Aufarbeitung Corona Pandemie

Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich festgelegt:

„Es wird keine zusätzliche Aufarbeitung der Corona-Pandemie in dieser Legislaturperiode geben. Es gibt nicht die Kraft in dieser Koalition.„

Hintergrund:

eine Aufarbeitung des staatlichen Handelns während der Corona-Krise könne nur gemeinsam mit den Bundesländern „auf Augenhöhe“ stattfinden – eben weil die Entscheidungen in den MPK-Runden gefallen seien … Weil Bund und die Länder die großen Entscheidungen gemeinsam getroffen haben, sei eine Einzelaufarbeitung nur wenig sinnvoll

Zudem gebe es auch keinen Konsens in der Ampelkoalition darüber, ob die Aufarbeitung in einem Bürgerrat, einer Enquete-Kommission oder nach einem anderen Modell erfolgen solle … Die FDP hatte einen Untersuchungsausschuss oder eine Enquete-Kommission ins Spiel gebracht, sieht aber insbesondere bei der SPD wenig Interesse an einer Aufklärung. Die SPD war Teil der während der Corona-Krise regierenden großen Koalition im Bund und trug auch in vielen Ländern die Verantwortung.

Der Widerstand gegen Quarantäne-Regelungen, Kontaktbeschränkungen, Schulschließungen oder die letztlich verworfene Impfpflicht hatte zu einer politischen Radikalisierung in Teilen der deutschen Gesellschaft beigetragen und vor allem der AfD Zulauf beschert, die sich über die Corona-Maßnahmen besonders kritisch geäußert hatte.

Unabhängig davon fordern Experten seit Langem, die Geschehnisse während der Corona-Zeit aufzuarbeiten. Nicht so sehr, um den damaligen Verantwortlichen Fehler oder Schuld nachzuweisen. Sondern um für die mögliche nächste Pandemie besser gerüstet zu sein.

Quelle: Corona: Ende der Aufarbeitung - Politik - SZ.de [hinter paywall]

2 „Gefällt mir“

Politisch in der aktuellen Situation in einem beginnenden Bundestagswahlkampf wahrscheinlich die richtige Entscheidung. Denn machen wir uns nichts vor, außerhalb der Fachbereiche wird die Aufarbeitung vor allem den Hass von v.a. der AFD und deren rechtsradikalen Umfeld neu entfachen und durch die sozialen Netzwerke spülen.
Denn denen geht es nicht um Aufarbeitung, sondern pure Rache, Verhaftungen, strafrechtliche Verurteilungen.
Eine Aufarbeitungen in den einzelnen Fachbereichen kann man auch auf Fachtagungen durchführen, fern der Öffentlichkeit.

Vielleicht öffnet sich nach der Bundestagswahl ein Zeitfenster, dass für eine breitere, öffentlich wirksamere Diskussion besser geeignet ist.

Nachtrag: für mich liegt die Ownership des Thema Corona inzwischen recht klar bei der AFD, zu kleineren Teilen FDP und BSW. Bei jedem Fehlereingeständnis würde die AFD sofort mit einem “haben wir doch immer schon gesagt” kommen.

6 „Gefällt mir“

Ich muss sagen, dass mir persönlich auch nie ganz klar geworden ist, was da eigentlich mit Gewinn aufgearbeitet werden soll. Viele der beteiligten Akteure, also das RKI, die Impfkommission, aber auch politische Gremien werden intern für die nächste Pandemie die Sache sowieso aufarbeiten und sie wird extern wissenschaftlich von diversen Generationen Juristen, Politikwissenschaftlern, etc. durchleuchtet werden. Also diese Art der Aufarbeitung findet doch auf den jeweiligen Ebenen statt und der Mehrwert der großen politischen Aufarbeitung ist mir nicht so ersichtlich. Untergeordnete Stellen werden ihre Schlüsse ziehen und die Politiker werden sich bei der nächsten Pandemie auch eher wieder von den Maßnahmen im Ausland treiben lassen, als sich dann 20 Jahre alte Schlussfolgerungen eines Bürgerrats anzuhören.

