Bildung, PISA und Deutschland - auf dem absteigenden Ast?

Tja, in Frankreich funktioniert es. Obwohl ich das nicht 1:1 übernehmen würde.

Ganztagsschule kann wirklich helfen, Chancengleichheit auf hohem Niveau herzustellen.

Was heißt es funktioniert? Die Kinderbetreuung in der DDR hat auch „funktioniert“. Heizen mit Öl „funktioniert“. Dass etwas funktioniert ist kein absolutes Qualitätsmerkmal.
Etwas konkreter müsste man in einer Diskussion doch schon werden: Wie viel besser ist eine Pflicht bis 16:30 gegenüber einer Pflicht nur bis 13.00 Uhr? Auch in dieser Zeit gibt es bereits viel Raum für Förderung. Wenn eine Pflicht für Ganztagesbetreuung im Kindergartenalter keinen signifikanten Mehrwert gegenüber einer verpflichtenden Betreuung nur Vormittags bietet, dann halte ich das für einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Rechte der Familie.
Bei uns z.B. ist Betreuung von 8.00 Uhr bis 15.00 Uhr, mit der Option bei geplanten Aktivitäten der Familie auch mal schon um 13.00 Uhr abzuholen?

Sicher eine Überlegung wert, wobei ich mich nicht an Frankreich orientieren würde, was das angeht. Die schneiden im PISA Test in allen Kategorien noch schlechter ab als Deutschland.

Das liegt aber sicherlich nicht am Konzept der Ganztagsschule :wink:

Wieso sollte das so sein?
Natürlich hat sie Vorteile.

Es war die Antwort darauf, dass die Kinder dann keine Zeit mehr für ihren Sportverein hätten.

Kunst, Musik und Sport als Teil der Ganztagsbetreuung + alle Hausaufgaben weglassen oder nachmittags mit pädagogisch-didaktischer Begleitung wäre gut.

Welche denn genau? Ich rede nicht von einer Betreuung bis 16:30 allgemein, sondern von einer verpflichtenden Betreuung bis 16:30 Uhr.
Und ich rede von Kindergarten, nicht von Schule.

Wo habe ich das behauptet, auch wenn es trotzdem ein Stück weit stimmt. Das System in Deutschland hat sich seit Jahrzehnten auf der aktuellen Basis entwickelt, dass Kinder frei vom Kindergarten abgeholt werden können und das die Schule um 13.00 Uhr endet.
Das muss natürlich vor allem bei den Schulen nicht auf ewig so bleiben, wenn man aber eine verpflichtende Ganztagesschule einführen will, dann müsste man das so tun, dass man diesen Strukturen auch Zeit gibt sich anzupassen.
Private Musiklehrer z.B. hätten dann kaum mehr eine Chance eine ausreichende Stundenzahl zum Überleben mit privaten Musikstunden zu erreichen. Man könnte diese aber z.B. dann mit in die Schulen nehmen und bezahlen.
Gleiches mit Sport. Man könnte Stunden schaffen in denen die Kinder dann im Rahmen eines „Sportunterrichts“ in ihrem Verein trainieren, weil die Sportstätten nicht die Kapazität hätten alle Altersklassen zwischen 17:00 Uhr und 19:00 Uhr trainieren zu lassen.

Dazu bedarf es aber dann eine Reform die alle an einen Tisch bringt und nicht einfach nur einen Beschluss, dass die Kinder ab sofort bis 16:30 Uhr in der Schule bleiben müssen.

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An welche speziellen Sportstätten denkst du da? Es ist doch sehr häufig, dass Schwimmbad, Sporthallen und Fussball-& Leichtathletik Plätze sich in der nähe der Schulen befinden.

Ich würde es voll integrieren wollen, da es auch einen großen Mangel an geeigneten Trainern in vielen Sportarten gibt. Da habe ich zuviel anekdotische Erfahrungen gemacht, wo Trainer zwar den Trainerschein hatten, aber wirklich keine Ahnung hatten, wie man pädagogisch richtig die Sportart vermittelt. (Das hat ja sogar der DFB nun raus bekommen und will umsteuern).

