Baerbock, Habeck und Sexismus

Das kann gut sein. Ich vermute, uns eint die grundsätzliche Werthaltung.

Kennst Du denn ein Beispiel aus dem aktuellen politischen Diskurs, bei dem Sexismus nur ein Vorwand war, es aber in Wirklichkeit um etwas ganz anderes ging? Manchmal ist ja auch die Rede von einer angeblichen „Keule“ das eigentliche Totschlagargument…

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Ich habe ja eher den Eindruck, dass alles durch diese “Brille” zu betrachten, manchmal ganz ähnlich dem historischen Materialismus funktioniert, nur sieht man halt überall Sexismus statt Klassengegensätze. Als ob jedes Mikro- oder Meso-Phänomen davon determiniert oder zumindest durchdrungen wäre.
Mir wäre ja lieber, man würde versuchen, sich den Dingen unvoreingenommen zu nähern.

Da wirst Du jetzt wahrscheinlich einwenden, das ginge prinzipiell nicht oder ich könne das ja nicht als weißer cis-Kapitaleigner - und genau hier sage ich jetzt gute Nacht!:sleeping:

Was ich gesagt habe ist, dass Geschlecht ein Merkmal ist, dass gesellschaftliche Verhältnisse strukturiert. Genauer gesagt beeinflussen Wahrnehmungen, Zuschreibungen etc. die sich auf die Kategorie Geschlecht beziehen, unmittelbar menschliches Handeln, zwischenmenschliche Beziehungen und gesellschaftliche Strukturen. Das mag für einige eine relativ neue Erkenntnis sein, aber für Menschen, die schon mal eine Begriff wie feministische Forschung gehört haben, ist das eigentlich ein alter Hut.
Daher habe ich nahegelegt, diese relativ basale Erkenntnis zum Ausgangspunkt jeglicher Analyse zu machen, genauer gesagt, sie bei einer Analyse „zu berücksichtigen und zu reflektieren“ (so meine Worte).
Wenn Du jetzt behauptest, ich würde analog zum Vulgärmarxismus der 1970er einen neuen Hauptwiderspruch kreieren, der „jedes […] Phänomen determiniert“ hat das wenig mit dem zu tun, was ich gesagt habe. Was das von dir in Anschlag gebrachte Attribut „unvoreingenommen“ in Bezug auf Geschlechterverhältnisse bedeuten soll, sagst Du leider auch nicht. Die Vermutung liegt nahe, dass Du davon ausgehst, dass es auf dieser Welt völlig egal ist, ob eine Person als männlich oder weiblich wahrgenommen wird? Zumindest hast Du Dich in diesem Thread schon mal in ähnlicher Richtung geäußert und ich habe darauf entgegnet, dass es m. E. kaum ein Zufall ist, dass es mehrheitlich männlich gelesene Personen sind, die die immense Bedeutung der Kategorie Geschlecht negieren - gerne auch unter Verweis auf ihre angeblich „neutrale“ Position. Konkret drückt sich das etwa in der verbreiten Wahrnehmung aus, mit einer Frauenquote würden insgesamt weniger qualifizierte Menschen eingestellt.
Über Deine individuellen Fähigkeiten habe ich mich überhaupt nicht geäußert und habe auch nicht vor, das künftig zu tun. Für mich ist das keine persönliche Frage.

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Man kann das auch positiv sehen.
Wenn man sich daran zurückerinnert, wie Baerbock und Habeck zu Beginn der Kampagne aufgetreten sind und wie zum Ende, erkennt man einen Reifeprozess, auf dem sie aufbauen können.
Die Grünen sind nun vermutlich an der nächsten Regierung beteiligt - und das nicht als Mehrheitsbeschaffer wie unter Schröder, sondern als Partner auf Augenhöhe. Da hat sogar der Punkt, dass es für rot-grün-rot nicht reichte, geholfen. Ansonsten wäre die SPD in der Position gewesen, zu Verhandlungen zu laden.
Auch die Partei selbst ist gereift. Und wenn die Mitglieder jetzt sehen, dass der Zusammenhalt zu guter Politik führt (dabei sollten die vielen jungen Neuen der drei Ampel-Parteien nicht unterschätzt werden), geht auch die Partei als Ganzes mit einem ganz anderen Selbstverständnis in den nächsten Wahlkampf.