Wenn die Motivation nur von dem AfD Zulauf herrührt, würde ich dem erneut entgegen halten, dass wir den Rechtsruck ja in vielen westlichen Demokratien sehen - die mit den Coronamaßnahmen alle ganz unterschiedlich umgegangen sind. Deshalb sind rechte staatsskeptische Strömungen überall unabhängig von den Maßnahmen stärker geworden. Ich wage mal die These, dass der Zulauf der AfD nicht anders verlaufen wäre, wenn die Schulen ne Woche später geschlossen hätten. Eine Analyse der gesellschaftlichen Veränderungen auf Grund der Coronapandemie wird eine Analyse von Symptomen, aber nicht von Ursachen werden - entsprechend aussagekräftig würde sie ausfallen. Also am Ende noch ein Untersuchungsbericht der nach zwei Tagen vergessen ist - ich brauch ihn nicht.

4 „Gefällt mir“

Sie könnte der Vorbereitung auf die nächste Pandemie dienen, die sicher kommen wird.

1 „Gefällt mir“

Die grundlegende Analyse und Vorbereitung auf die nächste Pandemie findet ja auch allen anderen Ebenen statt. Ob ein vom Bürgerrat verfasstes 200 seitiges Gutachten über den richtigen Zeitpunkt der Schulschließungen in 20 Jahren wirklich als playbook dienen können wird, würde ich bezweifeln. Da liegen zum einen die Karten ganz anders, man hat auch da ja Experten die sich genau mit diesen Fragen beschäftigt haben und am Ende wird man sich ohnehin davon treiben lassen, was Nachbarländer machen. Ich sehe da erstmal keine sich aufdringenden use cases einer solchen Aufarbeitung.

Wie zwangsläufig sich umfassende (wissenschaftliche) Analysen direkt in politisches Handeln übersetzten sieht man ja derzeit bspw. beim Klimaschutz. Wie sehr die politisch forcierte Aufarbeitung dazu beiträgt, dass eine gespaltene Gesellschaft wieder zusammenfindet, sieht man an der Bengasi-Aufarbeitung der Amerikaner. Kann man immer alles machen, aber man sollte erstmal nicht davon ausgehen, dass es zwingend irgendeinen Nutzen nach sich zieht.

Am Ende geht es doch bei diesen ganzen Coronaaufarbeitungen immer - auch wenn hier von OP explizit das Gegenteil zitiert wurde - darum, dass Politiker, die nach bestem Wissen und Gewissen Entscheidungen getroffen haben, öffentlich irgendwelche Fehler eingestehen. Dahingehend wird der Untersuchungsprozess am Ende zumindest von den Medien ausgewertet werden.

Ich sage ganz klar nicht, dass überhaupt nicht aufgearbeitet werden soll - das soll und wird alles geschehen. Die Frage ist nur, was eine groß angelegte politische Aufarbeitung hier für einen Vorteil haben soll. Einfach nen Exzellenzcluster „Coronapandemieaufarbeitung“ an der Uni Göttingen ansiedeln und dann hat man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Die Aufzeichnungen dieser Vorbereitungen wurden von AfD, Querdenkern und Co als Beweis vorgetragen, dass alles nur eine Inszenierung ist.

Abgesehen davon zieht auch hier das Argument, dass die Fachebene die Auswertungen und neuen Vorbereitungen macht.
Die große Politik die ja hier immer gefordert wurde bringt da nix.

Was sollen sie auswerten?

Die Beschlusswege waren mehr oder weniger vorgegeben, die fachlichen Analysen sowieso fachlich.

Alles was die Befürworter einer solchen Form der Aufarbeitung wollen ist politische Karieren zu beenden und im besten Falle auch noch Bestrafungen.

3 „Gefällt mir“

Ich sitze da zwischen den Stühlen ich finde es auch nicht richtig, das die Corona Aufarbeitung nicht angegangen wird. Teilweise kann ich die Argumentation verstehen, dass dies nur den Coronakritikern und Leugnern wieder hilft Aufmerksamkeit zu erreichen. Jedoch sehe ich auch, dass die Weigerung zur Aufarbeitung genau so Wasser auf die Mühlen derjenigen ist. Da muss es doch was zu verbergen geben, wenn ich aufgearbeitet wird.

Rücktritte bei groben Fehlern die auf unter Berücksichtigung des damaligen Wissenstands gemacht wurden gerne doch. Jedoch denke ich nicht, dass es zu Bestrafungen kommen wird → Stichwort politische Immunität. Und diese ist auch durchaus Sinnvoll.

1 „Gefällt mir“

Usw.

Einfach mal „corona Auswertung maßnahmen“ in die Suchmaschine deiner Wahl eingeben und staunen.

