Atomkraft ja bitte? Eine neues unheiliges Zusammenspiel aus Lobbygruppen, Medien und Politik oder sinnvoll für die Dekarbonisierung?

Seit Monaten verfolge ich die Berichterstattung in den Medien über das Comeback der Atomkraft.

Gerade in konservativen Medien, vor allem in der Springer-Presse, vergeht kaum eine Woche, in der nicht die tollen neuen Atomkraftwerke gepriesen werden und Deutschland als Geisterfahrer in Europa dargestellt wird, weil wir ja auf Atomkraft verzichten und alle Länder um uns herum neue AKWs planen (siehe die letzten beiden Ausgaben der Welt am Sonntag).

Gestern erst wieder wurde im FAZ-Podcast für Deutschland der Dresdner Professor für Kernenergie, Antonio Hurtado, interviewt (https://podcasts.apple.com/de/podcast/f-a-z-podcast-für-deutschland/id1494882653?i=1000672064848).

Kleiner Fun-Fact am Rande: In Minute 31:30 Bezeichnet er sich als neutralen Professor;) Das erinnert sehr an Professor Koch, der als Professor für Maschinenbau und als Spezialist für Kolbentechnik in Verbrennungsmotoren gegen die Elektromobilität lobbyiert (Verbrennerverbot in der EU - „Wir sind dabei, die Weltmarktführerschaft abzugeben“ | Cicero Online).

Herr Hurtado betont zwar, dass die Erneuerbaren Vorrang haben, preist aber die neue Technik der „Smal-Modular-Reactors“. Diese seien unverzichtbar für eine Industrienation. Bei Minute 31:55 räumt er zwar ein, dass diese Technik trotz serieller Vorfertigung wahrscheinlich nicht günstiger sein wird als die Erneuerbaren und er teilt die Bedenken hinsichtlich der alten Reaktoren, trotzdem wird meines Erachtens suggeriert, der deutsche Weg sei ein Sonderweg und führe zu hohen Strompreisen und in Folge dessen zu Verlagerungen von Arbeitsplätzen in Länder mit Atomkraft.

Folgende Fragestellungen ergeben sich hier momentan für mich, die ich gerne ausführlich als Themenkomplex von der Lage aufgegriffen sehen würde:

Die Rolle der (konservativen) Medien:

Im Beispiel des FAZ-Podcasts wird wenig bis gar nicht kritisch nachgefragt. Die Fragen nach neuen Rohstoffabhängigkeiten und Entsorgungsproblemen werden nicht gestellt und auch wird Professor Hurtado nicht mit der Tatsache konfrontiert, dass durch Atomenergie weltweit derzeit nur zwei Prozent des Primärenergiebedarfs gedeckt wird (Ulf und Philipp fallen wahrscheinlich noch tausend bessere Fragen ein, die man stellen könnte).

Für mich ergibt sich hier die Frage, ob die Journalisten durch Lobbygruppen beeinflusst werden? Christian Stöcker hat das bei der fossilen Lobby ja sehr schön in „Männer die die Welt verbrennen“ herausgearbeitet.

Stehen hier also wirtschafliche Interessen der Atom-Lobby an erster Stelle oder liegt der Fall ähnlich wie bei H2-ready-Heizungen, dass diese Lobbygruppe als trojanisches Pferd dafür sorgen soll, möglichst lange Zeug zu verbrennen?

Sind die Lobbygruppen und deren Berater eigentlich die gleichen wie bei der fossilen Lobby, bzw. wo gibt es Schnittmengen?

Warum nutzen Journalist:innen die Narrative dieser Lobbygruppen? Weil sie direkt beeinflusst werden oder als nützliche Idioten, die sich dadurch mehr verkaufte Zeitungen versprechen?

Kritisches Nachfragen scheint ja in Talksendungen, Podcasts und Printmedien generell aus der Mode gekommen sein. Liegt das daran, dass die Jounalist:innen nicht können oder hat man Angst, dass wenn man zu kritisch ist keine Interviewgäste mehr zu bekommen?