Es hängt denke ich sehr stark davon ab, was man unter Sexismus (oder ähnlich auch Rassismus) versteht. Klar ist das jetzt kein so offener Fall von Sexismus, wo eine Frau nur auf ihr äußeres reduziert wird und bei gleichen Qualifikationen einen Job nicht bekommt. Die Frage ist aber, woher das Bauchgefühl und das Gefühl von Inkompetenz und Antipathie kommt. Und dieses Bauchgefühl ist eben zu einen großen Anteil von Erfahrungen aus der Gesellschaft geprägt, die sexistische Elemente hat.

Wahrscheinlich stimmt dieses Bauchgefühl sogar, dass es eine Frau schwerer hätte zwischen Putin und co., weil diese eine Frau nicht so ernst nehmen, wenn diese sich nicht sehr männlich wie z.B. Merkel verhält. Einer Freundin von mir wurde auf Karrierecoachings empfohlen, sich die Haare zusammenzubinden und möglichst mit einer tieferen Stimme zu reden, weil das mehr Kompetenz ausstrahlt.

Insgesamt kann es also sogar aus sexistischen Gründen sein, dass ein Mann tatsächlich noch die bessere Wahl ist, weil viele männliche Merkmale als Kompetenter wahrgenommen werden und das ist ja erstmal positiv ist. Damit sich aber langfristig irgendetwas daran ändern könnte, ist es wichtig, diese Tendenzen zu reflektieren - und solange sollte ähnlich wie Rassismus der Begriff Sexismus nicht als Keule verwendet werden, sondern als eine sehr verständliche Sache, die jede*r in gewissem Ausmaß hat, da es menschlich und auch notwendig ist, Stereotypen und Kategorien zu bilden, um die Welt zu verstehen. Nur dann kann sich da vielleicht irgendetwas daran ändern. […]

An dieser Stelle möchte ich nochmal betonen, dass man das Ergebnis von Bärbock nicht nur auf Sexismus zurückführen kann (sie hat nunmal faktisch weniger Regierungserfahrung) und man dies wie immer nicht wirklich trennen kann, aber es ist wichtig, zu reflektieren, welche Rolle es dabei gespielt haben könnte.

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Was genau ist denn daran positiv?

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@ChristianF wenn etwas in seinen Grundfesten verändert wird, dann wird dadurch per se auch die Gesellschaftsordnung verändert. Unser gesamtes Gesellschaftssystem wäre anders, wenn Frauen die Carearbeit nicht mehr übernehmen würden. Siehe Familienrecht: Anerkennung Vaterschaft vs. Mutter ist diejenige, die das Kind geboren hat. Siehe Ehegattensplitting, Arbeitszeiten, Beförderungsmöglichkeiten etc.

Ich stimme @zwiebel zu, dass unser System (leider noch) darauf aufbaut, dass erwartet wird, dass Frauen Kinder bekommen und Haushalt, Erziehung, Altenpflege etc. zu großen Teilen übernehmen.

Ich stimme Ulf und Philipp überhaupt nicht in der Aussage zu, dass 99 % der Grünen Habeck für einen besseren Kandidaten gehalten hätte und finde die Aussage derart vage und unbelegt, dass es wirklich Schade ist, dies in einem meiner Lieblingspodcast mit gewissen journalistischen Anspruch zu hören.

ALB war die einzige Frau im Rennen und die einzige von der ich am ehesten erwarten konnte Themen, die mir wichtig sind zu repräsentieren (Neben Klima Reproduktive Rechte, Gender Pay/Data/Care Gap etc.)