Die Auswertung, Bewertung u.s.w. findet statt, nur halt nicht immer auf der Titelseite oder Hauptschlagzeile der Medien, wie es die „Auswertungsrufer“ so gerne hätten, denn:

Das ist gar nicht gewollt, sondern Rücktritte und auch Strafforderungen auf Grundlage aktuellem Wissens, denn gerade die Fraktion die so laut nach Aufarbeitung rufen, wollen eigentlich nur beweisen, dass sie hinterher viel schlauer waren als alle anderen.

2 „Gefällt mir“

Das sehe ich auch so.

Die unwissenschaftlichen Schnellschüsse und Festlegungen jeder Art, die damals getroffen wurden, und die Art & Weise, wie damals mit Kritikern umgegangen wurde, hat zu einem riesigen Vertrauensverlust geführt.

Leider empfinde ich auch die Festlegungen in den Medien, was z.B. Impfungen anging, in der Rückschau als zu einseitig. Da ich damals selbst zu diesem Lager gehörte, gesteht es mir nicht zu irgendjemandem Vorwürfe zu machen. Aber wir haben uns dort in der Breite damals zu Maßnahmen hinleiten lassen, die einfache irre waren. Allein was Kindern zugemutet wurde, ging auf keine Kuhhaut.

Ob eine Aufarbeitung vom Parlament hierfür das richtige Medium ist, mag diskutiert werden.

Ich befürchte aber, dass wir in der kommenden Pandeme ein massives Compliance-Problem bekommen werden.

5 „Gefällt mir“

Was meinst du denn genau?

Einige Beispiele, wie das Verbot sich auf eine Parkbank zu setzen, waren ja schon zum Zeitpunkt damals wissenschaftlich gesehen unsinnig.

Wir haben umgekehrt auch weiter Dinge ermöglicht, die angesichts einer leicht übertragbaren Krankheit völlig irre waren. Warum z.B. bis zum Vorhandensein eines Impfstoffes Massentourismus möglich blieb, ist mir immer noch ein Rätsel. (Also klar, weil „die Wirtschaft“, aber es bleibt halt sachlich Irrsinn.) Das „Aufarbeitung“ im Grunde als Kürzel für „Feststellung, dass alles übertrieben war“ zu stehen scheint spricht jedenfalls aus meiner Sicht dafür, dass ein solches Bestreben für die Zukunft mehr Schaden anrichten kann als es nutzen würde.

1 „Gefällt mir“

Ich würde mir ehrlich gesagt über eine Aufarbeitung der Berichterstattung in der Lage wünschen. Ich weiß - oft fordern das corona leugner oder so, aber ganz ehrlich es lief wirklich nicht alles optimal - auch in der in der berichterstattung.
Einfach nochmal zurück schauen, was haben wir sazu gelernt, was würden wir anders machen.
Ich habe rückblickend bei mir, und auch bei der Lage, das Gefühl, dass wir manchmal übergeschossen haben. Oft die schäden von lockdowns und isoloierung unterschätzt haben, viel auf virologen und wenig auf andere wissenschaftler gehört haben, kann das aber noch nicht ganz einordnen und würde mich da über einen rückblick freuen.

4 „Gefällt mir“

Eine Aufarbeitung durch die Medien setzt eine Aufarbeitung durch den Staat ein Stück weit voraus. Und letztlich muss man auch in den Medien die Befürchtung haben, dass man damit die falschen Parteien stärken könnte, wenn man das Thema gerade jetzt auf den Schild hebt.

Ich hätte Interesse an einer Aufarbeitung frei von Schuldvorwürfen und politischen Grabenkämpfen, schlicht, um auf die nächste Pandemie besser vorbereitet zu sein. Aber das ist zu Wahlkampf-Zeiten nicht denkbar, und leider befinden wir uns fast schon im Wahlkampf für die Bundestagswahl nächstes Jahr. Entsprechend denke ich nicht, dass es innerhalb des nächsten Jahres große Fortschritte in der Aufarbeitung geben wird.

Es ist glaube ich normal, dass die „unbekannten Gefahren“ („Neues Virus“) schwerer bewertet werden als die bekannten Gefahren (soziale, wirtschaftliche und psychologische Folgen), gerade wenn die unbekannte Gefahr das Potenzial hat, einen signifikanten Teil der Bevölkerung auszulöschen (wie die Pest oder die spanische Grippe). Es ist daher normal, dass eher in diese Richtung überschossen wird und das wird glaube ich auch - außerhalb von Corona-Leugnern - kaum zum Vorwurf gemacht.

