Bürokratieabbau - ein Wort fürs Bullshit Bingo

Ein künstlicher Weihnachtsbaum (z. B. aus Plastik) ist nun mal mit 19% zu versteuern, da kommst du nicht raus aus der Nummer. Und die anderen beiden sind pauschale Steuersätze, damit der Verkäufer eben nicht jedes mal prüfen muss, ob das Produkt nun 7% oder 19% hat (und vor allem keine Aufzeichnungen darüber führen muss), steht also bereits für weniger Bürokratie.
Und ein fünfter Steuersatz wurde vergessen. Der Kleinunternehmer hat 0% USt.

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Ich habe auch noch eine kleine Anekdote zum Them Geburt und Effizienz.
Positiv: die Vaterschaftsanerkennung konnte ich per Mail einreichen.
Das Standesamt Köln hat die Geburtsurkunde direkt an die Elterngeldstelle Köln weiter geleitet. Ich konnte aber nicht ausmachen was passiert wenn man nicht in Köln wohnt, muss man da eine neue beantragen? ( da muss Elterngeld drauf stehen die „normale“ reicht nicht)
Verbesserungspotential wäre die Geburtsurkunde für das Kindergeld auch direkt an die Familienkasse weiter zu leiten, was mich zu dem nächsten Punkt bringt. Den Kindergeldantrag habe ich mit dem Elster Zertifikat komplett online gestellt, eine Möglichkeit zusätzliche Unterlagen einzureichen gab es nicht. Hier musste ich auf den Brief der Familienkasse warten, diesen dann postalisch beantworten damit die es einscannen und in der elektronischen Akte ablegen können. Eine Möglichkeit etwas elektronisch (Mail oder online) einzureichen gab es nicht.
Das gleiche bei dem Elterngeldantrag, das meiste konnte man online ausfüllen aber die letzten 12 Gehaltsnachweise mussten gedruckt und per Post eingereicht werden, bei normalen Angestellten wird das doch alles elektronisch ans Finanzamt übermittelt und liegt dort vor. Warum kann ich hier nicht der Elterngeldstelle eine Erlaubnis zum Datenabruf geben? So musste jemand das alles abtippen um den Anspruch zu berechnen.

Ich denke hier ließen sich noch einige Effizienzen in dem Prozess heben und einiges an Arbeitszeit einsparen.

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Vielleicht ist das ein Positiv-Beispiel. Bei der Reisekostenabrechnung muss man bei uns nämlich nur die bereits im Buchungsportal vorhandenen Rechnungen für Flug, Bahn und Hotel verknüpfen und für die Verpflegung gibt es die allgemein Bekannten Pauschalen von 6, 12, und 24 Euro.

Wer den Privat-PKW genutzt hat kann 30 Cent pro Kilometer angeben.

Das ging bei uns super easy. Direkt im Krankenhaus hat unser Standesamt eine Filiale und die Geburtsurkunde war in fünf Minuten beantragt.

Elterngeldantrag ist Mist. Beim zweiten Kind konnte ich zwar die Belege per E-Mail senden, aber musste es aufgrund der Größe in mehrere Mails aufteilen, weil die kein Upload-Portal hatten. Zudem ist Stapel Belege kopieren warum auch immer leichter als Stapel Belege Einscannen und in separate Dateien aufteilen.

Gutes Beispiel, wie man sich an unnötige Bürokratie gewöhnen kann. Das Krankenhaus erhebt alle notwendigen Informationen, ein separater Antrag ist lediglich aus Gewohnheit und halt Bürokratieverliebtheit notwendig.

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Naja, da muss man das Spannungsverhältnis von Datenschutz und Praktikabilität beachten.

Es ist ja häufig der Fall, dass alle Daten bei Behörde A oder Unternehmen B vorliegen, aber Behörde C diese Daten für ein hoheitliches Handeln braucht. Was du nun quasi sagst, ist, dass die Daten automatisch von Unternehmen B (dem Krankenhaus) an Behörde C weitergeleitet werden sollten, weil es ja ohnehin eine gesetzliche Pflicht gibt, dass die Eltern diese Daten an Behörde C schicken.

Mit der gleichen Argumentation könnte man aber auch Banken ermächtigen, alle möglichen Daten an den Staat zu geben. Oder generell Sozial- und Finanzämtern erlauben, zwecks Missbrauchsvermeidung alle Daten gegenseitig auszutauschen und abzugleichen. Und da nähern wir uns dann sehr schnell dem „gläsernen Bürger“.