Insgesamt wurde dies ganz gut im Podcast „Was jetzt“ zusammengefasst, dass es (Achtung ich zitiere frei:) „schon typisch ist, dass die Frau bei einem immer noch sehr guten Wahlergebnis die persönliche Kritik zugeschoben wurde und sie jetzt durch Habeck abgelöst werden soll, wohingegen Armin Laschet als Mann weiterhin einen Regierungsauftrag zu finden glaubt“

Selbstverständlich hätte Habeck ebenfalls eine persönliche Kampagne gegen sich gehabt, aber ob er wirklich stärker gewesen wäre, lässt sich nun mal nicht sagen. (um den Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt in der Wahlnacht zu zitieren:) „In einer Demokratie gibt es nun mal keine Testgruppe“
Selbstverständlich hätte sich Habeck im Sommerinterview nicht anhören müssen, wie er es seinen Kindern erklären soll, dass er nicht Kanzler wird. Aber wohl eher nicht wegen seiner Leistungen, sondern weil männliche Kanzlerkandidaten nicht auf ihre Elternrolle reduziert werden im politischen Wahlkampf. Auch hätten Habecks Söhne wohl eher keine Vergewaltigungsandrohungen erhalten für das Engagements seines Vaters. Über alles andere lässt sich aber nur philosophieren.

Dafür hätte er aber für junge Erstwählerinnen wie mich eben auch nicht die Themen vertreten können, auf die ich (und zumindest mein weibliches soziales Umfeld) bei meiner/unserer Wahl wert lege(n).

Die Aussage mit 99 % der Grünen ist daher falsch, nicht belegbar und enttäuschend.

Und an der Stelle find ich es ebenfalls schade, dass der andere Thread über den Unconcious Bias geschlossen wurde. Ich schließe mich an der Stelle @maren_b an, dass auch ich beim Hören der LdN das Gefühl habe, dass mit weiblichen Interview-Partnerinnen anders umgegangen wird, als mit männlichen. Auch ein gutes Beispiel ist an der Stelle das Interview in der Sommerpause mit der Dame, die bei der Weltbank gearbeitet hat, hier unter anderem auch die Auswahl der Interview-Fragen. Dies zeigt auch der Vergleich zu dem Umgang mit Herrn Lauterbach. Daneben durchaus auch das Baerbock Interview, wo Baerbock bis ins Detail erläutern sollte, wie sie sich Umsetzungen vorstellte, wobei sie die Frage zumindest einmal bereits beantwortet hatte und ein anderes Mal zurecht darauf verwies, dass die Länder für die Umsetzung von Bundesgesetzen zuständig sind.

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danke!

@Marko
Nein, ich finde nicht, dass man einfach Leute unsympathisch finden sollte ohne das zu reflektieren.
Ja, im Umgang mit Gefühlen ist es wichtig, diese wahrzunehmen. Danach kann man sie aber reflektieren und entscheiden.

Kennst du die Geschichte mit Howard und Heidi? (siehe zb.
leadership psychology institute | Women & the Leadership Labyrinth Howard vs Heidi )

Du kannst mal überlegen, wann du welches Verhalten sympathisch findest und wer damit was für Handlungsmöglichkeiten hat - so dass er / sie weiterhin sympathisch ist.

@MGD
zu sagen „Regierungserfahrung auch wichtig“ finde ich greift dann auch wieder zu kurz. Ich würde eher sagen: Es gab vermutlich nicht nur Sexismus, auch andere Einflüsse wie z.B. Regierungserfahrung (und eben noch weitere). Was davon welches Gewicht hatte, lässt sich nicht abschließend sagen.

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danke für den Hinweis auf den anderen Thread, ich finde es auch schade, dass er geschlossen wurde.