Was aktuell zum Vorwurf gemacht wird, ist ja, dass gerade die Experten im Robert Koch-Institut in einigen Aspekten eine „Teilentwarnung“ gegeben haben, es aber so scheint, dass die Regierung diese nicht wirklich ernst genommen hat und in diesen Aspekten weiterhin auf Maßnahmen beharrt hat, die laut dieser Experten nicht zweckdienlich sind. Der Kritikpunkt ist daher weniger, dass „mehr auf Virologen als auf andere Wissenschaftler“ gehört wurde (das wäre innerhalb des Beurteilungsspielraumes der Politik), sondern gerade, dass nicht auf die staatsnahen, weisungsgebundenen Virologen gehört wurde, sondern die Staatsnähe und Weisungsgebundenheit möglicherweise genutzt wurde, um kritische Stimmen im RKI stumm zu schalten. Wenn das stimmt, wäre das natürlich ein Vorgehen, das nur schwer zu rechtfertigen ist.

1 „Gefällt mir“

Ich habe schon die Hoffnung, dass eine Aufarbeitung die Gesellschaft auch wieder etwas zusammen bringen könnte.

Wenn man beispielsweise hochoffiziell zugibt, dass man in der Verurteilung der frühen, anfangs nur vereinzelt von Rassisten unterwanderten Coronademos als rechtsextrem vorschnell geurteilt hat, könnte man einige verärgerte Familien oder Selbstständige zurück gewinnen. Oder wenn Medien einräumen in der Pandemie oft vorschnell und besonders extreme, aufsehenerregende Positionen behandelten (Lauterbach, Brinkmann, Priesemann, Kekule) oder teils pragmatische Positionen als extrem geframed (bspw Gesundheitsamt Tübingen) haben.

Ebenso muss aber auch diskutiert haben warum wir in Deutschland so wenig in der Lage sind, freiwillig das zu tun was nötig ist und stets darauf warten, dass Gesetze erlassen werden, die uns das verantwortliche Denken abnehmen. Mehr noch, warum muss ein großes Land wie Deutschland immer im Gleichschritt funktionieren. Maßnahmen, die in Bayern richtig scheinen, müssen in Niedersachsen keineswegs notwendig sein. Dennoch fordern wir oft, dass entweder überall gehandelt wird oder nirgends. Regionales Maß und Mitte scheint mir oft zu fehlen. Oft hieß es Too little, too late - sowohl bei Lockerungen als auch bei Maßnahmenverschärfungen weil nicht regional entschieden werden konnte.

1 „Gefällt mir“

Ich bin da skeptisch. Vermutlich würde es eher als Persilschein für alle gewertet werden, die bei diesen Demos Seite an Seite mit offen Rechtsextremen marschiert sind. Zumal: Wer soll sich da entschuldigen? Es waren immer einzelne Politiker, die sowas behauptet haben, es waren nie die Parteien als Solche (durch Parteibeschluss und co.). Und dass diese Demos teilweise erheblich von Rechtsextremen „unterwandert“ oder sogar von diesen Organisiert waren, daran gibt es keinen Zweifel.

Diesen Schuh wird sich kein Medium anziehen. Die Medien werden sagen, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen ihre Berichtsgegenstände ausgesucht haben - und ich habe keinen Zweifel, dass das so gewesen ist. Dass die mediale Berichterstattung je nach Sektor immer einen leichten Bias hat, ist normal. Die Welt hatte einen sehr von Corona-Leugnern geprägten Bias, die Medien der Mitte hatten eher einen von Vorsicht geprägten Bias. Das ist in Ordnung, da gibt es mMn nichts, wofür man sich entschuldigen müsste, da es hier niemanden darum ging, andere „in die Irre zu führen“, sondern schlicht auch bei den Medien eine große Unsicherheit herrschte, wie die Sache zu bewerten ist, und man sich eben der einen oder anderen Denkschule angeschlossen hat. Und die dominante Denkschule zu der Zeit war eben die derjenigen, die Vorsicht an erste Stelle gesetzt haben.

Wenn Medien sich nun in einer Situation der Unsicherheit dafür rechtfertigen oder gar entschuldigen müssen, eine bestimmte Position eingenommen zu haben, fände ich das schon sehr fragwürdig.

