von Veranstalter/innen kultureller und politischer Veranstaltungen oder Betreiber/innen von wie auch immer gearteten Medien, Beiträge, die von einem vermeintlichen linksliberalen „Meinungskorridor“ abweichen, aus Angst vor medialen Aufschreien, Boykott-Drohungen, etc. auszuschließen. Was ich von der aktuellen LdN erwartet hätte, wäre eine Einordnung: Besteht dieses Phänomen überhaupt? Wie groß ist die tatsächliche Unsicherheit in den genannten Institutionen? Und da der Begriff offensichtlich aus den USA kommt: Wer hat ihn ursprünglich verwendet und welche Beispiele werden für die Existenz einer cancel culture angeführt?
Stattdessen habt ihr nach meinem Eindruck eher die extremsten und damit am einfachsten zu behandelnden Argumente behandelt: Dass es einen linken Mob gäbe, der die Meinungsgrenzen diktiert (Hat das jemand ernst zu nehmendes behauptet? Geht nach meiner Ansicht aber ohnehin am Thema vorbei, denn die Debatte dreht sich ja nicht um einen „linken Mob“ sondern um die Aktionen und Reaktionen der Veranstalter/innen). Dass es cancel culture wäre, wenn die offensichtlich rassistische Frau aus dem Central Park Vorfall ihren Job verliert. Oder der wirre WELT-Beitrag, dessen Autor den Begriff offensichtlich überhaupt nicht verstanden hat. Mit euren Einlassungen zu diesen Themen stimme ich größtenteils überein, aber sie haben mit der Hauptdebatte nach meinem Verständnis wenig zu tun. Denn gerade das ewige Hin und Her im Falle der Ausladung von Lisa Eckhart zeigt doch, dass viele sich mit „umstrittenen“ Künstler/innen schwertun, unsicher fühlen, die Debatte fürchten. Woher diese Unsicherheit kommt und ob sie sich in einer systematischen cancel culture manifestiert, oder ob der Begriff komplett ungeeignet ist - zu diesen Fragen hätte ich gern mehr von euch gehört.
Viele Grüße,

Guido

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Hallo,

bzgl. der Frage nach Meinungsfreiheit und welche Art der Äußerung und Gegenäußerung legitim sind:
Da die Meinungsäußerungsfreiheit so grundlegend wichtig ist für eine Demokratie und ein zu enges Korsett „äußerbarer“ Meinungen den Diskurs als solchen beschränken kann, wenn der/die Einzelne evtl. befürchten muss die Grenzen des „Sagbaren“ zu überschreiten, muss auch ein möglichst breites Spektrum an Meinungen sanktionsfrei vertreten werden dürfen. Äußerungen, die objektiv unwahr sind oder Menschen ihre Menschenwürde absprechen, indem sie diese objektifizieren o.ä. müssen aus diesem Spektrum herausfallen. Andere Meinungen, wie doof oder irrational sie auch seien müssen auch „sagbar“ bleiben, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Wie Ulf bereits sagte, bedeutet dies selbstverständlich nicht, vor Kritik gefeit zu sein. Nach diesem Grundsatz sollte jedoch mE niemand seinen Job verlieren, weil er/sie eine streitbare Meinung äußert.

(Wie auch bereits angebracht) fällt der Fall der Frau im Central Park dort heraus, weil die Frau keine Meinung äußert. Vielmehr droht sie einem Schwarzen mit möglicherweise Polizeigewalt, die er erleiden müsste, weil er schwarz und sie weiß ist. Implizit setzt sie ihn ausschließlich wegen der Hautfarbe als zweitklassiges Wesen herab. Das ist derart menschenverachtend, dass ich es angebracht finde, wenn eine Firma eine solche Person nicht in leitender Position duldet.

Bzgl. der Blockade der Vorlesung Bernd Luckes: Da es sich dabei um eine einmalige Blockade einer wiederkehrenden Vorlesung handelte, finde ich die Blockade als Instrument der Meinungsäußerung gerechtfertigt. Folgende Vorlesungen konnten stattfinden und soweit ich weiß, hat er auch nicht seinen Job eingebüßt. Außerdem besteht durchaus ein Machtgefälle zwischen einem Universitätsprofessor und Studierenden, weshalb sich Lucke diesen Eingriff mE gefallen lassen muss.

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Hallo Ulf,

die Art und Weise wie es dazu kam, dass sie ihren Job verloren hat findest du auch in Ordnung? Ich meine nicht ihre Tat, die ist untragbar, sondern wie es über die Veröffentlichung ihrer Aussage, den öffentlichen Druck und die Aufdeckung ihrer Identität dazu kam? Mir liegt es völlig fern diese Frau im speziellen zu schützen, ich sehe hier eher die Mechanismen von Rechtsstaatlichkeit gefährdet, wenn „ein wütender Mob“ entscheidet, ob eine Frau bestraft wird oder nicht. Sind dafür nicht Gerichte zuständig? Auf Grund einer Verurteilung könnte sich dann ein Unternehmen dazu entscheiden, dass die Frau nicht mehr tragbar ist und sie daraufhin entlassen.

