ich bitte um ein Kapitel über die aktuelle Entscheidung des US Supreme Court bzgl Trump.
Insbesondere würde ich gerne besser verstehen, ob/wie in der Zukunft Entscheidungen des Verfassungsgerichts auch verändert werden können. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass diese Rechtsauffassung Bestand haben kann, dass der US-Präsident die Rechte eines Königs hat, solange er im Amt ist.
Was passiert, wenn im Laufe der Zeit sich die Rechtsauffassung verändert, wie geht das US-Recht mit gesellschaftlichen Veränderungen um?
Ist es im US-Recht überhaupt vorgesehen, dass das Supreme Court nicht unfehlbar sein könnte?
Der Supreme Court kann sich selbst korrigieren, also frühere Entscheidungen verwerfen oder verändern (siehe z.B. das Ende der bisher geltenden Abtreibungsregelung, die auf einem früheren Urteil basierte). Daneben ist es möglich, einzelne Richter ihres Amtes zu entheben; hierfür wird das gleiche Verfahren verwendet wie für den Präsidenten, also eine Anklage durch das Repräsentantenhaus („Impeachment“) und dann eine Verhandlung und mögliche Verurteilung durch den Senat („Trial“). Letzteres ist allerdings in der Realität reichlich unwahrscheinlich, da - wie bei den beiden Trump-Fällen gesehen - die erforderliche Mehrheit im Senat aus politischen Gründen kaum zu bekommen ist.
Ich finde ehrlich gesagt, dass die Lage der Innenpolitik der USA viel zu viel Aufmerksamkeit schenkt. Die Segmente überspringe ich zum großen Teil. Ja, die USA sind ein wichtiger internationaler Partner, aber muss ich in einem Podcast, der „Die Lage der [deutschen] Nation“ heißt, wirklich über solche Details der US-amerikanischen Justiz sprechen? Da halte ich die Niederländische oder Französische Gerichtsbarkeit für relevanter für unsere Interessen.
Noch dazu, wo @Eule das inhaltlich relevante wunderbar in einem Absatz zusammengefasst hat.
Das sehe ich nicht so. Tatsächlich sind es die Trends aus den USA, die einige Jahre später nach Europa schwappen. Der aktuelle Siegeszug der Rechtspopulisten in Europa hat sicherlich auch damit zu tun, dass Trump/Bannon und co. in den USA gezeigt haben, wie so etwas funktioniert.
Die USA sind auch nicht nur irgendein Verbündeter, sondern sie sind alleine wegen ihrer militärischen und wirtschaftlichen Dominanz „der Verbündete“ schlechthin für Europa. Daher ist das, was in den USA passiert, für uns auch von so viel größerer Bedeutung als das, was in den Niederlanden passiert. Einzig Frankreich kann da vielleicht noch mithalten, als zweitgrößte Nation und einzige Atommacht der EU.
Kann er, aber wegen der lebenslangen Amtszeit der Richter dauert es erfahrungsgemäß immer um die 50 Jahre, bis das passiert. Beispiele, die mir spontan einfallen, wären Brown v. Board of Education (1954) als Abkehr von Plessy v. Ferguson (1896) und Dobbs v. Jackson (2022) als Abkehr von Roe v. Wade (1972)… kurzum: wenn das System so bleibt, wie es ist, werden wir alle vermutlich eine Abkehr von dieser Rechtsprechung nicht mehr erleben.
Schlimmer noch:
Es ist extrem wahrscheinlich, dass Sonia Sotomayor (aktuell 70 Jahre alt) und möglicherweise sogar auch Elena Kagan (aktuell 64 Jahre alt) während der nächsten Legislaturperiode in den Ruhestand gehen, also die beiden von Bill Clinton bestimmten, demokratischen Richter. Wenn Trump also wieder Präsident wird, könnte das eine 8:1-Besetzung im Supreme Court bedeuten. Das aktuelle 6:3-Verhältnis ist schon eine extreme Unwucht, ein 8:1-Verhältnis wäre ein noch nie dagewesenes Ungleichgewicht.
