Behinderung/Pflegegeld

Hi, als treue Hörerin und pflegende Mutter würde ich euch gerne auf den # mehrals28tage hinweisen. Oder sowieso mal die Situation Behinderter und deren Angehörigen. Jede pflegende Mutter könnte denke ich ein ganzes „Baustellen“ Buch füllen. Über Kranken- und Pflegekassen, Landkreise, Mangel an jeglichem Personal, welches fördern und unterstützen könnte. Vielleicht möchtet ihr euch ja ab und an mal dieser Personengruppe in eurem Podcast widmen. Ich glaub, die meisten wissen garnicht was da alles abgeht und wie bescheuert das auch alles ist. Ich würde mich freuen, wenn mehr Leute Wissen und sich evt auch engagieren. Das machen ein paar Mütter noch neben ihrer ganzen Arbeit mit Kind, oft noch Erwerbsarbeit. Vom Pflegegeld kann man ja eher auch nicht überleben. Ich denke, dass ganze Pflegegeld und -grad System ist hauptsächlich für alte Menschen gedacht, zumindest von der Politik und passt selten in den Alltag mit Erwachsenen und Kindern mit Behinderung. Pflegegrad, Hilfsmittel und selbst Reha muss man sich erkämpfen neben Therapien, die fast täglich sind und jedem Platz der irgendwie inklusiv ist. Natürlich gibt es teilweise regional tolle Angebote und Hilfe, aber gerade die Gesetzgebung geht oft an der Realität vieler Familien vorbei. Im aktuellen #mehrals28Tage geht es darum, dass das Pflegegeld bei einem Krankenhausaufenthalt des Kindes nach 28 Tagen nicht mehr gezahlt wird. Als Eltern muss einer aber mit im Krankenhaus sein (kann also nicht arbeiten) und übernimmt häufig den Großteil der Pflege. Es ist ein Unding, dass gerade in so stressigen Situationen auch oft noch Geldsorgen hinzukommen, weil es hier einfach keine Grundlage für eine Fortzahlung gibt. Wir waren glücklicherweise noch nicht in so einer Situation, aber jeder kann sich ja ausmalen wie schlimm ein längerer Krankenhausaufenthalt mit Kind ist und kann sich mental in diese Familien hineinversetzen.
Viele Grüße und ansonsten natürlich einfach weiter so :grinning: Merit

2 „Gefällt mir“

Ich bin ebenfalls pflegender Elternteil und kann das alles nur aus vollem Herzen bestätigen. Die 28-Tage-Regel ist bei uns zum Glück nicht relevant, weil wir eher selten im Krankenhaus sind, aber dafür gibt es jede Menge andere Baustellen:

  • Wie @Mer richtig darstellt, geht das Pflegegeldsystem davon aus, dass die zu pflegende Person erwachsen ist und die Pflege niemanden von Erwerbsarbeit abhält. Das Pflegegeld ist ausschließlich für die Bedürfnisse der pflegebedürftigen Person gedacht und kann auch von der Höhe den Zeitaufwand zur Pflege durch Eltern nicht vergüten.
  • Die Pflegebürokratie ist eine Farce. Ich verbringe jede Woche mehrere Stunden mit Anträgen, Telefonaten und Recherchen. Jeder Antrag wird auf Herz und Nieren geprüft, oft mit erheblichen Wartezeiten („wir sind ja total überlastet“), obwohl am Ende jeder Antrag genehmigt wird.
  • Da nicht eingerechnet sind die Begleitung meines Kindes zu Ärzten, Therapeuten, Orthopäden usw.
  • Das Ganze ist ein Beschäftigungskarussel: Wir stellen einen Antrag. Dafür brauchen wir Gutachten und Arztbriefe von Leuten, bei denen andere Kranke verzweifelt auf einen Termin warten. Dann beschäftigt sich irgendeine Angestellte im öffentlichen Dienst oder dem MDK damit ein paar Stunden bis Tage. Vielleicht kommen die auch zum Hausbesuch zum persönlichen Gespräch. Ich bin meistens dabei, die Leute an die einzuhaltenden Fristen zu erinnern.
  • Überhaupt die Hausbesuche: Pflegeberatung alle 3 Monate, Pflegegradüberprüfung jedes Jahr und der MDK geht natürlich davon aus, dass das (schulpflichtige) Kind Vormittags schon zu Hause sein wird und wir als Eltern auch nichts besseres zu tun haben.
  • Über das Thema Inklusion hatte ich ja schon gepostet: Inklusion an deutschen Schulen – die ungeliebten "Förderkinder"

Unterm Strich kann man mit der Diagnose auf eine schwere chronische Krankheit oder Behinderung seines Kindes die beruflichen Pläne mindestens eines Elternteils in die Tonne treten. Wohl dem, der sich das leisten kann, bei vielen Familien schlägt das direkt auf den Geldbeutel durch.

