Was bisher eher die Finnen kennen: der Börsenpreis für eine kWh Strom erreichte heute morgen fast 3 Euro! Heute abend werden eine Stunde lang rund 2 Euro/kWh aufgerufen.
Brisant ist das für Kunden, die schon den jeweils aktuellen Börsenpreis plus einen Aufschlag zahlen („dynamische Tarife“).
„Der Anbieter Tibber warnte seine Kunden vor den extrem hohen Strompreisen. Erwartet wurden diese am Mittwoch zwischen 4 und 8 Uhr, sowie am Nachmittag zwischen 18 und 22 Uhr. In dieser Zeit sollte so wenig Strom wie möglich verbraucht werden, schrieb der Anbieter in seiner App. Betroffen von den extremen Preisschwankungen sei der gesamte deutsche Strommarkt.“ (shz.de)
Da freut man sich dann doch an seinem alten analogen Zähler, der neuerdings nicht nur rückwärts laufen darf, wenn das Balkonkraftwerk es so will, sondern auch solche Preisspitzen ignorieren muss.
Was ist der Grund? Genannt wird ein technischer Fehler. Aber es könnte natürlich sein, dass wenig Windstrom und viel Sonnenstrom erwartet wird und deshalb Beschaffungsprobleme in den Stunden mit hohem Verbrauch, aber relativ wenig Sonnenstrom erwartet werden.
Wieso soll das brisant sein? Das ist doch gerade der Sinn von variablen Strompreisen. Wenn der Preis hoch ist gibt es einen Anreiz, dass der Stromverbrauch reduziert wird. Wenn der Preis gering ist, dann gibt es den Anreiz mehr zu verbrauchen.
Auch wenn es hier wohl ein technischer Fehler war, kann jeder Mensch mit einem variablen Stromtarif heute von der Information profitieren. Wer heute anstelle morgens oder Abends zur Mittagszeit Waschen Spülen, sein E-Auto laden kann sieht den Börsenpreis von quasi 0 Euro/MWh oder leicht darüber. Etwas, das bei wenig Wind und Sonne eben genau so angereizt werden sollte, um vorhandenen Flexibilität zu heben.
Wenn du dich also über solche Preisspitzen nicht ärgern musst, dann aber sehr wohl über viele Stunden, wo du profitieren kannst (sofern die entsprechenden Verbrauchsprozesse verlagert werden können).
Ich stimme Dir zu. Insgesamt wird die Energiewende nicht funktionieren, wenn man einfach nur mehr Windräder und Sonnenkollektoren aufstellt, ohne die Infrastruktur auszubauen und Anreize für einen Verbrauch zu Zeiten hohen Angebots zu setzen.
Das hilft ja auch. Schon mein Vater hat in den 70ern abends um 22:00 Uhr eine Runde durch’s Haus gemacht und alle möglichen Verbraucher, die nicht wie die Nachtspeicherheizung oder Wärmepumpe direkt vom Versorger eingeschaltet wurden, einzuschalten.
Und es ist auch jedem Tibberkunden klar, dass nachmittags / abends vor 22:00 Uhr der Strom teuer ist. Nur gucke auch ich nicht täglich in die Kurve für den nächsten Tag. Und morgens ist der Strom eigentlich nicht sehr teuer. Da werden sich einige aber umgucken.
Tatsächlich ist der Strom heute morgen ja über die Grenzen geflossen, sonst wäre das Netz zusammengebrochen. Nur konnte er gestern nicht für heute über die Grenze gehandelt werden. Das schadet dem Ruf des Systems und das kann niemand wollen, weil es gebraucht wird (s.o.)
Ansonsten habe ich einen Akku, der mir von Anfang Februar bis Ende Oktober immer genügend Saft gibt, bis die PV-Anlage um 8:00 Uhr liefert.
Inzwischen kann der Vorfall als lehrreiches Beispiel dafür herhalten, welche Probleme ein entkoppeltes Netz den Staaten bereiten würde, und welche Probleme derzeit bestehen, wenn man sich weitgehend auf erneuerbare Energie verlässt (was an einem erwartet besonders sonnigen Tag kurz nach der Sommersonnenwende auch heute schon der Fall ist. Da ist noch etwas zu tun. Ähnliche Probleme gibt es ganz sicher auch innerhalb Deutschlands.