Die Begründung

Eine unterbewusste Beurteilungsgrundlage, die auf frauenfeindlichen Grundstrukturen basiert, kann ich bei Philip und Ulf weder vermuten noch erkennen.

zeigt in meinen Augen, dass das Anliegen nicht wirklich verstanden wurde bzw. der Post als Angriff verstanden wurde. Das finde ich sehr schade. Dieser unterbewusste Bias betrifft uns alle, und wir alle machen das aus Versehen, weil wir hier in Deutschland aufgewachsen sind. Der Orginal-Post von @maren_b versucht das - finde ich - genau zum Ausdruck zu bringen. Die Wertschätzung, die sie Philip und Ulf entgegen bringt und dennoch das Bedürfnis, eine inhaltliche Differenz anzusprechen. Wie gesagt, ich denke, wir alle beurteilen immer wieder sexistisch. Unabsichtlich. Und das geht nicht weg indem man das Problem negiert. Sondern indem man diese Situationen erkennt, reflektiert, das in das Weltbild aufnimmt, ggf. darüber spricht und ggf. in Zukunft anders handelt / spricht. Das ist Erkenntnisgewinn und ist schön. Und oft hilft ein Input von außen. Niemand von uns ist perfekt. So tun zu müssen, als ob man perfekt wäre, ist anstrengend. Also: wir alle sind sexistisch. Lasst uns das zusammen minimieren.

@Hannah23
Ich finde deinen weiteren Beobachtungen (angefangen mit der Frau bei der Weltbank) super interessant. In der Kürze, in der du das prägnant dargestellt hast, kann ich mich leider nicht erinnern (auch wenn ich eigentlich alle Folgen höre). Wenn du magst, würden mich noch einmal ausführlichere Darstellungen der / einiger Situationen interessieren.

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Ich stimme zu, dass die Aussage, dass es mit Habeck besser gewesen wäre, nicht haltbar ist. Wie du so schön sagst, kann das niemand je überprüfen und ist eigentlich relativ sinnlos as Aussage. Aber man muss bedenken, dass in der Lage nichts vom Skript abgelesen wird und ich kann mir gut vorstellen, dass Ulf und Philipp beim gemeinsamen lauten Nachdenken nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.

Ich bin nicht sicher, ob man wirklich einen großen Bias bei den Interviews finden kann. Es gibt ja genug Leute hier im Forum, die finden, dass Frau Baerbock viel zu sanft angefasst wurde. Im Interview kommt es immer auch darauf an, wie sehr man gerade im Thema ist, wie stark die eigene Meinung ist oder worauf man sich konzentrieren will. Im Baerbock-Interview fand ich persönlich auch, dass wenig Substantielles besprochen wurde. Als anderes Beispiel möchte ich noch das Interview mit Muriel Asseburg über den Israel-Palästina Konflikt nennen, wo hier im Forum ja auch hitzig diskutiert wurde, ob die Lage zu viel unwidersprochen hingenommen hat.
Wie gesagt, ich glaube, dass das immer auf das Thema ankommt und wie schlüssig den beiden die Antworten vorkommen. Und zu guter Letzt glückt nicht alles immer. Zu dem anderen Sommerinterview wären genauere Informationen, was dich störte, gut, um’s zu reflektieren.

Ich denke auf jeden Fall, dass man der Lage auf keinen Fall vorwerfen kann, nicht alles zu tun, um diese Art von Bias so gut wie möglich auszumerzen.

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In der Tat. Wenn @Hannah23 uns einerseits unbelegte Thesen unterstellt, dann aber genau eine solche These formuliert, dann entbehrt das nicht einer gewissen Skurrilität. Da würde mich schon interessieren, was wir bei der „Frau von der Weltbank“, die übrigens Philippa Sigl-Glöckner heißt und schon langem nicht mehr bei der Weltbank arbeitet, genau falsch gemacht haben sollen.

(Wäre das jetzt auch unconscious bias, weil es gegenüber Philippa an Wertschätzung mangelte, wenn der Post oben nicht von einer Frau käme?)

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Wir haben ganz bewusst auch Moderatorinnen im Forum, und diese Entscheidung wurde von einer Frau getroffen, die offensichtlich den Ausgangsthread für wenig hilfreich gehalten hat. Das sagt ja auch schon einiges aus.