4 „Gefällt mir“

Unterm Strich kann man mit der Diagnose auf eine schwere chronische Krankheit oder Behinderung seines Kindes die beruflichen Pläne mindestens eines Elternteils in die Tonne treten. Wohl dem, der sich das leisten kann, bei vielen Familien schlägt das direkt auf den Geldbeutel durch.

Als behindertes Kind (jetzt erwachsen, selbst berufstätig, immer noch 24/7 pflegebedüftig und das macht immer noch zumeist meine Mutter) kann ich das nur zu 100% unterschreiben. Das System geht bei Pflegenden und zu Pflegenden immer vom gleichen Paradoxon aus:

Man soll zugleich jederzeit erreichbar und in der Lage sein, den Anforderungen des Systems entsprechen und voll berufstätig sein.

Mir wurde sogar einmal gesagt, dass jemand wie mich (promovierte Akademikerin und zugleich schwerst körperlich eingeschränkt) „im System nicht vorgesehen“ sei.

Ich fände es auch sehr wichtig, dass diese Unsichtbarmachung von Behinderungen im Sozialsystem thematisiert wird und die Lage wäre da ein sehr gutes Format dafür.

Und um @ped’s Darstellung mal etwas mit Zahlen zu unterfüttern: ich verbringe jede Woche auch ohne neue Anträge 4-7 Stunden mit meiner Pflegeverwaltung (ohne Therapien etc). Sind neue Anträge nötig oder stellt sich eine Behörde mal quer, geht da gerne auch öfter mal der Samstag mit drauf (also 13-17 Stunden pro Woche).

3 „Gefällt mir“

Hey,
Ich dachte auch eher, das die 28 Tage Sache ein schöner Einstieg in das Thema „Pflege im häuslichen Umfeld“ sind. Und man sich evt dann öfter mal zu den Baustellen in dem Bereich äußert. Es handelt sich ja jetzt auch bei den Menschen mit Behinderung nicht um eine kleine Minderheit. Und damit hat man oft schneller zu tun, als einem lieb ist.

Schwerbehinderte | Die soziale Situation in Deutschland | bpb.de.

Nach anfänglicher Trauer um das behinderte Kind, was normal ist denke ich, sind wir auch total fein damit jetzt. Wir mögen sie so wie sie ist. Aber diese ganze Bürokratie bringt mich manchmal richtig auf die Palme. Unser aktuell heißer Fall: Zurückstufung auf pflegegrad 1 nach Aktenlage von vor 1,5 Jahren, jetzt 5 Monate warten bis zum Termin mit dem Medizinischen Dienst. Sie ist locker 3 oder 4. was auch 5 Monate ohne Pflegegeld sind. Es ist ja immer so, dass alles erstmal abgelehnt oder als nicht so schlimm bewertet wird in der Hoffnung, dass man keine Energie mehr hat für nen Widerspruch und somit nichts kostet.
Und wie @ped sagt, einer muss sich beruflich einfach zurücknehmen, das ist einfach leider so. Da mag ich mir garnicht vorstellen, wie man das alleinerziehend schaffen soll finanziell.
Und diese Termine, die jeder einfach legen kann wie er lustig ist und wenn man dann nicht kann, muss man wieder von vorne warten. Das ist einfach so verrückt, ich bin immer so froh, dass mein Arbeitgeber meist flexibel ist. Aber es ist immer so ein extra Stress, Betreuung neu zu organisieren, weil man wieder anders arbeiten muss und wir irgendwo wieder zu Terminen müssen, die uns einfach ohne Absprache gegeben werden. Ich könnte ewig weiterschreiben, aber damit bin ich wahrscheinlich nicht die Einzige.

1 „Gefällt mir“