Ist das so oder ist das nicht der falsche Schluss?
Denn, soweit ich das verstanden habe, gab es ein technisches Problem, weshalb der deutsche Markt vorübergehend vom Rest des Marktes entkoppelt wurde.
In Deutschland setzen wir aber bisher noch verhältnismäßig wenig auf erneuerbare Energien. Ein Speichernetz ist noch gar nicht angelaufen (was ja auch erst Sinn macht, wenn die erneuerbaren eine gewisse Relevanz haben). Auch die Stromtrassen sollen erst in 10 Jahren soweit sein, wie wir sie eigentlich haben wollen.
Die Frage ist doch: wie wäre Deutschland aufgestellt gewesen, wenn die Energiewende bereits geschafft worden wäre. Und die zweite ist natürlich, wie man den Spotmarkt redundant gestalten kann, dass ein Ausfall des bisher einzigen Marktes aufgefangen werden kann.
Die Kritiker der Energiewende beschweren sich dauernd über Stromimporte - hier haben wir gesehen, was passiert, wenn wir keinen Strom importieren können.
Die Kritiker der Energiewende sagen, dass fossile (und nukleare) Grundlastkraftwerke günstigen Strom produzieren könnten - hier haben wir gesehen, was passiert, wenn wir den Strom aus diesen Grundlastkraftwerken beziehen müssen.
Für mich ist dieser Vorfall eher ein Zeichen dafür, dass die Energiewende noch schneller umzusetzen ist.
Wer sich nochmal eine Zusammenfassung der Trends in Deutschland und der EU über die Stromerzeugung machen möchte hat die Möglichkeit das hier in 10 Minuten mit dem Video des Fraunhofer ISE zu tun.
Nüchterne und sachliche Zusammenfassung, kein politisches Tamtam.
Diesmal war es ein technisches Problem und es wurde nur der Markt entkoppelt nicht aber das Netz, das mit Sicherheit zusammengebrochen wäre, weil die Marktteilnehmer auf dieses unsinnige „Preissignal“ nicht reagieren konnten. Aber in den Schubladen der vereinigten Nationalisten aller Länder liegen Pläne, die Märkte und gerne auch die Netze zu entkoppeln. Dass das zu Problemen aller Art führen würde, kann man sich denken.
Dazu im Tagesspiegel: „Die Kritik einiger Stromhändler an dem Börsenbetreiber geht sogar noch weiter. Sie fordern ein besseres Krisenmanagement und warnen: An einem Tag im Winter, wenn weniger Strom aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht und die Liquidität im Markt geringer ist, hätte der Schaden leicht in die Milliarden gehen können.“
Ich halte es für ein Problem, wenn die Strombörse, die über den Strompreis eigentlich Stromangebot und -nachfrage gut ausgleichen kann, fehleranfällig ist und das Vertrauen der Verbraucher in diesen Mechanismus dadurch nachhaltig erschüttert wird. Denn dann wird das nichts mit der Energiewende.
Wenn die an die Regierung kommen - und das dann auch wirklich durchziehen - ist Strom nur eines von vielen Problemen.
Wie du schreibst, die Börse ist das Problem, nicht das Netz.
An dieser Stelle ist es aber wichtig auch nicht zu übertreiben. Der Fehler ist aufgetreten und wurde al solcher direkt benannt. Die Epex hat das entsprechende Feature wohl auch direkt deaktiviert und damit sollte das aus diesem Grund nicht mehr auftreten.
Ja, das Krisenmanagement lässt sich verbessern, aber direkt von einem Vertrauensverlust zu sprechen geht an der Stelle nach zu weit. Solange es ein einmaliger Vorgang bleibt, ist es vielmehr ein Zeichen, dass das System funktioniert und Fehler sobald sie passieren auch behoben werden.
Laut ENTSO-E ist (Stand 2023) noch kein Markt vollständig decoupled worden (das single day ahead coupling gibt es dabei seit 2014 und es gab bis 2023 vier Teilentkopplungen (https://eepublicdownloads.entsoe.eu/clean-documents/nc-tasks/ENTSO-E_Market_Report_2023.pdf auf S. 53). Auch dazu sollten sich in den entsprechenden Berichten weitere Informationen finden lassen.