Würden die Demokraten hingegen die nächste Wahl gewinnen, könnten sie das Verhältnis im Supreme Court möglicherweise umdrehen, denn mit Clarance Thomas (76), Samuel Alito (74) und John Roberts (69) werden auch drei republikanische Richter voraussichtlich bald in den Ruhestand gehen. Das macht diese nächste Wahl so extrem wichtig. Wenn die Demokraten diese Wahl gewinnen können sie den Supreme Court wieder halbwegs ausbalancieren (und nur im Extremfall, wenn alle konservativen Richter in Ruhestand gehen, ein ähnliches Ungleichgewicht wie aktuell herstellen), wenn die Republikaner hingegen gewinnen und junge Richter ernennen (was deren Strategie ist), droht das System derart zu kippen, dass es auf Jahrzehnte nicht mehr ausbalanciert werden kann.
Das sieht ein großer Teil der juristischen Community ähnlich, das Urteil ist eine Katastrophe, da es theoretisch dem Präsidenten ermöglicht, ungestraft Todesschwadrone oder Geheimdienste gegen politische Gegner einzusetzen, so lange er das als Amtshandlung auslegen kann.
Zur Vollständigkeit muss man aber sagen: die Argumentation ist ähnlich wie in Deutschland. Auch hier genießen Politiker (nicht nur der Bundeskanzler) Immunität, daher: In der Regel muss die Politik ihr Okay geben, bevor es strafrechtliche Sanktionen geben kann. Der Unterschied ist: Unser System ist nicht derart polarisiert, dass sich die Politik weigern würde, die Immunität aufzuheben. Hier gilt es quasi als Formsache. Der Supreme Court sagt quasi: Die Handlungen im Amt zu kontrollieren ist nicht Aufgabe der Strafjustiz, sondern des Kongresses. Der kann und soll den Präsidenten eben impeachen, wenn er im Amt Straftaten begeht, eine weitere Bestrafung sei dann nicht notwendig (was ich bestreiten würde!). Wie toll das funktioniert hat man leider gesehen.
Also ja, ein nicht-politisierter Supreme Court nach dem Vorbild des Bundesverfassungsgerichts würde eine derart problematische Entscheidung mit Sicherheit nicht treffen. Derartige Entscheidungen zerstören - nachvollziehbar - das Vertrauen der Bevölkerung in dieses höchste Gericht, eben weil sie so offensichtlich parteipolitisch geprägt sind.
Unter einem demokratischen Präsidenten verlassen alle drei das Gericht sicherlich nur mit den Füßen voran.
Es gibt allerdings noch eine weitere Möglichkeit: Der Kongress kann die Anzahl der Richter verändern; mit entsprechender Mehrheit könnten die Demokraten also das Verhältnis wieder verbessern. Letztes Jahr gab es einen Gesetzentwurf zur Ausweitung des Gerichts auf 13 Richterstellen, der wegen der Mehrheitsverhältnisse im Repräsentantenhaus und der knappen Mehrheit im Senat allerdings chancenlos war. Es wäre nicht das erste Mal - insgesamt ist die Anzahl der Richterplätze bereits sieben Mal (teils hin und her) verändert worden. Die aktuelle Anzahl von neun gilt seit 1869. Das gewählte Ziel von 13 ist dabei nicht willkürlich, sondern bezieht sich darauf dass es inzwischen ebensoviele Bundesberufungsgerichte mit jeweils eigener geographischer Zuständigkeit gibt - quasi die Ebene unter dem Supreme Court - für die jeweils ein Justice zuständig ist, gegenwärtig also manche für mehr als einen.
Die Gefahr dabei ist, das Gericht zu einem politischen Spielball zu machen; andererseits ist dieser Zug offensichtlich sowieso längst abgefahren. Wie realistisch es ist, hängt davon ab ob die Demokraten neben der Präsidentschaft auch ihre Mehrheit im Senat verteidigen können (und ob diese groß genug ist damit nicht einzelne Senatoren aus swing states kalte Füße bekommen und die ganze Sache boykottieren).
Nitpick: Von Obama. Clinton hatte Bader Ginsburg (verstorben, von Trump ersetzt durch Coney Barrett) und Breyer (im Ruhestand, von Biden ersetzt durch Brown Jackson).
ich muss bzw. möchte hier auch kurz mal einhaken und nachfragen.
In dem Urteil heißt es ja unter anderem, dass die Motivation des Präsidenten kein Kriterium bei einer strafrechtlichen Beurteilung sein kann bzw. sein darf. Es wird ausschließlich unterschieden, ob es sich um eine Amtshandlung oder um eine private Handlung handelt.
Mit anderen Worten: Wenn Trump als Präsident nun gefälschte Wahllisten einreicht oder behauptet das betrogen wurde, dann wird das als eine Handlung im Rahmen seiner Tätigkeit als Präsident gewertet? Also als offizielle Handlung als Präsident?