Die Frage der Technik:

Wie ist der Stand in der Forschung? Taugen die neuen Reaktorkonzepte wirklich dazu, Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft zu produzieren? Können sie eine sinnvolle Ergänzung zu Wind und Sonne sein oder behindern sie deren Ausbau? Sind sie sogar besser für Industrieprozesse geeignet, als die derzeit geplanten Gaskraftwerke, die später auf Wasserstoff umgestellt werden sollen (was ja aufgund der Physik und den Umwandlungsverlusten höchst unwirtschaftlich ist)?

Ist die Technik sicher und produziert sie wirklich viel ungefährlicheren Müll? Können die Reaktoren CO2-neutral gebaut und entsorgt werden? Woher kommt der Brennstoff?

Und nicht zuletzt, wie lange wird es dauern, um diese Fragen zu beantworten und wann ist mit ersten Kraftwerken im Betrieb zu rechnen?

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Ich war noch nicht fertig:

Die Rolle der Politik:

Bei Politikern von CDU/CSU und FDP sehen wir, dass Narrative unter dem Schlagwort „Technologieoffenheit“ von den Lobbygruppen übernommen werden. Hier wäre es ebenso wie bei einzelnen Medien spannend zu recherchieren, welche Verbindungen es zwischen Parteien und Wirtschaft gibt. Ich kann mir vorstellen, dass, ähnlich wie bei Frank Schefflers direkten Verbindungen zum libertären Netzwerk des Ölmilliardärs Charles Koch, es auch hier interessante Verbindungen gibt.

Des Weiteren ist zu befürchten, dass mit der ganzen Diskussion im Wahlkampf wieder Stimmung gegen die Energiewende gemacht wird. Jens Spahn, Alexander Dobrindt, Christian Lindner und Co. Sind ja wieder dabei den Weg der Energiewende in Frage zu stellen (jüngstes Beispiel Interview mit Herrn Dobrindt in der Welt am Sonntag vom 29. September 2024). Bringt das nicht schon wieder Unsicherheit in unsere Wirtschaft? Beim Schlingerkurs zur Antriebswende sehen wir ja, wohin das unsere Industrie bringt. Gleichzeitig scheint mir das mal wieder ein Thema bei dem am Ende wieder nur AFD und BSW und nicht die Konservativen als Sieger vom Platz gehen.

Brauchen wir bei den für dieses Land drängenden und langfristig umzusetzenden Themen nicht viel mehr Einigkeit zwischen den demokratischen Parteien, damit diese gelingen können?

Ich würde mich freuen in einer der kommenden Lagen über dieses Thema zu hören und freue mich auf Ergänzungen, Feedback und Anregungen.

Weitere Quellen:

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Die grundlegende Frage dabei ist, ob es technisch möglich ist, die strom- technische Versorgung mit EE und Speichern über die EU sicherzustellen.

Der Ausbau EE und der Stromnetze stellt dabei ein reines Kostenproblem dar. Technisch ist das absolut machbar. Der Aufbau von Speichern (Batterie, Wasserstoff usw.) ist technisch und vor allem wirtschaftlich viel problematischer, da es noch keine technische Lösung gibt, die nur ansatzweise wirtschaftlich und skalierbar ist.
Das hat auch nicht viel mit Lobby zu tun, dass ist wirklich eine grundsätzlich ökonomische Frage.
Power to Gas (Strom aus EE zu H2 zu Strom) hat einen Wirkungsgrad von 62%. D.h. um ein kWh Strom zu Speichern benötigt man 1,6 kWh Strom aus EE. Dazu kommen die Kosten der Anlagen (Elektrolyse und H2 Kraftwerk).
Dagegen muss ein AKW inklusive Entsorgungskosten gerechnet werden. Laut allen Betreibern (EnBW und RWE) werden die AKW Kosten höher sein. Vorteil Power to Gas/ Batterie.