Das ist doch gar nicht so. Grundsätzlich gab es auch während Corona eine Föderalismus, der wurde aber - aus guten Gründen - ein Stück weit ausgesetzt. Eine Pandemie hält sich eben nicht an Bundeslandgrenzen, es kann daher nicht sein, dass ein Bundesland alles erlaubt und sich dort das Virus massiv verbreitet, während das nächste Bundesland alles dicht macht. Also dass in einer Pandemie der sonst so starke Föderalismus etwas eingeschränkt wird halte ich für wichtig und richtig.

Ich glaube, @simonb ging es darum, dass die Hosts mal ihre eigene Berichterstattung und Analyse von damals kritisch reflektieren. Ich halte das für eine hervorragende Idee, hier mal in einer Sonderfolge mit einem guten Beispiel voranzugehen:

Warum nicht Praktikanten und Referendare die Beiträge von damals in die 10-15 wesentlichen Thesen / Forderungen / Kritikpunkte, die Ulf (@vieuxrenard) und Phillip damals aufgestellt hatten, zusammenfassen und diese Punkt für Punkt aus heutiger Sicht nochmal kritisch bewerten? Natürlich immer ganz sauber (1) ex ante (hätten wir das damals überhaupt so sehen können?) und (2) ex post. Das setzt natürlich die Bereitschaft zur Selbstkritik voraus.

5 „Gefällt mir“

Gerade, weil Du auf die WELT verwiesen hat: Wer sich für die Denkschule „Corona-Leugner und Impfgegner“ und damit gegen die Wissenschaft entschieden hat, muss sich sehr wohl gut fundierte Kritik gefallen lassen und hat allen Grund, sich zu entschuldigen für die Fake-News, die diese Zeitung (noch mehr andere Publikationen des Verlagshauses) verbreteitet hat.

1 „Gefällt mir“

Ich würde auch konstatieren, dass die Welt grosso modo sehr viel kritischer gegenüber den Coronamaßnahmen eingestellt war als viele andere Medien. Dabei kamen sicher auch mal Positionen zur Sprache, die sich - ex ante oder ex post - als wissenschaftlich nicht haltbar oder Desinformation herausstellen. Was es in der Welt allerdings auch sehr viel mehr als in anderen seriösen Medien gab, waren kritische Nachfragen etwa zu konkreten politischen Maßnahmen, Entscheidungsprozessen oder Datengrundlagen. Meiner Meinung nach sollte beides Gegenstand einer umfassenden Aufarbeitung sein - bei Springer-Medien ebenso wie bei SPIEGEL, SZ oder ÖRR.

So pauschale Aussagen wie die zitierten kommen mir jedoch ehrlich gesagt eher vor wie die Fortsetzung des (eher affektiven als argumentativen) Lagerdenkens von 2020 ff. Anders formuliert sind sie eher Ausdruck der Notwendigkeit einer umfassenden Aufarbeitung als Ausdruck einer Aufarbeitung. Mal konkret gefragt: Welche Belege gibt es dafür, dass die Welt sich in ihrer redaktionellen Linie gegen „die Wissenschaft“ gestellt, der „Denkschule der Coronaleugner“ gefolgt ist und „Fakenews“ verbreitet hat bzw. von einem entsprechenden Bias geprägt war?

1 „Gefällt mir“

Ich fürchte, diejenigen, die eine Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Entschuldigungen von den Medien fordern, denken dabei nicht an die Welt oder die Bild, sondern an alle anderen Medien :wink:

Ich habe bewusst der Welt und den eher mittigen Medien nur jeweils einen gewissen Bias unterstellt und explizit gesagt, dass beides aus meiner Sicht in Ordnung ist, daher weder das eine noch das andere „Fake News“ waren, für das man sich entschuldigen müsste.

Ich war auch strikt gegen die abendlichen Ausgangssperren (und habe sie permanent gebrochen, weil ich eben nur nach Sonnenuntergang laufen gehe…), ich fand diese Ausgangssperren auch ausgesprochen problematisch, weil letztlich das Ziel war, Menschen vom Feiern in Privatwohnungen abzuhalten, man aber nicht den Mut hatte, in die geschützte Wohnung einzugreifen, und man lieber eine Maßnahme erlassen hat, die zu einem großen Teil Kollateralschäden verursacht hat, also Leute getroffen hat, die man eigentlich nicht treffen wollte. In diesem Punkt habe ich der sehr Maßnahmen-kritischen Berichterstattung der Welt durchaus zugestimmt. In vielen anderen Punkten (z.B. die generelle Ablehnung von Maskenpflichten oder Impfpflichten) nicht.