Das ist doch total absurd. Seine Motivation - an der Macht zu bleiben - ist doch hier eindeutig erkennbar - zumal Beweise bzw. Fakten seine Behauptungen doch entkräftet haben bzw. man ihm sogar Unwahrheiten (Lügen) nachweisen kann.
Wie kann ein solches Handeln ihn dann vor Strafverfolgung schützen?
Dann kann sich der Präsident ja immer absichern, in dem er irgendwelche Behauptungen aufstellt und zum Beispiel sagt: „Zum Schutz einer fairen Wahl muss ich das Wahlergebnis anzweifeln und reiche hiermit meine eigenen Wahlmännerlisten ein“
Oder anderes Beispiel: Das Telefonat mit seinem ehemaligen Vize Mike Pence in dem er ihn aufforderte, einen offiziell vorgesehenen Ablauf (Zertifizierung der Listen bzw. der Wahlergebnisse) nicht durchzuführen - Das ist doch in keinem Fall eine Handlung, die zu seinen Präsidentenaufgaben gehört. In dem Fall hat er als Präsident doch quasi genau das Gegenteil getan von dem, was gesetzlich dort im Rahmen des Wahlablaufs vorgeschrieben ist.
Und dies kann man ihm nun nicht zur Last legen, weil er als Präsident dies als Amtshandlung getan hat?
Also etwas absurderes habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehört.
Kann da jemand vielleicht etwas weiter zu ausführen oder im Idealfall Hoffnung verbreiten?
Diese habe ich mir nun angehört und ich komme ehrlich gesagt aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Das kann doch nie und nimmer so richtig sein.
Dem Inhalt der beiden Podcasts folgernd kann Trump dann weder für die Wahlbeeinflussung und vermutlich auch nicht für den Aufstand am 06.01.2024 zur Rechenschaft gezogen werden, da seine Handlungen alle noch während seiner eigenen Präsidentschaft erfolgten.
Das ist für mich irgendwie unvorstellbar… Es muss doch in den USA noch mehr Leute geben, denen durch dieses Urteil die Augen geöffnet wurden.
Ich frage mich allen ernstes, warum da nicht schon Leute zu 100.000en auf der Straße sind und dagegen protestieren…
Nun denn… Stand jetzt bleibt dann nur die Hoffnung, dass es eine vernünftige und sinnvolle Entscheidung an der Wahlurne geben wird.
Nicht alles was der Präsident während der Amtszeit tut, tut er „im Rahmen seines Amtes“. Es gibt in den USA einen langen Kanon an spezifischen „Amtshandlungen“ des Präsidenten, entweder explizit in der Verfassung oder Bundesgesetzen geregelt (z.B. Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte), oder aufgrund von Präzedenzfällen des Obersten Gerichtshofs selbst.
Nicht im Rahmen seines Amtes handelt der Präsident zum Beispiel als Wahlkämpfer. Auch ein persönlich durchgeführter Mord wäre vermutlich schwer als Amtshandlung darzustellen.
Es gibt also durchaus noch Raum für Strafverfolgung, aber jetzt erheblich weniger. Vor allem, wenn zukünftige Präsidenten diese Rechtsprechung für sich intelligent nutzen und sich innerhalb der jetzt sehr weit gesteckten Grenzen halten.
Es gibt kein richtig und kein falsch. In juristischen Texten liegt keine objektive Wahrheit. Das Supreme Court schafft durch seine Interpretation der Verfassung „Rechtswahrheiten“. Und solange Menschen weiterhin dran glauben, dass diese Interpretationen unumstößliche Wahrheiten seien, sind sie es dann eben auch. (Denn nur mal theoretisch: Das amerikanische Volk könnte auch zu der Auffassung kommen, dass es sein Leben nicht nach der Interpretation eines über 200 Jahre alten Texts durch 9 Hanseln ausrichten will und das ändern. Man muss halt nur mal hinter die normative Kraft des (Rechts-)Faktischen kommen.)
Das ist ja genau eines der großen Probleme des Urteils: Letztlich gibt es den Gerichten noch viel mehr Macht, weil die in Zukunft darüber entscheiden, was „offiziell“ ist und was nicht. Die Gerichte sichern sich durch ihr Urteil (und nochmal: das ist ja nur ihre Interpretation der Verfassung, keine objektive Wahrheit) also noch mehr Einfluss auf die Politik.