Dann gibt es noch ein zweites Argument. Kann überhaupt soviel EE in Deutschland bzw. der EU erzeugt werden, um den Bedarf zu decken.
Hier ist die Antwort leider nicht so gut für die EE. Laut Volker Quaschning können die EE + Importe nur 75% - 80% des zukünftigen Strombedarfes decken. 20% - 25% müssen über eine Reduzierung des Energiebedarfes erfolgen. Diese Einsparungserfolge sehe ich einfach nicht. Ich glaube eher das der Bedarf steigt. Das würde wiederum für die Atomkraft sprechen.

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Also ich persönlich habe dazu sie Theorie der postkolonialen Ökobilanzverschiebung entwickelt. Denn die Herstellung von Brennstoff ist schmutzig: Das Uran muss abgebaut, getrennt und gewaschen werden, bevor es zu Brennstoffstäben verarbeitet werden kann. Das sind schmutzige Prozesse, bei denen CO2 verschmutzung entsteht (und beim chemischen waschen auch eine ganz erhebliche Belastung für sie Umwelt entstehen kann).
Aber diese Probleme und Kosten lagert man mit Atomkraft halt in zweite und dritte Weltländer aus (bspw. Kasachstan), die das CO2 in ihre Umweltbilanz schreiben (und sich sie Böden verseuchen). In der EU ist man dann aber mit dem importierten Brennstäben carbon neutral, weil durch die Nutzung der Brennstäbe selbst kein CO2 entsteht. In Wirklichkeit hat man aber die umweltbelastenden Prozesse nur in ärmere Länder ausgelagert.

Deshalb bleibt Atomstrom keine umweltfreundliche Lösung. Da ist die ungelöste Endlagerfrage und die Milliardenkosten für Zwischenlagerunt und Rückgholung (Asse) nicht bei.

Entfernt erinner ich mich an eine ny times daily folge aus dem letzten Jahr, in der resümiert wurde, dass die kleinen Atomkraftwerke technisch nicht sicherer seien als die großen. Sich also ganz viele kleine GAU Anlagen im Land verteilt hinzustellen ist daher mMn einfach ein recipe for desaster. (Komm grad nicht aufs deutsche Idiom)

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Es ist ja immer die Frage, was man mit Kernkraft genau erreichen will.

Klimawandel bekämpfen? Das Kernkraft hierzu einen nennenswerten Beitrag leistet ist praktisch ausgeschlossen. Der Bau von zusätzlichen Kernkraftwerken behindert Klimaschutz sogar. Begründung siehe unten.

Billige Energie? Theoretisch denkbar, aber unwahrscheinlich.

„Sichere“ Energieversorgung? Nur insofern, dass eine hohe Diversität von Energiequellen immer ein wenig sicherer ist als eine niedrige Diversität.

Hohe Gewinne für Konzerne und deren Anteilseigner? Absolut realistisch.

Klimawandel

Bei der Bekämpfung des Klimawandels geht es nicht darum, einfach bis 2100 oder 2050 klimaneutral zu werden. Der Löwenanteil der CO2-Reduktionen muss eigentlich innerhalb der nächsten 10 Jahre passieren, damit die schlimmsten Folgen des Klimawandels abgewendet werden können. Die reine Bauzeit der Reaktoren, die 2022 noch am Netz waren, betrug zwischen 7 und 17 (!) Jahren.

Selbst wenn wir also heute einen fertigen Bauplan für ein AKW aus der Schublade holen und den ersten Spatenstich tun würden, würde der Reaktor zu spät ans Netz gehen, um noch irgendeinen entscheidenden Einfluss auf den Klimawandel nehmen zu können.

Bei PV besteht dagegen schon heute eine globale Produktionskapazität von 1.000 GW. Windturbinen können mit einer Kapazität von immerhin 120 GW pro Jahr hergestellt werden. Der modernste finnische Atomreaktor hat eine Kapazität von 1,6 GW und war 18 Jahre im Bau. Wir müssten heute anfangen global hunderte von Reaktoren zu planen und zu bauen, nur damit wir in 10 bis 15 Jahren so viel nukleare Energiekapazität aufgebaut hätten, wie wir in der Zwischenzeit allein durch Solar und Wind ausbauen können. Und dann bräuchten wir nochmal hunderte Reaktoren mehr, um tatsächlich auch zusätzlichen Strom zu produzieren.