Das zeigt, dass es zweifelsohne nicht so ist, dass in solchen Fällen grundsätzlich immer Daten, die von einer Stelle gesammelt werden, an eine andere Stelle ohne Einwilligung der Beteiligten weitergeleitet werden. Jetzt könnte man sagen: Dann fragt halt nach der Einwilligung! Aber wäre die Einwilligung dann wirklich freiwillig? Also wer nicht einwilligt, dass die Daten des Kindes ans Standesamt übermittelt werden oder die Daten der Krankenversicherung an das Jobcenter weitergeleitet werden macht sich durch die Nicht-Einwilligung direkt verdächtig und setzt fast schon einen Grund, nachzuforschen… daher kann eine einfache Einwilligungs-Lösung auch nicht die Antwort auf das Problem sein.

Wie viele Daten in welcher Situation von einer Stelle zur anderen übermittelt werden sollten ist daher immer ein hoch-sensibles Thema. Die von @Schorschie geschilderte Lösung ist da schon relativ optimal, weil die Schwelle, die Daten weiterzugeben, niedrig ist, der Akt der Bürokratie daher schnell zu erledigen ist (im Idealfall stellt das Krankenhaus bereits ausgefüllte Vordrucke zur Verfügung), ohne dass der Datenschutz bzw. die informationelle Selbstbestimmung preisgegeben wird. Daher würde ich sagen, dass der separate Antrag aus Datenschutzgründen notwendig ist, nicht aus „Gewohnheit“ oder „Bürokratieverliebtheit“.

Je nachdem, welchen Stellenwert man der informationellen Selbstbestimmung - vor allem gegenüber staatlichen Behörden im Fall von Meldepflichten - einräumt, kann man hier natürlich zu anderen Wertungen kommen.

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Also ich weiß nicht. Wessen soll man denn verdächtig sein, wenn man bei der Geburt eines Kindes das Häkchen für Datenübertragung nicht setzt? Ich denke aber, dass es gute praktische Gründe gibt, die Geburtsurkunde nicht durch das Krankenhaus beantragen zu lassen.

Ist denn das der Fall? Von der Mutter ist klar, durch die Krankenkassenkarte. Aber nimmt das Krankenhaus auch die Daten des Vaters auf? Insbesondere wenn es vielleicht nicht der Ehemann oder der Lebenspartner ist, der bei der Geburt dabei ist? Und wenn das Krankenhaus den Namen hat, um bspw. Besuchsrechte zu ungewöhnlichen Zeiten zu regeln, speichern die dann auch alle anderen Daten wie evtl. weitere Vornamen, Wohnadresse, Geburtsdatum usw.?

Was ist mit dem Namen des Kindes? Das ist eine Entscheidung der Eltern, die meiner Ansicht nach nicht via Proxy mit zusätzlichen Fehlerquellen (Schreibweise, zusätzliche Vornamen, kurzfristige Umentscheidung,…) an das Amt übermittelt werden kann.

Alles in allem wäre das vielleicht ein „Bürokratieabbau“ für die werdenden Eltern, aber nur weil die Bürokratie diese Daten in jedem Fall vollständig und korrekt zu erheben auf das Krankenhaus abgewälzt würde. Das ist aber nicht die Aufgabe von Krankenhäusern. Und wenn das Krankenhaus dann einen Fehler macht, der den Eltern erst bei der Übergabe der Geburtsurkunde auffällt, dann wird’s richtig anstrengend das korrigieren zu lassen. Dann existiert u.U. schon die Steuer-ID unter dem falschen Namen, etc.

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Ihr habt mich in meiner Meinung nur bestärkt.

Ja, bei Anträgen die ich stelle oder stellen muss, wäre das super. Es gibt hier keine Datenschutzvorteil, den die Verweigerung erzeugen würde. Wenn ein Antrag eine Meldebescheinigung benötigt, dann ist es kein „Datenschutz“, wenn ich sie in Papierform dazulege statt dass die Behörde eine elektronische Abfrage durchführt.

Tut man. Sogar datenschutzrechtlich viel problematischer in die andere Richtung: Seit 2015 rufen Banken das Kirchensteuermerkmal ab und erheben dementsprechend Steuern.