Und zu den angefallenen und in anderen Situationen potentiellen Schäden. Das lässt sich aus meiner Sicht gut ausschlachten. Aber auch hier sollte es viel eher darum gehen eine konstruktive Lösung zu finden, wie in solchen Situationen in Zukunft verfahren werden kann. Das Problem für die verbrauchenden Unternehmen will ich gar nicht klein reden, aber es gibt auf der anderen Seite auch einige Unternehmen, die ordentlich Gewinne gemacht haben dürften. Hier kann die EPEX (als erst mal nur der Handelsplatz der das Problem hatte) nachsteuern, wobei für den konkreten Fall vermutlich erst mal eher Klagen der benachteiligten Seite zu erwarten sind.
Im 21. Jahrhundert ist alles, was mit Energie zu tun hat, sehr wichtig.
Und die Bedeutung der Stabilität der Stromnetze wird in 20 Jahren, wenn die Republik an der Wärmepumpe hängt, nicht nur an Tagen, an denen man bei Stromausfall die Wasserrohre leeren muss, um nach dem Stromausfall noch ein Rohrnetz zu haben, sicherlich extrem viel größer sein als heute.
ich erinnere mich noch an den mehrtägigen Stromausfall nach dem Niedersachsenorkan am 13. November 1972. Damals hatten viele noch Ofenheizung und Diesel pumpte man mit der Hand in den Traktor, wenn es sein musste, Kassen war mechanisch, Buchhaltung händisch, Debitkarten noch nicht mal Sciene Fiction, Milch konnte noch von Hand gemolken werden, weil die letzten Vertriebenen, die nicht nach Wolfsburg gezogen waren, für ein gutes Zahlenverhältnis zwischen Kühen und Knechten sorgten, und für die meisten war das einzige Problem, Frischwasser zu pumpen (das Abwasser lief einfach nach einem Durchgang durch ein Setzbecken in den nächsten Bach). Dieses Problem war damals noch beherrschbar, wenn man noch eine Handpumpe im Garten hatte (was aber schon selten war). Das ist schon heute, nur 50 Jahre später ganz anders und nur 20 Jahre weiter wird es noch einmal ganz anders sein.
Deutschland tritt aus der NATO aus, Importe werden durch die Bank besteuert, 1% der in Deutschland arbeitenden Menschen mit Migrationshintergrund verlässt das Land, Grenzkontrollen erzeugen Schlangen an den Grenzen, Deutschland führt eine eigene Währung ein und kündigt der EU die Gefolgschaft, sofern sie nicht die von Deutschland geforderten Reformen umsetzt (warum sollte sie das tun).
Der Brexit zeigt recht schön, was da auf uns zukommt.
Es ist müßig sich auf dieses Szenario vorzubereiten. Die Energie ist besser investiert dieses Szenario nicht eintreten zu lassen.
Wie sollen also zurück in die 70er gehen oder was soll die Aussage bezwecken?
Wie von @der_Matti schon drauf hingewiesen, war die Börse das Problem und nicht das Netz. Du hast nur das Schreckgespenst Stromausfall an dem du dich aufhängst, aber keinen weiteren Punkt, dass die Situation an der Börse das Netz in diesem Fall so stark beeinträchtigen hätte können, dass es da zu einem Blackout gekommen wäre. Und bevor du mit dem Winter kommst: Auch da wäre das Netz weiter stabil gewesen, nur der potentielle finanzielle Schaden hätte grösser Ausfallen können.
Ein Punkt noch, der deine Argumentation mit dem Stromausfall auch heute nicht so dramatisch werden lassen dürfte. Es wird mehr und mehr Menschen (gerade auf dem Land) geben, die eine PV Anlage mit Speicher besitzen. Sollte es mal wieder zu einem längeren Stromausfall kommen, dann können diese (ein entsprechendes Setting vorausgesetzt) auch dann mit ihrer Wärmepumpe heizen und nur kochen. Es muss also nicht mal alles gleich schlechter werden. Ich will das Problem nicht schönreden, nur zu sagen, dass es damals so viel besser war ist aus meiner Sicht auch etwas zu einfach.