Small Modular Reaktors sind da keine Hilfe, weil davon noch keiner real existiert. Theoretisch können solche Reaktoren die Bauzeiten verkürzen, in der Praxis hilft das nichts, wenn sie erst in fünf oder zehn Jahren mit dem Bau beginnen können.

Unterm Strich: Für Erneuerbare Energien gibt es klare und mit bewiesenen Technologien und Regulierungen erreichbare Ausbauszenarien. Für Atomkraft gibt es Luftschlösser und 70 Jahre Geschichte, die das Konzept Atomkraft zur Bekämpfung des Klimawandels ad absurdum führen.

Es gibt gute Argumente, bestehende Atomkraftwerke aus Klimaschutzgründen weiterlaufen zu lassen. Allerdings gibt es da je nach Reaktor auch gute Argumente dagegen, vor allem wegen der Sicherheit.

Billige Energie

Die Stromgestehungskosten von Wind und Solar liegen im besten Fall bei einem Viertel der Kosten für neu konstruierte Atomkraftwerke. Selbst die PV-Anlage, die du dir auf dein Eigenheim bauen kannst, produziert Strom zu selben Preis wie ein neues Atomkraftwerk.

Preislich können nur abgeschriebene Atomkraftwerke mit Erneuerbaren Energien konkurrieren. Deren niedrige Stromgestehungskosten werden aber nicht an die Kunden, sondern an die Shareholder der Energiekonzerne durchgereicht.

Ein neues Atomkraftwerk liefert rechnerisch günstigen Strom, wenn man extrem lange Laufzeiten annimmt. Betriebswirtschaftlich ist das aber nicht zulässig. Nach einer sehr langen Bauzeit muss der Betreiber seinen Investoren schnell eine Rendite verschaffen, entsprechend wird nicht gebaut, wenn die Strompreise nicht absehbar relativ hoch liegen.

In Finnland liegt selbst das langfristige Ziel für die Stromgestehungskosten des neusten Reaktors bei 49 Euro pro MWH, deutlich über dem durchschnittlich Börsenpreis für Strom in Finnland.

Selbst inklusive der nötigen Speichereinrichtungen dürften Solar und Wind deutlich günstigeren Strom produzieren. Alte Atommeiler am Netz zu lassen macht aus Sicht der Konsumentenpreise nur dann Sinn, wenn der Preisfindungsmechanismus für Strom dazu führt, dass günstige Stromgestehungskosten an die Konsumenten durchgereicht werden. In Deutschland ist das derzeit nicht der Fall.

Sicherheit

Nuklearer Brennstoff ist für die meisten Staaten keine einheimische Energiequelle, also nicht wirklich versorgungssicherer als Öl, Kohle oder Erneuerbare. Und einmal gebaute PV- und Windkraftanlagen können nicht vom Hersteller in fremden Ländern abgeschaltet werden, wogegen die Versorgung für Brennstäbe (z.B. aus Russland oder Niger) politisch problematisch werden kann.

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Womit begründet er den Fehlanteil? An der Fläche kann es ja nicht liegen, die Kapazitäten zum Anlagenbau ließen sich skalieren, das ist auch vor allem ein Investitionsproblem.

Davon unabhängig würde das Problem aber bei Atomkraft nicht kleiner werden. Die nötige Kapazität zum Bau von Reaktoren zur Deckung eines nennenswerten Anteils unseres Energiebedarfs innerhalb der nächsten 30 Jahre gibt es einfach nicht.

Hier sollte man schon erwähnen woher grade die PV Module kommen und wie diese hergestellt werden. China ist hier die Antwort, was genauso Problematisch sein kann für die EU.
Und die Uranvorkommen sind in Australien und Kanada dermaßen groß, dass man sich hier klar Ausweichmöglichkeiten hat.
Darum ist dieses Argument nicht wirklich tragfähig.