Viele Grüße
Stephan

Sie wurde ja nicht von einem wütenden Mob entlassen, sondern von einem Arbeitgeber, der das Verhalten nicht dulden wollte. Und auf eine gerichtliche Entscheidung kann man hier kaum hoffen, da das Verhalten „nur“ eine absolute Schweinerei war, aber so weit ich das einschätzen kann wohl nicht strafbar.

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Ich finde hier wesentlich interessanter was auch Phillip in der Lage anspricht: das ein “Unbeteiligter” hier jemanden effektiv doxxt, dessen Identität und Job auf Twitter verbreitet. Ist die Frage, ob das schon als Cancel Culture gelten kann, aber generell finde ich dieses Verhalten auch gegenüber Rassisten u.ä. problematisch. Ich finde es durchaus gerechtfertigt das ein Arbeitgeber diese Frau feuert, aber es gutzuheißen das jemandes Person im Internet so verbreitet wird finde ich eher nicht gut.

Ja Ronja, darauf wollte ich hinaus. Eine nicht-öffentliche Person wird durch Doxxing mit ihrer Identität ins Scheinwerferlicht der sozialen Medien gezogen und dort „gerichtet“. Das finde ich höchst bedenklich.

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Ich bin auch der Meinung, dass das Thema etwas zu unterkomplex behandelt wurde. Es wurde ein wenig so dargestellt als wäre das nur ein Kampfbegriff von Nazis, wenn mal wieder einer Ihresgleichen öffentlich kritisiert wurde.

Es ist in erster Linie ein amerikanisches Phänomen, das langsam nach Deutschland überschwappt dank sozialer Netzwerke wie Twitter. Barack Obama hat mal ganz gut kurz zusammengefasst, was an diesem Verhalten problematisch. Es ist destruktiv und verhindert Diskussionen:

Mein Vertrauen in amerikanische Arbeitgeber Sachverhalte eindeutig zu prüfen, wenn Rassismus-Vorwürfe gegen ihre Angestellten viral gehen, ist äußerst gering. Da verlieren auch Leute ihren Job, die eigentlich unverdächtig sind Rassisten zu sein.

Viel zu schnell fühlen sich Leute als Opfer und Gefühle sind wichtiger als Fakten. Wenn Schwarze in den USA gegen Polizeigewalt auf die Straße gehen, dann gibt es dafür gute Gründe. Sie fühlen sich zurecht als Opfer und Polizisten sollten für ihr Fehlverhalten gerecht bestraft werden. Aber wenn ein 31-Jähriger Dozent dafür ausgeladen wird, weil er Sex mit anderen jungen Männern hatte, die zufällig an der gleichen Uni studieren, aber nicht seine Studenten sind, ist das absolut übertrieben.

Niemand ist perfekt, Menschen machen Fehler. Dieser Absolutismus ist einfach schädlich. Ich erinnere zum Beispiel an den Slogan „Bernie or Bust!“ bei den letzten Präsidentenwahlen. Viele junge Studierende sind am Wahltag lieber zu Hause geblieben statt für Clinton zu stimmen. Für sie persönlich macht es wahrscheinlich keinen großen Unterschied wer US-Präsident ist, aber es gibt Menschen, die existentielle Sorgen haben weil Trump US-Präsident ist.

Das Ganze umfasst längst nicht mehr nur linke Studentenkreise. Ich wurde in einem amerikanischen Videospiel-Forum ein halbes Jahr dafür gesperrt, weil ich gesagt habe, dass die Missbrauchsvorwürfe gegen Woody Allen nie bewiesen wurden und sein Sohn Moses Farrow ebenfalls gehört werden sollte.
Letzterer wurde auf Twitter massiv attackiert für folgenden Blog-Post:

Wenn AfDler wegen irgendwelcher Kleinigkeiten „Cancel Culture“ rufen, sollte man das natürlich ignorieren und nicht Ernst nehmen. Das ist oft nicht mehr als Trolling.

Aber generell plädiere ich schon dafür mehr zu differenzieren und zu akzeptieren, dass die Welt komplex und nicht Schwarz und Weiß ist. Mehr Polarisierung schadet am Ende uns allen. Gilt natürlich für beide Seiten. Die CDU sollte auch nicht bei jedem Linken reflexartig die Mauertoten erwähnen, sondern in der Sache argumentieren.