Das wird kaum funktionieren. Damit private Stromspeicher als „Insel“ funktionieren, muss eine spezielle Vorrichtung eingebaut sein. Die sorgt dafür, dass der Speicher keinen Strom in das Netz einspeist, wenn zum Beispiel Wartungen am Netz vorgenommen werden, weil dadurch Arbeiter gefährdet werden würden.
Wir haben uns damals gegen den Einbau dieser Vorrichtung entschieden, da dies kostspielig war und weitere Anträge beim Versorger gebraucht hätte. Ich kenne keine Zahlen dazu, aber ich würde vermuten das von den ohnehin prozentual wenigen Haushalten mit Speicher nur ein Bruchteil auch problemlos als Insel funktioniert.
Und dann gibt es natürlich das Problem, dass Solaranlagen in der üblichen Heizperiode praktisch keinen Strom produzieren. Bei uns könnte man mit dem Monatsertrag im Dezember eine Wärmepumpe vielleicht ein paar Stunden betreiben, in der Praxis wird die Produktion in den relevanten vier Monaten im Jahr aber ohnehin mehr oder weniger sofort verbraucht und kommt gar nicht erst in der Batterie an.
Ich habe mich da leider etwas zu vereinfachend ausgedrückt. Das tut mir leid.
Meines Wissens sind inzwischen viele PV-Speicher Lösungen zumindest eingeschränkt in der Lage auch ohne weitere Zusatzinvestitionen für einzelne Verbraucher einphasig im Notfall Strom bereitstellen zu können. Zumindest war mein Stand das es eine Notstromsteckdose gibt. Das ist aber dann nichts für eine Wärmepumpe.
Was ich ansonsten eher noch im Kopf hatte ist, dass es z.B. bei Sonnen eben die zusätzliche Technik gibt eben auch komplett das ganze Haus im Inselbetrieb zu betreiben. Meines Wissens lag der Preis so um die 1000 Euro. Klar ist das noch mal teurer, aber ich hatte es als eine Grössenordnung, die bei dem Gesamtinvestment noch gut tragbar ist eingeordnet. Aber klar, das ist auch wieder nur ein Anbietender und nicht der Standardfall. Das mit den weiteren Anträgen bei den Versorgern war mir an der Stelle nicht bewusst und macht es mal wieder komplizierter als es sein muss.
Hier nochmal eine gute Erklärung was passiert ist und wie es zu den hohen Preisen kam. Aber auch, dass der Intradaypreis zu der Zeit stabil geblieben ist.
Ach ja für alle die immer mit dem Finger auf China zeigen und meinen in Deutschland braucht ma n nix tun so lange China nicht mitzieht empfehle ich folgende Seite….
Super interessant. Wenn die Zahlen in der Quelle stimmen, dann baut China jeden Monat knapp so viel Solar und Wind wie wir in Deutschland ab 2026 pro Jahr neu ans Netz gehen lassen wollen (23,5GW/Monat). Es geht also, wenn man nur will.
Die Hoffnung ist das China ab ca. 2025 keine neuen Kohlekraftwerke mehr bauen wird und der derzeit noch sehr hohe Anteil der Kohle an der Stromerzeugung rapide abnimmt. China hat derzeit etwas mehr 1.000 GW Kohlekapazität am Netz, theoretisch könnte das innerhalb von 10-20 Jahren abgeschaltet werden, wenn das Wachstum der Erneuerbaren sich weiter so beschleunigt.
(Nuklear wird von China zwar weiter ausgebaut, aber nur auf dem Niveau das der Anteil an der Stromproduktion von ca. 7% etwa gehalten wird. Atomkraftwerke werden also auch im Reich der Mitte nicht als die Energieform der Zukunft angesehen).
Zu der Meldung passt, dass in Kalifornien gerade ohne Probleme durch eine enorme Hitzewelle gekommen ist, die in früheren Jahren wohl zu erheblichen Stromausfällen geführt hätte (weil die Netze durch den allgemeinen Einsatz von Klimaanlagen überlastet worden wären). Neben dem Ausbau der Erneuerbaren werden dafür auch die Installation von 10GW Batteriekapazität verantwortlich gemacht. Während wir hier in Deutschland noch darüber reden, ob Batterien irgendwann als Pufferspeicher eingesetzt werden können, hat Kalifornien davon in der Größenordnung von 10 Atommeilern Kapazität am Netz.