Ist eine Frage des Framings. Was du als Horrorvorstellung beschreibst ist notwendig, um die Kindergrundsicherung wirklich so zu gestalten, dass jeder der Anspruch hat sie auch automatisch erhält.
Die Abfrage von vorliegenden Informationen nicht automatisch zu ermöglichen schützt auch niemanden, denn entweder gibt es einen Rechtsanspruch der Behörde, eine Information zu erheben, dann tut sie es auch, oder halt nicht, dann darf sie es auch nicht automatisiert. Hier feierst du als Datenschutz, dass man als Bürger im Rahmen eines Eltergeldantrages verpflichtet ist, seine letzten 12 Gehaltsnachweise auf Din-A4 beim Amt einzureichen, statt zu erlauben, dass ein Bürokratie abgebaut wird und stattdessen automatisiert eine Abfrage bei der Steuer erfolgt. (Datensparsamer wäre die Abfrage, so viel zu „Datenschutz“…)

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Wenn es Pflichtangaben sind, dann macht man sich nicht „verdächtig“, sondern erfüllt die Antragsvoraussetzungen nicht. Dann wird der Antrag nicht weiter bearbeitet, bis man die notwendigen Informationen in Papierform nachweist oder halt direkt abgelehnt.
Es geht doch nicht darum, bisher optionale Informationen digital verpflichtend abzufragen.

Hat mich nicht überzeugt, dass im Fall der Anzeige der Geburt die informationelle Selbstbestimmung geschützt wird, wenn man denen die es wollen, die Übermittlung der Daten verbietet.

In meinem Fall vom letzten Jahr: Ja. Die automatische Variante muss ja nicht 100% der Sonderfälle abdecken. Wenn 60-70% der jungen Eltern ein Gang zum Amt erstpart bleibt, dann ist doch schon viel gewonnen.

…Weil ein Vorgang in seltenen Fällen Fehlerhaft sein könnte, lassen wir es lieber ganz und lassen den Bürger zum Amt laufen. Statt die Fehlerkorrektur zu entbürokratisieren. Niemand würde darunter leiden, wenn man 6 Monate nach Erhalt der Geburtsurkunde noch Daten ändern lassen könnte.

Die Steuer-ID braucht man immer, wenn das Kind existiert. Da muss auch bei falschen Namen nichts korrigiert werden.

Und nach all dem Hin- und Her ob man es denn machen könnte, die große Überraschung: (in Berlin) übermittelt das Krankenhaus bereits die Geburtsanzeige dem zuständigen Standesamt, oft schon inklusive Namenserklärung: Geburt eines Kindes melden - Dienstleistungen - Service Berlin - Berlin.de

Hier wäre Bürokratieabbau also insbesondere der Verzicht auf Originale. Oder dass man es wie Bremen macht, wo es einen Online-Service gibt oder man die Originale im Krankenhaus abgeben darf.

Naja, jetzt wissen wir, warum Bürokratieabbau nicht so einfach in Deutschland ist.

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Das ging bei uns auch genau so und war super easy, da sehe ich auch nicht groß Verbesserungspotential.
Der Prozess im Anschluss ist m.E. suboptimal, ich bekomme die Urkunden per Post und muss dann diese wieder weiter schicken. Ohne die Urkunde erhalte ich ja keine Leistung also sehe ich da keine datenschutzrechtlichen Bedenken wenn ich den Behörden eine Einwilligung zu elektronischem Austausch gebe, das müsste doch (allen) auch massiv Arbeit ersparen.

Nein. Sondern weil es hier nicht um eine einfache Übermittlung vorhandener Daten geht, sondern eine Entscheidung getroffen und eine rechtsverbindliche Erklärung darüber abgegeben werden muss, nämlich wie das Kind heißen soll.

Ansonsten könnte man auch standesamtliche Hochzeiten abschaffen. Irgendeine Kirche – oder im Zweifelsfall der DHL-Kiosk an der Ecke – meldet einfach, dass zwei Leute dort geheiratet haben, und dann ist das jetzt eben so.

Also ich sehe da, wenn ich runterscrolle, eine lange Liste erforderlicher Unterlagen, die „dem zuständigen Standesamt grundsätzlich im Original vorliegen“ müssen, inkl. „Erklärung beider Elternteile über Vornamen und Familiennamen des Kindes (unterschrieben)“. Wenn das Krankenhaus diese entgegennimmt und weiterleitet, ist das halt eine nette Dienstleistung.