Ich kenne Ganztagsbetreuung bis 16:00 Uhr (8:00 bis 13:30 Uhr Schule, 13:00 bis 13:30 Uhr Mittagessen, 13:30 bis 14:00 Uhr freie Verfügung, 14:00 Uhr bis 15:00 Uhr Hausaufgaben mit Betreuung und 15:00 Uhr bis 16:00 Uhr Programm (Sport, Hauswirtschaft, Kreatives Schreiben etc.).
Ich würde halt den Sportunterricht am Morgen streichen und 3 mal die Woche Sport am Nachmittag geben, plus Wettkampf am Wochenende.

Ganztagsschule (Kindergarten) ab 3 z.B. sorgt dafür:

  • dass beide Elternteile arbeiten können
  • dass gute Lern- und Förderbedingungen für alle Kinder gewährleistet werden können. Herkunftsbedingte Benachteiligungen werden minimiert.
  • dass so die sozialen Aspekte der Schulbeziehungen gestärkt werden.
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Ohne diese Gedanken abzulehnen würde ich es für zielführende halten, zu erst einmal das jetzige Betreuungssystem mit ausreichend Ressourcen zu besetzen. Darauf kann man dann entsprechend aufbauen. Aber solche Ideen sind einfach viel zu weit weg und in den nächsten mindestens 20 Jahren völlig unrealistisch. Man sollte eben erreichbare Ziele definieren, zum Beispiel den Unterrichts- und Kitaausfall auf ein absolutes Minimum reduzieren und die Ausstattung der Bildungseinrichtungen signifikant verbessern. Das ist schon schwer genug ohne zusätzliche Betreuungszeiten.

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Ich bin mir noch nicht ganz sicher, warum das definitiv ein Vorteil sein soll. Schließlich liegt Estland an der Spitze der PISA-Studie und hat eine Einwohner:innenzahl wie ein kleines Bundesland. Scheint also, als wäre es durchaus möglich, in einem föderalen System auch gute Ergebnisse zu erzielen.

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Der Vorteil ist, dass die Sprache, die Ernährung und die Bewegung der Kinder im Kindergartenalter sichergestellt wird. Dadurch wird erreicht, dass die Voraussetzungen für den späteren Schulbesuch für alle gleich gegeben sind.
Ja, ich misstraue vielen Eltern dieses leisten zu können. Es gibt einen Grund warum die soziale Herkunft für den Bildungserfolg entscheidend ist. Mit dieser Maßnahme wäre der Grund zu einem großen Teil eliminiert

Schwimmbad, Eissstadion, Radrennbahn, Ruderkanal, Skipiste, Skisprungschanze, Bobbahn, etc.

Bei uns ist kein Schwimmbad in der Näher der Schulen, sondern am anderen Ende des Orts. Nicht in Laufweite für Zwischenstunden.

Und selbst bei Turnhalle. Aktuell geht es ja, weil in der einen Turnhalle Handball, in einer anderen Basketball und in der nächsten Volleyball trainiert wird. Alle brauchen dazu Spieler aus unterschiedlichen Schulen um Mannschaftsstärke zu erreichen. Nur an einer Schule würde dann auch nicht jede Sportart aussreichend berücksichtigt werden.

Dann bräuchte es ja noch viel mehr Trainer, wenn z.B. U15 Basketball in einem Ort nicht mehr die Spieler von vielen Schulen bündelt, sondern an jeder Schule separat trainiert werden würde. Wie soll dabei auch noch die Qualifikation gesteigert werden?

Wenn man aber im Rahmen eines Schulunterreichts in Kooperation mit dem Verein alle Basketballer zusammenzieht und durch einen Trainer, der zum Teil durch den Staat angestellt ist und auch geschult wird macht, dann wären wir wohl in etwa bei dem System wie es wohl in Schweden läuft.

Meine Kritik war eine Ganztagspflicht für Kindegärten. In Schulen bin ich durchaus dafür hier ein System zu schaffen, welches eine Ganztagesschule ermöglicht, z.B. mit festen Zeiten für Sportvereine (siehe oben). Man könnte z.B. Kinder die in keinem Verein Sport machen dann in einem Teil dieser Zeit mit Sport in der Schule zu mehr Bewegung bringen, aber zusätzlich auch andere Aktivitäten (Musik, Theater, Roboter AG, etc.) fördern.

Dazu braucht es keine Pflicht sondern nur ein Angebot. Daran hapert es aktuell bereits in Deutschland. Einer Kollegin wurde ab 1.1. die Betreuungszeit von 14 Uhr auf 12 Uhr gekürzt, wegen Erziehermangel.