Ich finde beim Thema „Aufarbeitung der Conora-Pandemie“ schauen wir nun viel zu sehr auf die verhältnismäßig kleinen Fehler und berücksichtigen viel zu wenig, wie schwierig es damals für die Verantwortungsträger aus Politik und Verwaltung war, hier einen halbwegs zielführenden Weg vorzugeben. Dabei stellt sich eben auch die Frage, ob die Politik den Empfehlungen von Institutionen wie dem RKI zwingend folgen muss oder doch das Recht hat, zu sagen: „Im Sinne der Vorsicht oder zum Wohle der Wirtschaft weichen wir von den Empfehlungen ab“.

Beispiel: Wäre es nach dem RKI gegangen, hätte man sich erst nach mehreren negativen Tests „freitesten“ können, die Politik hingegen wollte eine großzügigere Regelung (Freitesten nach 5 Tagen), um die wirtschaftlichen Schäden geringer zu halten. Ebenso hat das RKI relativ schnell erkannt, dass eine Impfung nicht zwangsläufig Ansteckungen reduziert, daher Geimpfte immer noch das Virus weitergeben können (keine „Sterile Impfung“). Das hat die Politik, vor allem Jens Spahn, mit seiner Äußerung der „Pandemie der Ungeimpften“ natürlich konterkariert und die gesetzlichen Regelungen spiegelten dies auch nicht wieder.

Was witzigerweise in beiden Fällen passiert ist, ist, dass die Regierung nach Unten von den Vorgaben des RKI abgewichen ist, daher: Das RKI war „vorsichtiger“ als die Politik, nicht „weniger vorsichtig“. Was in der Berichterstattung nun passiert, ist aber, dass z.B. Spahns Satz der „Pandemie der Ungeimpften“ im Zentrum steht und es so dargestellt wird, als habe das RKI weniger Maßnahmen gefordert, als die Politik umgesetzt hat. Das war aber gerade nicht der Fall.

Ich sehe da zweifellos auch Fehler, die gemacht wurden, aber in der Summe überwogen die richtigen Einschätzungen und Handlungen der Politik deutlich. Trotzdem wird nun so getan, als hätten die Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstranten Recht gehabt und die Regierung habe bei den Maßnahmen maßlos übertrieben. Das ist ein katastrophales Framing, das leider sehr dominant ist.

Ich finde dieses Argument ehrlich gesagt nicht besonders stichhaltig. Schon seit Mitte 2020 sind AfD & Co. ja auch beim Thema Corona sehr erfolgreich damit, sich als „Alternative“ zu präsentieren - also als die einzigen, die angeblich die „wirklich wichtigen“ Fragen stellen. Und ähnlich wie bei anderen Themen nehmen das viele Menschen dankbar an, d. h. es haben sich bestimmte Einstellungen und auch Muster der Mediennutzung entwickelt und verfestigt, die mit dem „herkömmlichen“ politischen Parteien und Medien fast nichts mehr zu tun haben. Das heißt auch, dass das Urteil dieser Leute über die Pandemiepolitik ohnehin feststeht: „Wir“ wurden „von denen“ verraten und verkauft. In den entsprechenden Kanälen läuft diese Message noch immer - zwar nicht mehr so häufig und so dominant wie vor 2 Jahren, aber still ist es um das Thema Corona da nie gewesen.
Ich verstehe daher nicht ganz, warum eine Auseinandersetzung der „etablierten“ Institutionen mit ihrem Umgang mit der Pandemie hier irgendwas dramatisch ändern soll. Und wie viel Raum bestimmte Narrative von AfD & Co. im Zuge einer solchen Auseinandersetzung bekommen, lässt sich ja gestalten - es sei denn man ist (immer noch) der Meinung, dass die (zum Teil auch fundamentale) Kritik an handlungsleitenden Einschätzungen und zentralen Maßnahmen (beispielsweise „Inzidenzwerte“ für riesige Gebietskörperschaften, flächendeckende Schulschließungen oder 2G-Regelungen) gar nicht anders motiviert sein kann als durch Glauben an Verschwörungsfantasien.
Das Absurde an dem Argument ist m. E., dass genau diese Kreise seit zweit Jahren davon zehren, dass eine nennenswerte Aufarbeitung auf gesellschaftlicher Ebene nicht stattfindet.

1 „Gefällt mir“