In der Podcastfolge DLF „der Tag“ vom 2. Juli argumentierte die Korrespondentin ohnehin schon dahingehend, dass in einem politischen Klima, in welchem die Kammern der USA immer mehr blockieren (Kein Übergewicht einer Partei im Senat, Blockade im Repräsentantenhaus bei speakerwahlen etc.) und der legislative Prozess stottert, im Moment das Supreme Court die eigentliche Politik macht / vorgibt. Kann man sicher hier und da kritisieren die These, aber ich würde zumindest behaupten, dass die generelle Stoßrichtung stimmt. Das oberste Gericht macht jetzt Politik und zwar viel mehr und einseitiger als je zuvor. (Bspw. sind ja jetzt quasi auch die Gerichte, inoffiziell, in Impeachmentverfahren zwischengeschaltet, weil man ja erstmal bestimmen muss, ob hier überhaupt ne Amtsverfehlung vorliegt. Vielleicht wäre es technisch möglich trotzdem zu impeachen (?), aber ich weiß nicht, ob sich eine Mehrheit findet, wenn der Beschuldigte argumentieren kann, dass das Gericht noch gar nicht darüber befunden hat, ob ein Fehlverhalten vorliegt bzw. das Gericht das sogar schon verneint hat).
Tl,dr:
Mit dem Urteil hat sich das Gericht nicht nur die Interpretationshoheit über die Rechtstexte, sondern potentiell auch über jedes (politische) Handeln in den USA gesichert. Auf Grund der Personalpolitik am Supreme Court kann (!) dadurch problemlos ein Weg in ein autokratisches Regime beschritten werden, weil die checks-balances ausgehebelt sind. Ein radikaler Präsident und ein ebenso radikales Gericht könnten, wenn überhaupt, nur durch große Mehrheiten in beiden Kammern gestoppt werden. Die wird es wohl aber nicht geben, da 30-40% der Amerikaner nach allem was wir bisher sehen, diesen Weg bereit sind mitzugehen. Die Strategie der Republikanern aus den letzten Jahren trägt nun endgültig Früchte. (Wie gut, dass die Demokraten nen symphatischen jungen Mann aufgestellt haben, der in der Lage ist, das Volk hier zum Widerstand zusammen zu bringen *hust)
Das große Problem ist ja, dass das Gericht nicht nur diese zwei Kategorien erkannt hat, sondern ja quasi noch eine dritte eingezogen hat: „potentielle/mögliche präsidiale Handlungen“ - also solche, von denen nicht eindeutig ist, ob sie in die eine oder andere Kategorie fallen - und darüber müssen im Zweifel wieder Gerichte entscheiden. Und es ist leicht zu sehen, wie im Grunde fast jede Handlung erstmal in die Kategorie „mögliche präsidiale Handlung“ gesteckt werden kann - selbst der politische Mord. Mit genügend Willen lässt sich erstmal fast alles potentiell präsidial ausdeuten. Wenn die Gerichte gut genug auf Linie sind (oder den Fall lange genug vor sich her kicken), dann ist der Graubereich einfach riesig groß, weil es auf der neuen Rechtsgrundlage noch keine Präzedenzfälle gibt. Also natürlich alles mit einem Korn Salz zu genießen, weil wir nicht wissen wie es kommt - aber zumindest potentiell lässt sich die Möglichkeit alles erstmal in den Graubereich "poteniell präsidial - zur weiteren Klärung an die Gerichte " zu schieben, massiv ausnutzen, um das bestehende System zu attackieren.
Böse Zungen behaupten, Biden sollte nun ernst machen und die CIA-Experten auf Trump ansetzen - zum Schutz der nationalen Sicherheit und der Demokratie. Also genug Gründe, warum es eine amtliche, präsidiale Handlung wäre, zu befehlen, Trump zur Befragung nach Guantanamo zu eskortieren, lässt sich sicherlich begründen
(Zur Klarstellung: das ist natürlich nicht meine Meinung, aber es zeigt sehr schön, welche Macht diese Rechtsprechung einer Regierung gibt, die bereit ist, jede ethisch-moralische Grenze zu ignorieren… das Problem ist: während die demokratischen Wähler (und einige Abgeordnete) dieses Verhalten ihres Präsidenten vermutlich stark abstrafen würden, zeigt die erste Amtszeit Trumps, dass dessen Wähler und Abgeordnete ihn dafür auch noch feiern, ganz bestimmt aber nicht abstrafen würden… und da liegt weiterhin das Problem. Und wenn der Trump’sche Supreme Court dann im konkreten Fall über Biden entscheiden müsste würde es niemanden wundern, wenn dieses sinnlose Urteil direkt wieder revidiert würde, sobald der politische Gegner es ausnutzt…)
Also diese Art der Interpretation seitens des Supreme Courts bleibt mir dennoch völlig unverständlich.