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Das zeigt doch nur, dass es immer eine Frage der Abwägung ist, wann eine Datenweitergabe - vor allem eine ungefragte - angemessen ist. Bei Datenweitergaben, die lediglich dem Bürger Vorteile bringen sollen (Beispiel der Kindergrundsicherung) kann man definitiv zu anderen Ergebnissen kommen als bei Datenweitergaben, die strafbares Verhalten aufdecken sollen oder eben bei Datenweitergaben, die dazu dienen sollen, eine Informationspflicht des Bürgers gegenüber dem Staat durchzusetzen.

Alles, was ich sage, ist, dass wir diese Dinge jeweils im Einzelfall kritisch diskutieren müssen, statt pauschal zu sagen: „Das ist alles Bürokratie, die muss abgebaut werden!“. Denn würden wir diese Datenschutzbedenken überall abbauen und Staat und Unternehmen überall dort, wo der Staat ein Interesse an der Information hat, erlauben, Informationen von anderen Stellen zu sammeln und zu verbinden, sind wir eben ganz schnell beim vollständig gläsernen Bürger.

Beispielsweise:
Wollen wir, dass der Beitragsservice (Ex-GEZ) über die Banken erfahren kann, dass eine Person eine Fernsehzeitung oder einen PayTV-Kanal abonniert hat, um damit die rechtliche Meldepflicht des Mieters einer GEZ-pflichtigen Wohnung zu erleichtern? Das ist jetzt nur ein Beispiel, man könnte unzählige weitere finden.

Für eine Datenweitergabe - insbesondere, wenn sie ohne Einwilligung oder sogar gegen den Willen des Betroffenen erfolgt - muss es immer eine gute, nahezu zwingende Begründung geben. Bürokratieabbau ist hier in vielen Fällen einfach als Argument nicht stark genug, in manchen anderen schon. Im Fall der Meldung von Geburten z.B. kann man durchaus sagen: „Der einzige Grund, eine Geburt geheim halten zu wollen, liegt in schweren Straftaten, daher überwiegt hier das öffentliche Interesse dem Datenschutz“ und das würde ich sogar akzeptieren. Aber die Abwägung zwischen öffentlichem Interesse, Bürokratieabbau und Datenschutz muss stets stattfinden…

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Das tun wir doch gerade beim Einzelfall. Und da verstehe ich nicht im Ansatz, welche Abwegungsgründe gegen einen (ggf. sogar freiwillig) automatisierten Datenaustausch sprechen könnten. Welches Recht des Bürgers wird dadurch geschützt? Er hat kein Recht darauf, die Geburt geheim zu halten. Der Eingriff in seine informationelle Selbstbestimmung geschieht ja eh, durch die Pflicht diese Informationen dem Standesamt mitzuteilen.

Die Frage ist am Ende, ob wir eine moderne Verwaltung wollen, oder ob wir mit „Datenschutz“ und „gläserner Bürger“-Bedenken halt daran festhalten, dass nichts funktioniert, ohne dass der Bürger für einen Antrag erst zu einem anderen Amt geht um eine Papierausfertigung einer Urkunde abzuholen, die er dann dem neuen Antrag beilegen kann.
Gerade im Einzelfall kenne ich wenige Fälle, in denen ich einen echten Schutz des Bürgers dadurch sehe, dass man einen automatischen Austausch grundsätzlich nicht ermöglicht.

Schlechtes Beispiel, da es nicht existiert. Lustiger Weise war die „Datschutzfreundliche“ Lösung dieses Problems, dass eine Heerschar von Kontrolleuren versucht hat in die Wohnungen von Menschen zu gucken. Tolles Beispiel.

Hier ein Beispiel: Ein Privatmensch kauft Aktien und bekommt Dividenden. Als ehrlicher, nicht gläserner Bürger sollte sich der Staat darauf verlassen, dass er seine Kapitalerträge in der Steuererklärung angibt. Die Bank sollte nichts automatisch machen.

Hab ich nie bezweifelt. Nur wieso man (in diesem konkreten Fall) bei „geht nicht, weil Datenschutz“ landet, erschließt sich mir nicht.

Bei uns auch. Weil wir Glück hatten, zu zweit zu sein, die Öffnungszeiten gepasst haben (war knapp) und weder Mutter noch Kind nach der Geburt auf der Intensiv gelandet sind.