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Hallo SourSam,

vielen Dank für das Aufgreifen. In der Tat ich habe mich nicht verstanden gefühlt. Bewusst habe ich es nicht als Seximus formuliert (wie es hier im Titel steht).
Ich habe Philip und Ulf keinen Seximus unterstellt in meinem Beitrag und auch keine Frauenfeindlichkeit.
Uncouncious Bias ist ein anderes Thema. Die hat jede/jeder. Es handelt sich um unbewusste Voreingenommenheit. Daher dachte ich, ich schreibe dazu und hatte gehofft dass es vielleicht aufgenommen und reflektiert wird.

Ich selber treffe beruflich unter anderem Personalentscheidungen und da ist es auch immer großes Thema. Es gibt regelmäßig Schulungen und es gibt ja auch online verschiedene Tests. Du hattest ja auch das Howard/Heidi Beispiel genannt. Bei mir selber merke ich, dass ich z.B. Positive Bias habe gegenüber Leuten die das gleiche Hobby haben an der gleichen Universität studiert haben, aus der gleichen Region sind. Ich merke ich mag Leute die mir ähnlich sind. das ist ganz natürlich. Aber wenn man z.B. Personalentscheidungen trifft oder im Journalismus arbeitet, halte ich es für sehr wichtig reflektiert damit umzugehen und Feedback diesbezüglich aufzunehmen und für sich zu prüfen.

Es reicht halt nicht kein Sexist oder Rassist zu sein. Um wirklich etwas zu verändern müssen wir alle auch an unseren unbewussten Vorurteilen arbeiten.

Ich verstehe auch, dass eine Moderation in einem Forum wie diesem Notwendig ist, damit kein Chaos ausbricht. Das Argument, dass die Moderatorin eine Frau ist und den Thread als unrelevant beurteilt hat finde ich allerdings ein schwaches Argument @vieuxrenard.

Nungut. Ich bin froh, dass ich das Feedback gegeben habe. Jetzt kann ich besser Schlafen :wink: Das ist nämlich auch wichtig: Wenn ich mich einfach nur ärgere und die tolle Möglichkeit Feedback zu geben nicht nutze, dann trage ich auch nicht dazu bei, dass sich etwas verbessert.

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Als kleiner Nachtrag noch ein Video zu unconscious bias:

Ich finde den kurzen ted talk ganz gut

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Habt ihr euch mit dem Thema „Unconcious Bias“ denn bereits auseinandergesetzt und die Schritte dagegen in den Podcast / die Moderation einfließen lassen? Wenn ja, wäre das ein sehr gutes Argument. Dass Moderator*innen sich keinem „unbewussten Vorurteil“ bewusst sind ist ja eher ein weniger starkes Argument - sonst würde es „offensichtliches Vorurteil“ heißen.

Und ich kann nur sagen dass ich selbst vor meinem ersten Seminar zu dem Thema auch abgestritten habe, dass ich unbewusste Vorurteile habe und damit absolut falsch lag. Es ist sehr tief verwurzelt in unserer Kultur und man muss sich nicht damit beschäftigen um gesellschaftlich akzeptiert zu sein. Es ist auch keine Wertaussage darüber, dass man ein guter oder schlechter Mensch ist. Aber es lohnt sich, selbst wenn es weh tut.