Nur wenn man die Endlagerkosten mit einbezieht. Die Betriebskosten für ein AKW sind halt sehr gering. Die Kosten liegen in der Erstellung und im Abfall.
Das Kostenproblem für P2G liegt dagegen bei den Betriebskosten (Wirkungsgrad + Auslastung sind schon heftig). Trotzdem sehe ich auch noch einen leichten Kostenvorteil bei P2G gegenüber AKWs.

Das Argument Klimawandel unterschreibe ich.

Was ich mich in dieser Diskussion technisch Frage ist, ob es möglich wäre stillgelegte, aber noch nicht im Abbau befindliche AKWs zu sanieren und sicher weiter betreiben zu können. Das wären 6 AKWs wenn ich richtig informiert bin. (Besser als Kohle- Kraftwerke länger zu betreiben).

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Laut Professor Quaschning müssten in Deutschland 100 AKW gebaut werden, um nur die Hälfte des emittierten CO2 einzusparen:

Der Anteil der Kernkraft am weltweiten Energiemix sinkt bereits:

https://www.nature.com/articles/d41586-021-00615-w

Und die wenigen Staaten, die auf Nuklearenergie setzen, stehen bei der CO2-Vermeidung eher schlechter da:

https://www.nature.com/articles/s41560-020-00696-3

AKW sind v. a. extrem teuer und in einer sich klimakrisenbedingt wandelnden Welt auch noch sehr schlecht einsetzbar (Stichwort: Kühlwasserproblem):

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Ausser so ein Ding geht hoch (auch wegen Terror, Cyberkrieg usw.). Dann wird es etwas teurer.

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Es wurde zu diesem Thema schon sehr viel hier im Forum geschrieben. Ich fasse mal zusammen. Das Merkmal das Atomenergie - egal in welcher Form - auszeichnet, ist dass hier keine chemischen Reaktionen als Energiequelle genutzt werden, sondern die Kernkräfte. Diese sind pauschal 1000 mal größer und der Energiegehalt von Brennstoffen daher ebenfalls. Heißt salop gesagt, wenn Du in Dein Auto statt Diesel Kernbrennstoff reinpackst, würde die Kiste statt 1.000 km 1 Million km weit mit der Füllung kommen. Auch wenn sich dieses Gedankenexperiment sich so nicht umsetzen läst, kann verdeutlich werden wo dieser Faktor 1.000 sich noch zu Buche schlägt:

  • Der Ausstoß von CO2 oder die Schadstoffe
  • Betrieb eines AKW
  • Bau eines AKW
  • Die Gewinnung des Brennstoffs
    Diese Punkte sind im Allgemeinen dadurch vernachlässigbar.

Bevor ist zu einer Bewertung komme, möchte ich darauf hinweisen, dass ich unter neuen Reaktorkonzepten Flüssigsalz bzw. Thorium-Reaktoren meine. Die Druckwasserreaktoren kennen wir und da hat sich nicht wesentlich was verändert.
Die Technik ist noch relativ weit am Anfang. Es gab in den 50er oder 60er Jahren Testreaktoren, aber die Druckwasserreaktoren haben sich durchgesetzt. Hier offenbart sich ein weiterer, großer Nachteil von AKW: Die Entwicklungszyklen sind sehr lange (Planung, Bau und Betrieb sind Jahrzehnte). Es wird auch erst seit ein paar Jahren wieder dazu geforscht, das ist vielversprechend, aber braucht noch ein paar Jahrzehnte. Wir in Deutschland haben einen solchen Reaktor gebaut und dann wieder abgerissen ohne ihn zu betreiben. Die Menschen die das gemacht haben, sind jetzt auch in Rente.
Die Kosten sind unbekannt, weil noch in der Entwicklung. Momentan sind sie sehr hoch, sie werden sinken, wenn man mehrere von den Reaktoren baut, aber das dauert noch. Da Wind und Solar auch noch preiswerter werden, glaube ich nicht, dass neue Reaktoren konkurenzfähig werden können.

