Ein Teil des Wahlergebnisses der Grünen lässt sich damit erklären, dass die Partei die Hermine der deutschen Politik ist: immer brav und moralisch handelnd, immer besserwisserisch nervend, immer den draufgängerischen Jungs (Harry Scholz und Ron Laschet) den Spaß madig machen. Selbst wenn die ewige, grüne Prophezeihung der Klimaveränderung sich manifestiert, will man die Grünen mehrheitlich lieber nicht die Regierung anführen lassen.
Das ist okay und auch nicht schlimm. Wichtig ist ja, dass Harry und Ron dann irgendwann auf Hermine hören, auch wenn die Jungs die Protagonisten bleiben.
Ein anderer Aspekt ist die Rolle der Frau Annalena Baerbock.
In der Lage-Spezial habt ihr, Ulf & Philipp, bilanziert, Baerbock und die Kampagne hätten Fehler gemacht. Habeck hätte „ein paar mehr Mandate“ (Philipp) geholt. Es gingen „99% der Grünen davon aus, dass er in der Rückschau der weitaus bessere Kandidat gewesen wäre“ (Ulf).
Ich kann Philipp noch zustimmen, Ulf nicht mehr.
Elisabeth Raether zerlegt dieses Narrativ in der Zeit sehr präzise:
Damals [als Habeck vermeintlich Spitzenkandidat war] schaffte der Parteivorsitzende es jedenfalls nicht, den Deutschen ihren tief sitzenden Zweifel an den Grünen zu nehmen. Nicht durch zwei Jahre disziplinierter Mittigkeit, nicht durch verbrüdernde Rhetorik, nicht durch Umarmung der Fleischesser, denen die Habeck-Grünen versprachen, dass sie ihnen niemals einen Vorwurf machen würden. Am Ende war es ein Foto mit ein paar Pferden drauf, das Habeck ins Straucheln brachte.
Dass Habeck der „weitaus bessere“ Kandidat gewesen wäre, lässt sich zumindest mit der Erfahrung nicht belegen. Womit sich dieses Gefühl belegen ist, ist mit Seximus. Im aufgeklärten Deutschland trauen wir Männern einfach mehr zu.
Raether zitiert im selben Artikel RA Silke Martini
Hinterlässt eine Frau einen guten Eindruck, wird zum Beispiel nicht gesagt: Ah, kompetent. Man denkt eher: Ach, sympathisch ist die! Nicht nur Männer reagieren so. Auch Frauen.
Diese These bestätigte sich nach den Triellen eindrucksvoll.
Auf der anderen Seite hatte es offensichtlich keinen positiven Effekt auf Baerbocks Glaubwürdigkeit und Kompetenz, dass sie in den Triellen sich mehr an die Fakten hielt (vgl. Faktencheck vom Spiegel) oder Fehler eingestand. Dazu Raether pointiert:
In den vergangenen Wochen hatte Baerbock kaum einen Satz begonnen, ohne zuerst ihre Fehler zu benennen. Sie hätte sich der Einfachheit halber ein scharlachrotes P wie Plagiat auf die Brust nähen können.
Politik ist Gefühlssache und bei Frauen an der Spitze der Politik haben wir in Deutschland mehrheitlich eher kein gutes Gefühl.
Deshalb nochmal Raether:
Viel wurde darüber geschrieben, wie wenig weiblich Merkel auftrat, ihr Äußeres betreffend, aber auch in ihrem Sprechen, fast nie sagte sie: ich als Frau.
Vorschlag: ich fände es cool, wenn ihr, Ulf & Philipp, zu diesem Thema Silke Martini interviewt. Vielleicht auch etwas für „Das Interview mit Philipp Banse“.