Es ändert sich ja nichts daran, dass die Eltern die Erklärung abgeben. Sie wird bloß vom Krankenhaus übermittelt. Und dass die Erklärung so unumstößlich fix ist, selbst wenn es sich um einen offensichtlichen Fehler handelt, ist (von der Verwaltung/den Gesetzen) selbstgewählt.

Ganz schlechte Beispiele. Man könnte eher sagen, dann kann ja gleich der Autohändler das Auto anmelden und das Wunschkennzeichen beantragen. Oder die Bank nur nach Angabe über einen ominösen Freibetrag Steuern für Kapitalerträge einbehalten oder halt nicht.

Ja… genau was ich gesagt habe:

Ja, eine nette Dienstleistung, die man gesetzlich verpflichtend machen müsste, um Bürokratie abzubauen. Von sich aus dürften Krankenhäuser sowas wahrscheinlich nicht einfach anbieten (reine Vermutung).

(1/2)

Hier müssen wir zwei unterschiedliche Diskussionen führen, die wir nicht vermischen sollten:

a) Sollte es automatische Weiterleitungen von Informationen zwischen Behörden und anderen Dienstleistern (Krankenhäusern, Krankenversicherungen, Arbeitgebern, Vermietern) geben, insbesondere in Fällen, in denen der Bürger die Information nicht weiterleiten möchte?

b) Sollten Amtsgänge grundsätzlich digital und ohne Papierkram zu erledigen sein?

Bei b) haben wir absolut keinen Dissens. Natürlich sollten alle Amtsgänge, die keine erhebliche Schutzfunktion haben (vergleichbar mit der notariellen Form im Zivilrecht), online digital erledigt werden können. Also die Zahl der Vorgänge, die mit persönlicher Anwesenheit erledigt werden müssen, sollte tatsächlich gen Null gehen, es müssen schon erhebliche Gründe für eine persönliche Anwesenheit sprechen, um diese zu rechtfertigen.

Bei a) hingegen haben wir den Dissens darüber, welche Stellen wann Daten - auch gegen den Willen des Bürgers - weiterleiten dürfen sollten. Und da gibt es eben die zwei Pole „Effizienz vs. Informationelle Selbstbestimmung“ und es muss im Einzelfall diskutiert werden, was schwerer wiegt. In manchen Fällen ist das einfacher (z.B. die Weiterleitung von Geburtsurkunden), in anderen schwieriger (z.B. die Weiterleitung von Daten zur Erkennung kleinerer Straftaten).

Das Problem, auf das ich hinweisen möchte, ist, dass nicht die einzelne Weiterleitungspflicht das Problem ist, sondern die Summe aller Weiterleitungspflichten. Wenn man an die einzelne Weiterleitungspflicht eine zu geringe Hürde setzt, wird es sehr schnell so viele Weiterleitungspflichten geben, dass sich unglaublich detaillierte Daten beim Staat zusammenfügen lassen. Das ist letztlich die Befürchtung des „gläsernen Bürgers“. Gerade deshalb ist es wichtig, eine automatische Datenweiterleitung aus Gründen des Bürokratieabbaus nur dort vorzunehmen, wo es wirklich notwendig ist - wodurch „Bürokratieabbau“ alleine eben kein hinreichendes Argument für eine Weiterleitungspflicht wird.

Der Aufstand gegen die Volkszählung in den 80ern, der ja letztlich 1983 zur Schaffung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung durch Urteil des BVerfG geführt hat, zeigt ganz gut die Entwicklung der letzten 40 Jahre auf. Was damals im Rahmen der Volkszählung noch für absolut unerträglich erachtet wurde, ist nichts im Vergleich zu den Daten, die über alle diese kleinen Weiterleitungen, welche die Bürokratie entlasten könnten.

Hier gäbe es doch auch Ansätze da weniger Missbrauch zu ermöglichen.

Wäre z.B. eine manuelle (digitale) Freigabe durch den Bürger realistisch? Wenn bekannt ist, welcher Datensatz benötigt wird könnte man genau diesen beim Online-Antrag freigeben. Nur mit der Freigabe kann dann die Abfrage erfolgen?

Oder auch ein Tracking bei dem nachvollzogen werden kann wann welcher Sachbearbeiter auf welche Daten zugegriffen hat. Ein Zugriff ohne Grund könnte dann überprüft werden und es wären Konsequenzen gegen den Sachbearbeiter möglich?