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Lieber @vieuxrenard,

zunächst: ich bin mir sehr sicher, dass ich auch unconscious bias habe, unabhängig von meinem Geschlecht oder meiner Geschlechtsidentität. Wir sind alle in einer (leider) sexistisch geprägten Welt aufgewachsen, selbstverständlich ist das auch an mir und allen übrigen Frauen nicht vorbeigegangen.
Von daher kann es gut sein, dass ich den Namen von Frau Sigl-Glöckner nicht ausgeschrieben habe aus diesem Bias heraus (Vielen Dank an der Stelle für den Hinweis. Darüber werde ich unbedingt nachdenken und dies reflektieren müssen.). Bewusst habe ich den Namen jedenfalls nicht genutzt, weil ich der Auffassung war, dass Namen von weniger bekannten Personen leichter vergessen werden und eher verstanden wird, was ich meine, wenn ich Frau Sigl-Glöckner so umschreibe. Mir ist auch bewusst, dass sie nicht mehr bei der Weltbank arbeitet. Jedoch ging es im Großteil des Interviews mit ihr um ihre ehemalige Arbeitsstelle dort, daher erachtete ich diese als Umschreibung am ehesten mit der Erinnerung an die Folge verknüpft. (Vergleichbar: letztes Interview mit dem Herrn von der CDU. Jeder weiß, welches ich meine, den Namen Ruprecht Polenz kennt einige Wochen später vielleicht nicht mehr jeder). Damit wollte ich jedenfalls keine mangelnde Wertschätzung ausdrücken, noch sonstigen Bezug auf Frau Sigl-Glöckner als Person nehmen. (Wie gesagt, ich stimme Dir aber zu, dass dies so verstanden werden kann und ich solche Umschreibungen zumindest überdenken sollte.)

Als nächstes finde ich meine Thesendarstellung nicht skurril, da ich dies eher kurz darstellen wollte, um meine Sympathie mit dem Post von @maren_b auszudrücken. Zumal doch ein Unterschied zwischen einer Thesen mit nicht belegbaren Zahlen zu dem Hauptthema von Moderatoren eines Podcasts und einer kürzeren Begründung zu einem Nebenpunkt einer Hörerin dieses Podcast liegt. Ich dachte Ihr hättet durchaus Interesse an Kritik und anderen Einschätzungen?

@SouSam Meine Einschätzung zur Folge mit der ehemaligen Mitarbeiterin der Weltbank Frau Sigl-Glöckner beruht jedenfalls aber auf folgender Sache: Nach einem sehr interessanten Interview zu vielen spannenden Einblicken und Referenzen von Frau Sigl-Glöckner wurde in 1:31:20 das Thema zu ihrer Rolle als junge Frau in der Wissenschaften über die praktische Politik bis hin zum Thinktank gefragt. Frau Sigl-Glöckner hat zunächst darauf geantwortet, dass sich JUNGE Menschen nicht so viel Gedanken um dieses „Was willst du damit später machen?“ sollen und dass JUNGE FRAUEN selbstbewusster sein dürfen. Ist also der Frage um die spezifische Rolle der Frau aus dem Weg gegangen. Soweit so gut.
Danach wurde Frau Sigl-Glöckner zu spezifischen Diskriminierungserfahrungen als FRAU gefragt. Diese hat sie dann genannt mit einem Beispiel aus der Ebola-Krise. Wobei sie auch meinte, dies ist schwer genau nachzuprüfen, aber sie musste eben mehr Quellen zeigen als andere. Ihre Erfahrung wurde sofort angezweifelt. Zumindest insoweit, dass es wohl doch eher mit dem Alter, als mit ihrem Geschlecht zu tun haben könnte.
Woraufhin sie natürlich sagen musste, dass sie dies schlecht wissen kann und sie durch ihre Bildung und kulturellen Hintergrund auch „Plusfaktoren“ mitgebracht hat. Danach brachte sie dann ihr Gespräch mit ihrer Chefin an, die ihren Eindruck zum Umgang mit Frauen in dieser Situation bestätigt hat.