Auch das könnte mit einem kostenfreien Angebot ohne Pflicht realisiert werden.

Ich rede von Kindergarten, nicht von Schule.

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Und Kunst!

Aber wenn ich dann wieder manchmal lese oder höre, Schulnoten sollen abgeschafft werden!?
Wiederholung eines Jahrgangs ebenfalls? Das ist doch keine Strafe sondern eine Chance für einen besseren Abschluss. Sonst verlassen die Realschüler auch bald alle die Schule nach der neunten Klasse ohne Abschluss wie auf Hauptschulen schon häufig der Fall.

Was ist die Alternative?

Oder Sport ohne Wettkampf!? Damit weniger talentierte Jugendliche nicht demotiviert werden?
Das funktioniert meiner Meinung nach nicht.

Ja, in Frankreich heißt auch der Kindergarten Schule.

Es wäre wirklich gut, Kindergarten zur Pflicht zu machen. Man kann bereits so viel Gutes bewirken, was Sprache u.Ä. betrifft.

Ja, volle Zustimmung.

Soweit ich weiß, führt die Wiederholung der Klasse eigentlich nie zu einem besseren Ergebnis. Bessere Förderung der Kinder in all ihrer Heterogenität führt zu besseren Ergebnissen.

Übrigens geht es im Lernprozess darum, dass Kinder Fortschritte machen. Der Vergleich zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt ist absolut kontraproduktiv. Jeder, der eigene Kinder hat und sieht, wie sie lernen wollen, wie sie laufen, sprechen, Fahrradfahren lernen, weiß, dass sie das alles nicht zeitgleich lernen, aber sie lernen es. So funktioniert Lernen, mit intrinsischer Motivation. Siehe Caroline von St. Ange.

Hallo an alle,

Laut der Hattie-Studie ist es nun mal so, dass das Wiederholen als Effektstärke so mit das schlechteste ist, was einem Schüler passieren kann…
Ich bin trotzdem nicht dafür das Sitzenbleiben komplett abzuschaffen, allerdings sollte man einen Antrag stellen müssen, damit man wiederholen darf und daran sollte eine Schullaufbahnberatung gekoppelt sein. Meist wissen die SuS schon ,dass sie die Schule gar nicht weiter machen wollen und sie wiederholen nur wegen den Eltern.

Auch braucht es meiner Meinung nach für manche Fächer, wie Sport, Musik und Kunst bis zu einer gewissen Klassenstufe einfach keine Noten. Die Fächer sind zum Ausgleich unerlässlich, aber warum muss in solch tollen Fächern auch noch Druck aufgebaut werden?

Hattie-Rangliste: Einflussgrößen, Effekte, Lernerfolg | Hattie-Studie (visible-learning.org)

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Hallo Liebes Lage-Team,
Hallo an alle Mitleser*innen,

ich bin Lehrer an einer beruflichen Schule in Baden-Württemberg mit einem beruflichen Gymnasium. Ich möchte gerne einige Gedanken zur aktuellen Diskussion bezüglich der Ergebnisse der PISA-Studie 2023 teilen. Es scheint mir, dass die Diskussion in eine Richtung gelenkt wird, die uns von den wahren Problemen und möglichen Lösungen ablenkt.

Während wir uns auf Ideologien, Gendern und Migration konzentrieren, scheinen wir zu vergessen, dass die wirklichen Experten auf diesem Gebiet die Schülerinnen und Schüler (SuS) und Lehrerinnen und Lehrer sind. Diese sind es, die tagtäglich mit den Herausforderungen des Bildungssystems konfrontiert sind und am besten wissen, was funktioniert und was nicht.

In diesem Zusammenhang habe ich meine eigenen SuS befragt und folgende Punkte wurden angesprochen:

1. Unterricht motivierender und interessanter gestalten: Es ist wichtig, dass wir den Unterricht so gestalten, dass er die Neugier und das Interesse der SuS weckt. Lernen sollte nicht nur eine Pflicht sein, sondern auch Spaß machen und die SuS motivieren, mehr wissen zu wollen.
2. Lehrer regelmäßig überprüfen und ihnen helfen, besseren Unterricht zu machen: Lehrerinnen und Lehrer spielen eine entscheidende Rolle in der Bildung unserer SuS. Daher ist es wichtig, dass sie regelmäßig Feedback erhalten und Unterstützung bei der Verbesserung ihrer Unterrichtsmethoden.
3. Fächer wie Musik, Sport und Kunst nicht benoten, aber beibehalten: Diese Fächer bieten einen wichtigen Ausgleich zum akademischen Lernen und fördern die ganzheitliche Entwicklung der SuS. Sie sollten daher nicht benotet werden, um den Druck zu reduzieren, aber dennoch Teil des Lehrplans bleiben.