Oder denke ich mir das zu einfach und in der Realität wäre das schwer umsetzbar?

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Das ist weniger eine technische Frage als eine de Vertrauens. Natürlich könnte man so ein System erstellen, aber würdest du darauf Vertrauen, dass es keine Hintertür gibt, um es zB Sicherheitsbehörden zu ermöglichen, doch ohne das Wissen des Bürgers/der Bürgerin auf deren Daten zuzugreifen?
In Zeiten politischer Forderungen nach Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojaner, Chatkontrolle und Klarnamenspflicht im Internet würde ich da nicht unbedingt drauf vertrauen.

Das soll definitiv keine pauschale Ablehnung digitalisierter und (teil-)automatisierter Prozesse sein. Es ist aber nicht ganz so einfach, wenn man Missbrauchspotentiale wirklich minimieren will.

Missbrauch ist aber doch heute auch denkbar.

Ob ich jetzt heute eine Geburtsurkunde mitbringe oder ob ich den Datensatz z.B. per Code freigebe dürfte da doch keinen Unterschied machen.
Die Daten sind ja auch heute schon irgendwo gespeichert und somit bestände eine Möglichkeit auf diese Daten missbräuchlich zuzugreifen.

Der Unterschied ist, dass der Zugriff auf nicht freigegebene Daten strafbar ist.

Aber genau das will ich ja beibehalten. Nur so, dass man eben den Zugriff freigibt statt ein Dokument separat zu beantragen.

Damit bleibt ein Zugriff ohne Befugnis weiter strafbar. Wenn man das dann noch überwacht und somit selbst die Übersicht über alle Zugriffe hat, wäre das sogar mehr Datenschutz als heute.

Wenn teile dieser Zugriffe automatisiert stattfinden erhöht das sogar noch den Datenschutz.
Eine Bekannte von mir hat mich auf meinen Wegzug aus der Heimatstadt angesprochen den sie mitbekommen hat weil sie die Daten verwaltet hat. Würde der Datensatz einfach automatisiert gelöscht oder verschoben, dann wäre das doch mehr und nicht weniger Datenschutz.

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Ich halte nichts davon, dass man als Schutz gegen den „gläsernen Bürger“ die Verwaltung grundsätzlich dysfunktional und ineffizient gestaltet. Genau das machen wir aber. Dieses Vorgehen steht einer modernen Verwaltung grundsätzlich im Wege. Mit diesem Vorgehen landet man dann in Situationen, in denen das Alter von besonders schützenswerten Personen anhand der Vornamen geschätzt werden muss. Oder man zwingt die Hundebesitzer Berlins, die alle bereits angemeldet sind, sich noch mal in ein zweites Register einzutragen, weil das ja so datenschutzfreundlich ist. Oder man verschwendet die Lebenszeit von Millionen Bürgern, weil sie Drehstuhlschnittstelle für die verschiedenen Systeme spielen müssen, damit eine neue Grundsteuer berechnet werden kann.

Eine solche Verwaltung ist schon geeignet, Zweifel an der Handlungsfähigkeit des Staates zu sähen. Genau das, was wir jetzt brauchen.

Wir wollen beide eine Einzelfallprüfung. Bei dir ist jeder Automatismus verboten, es sei denn, man findet schwerwiegende Gründe, warum man es erlauben könnte, bei mir ist es generell erlaubt, wenn die die rechtliche Grundlage dafür vorhanden ist.

Dein grundsätzliches Verbot ist mit der abstrakten Idee eines gläsernen Bürgers begründet, der irgendwann entstehen könnte und aus dem dann negative Folgen erwachsen könnten, die irgendwie die Rechte des Bürgers einschränken.

Ich sage, dass man früher ansetzen muss. Wenn eine Behörde eine Information erheben darf (weil sie notwendig ist), der Bürger verpflichtet ist, sie zu liefern und die Information bereits an anderer Stelle in der Verwaltung vorhanden ist, dann sollte die Verwaltung die Information automatisiert abrufen dürfen. Den gläsernen Bürger und unerlaubte Profilbildung verhindert man dadurch, dass man datensparsam festlegt, wann eine Behörde welche Information erheben darf und ob sie sie speichern darf. Nicht dadurch, dass man es dem Bürger leicht macht, seiner Informationspflicht nicht nachzukommen.

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