Was ich daran störend fand: Diskriminierungserfahrungen sind keine guten Erfahrungen. Wenn man darüber spricht, muss denen auch durchaus ein ganzer Block gegeben werden und nicht die letzten 5 Minuten eines Interviews. Solchen Erfahrungen muss immer ein passender Rahmen gegeben werden. Auf die Art und Weise, wie es hier behandelt wurde kam es mir so vor: (Achtung, ich stelle dies sehr überspitzt dar, um meinen Punkt zu skizzieren) „Ach wir haben ja ganz vergessen, dass du eine Frau bist, wir müssen natürlich noch die Frage nach dem Frau-Sein abhaken: Wie ist es denn so ohne Penis?“.
In meinen Augen lässt man solche Fragen an marginalisierte Gruppen entweder weg, weil hier ihr Lebenslauf allein schon zeigt, dass junge Frauen es eben auch soweit schaffen können und schon ihre Auswahl als Interview Partnerin ein sichtbares Vorbild schafft, oder man gibt ihren Erfahrungen genügend Raum darüber weiter zu sprechen. Damit einhergehend dann beispielsweise auch mit den unterschiedlichen Erfahrungen in den einzelnen Stationen ihres Leben mit den jeweils unterschiedlichen Herausforderungen. Und eben auch, was würde sie nicht nur jungen Menschen sondern gezielt jungen Frauen raten würde (was ja die Anfangsfrage war). Oder wie können Frauen etwas an der Denkweise ändern und wie hat sie es für Nachfolgerinnen leichter gemacht. Gerade weil der letzte Punkt durchaus von ihr angedeutet wurde. Hier war vermutlich aber wohl nicht mehr genug Zeit zur Nachfrage oder man wollte diesem Thema keinen Schwerpunkt einräumen. Wie gesagt, aber dann lässt man es weg, diese Thematik ist viel zu groß und umfassend, um es am Rand oder in den letzten 5 Minuten abzuhandeln.
Wenn man aber über das Thema redet, finde ich es nicht so nett, Erfahrungen durch Nachfragen indirekt abzutun. Es wurde direkt nach Diskriminierungen gegen sie als Frau gefragt. Diese Frage hat sie beantwortet. Dann wird sie sich auch sicher gewesen sein, dass diese Erfahrung an ihrer Geschlechtsidentität liegt und nicht an ihrem Alter. Man kann fragen, wie andere Frauen das in ihrem Feld sehen oder ob es Unterschiede mit dem Umgang zwischen jungen und älteren Frauen in dem Feld gibt oder sonst wie auf die Chefin zu sprechen kommen, nicht aber so eine Nachfrage stellen. Man muss wegen dem schmerzlichen Hintergrund mit solchen Erfahrungen nun mal vorsichtig umgehen. Gerade wenn man nicht Teil der marginalisierten Gruppe ist. (Vergleichbar: eine BiPoC würde man als Weiße Person, wenn man nach Diskriminierungserfahrungen fragt, auch nicht sagen: „Hey das lag aber nicht an deiner Hautfarbe, sondern an deinem Alter.“)

Dies wäre meine Analyse zu dem Gespräch mit Frau Sigl-Glöckner. An der Stelle ist es mir wichtig zu betonen, dass ich allein das Gespräch bzw. die Behandlung dieses Themenfeldes im Gespräch nicht wahnsinnig störend fand, auch nicht krass sexistisch. Es war eher wie ein kleiner Mückenstich. Ein Mückenstich allein ist absolut kein Ding und fällt kaum auf. Wenn aber mehrere Stiche hinzukommen, wie (in meinen Augen) der Umgang mit ALB nach der Wahl oder die Betrachtung von der Talkshow mit Herrn Laschet und Frau Neubauer (wie von @maren_b festgestellt), dann fange ich schon langsam an, mal zu schauen, ob Zimmer nicht doch eine Mücke ist.
Außerdem würden, glaube ich, niemand Ulf und Philipp vorwerfen, dass sie bewusst Bias haben oder sich nicht bereits bemühen. Aber gerade bei unbewusstem bias ist es nun mal auch wichtig, dass man sich immer wieder hinterfragt und eben immer wieder mal schaut, ob es nicht noch die ein oder andere Mücke in der Wohnung gibt.

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Warum hätte er diese Themen nicht vertreten können? Politiker:innen können (und sollten) auch Themen vertreten von denen sie nicht selbst betroffen sind.

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