Zumal man ja mit einigen wenigen Fallbeispielen aufzeigen kann, zu welchen Situationen das nun gefällte Urteil führen würde. Allein schon die Aussage bzw. Feststellung, dass Nixon nach dem jetzt vorliegenden Urteil unschuldig bzw. nicht haftbar zu machen gewesen wäre grenzt an Wahnsinn.
Am meisten stört mich persönlich eben auch noch der Punkt im Urteil, der explizit die Motivation des Präsidenten für seine Taten als Kriterium für die Ermittlung von Strafbarkeit ausschließt.
Abgesehen davon verstehe ich auch nicht, warum man Trump nun nicht wegen der gefälschten Wahlmännerlisten belangen kann. Diese hat es nachweislich gegeben. Darüber herrscht ja Konsens.
Und es gehört doch sachlich betrachtet definitiv nicht zu den VERFASSUNGSGEMÄßEN Aufgaben des US Präsidenten, gefälschte Wahlmännerlisten vorzulegen bzw. Verfahrensabläufe zu verhindern.
Wie kann man daraus also argumentieren diese Taten dürfen nicht strafrechtlich verfolgt werden, weil ja in seiner Funktion als Präsident zum Beispiel mit Mike Pence gesprochen hat? Völlig absurd… diese Urteilsbegründung will einfach nicht in meinen Kopf.
Wie dem auch sei… man muss die Situation ja nun auch hinnehmen bzw. ertragen wie sie ist.
Abschließend noch ein weiterer Punkt, der mich auch völlig erstaunt: Warum zum Geier stellen die Demokraten nicht - auch wenn es schon 5 vor 12 ist - einen anderen Kandidaten auf bzw. drängen oder motivieren Biden zum Rückzug?
Ein Mann in seinem Alter oder ggf. auch Trump soll quasi den - ich behaupte es mal - stressigsten Job der gesamten Welt antreten und für 4 Jahre die „Macht“ über die USA übernehmen… mit allen Entscheidungen, Verantwortung usw. die dazu gehört.
Mal ehrlich… ab einem bestimmten Alter ist man doch biologisch bedingt dazu gar nicht mehr in der Lage. Hier in Deutschland gehen wir aktuell mit 67 in Rente und in den USA will ein 14 Jahre älterer Mann Präsident werden. Und alle schauen dabei zu… einfach nur unverständlich.
Seltsamerweise darf man laut US Verfassung erst mit frühesten 40 Jahren Präsident werden. Eine Obergrenze gibt es hingegen nicht.
Ich habe die TV-Debatte gesehen und Bidens Auftritt war zu meinem Bedauern eine Art von Super-GAU. Sein über Strecken hinweg ausdrucksloser Blick, seine zum Teil zusammenhanglosen Sätze usw… für mich persönlich furchtbar. Und so jemandem möchte man die Verantwortung für die größte Atommacht der Welt übertragen.
Die im Nachhinein erfolgten Erklärungen bezüglich seiner vorangegangenen langen Reisen bzw. der Erkältung machen doch nur noch um so deutlicher, dass Joe Biden dem Stress nicht gewachsen zu sein scheint. Nationale oder internationale Ereignisse werden ja zukünftig auch weiterhin eher spontan auftreten und sich weniger nach Bidens Tagesrhythmus richten.
Aus all diesen Gründen kann ich einfach nicht verstehen, warum die Demokraten keinen geeigneteren Kandidaten aufstellen und selbst jetzt bzw. nach der Debatte weiterhin an Biden so festhalten.
„Die Demokraten“ sind da mittlerweile schon von abgerückt. Zahlreiche demokratische Vertreter fordern schon direkt, dass Biden aufgibt. Das Editorial der New York Times (einer von der Ausrichtung sehr pro-demokratischen Zeitung) titelte direkt am Tag nach der Debatte „To Serve His Country, President Biden Should Leave the Race“ - und das ist eine sehr einflussreiche Stimme für die Demokraten.
Die Demokraten sind aktuell einfach zerrissen - sie fürchten, dass die Zeit nicht reicht, einen anderen Kandidaten aufzubauen, um zumindest ähnliche Erfolgsaussichten zu haben wie Biden - das ist durchaus nachvollziehbar.