Ich freue mich auf eine konstruktive Diskussion und den Austausch von Ideen, wie wir unser Bildungssystem verbessern können.

Beste Grüße, Johannes

PS:
Meine Schülerinnen und Schüler hatten lediglich 10 Minuten Zeit, um ihre Gedanken zu sammeln. Trotz der Kürze der Zeit konnte ich in den letzten fünf Minuten der Stunde zwei konstruktive Beiträge sammeln. Die Diskussion wird am Freitag fortgesetzt. Selbstverständlich sind die vorgeschlagenen Ideen noch recht allgemein gehalten und erfordern eine detaillierte Ausarbeitung hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit. Dennoch ist es offensichtlich, dass die Schülerinnen und Schüler genau wissen, wovon sie sprechen. Die Öffentlichkeit und die Politik sollten daher viel mehr auf die Meinungen und Vorschläge der direkt Betroffenen eingehen.

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Und wieder, dazu müsste man erstmal das bestehende Angebot erfüllen. Gibt genug Eltern ohne Kita-Platz, die freiwillig ihr Kind hinbringen wollen. Da sind wir also noch Jahre von einem Angebot für jeden bei einer Pflicht entfernt. Oder der Betreuungsschlüssel wird aufgeweicht und da sage ich klar Nein.

Gibt es dazu Quellen? Mit hat es zumindest sehr gut getan und meinem Neffen auch. Damit kann man viele Kann-Kinder die zu früh eingeschult wurden wieder in die passende Entwicklungsstufe bringen und viel Leid verhindern.

Bei Rückstand durch lange Krankheit, Schicksalsschläge, etc. mag sitzenbleiben helfen, wenn es aber jemandem in der 9. Klasse in Englisch an den Grundlagen die in Klasse 5-8 erlernt wurden mangelt, dann hilft es ihm auch nichts die 9. Klasse zu wiederholen.
Denn letztlich alle Mitschüler von mir die sitzengeblieben sind scheiterten nicht an dem Stoff des Jahres selbst sondern an den Grundlagen die aus den Vorjahren nicht ausreichend mitgenommen wurde.

Ich wäre daher für ein Schulsystem in dem nicht eine Jahresdurchschnittsnote für ein Vorankommen entscheidend ist sondern das Erreichen von Meilensteinen. Soll heißen in jedem Fach kommt man in die nächste Stufe, sobald man das Erlernte der aktuellen Stufe ausreichend sicher beherrscht, sofern es sich um ein Fach handelt bei dem der Inhalt aufeinander aufbaut.
Wer mit einer Stufe Probleme hat bekommt zusätzliche Unterstützung. Schüler die sehr schnell lernen können nebenbei noch optionale Lernblöcke mitnehmen.

Einführungsstunden in solche Blöcke könnten dann regelmäßig angeboten werden. Das Lernen selbst könnte flexibel mit Unterstützung von Lehrern aber auch durch Programme auf Tablets etc. funktionieren.

Das würde aber natürlich nur mit einer Schule funktionieren, die grundlegend anders strukturiert ist. Und es bräuchte wohl viel mehr Lehrer.

Edit:
Noten in der heutigen Form halte ich übrigens eher als weniger geeignet für eine tatsächliche Beurteilung des Könnens. Alleine weil oftmals das Falsche abgefragt wird. In Geschichte konnte man z.B. durch Auswendiglernen ein paar Daten recht leicht eine 2-3 erreichen ohne die tatsächlichen historischen Zusammenhänge zu verstehen, mit Verstehen der historischen Zusammenhänge ohne die Daten auswendig zu lernen war aber schon eine 4 schwierig. Während einem letzteres aber meist hängenbleibt, werden die auswendig gelernten Daten schon nach Tagen bis Wochen vergessen. Überhaupt sollten Zusammenhänge mehr im Fokus stehen und Detailwissen weniger.