Bau von Reaktoren spielt keine Rolle, siehe oben. Flüssigsalzreaktoren sind auf jeden Fall sicherer als Druckwasserreaktoren. Wie sicher kann man aktuell schwer beurteilen, denn bisher sind die Erfahrungen damit sehr gering.
Der Brennstoff Thorium kann grundsätzlich bergmännisch gewonnen werden, doch sinnvoll ist die Nutzung des Thoriums das beim Abbau von seltenen Erden anfällt. Und damit bist Du bei einem momentan sehr unterberichteten Punkt: Wind- und Solarenergie brauchen seltene Erden und Verursachen dadurch radioaktiven Abfall, der endgelagert werden muss. Das ist einer der Vorteile, der Brennstoff ist bereits da und muss entsorgt werden. Der Abfall der Thoriumreaktoren hat zudem eine kürzere Halbwertszeit und kann daher einfacher endgelagert werden.

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Oder eine bessere Effizient. Und da geht sowohl bei Solarzellen noch einiges als auch bei Windrädern. Ich erinnere mich z. B. an eine Publikation wo alleine durch die Änderung der Drehrichtung der Windräder bis zu 25% mehr Energie möglich ist oder das Höhenwindrand in Thüringen.

Die müssten für einen Vergleich bei allen Optionen berücksichtigt werden. Bei Wind und Solar sind wir leider noch ein gutes Stück von der Kreislaufwirtschaft entfernt und bei der Rohstoffgewinnung fallen auch hier radioaktive Abfälle an.

Die AKW haben keine Betriebsgenehmigung mehr und rein politisch gesehen kann man die zwar verlängern, aber das halte ich für keine gute Idee. Die Laufzeitbegrenzung liegt darin begründet, dass manche Bauteile, z. B. der Druckwasserreaktor, durch die Strahlung geschädigt werden und der Austausch ist hier oft nicht möglich bzw. unrentabel. Und ein Weiterbetrieb nach dem Motto „wird schon noch ein paar Jahre halten“ ist bei den Folgen wenn es nicht hält, aus meiner Sicht nicht vertretbar.

Gut, dass ist ein Todschlag-Argument. Bis heute ist noch kein AKW durch Krieg oder Terror oder Cyberangriff explodiert. Und ein AKW steht grade mitten im Kriegsgebiet.

Ja, die Effizienz von einer PV Zelle ist physikalisch bei 30%-40% begrenzt (Shockley-Queisser-Grenze). Zur Zeit liegen Zellen zwischen 15% - 22%. Es wird davon ausgegangen.
Das Frauenhofer hat eine Vierfach-Zelle mit 47,6 % entwickelt.

So far so good. Jedoch nimmt es das Problem der Speicherung nicht weg. Polemisch gesprochen, wird es das Problem sogar erhöhen, weil die Tag/ Nacht Grenze technisch kaum zu lösen ist. (Das ist der Grund warum Solarkraftwerke in der Wüste auf Flüssigkeitserhitzung mit Dampfturbine setzen und nicht auf PV).
Szenario: 80% aller Dächer in Deutschland werden mit diesen PV-Modulen belegt. Am Mittag muss eine extrem große Strommenge über das Netz zu den Speichern geführt werden. Bei Sonnenuntergang kommt dann ein fast schlagartige Entlastung des Netzes. Die Netzstabilität in diesem Fällen zu gewährleisten ist nicht trivial und die P2G Kraftwerke müssen ebenfalls jeden Tag genau passend hoch und runtergefahren werden.

Das soll jetzt nicht heißen AKWs retten die Welt. Mir geht es nur um die technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die doch etwas klein geredet werden in vielen Diskussionen.

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Warum?

Wenn diese 80% der Dächer den Speicher unter dem Dach zu stehen haben und das versorgend, was unter dem Dach statt findet ist das Netz raus, bzw. Die Belastung extrem gering.

Wenn du dann noch Verbrauch in die Zeiten hoher Verfügbarkeit verschieben kannst wird es noch besser.