Insgeheim habe ich die extrem unwahrscheinliche Hoffnung, dass die Demokraten doch noch ein Wunder aus dem Hut zaubern - z.B. plötzlich doch noch Michelle Obama sagt: „Ich wollte zwar nie Präsidentin werden, aber mein Land braucht mich“, denn sie ist in aktuellen Umfragen die einzige denkbare Kandidatin, die vor Trump liegt. Wie gesagt, sie hat in der Vergangenheit mehrfach gesagt, dass sie keine politischen Ambitionen hätte, daher ist das leider sehr unwahrscheinlich - aber immerhin möglich, und so düster wie die Situation aktuell ist, kommt jede noch so ferne Hoffnung gelegen.
Nicht den Kopf drüber zerbrechen. Es ist ja wie ausgeführt ein total politisch gefärbtes Urteil, kein logischer Schluss aus irgendwelchen Naturgesetzen.
Wie von Daniel ausgeführt gibt es durchaus einige die das tun. Aber das größte Problem ist: Man kann Biden nicht zum Rücktritt zwingen, er kann nur von selbst gehen (und will dies offensichtlich nicht). Es gibt gleich eine ganze Reihe von Problemen die da dran hängen:
Die Delegierten die Biden bei den Vorwahlen gewonnen hat sind handverlesen und werden ihn wählen, wenn er nicht freiwillig zurücktritt und diese frei gibt.
Ein Gutteil der Spendengelder wurde auf das Biden-Harris ticket eingezahlt - die darf man also ohne große Finanzakrobatik nicht einfach umwidmen. Jeder Kandidat - außer der blassen Harris - steht also vor dem Problem, dass er beim fundraising erst bei ziemlich 0 anfängt. Das ist im teuren US-Wahlkampf halt ein Problem was man nicht ausschließlich durch guten Willen lösen kann.
Die Demokraten haben dadurch, dass sie so gut wie alle Biden Alternativen aus dem Vorwahlkampf rausgehalten haben, selbst verhindert, irgendwie eine starke Alternative aufzubauen (um Biden nicht zu schaden). Es gibt einfach niemanden, der fraglos stark genug wäre, um direkt auf den Sitz zu springen. Alle lancierten Namen, Gretchen Whitmer und Co. sind halt eher lokale Größen. Das übersetzt sich immer nicht nahtlos und zwangsläufig in nationalen Erfolg - da ist Ron de Santis von den Republikanern das beste Beispiel. Sobald alle Lichter und die geballte Medienaufmerksamkeit auf diesen Leuten ruht, entpuppen sich doch viele als deutlich weniger konsensfähig als gedacht. Die einzige die auf Grund ihres politischen Profils über alle Zweifel erhaben ist, dürfte Hillary Clinton sein - die aber unten durch ist und schon gegen Trump verloren hat. Michelle Obama will es nicht machen und auch bei ihr dürfte man ein Fragezeichen machen, ob es einfach so klappt, wenn sie wirklich die Wurst vom Teller ziehen müsste. (Man darf nicht unterschätzen: Präsident und vice-präsident haeben eine einmalige Position um sich überall Freunde zu machen, weil sie Pfründe verteilen können. Jeder andere Kandidat der jetzt kommt hat das nicht. Und je mehr den Hut in den Ring werfen, desto größer wird das hauen und stechen)
Meiner Meinung nach total unterschätzt: Die progressiven Linken, die gerne Mal jemanden wie Bernie Sanders o.ä gesehen hätten, halten schon seit Jaaahren die Füße still, weil ihnen immer gesagt wird: „Wir brauchen nen konsensfähigen Kandidaten der Mitte, um Trump zu schlagen.“ Sucht man jetzt ein neues junges Gesicht der democratic middle, was somit potentiell nicht eine, sondern noch ZWEI Amtszeiten für die Demokraten ins weiße Haus ziehen will, dann würden die progessiven Demokraten also mindestens für 8 Jahre wieder auf alle Forderungen verzichten müssen - das wird zumindest Mal nicht ohne Geräusche abgehen. Ende der Demokratie hin oder her.