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Das Problem ist ja bei dem Central Park Fall eben auch, dass sie, vorsichtig ausgedrückt, die Ermordung des Mannes durch die Polizei billigend in Kauf nimmt. Weniger vorsichtig ausgedrückt kann man von versuchtem Mord sprechen.
Sie nutzt, unter Rückgriff auf eine jahrhundertealte Tradition rassistischer kultureller Praktiken und Denkmuster (das Lynchen schwarzer Männer wegen eingebildeter Übergriffe auf weiße Frauen begann und endete nicht mit Emmett Till) ihre Machtposition, um unter impliziter Todesandrohung Kritik an ihrem Verhalten zu unterbinden.
Wenn man sich das Video anschaut, sieht man, dass sie in offensichtlich völlig übertriebener Weise das weiße Opfernarrativ bespielt. Die einzige, geringe, Chance das Leben des Opfers (d.h. des Mannes) zu schützen in dieser Situation ist die Videodokumentation. Und die einzige, einigermaßen erfolgversprechende Möglichkeit, irgendetwas wie Gerechtigkeit oder Generalprävention zu erreichen, ist über die Öffentlichkeit.
Man täuscht sich, wenn man sich die USA als Rechtsstaat (im Sinne einer allgemeinen Gleichheit vor dem Gesetz und Gesetzesbindung für die Exekutive) vorstellt. Eine weiße, wohlhabende (Investmentbänkerin) Frau wäre nach Klage durch einen schwarzen Mann ohne Videobeweis niemals verfolgt oder gar bestraft worden. Und auch mit einem solchen Videobeweis wären seine Chancen auf dem institutionellen Weg äußerst dürftig.
Bei aller berechtigten Kritik an den deutschen Institutionen in Sachen Rassismus, die Lage in den USA ist nochmal was ganz anderes.
Und hier von cancel culture zu sprechen (selbst wenn man den Begriff meint ernst nehmen zu können), ist völlig absurd.

Etwas plausibler ist es bei Frau Eckhardt. Aber auch da finde ich es albern. Was für die einen cancel culture ist, ist für die anderen zivilgesellschaftliche Verteidigung von Demokratie und Grundgesetz. Nicht umsonst steht in Deutschland die unbedingte Verteidigung der Menschenwürde an oberster, absoluter Stelle im GG (und nicht die Meinungsfreiheit, wie in den USA). Jemandem, der meint, in der Öffentlichkeit entwürdigende Witzchen über marginalisierte Menschengruppen machen zu müssen, sollte man als Demokrat mit Bodenhaftung auf Artikel 1 entgegentreten und - wenn man in der Entscheidungsposition ist - keine Bühne bieten.
Dass die üblichen Verdächtigen wie Nuhr, Broder oder Tichy’s Einblick als getroffene Hunde zu ihrer Verteidigung eilen, bestätigt die ganze Sache eigentlich nur.

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Also ich finde es schon spannend wie hier der Fall aus den USA perspektiviert wird. Es wird Empathie gefordert von einer weißen Frau die ein Privileg ausnutzt, wohl wissend, dass solche Situationen nicht selten eskalieren und die Schwarze Person mehr als nur einen Job verliert. Hinzu kommt, dass es ein System, unter dem Menschen in den USA seit Jahrhunderten leiden. Und dass solches Verhalten zwar moralisch höchst verwerflich, nicht aber unbedingt strafbar ist, muss ebenfalls klar sein. Justiz, Polizei und Gesetzgebung sind gleichermaßen überwiegend weiße Institutionen. Schade, dass sich hier einige Menschen so wenig mit alltäglichen Folgen von Alltagsrassismus auseinandergesetzt haben. Und vielen Dank Ulf für die klare und deutliche Positionierung!
liebe Grüße, Luca

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Hallo. Zu New York: Im Grunde möchte ich mich der Position von Ulf anschliessen, möchte jedoch noch etwas hinzfügen, was glaube ich noch nicht beleuchtet wurde (sorry, falls ich es überlesen haben sollte). Im Podcast wurde gesagt, dass der Vorfall in New York auch kein so gutes Beispiel für Cancel Culture sei. Jedoch denke ich, dass ein wichtiger Aspekt sein dürfte, dass der Arbeitgeber aufgrund des öffentlichen Drucks der um diesen Fall entstand im Grunde gar keine Wahl hatte als die Frau zu entlassen. Hypothetisch: Selbst wenn eine differenziertere Betrachtung es eventuell ans Licht gebracht hätte, dass der Fall weniger schlimm sei als vermutet, denke ich, dass die Frau entlassen worden wäre, weil es bei der allgemeinen Stimmung fast ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre die Entscheidung sie nicht zu feuern zu rechtfertigen.