Diese Liste ließe sich fast noch endlos fortsetzen, weil es einfach viele viele Fallstricke gibt, die einen Wechsel riskant machen. Das einzige was man jetzt sicher sagen kann: Es gibt keine an diesem Punkt keine sehr gute Lösung mehr und das haben sich die Demokaten selbst zuzuschreibe, Sie haben es mit ihrer völligen Fehleinschätzung in den letzten 1.5 Jahren verbockt nach Alternativen zu suchen und das wird sich jetzt in 3 Monaten (mehr ist es nicht!) nicht alles lösen lassen. Die mir völlig fremde Denke „Nur Biden hat Trump schon mal geschlagen“ hat halt für ne gewisse Betriebsblindheit gesorgt.
PS: Heute die Umfrage gehört, dass 2/3 der Amerikaner gar nicht damit rechnen, dass Biden die 2te Amtszeit überlebt. Kein Wunder, dass den keiner wählen will.
und vielen Dank für die Antworten.
Na dann werden wir mal sehen, wie sich die ganze Lage letzten Endes entwickeln bzw. welche Richtung eingeschlagen wird. So richtig große bedeutsame „Kreuzungs-Wege“ gibt es ja auch nicht alltäglich und ich bin wirklich gespannt, wie sich die Amerikaner entscheiden werden.
Warten wir es ab.
Viele Grüße und Euch allen ein schönes WE - vor allem bleibt gesund.
Eine Aspekt ist mir heute morgen noch eingefallen:
Die Wahllisten für Ohio schließen Anfang August (6. oder 7 August?). D.h., dass die Demokraten eigentlich auch gar keine 3 Monate mehr haben, um sich parteiintern auf einen Kandidaten zu einigen, sondern nur noch bummelig 30 Tage. (Der republikanische Gouvernor of Ohio hat schon durchblicken lassen, dass er selbstverständlich nicht gewillt ist, die Frist zu ändern). Es werden also eher heiße 4 Wochen als heiße 3 Monate.
Ebenso und danke fürs mitdiskutieren! Am Wochenende können wir uns von dem Thema mal erholen, während wir alle die Wahl in GB analysieren
Der Punkt mit den gebundenen Wahlkampfgeldern wurde dort aber nicht angesprochen, was in meinen Augen einen der größten Stolpersteine bei der Findung einer Alternative darstellen kann.
Ich habe natürlich keine Glaskugel und - wie du schon sagtest - es gibt keine sehr gute Lösung mehr. Ich persönlich möchte trotzdem mal ein bisschen Spekulation wagen und die Lanze für Harris brechen, der ja allgemein wenig Chancen eingeräumt werden:
sie hat direkt Zugang zu den Wahlkampfgeldern
sie ist bereits landesweit bekannt, was bei anderen Kandidat:innen ggf. nicht der Fall wäre
hätte den Vorteil, dass sie ohne Machtkämpfe auf organische Art und Weise die Kandidatinnenrolle von Biden übernehmen kann, sollte er sich tatsächlich zurückziehen
die Bilanz der Biden-Regierung ist an sich ja gar nicht soo übel (Inflation Reduction Act, …) und sie kann als Teil der aktuellen Regierung diese Bilanz als positiven Pluspunkt mitnehmen
In Bezug zu essentiellen Wählergruppen:
aufgrund der Roe v. Wade Entscheidung Frauen → generell ein großes Potential für die Demokraten und als Frau könnte Harris das Thema sicherlich gut bespielen
die schwarze Wählerschaft, die bisher ein wichtiger Baustein der Demokraten war, könnte sie als POC authentisch vertreten und ansprechen
am wichtigsten: der Gegner ist immer noch Donald Trump. Die letzte Wahl gewonnen Biden/Harris weil die Independents/Swing Wähler keinen Bock auf ihn hatten, er zu extrem war, bzw. auch aus Sorge vor einem Abdriften in Extremismus und Autokratie (was sich am 06.01. ja beinahe bewarheitet hätte). Sofern ein demokratischer Kandidat halbwegs vernünftig dasteht kann man spekulieren, dass die selben Effekte wieder greifen. Die grundsätzliche Dynamik hat sich ja nicht geändert, niemand außer den MAGAs hat Bock auf Trump.
Um damit wieder den Bogen zum Thread-Thema zu schlagen: die fatale Entscheidung des Supreme Courts liefert den Demokraten das Wahlkampfthema schlechthin, bzw. zahlt auf das Narrativ ein „wählt uns oder Trump wird die Demokratie zerstören“ mit dem sich auch Independents mobilisieren ließen
Alle deine Punkte sind valide und es kann keinen Zweifel geben, dass Harris eine natürliche erste Wahl sein sollte - das spricht für sie. An einigen Stellen würde ich allerdings einschränken:
Ja kann sie. Aber die „hochpolitisierten“ Menschen, welche die Leistungen der Biden-Administration anerkennen, werden ohnehin demokratisch wählen. Von denen bleibt keiner zu Hause oder wählt dann Trump. Ein Problem von Bidens Wahlkampf ist ja gerade, dass die allermeisten Wähler nicht das Gefühl haben, er hätte viel bewegt. Nicht umsonst wurde der Begriff „Bidenomics“ wieder eingetütet, weil sich nicht an die Wähler transportieren ließ, dass Biden inhaltlich Erfolg hatte.
Auch völlig richtig. Aber als alter 538-Hörer (Podcast der sich ausschließlich mit amerikanischen polls befasst) würde ich hier darauf hinweisen, dass Abtreibung ein super Thema für die Demokraten ist, aber in den Umfragen stets „Wirtschaft“ und „Migration/bordercrisis“ das Thema überflügeln. (Zumal Harris ja von Biden damals zur „bordercrisis“-Beauftragten gemacht wurde und da nicht so viel bewegt hat, dass Trump nicht darauf verweisen könnte, dass hier eine Frau antritt, die die Grenze nicht in den Griff bekommt).
Also das entwertet deinen Punkt nicht, aber solange es Donald Trump schafft, dass seine vermeindliche Wirtschaftsexpertise und Migration den Wahlkampf beherrschen, schlagen die Demokraten daraus kaum profit. (Denn auch hier: Wähler die hier single issue voters sind, sind ja in den polls schon alle bei den Demokraten gebucht)
Auch das ist vom Grundsatz her richtig. In den Meinungsumfragen schlägt sie sich trotzdem nicht gut. Sie war halt lange Zeit unsichtbar, nicht umsonst witzelte man im amerikansichen late night unter der Rubruk „Where is Kamala?“ Und die POC Männer, von Schwarz bis Latino, bevorzugen alle Trump wegen seines (vermeintlichen) „Machismo“. Diese Menschen werden wohl eher nicht auf eine Frau wechseln, selbst wenn sie POC repräsentiert. Außerdem müsste man nochmal in die Feinberechnung gehen und schauen, was Harris in ihren vier Jahren für die POC eigentlich konkret bewegt hat, mit dem sie wuchern kann und was im Wahlkampf funktioniert. (Biden hatte ja im TV Duell irgendwas über „a black woman with a morgage“ gemumbelt, aber das klang sehr spezifisch und nciht gerade nach nem telegenen Wahlkampfthema.)
Also darüber, ob Harris tatsächlich die geeignetste Alternativkandidatin ist, lässt sich wie gesehen trefflich streiten. Ich würde das deshalb argumentativ vielleicht umdrehen: Wer auch immer sonst seinen Hut in den Ring werfen will, muss erstmal an Harris vorbei. Das kann man als ihre Stärke deuten, oder als Problem für die Demokraten: Denn die Partei müsste ja ihren Wählern erklären, warum sie die Vizepräsidentin bei einer Nominierung übergeht. Etwa weil sie eine schwarze Frau ist? Man sähe sich also leicht dem Verdacht ausgesetzt, heuchlerisch zu sein, wenn man sie beiseite schöbe, um nen Mann oder eine weiße Person ins Rennen zu schicken.
Das ist so glaube ich nicht ganz richtig. Vielerorts ist der Wunsch nach „Wechsel“ zu hören und „Wirtschaft“ ist das größte Thema. Da hat Trump (völlig kontrafaktisch) den Ruf, der richtige Mann für zu sein. Aber wo zaubern die Demokraten jetzt nen Kandidaten her, der jung, national bekannt und wirtschaftskompetent ist? Ich meine selbstverständlich ist es purer Wahnsinn, dass Trump noch zur Wahl steht, aber er führt in allen swing states innerhalb der „margin of error“ die Umfragen an. Wenn Trump wirklich so klar unwählbar wäre, wie wir uns das durch unsere draußen Sicht vorstellen, dann wäre er nicht schon vor der Debatte die Chance eines Münzwurfs von der Präsidentschaft entfernt gewesen.(Seitdem gegen Biden 60%-40%?) Die Republikaner haben insbesondere in den swingstates enorm nachgeschärft. Also ich glauibe so einfach wie jeder halbwegs vernünftige Kandidat muss sich doch gegen Trump durchsetzten, ist es nicht.
(Wie gesagt, keine Glaskugel vorhanden, nur eine Risikobewertung möglich.)