Da wird glaube ich nichts kleingeredet. Allen ernsthaft Beteiligten sind die Herausforderungen bewusst und werden auch ständig durch diese Personen betont. Aber sie bewegen sich im technisch lösbaren Bereich, wenn man die nötigen (und durchaus realistischen) politischen Rahmenbedingungen schafft.

Könntest du bitte eine Quelle dazu verlinken? Ich habe auf die schnelle nichts von ihm finden können, dass diese Aussage bestätigt. Vielmehr sind mir für Europa genug Studien bekannt, die zeigen, dass ein 100% erneuerberes Energiesystem in Europa möglich ist. Davon sind auch hier im Forum immer wieder Beispiele diskutiert worden. Da gibt es also eigentlich aus Sicht des notwendigen Energiebedarfs kein Argument für die Atomkraft, das geht auch ohne.

Denn, auch ohne eine mögliche Studie von ihm mit dem Ergebnis in Frage zu stellen, ist es wichtig zu sagen, dass oft bei einer Reduktion des Energiebedarfs der Fehler gemacht wird nicht zu schauen an welcher Stelle die Reduktion erfolgt. Wenn es z.B. der Primärenergiebedarf ist, dann sind da größere Rückgänge zu erwarten. Die Ursache sind Effizienzgewinne bei der Umstellung z.B. auf Elektromobilität oder Wärmepumpen. Gegenüber dem heutigen Primärenergiebedarf an Kohle, Erdöl und Gas wird es da sicherlich zurückgehen. Insofern würde ich bei einer allgemeinen Aussage ohne weitere Spezifizierung sagen, dass solche Einsparungen gut möglich sein können.

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Das Risiko rechnet man deswegen meist nicht mit ein, diese Kosten werden stillschweigend sozialisiert, sonst wären AKW ja noch unbezahlbarer, als sowieso schon.

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Nein, die Speicher für einen Haushalt sind nur bis 10 kW sinnvoll (bei Mehrfamilienhaus entsprechend). Die PV Anlagen würden jedoch viel mehr Strom erzeugen.
Ich habe das einmal für das Haus meiner Eltern gerechnet. Mit der vorhandenen Dachfläche können ca. 11000 kWh pro Jahr erzeugt werden. Der Verbrauch liegt bei ca. 3000 kWh. Sollte eine WP dazu kommen würde der Verbrauch auf ca. 5000 kWh steigen, laut Herstellerangaben.
Das ist mit PV Modulen von 20% Effizenz gerechnet.
Das macht einen Jahresüberschuss von 6000 kWh. Der geht ins Netz, was auch gut ist, weil dieser Strom andere Haushalte, Ladeinfrastruktur und die Industrie versorgt.

Dafür hätte ich gerne eine Quelle oder Begründung.

Aus Sicht des Stromnetzes und volkswirtschaftlich sind Speicher in Privathaushalten nie sinnvoll, weil es immer effizienter wäre, einfach regional verteilte Großspeicher auf die grüne Wiese zu setzen.

Aus Sicht der Haushalte können sich je nach Situation auch erheblich größere Speicher lohnen. Ich habe 14 KWh im Keller eines kleinen (130m2) EFH und wirtschaftlich wären bei aktuellen Akkupreisen nach meiner Rechnung mindestens 18 KWh. Bei mir entsteht die Wirtschaftlichkeit durch die Nutzung eines E-Autos (das man immer wieder auch außerhalb der Sonnenstunden laden möchte) und einer Strom-Direktheizung (die wir wegen guter Dämmung nicht besonders lange im Jahr brauchen, weshalb sich eine Wärmepumpe nicht lohnt, die aber vor allem Nachts aktiv wird).

Abhängig vom der angenommenen Entwicklung der Strompreise und Strompreismodelle, der jeweiligen Bedarfsprofile und der Entwicklung der Akkupreise sind auch größere Speicheranlagen in Privathaushalten wirtschaftlich darstellbar. Pauschal lässt sich da einfach nichts sagen.

Also: bitte einmal spezifizieren, worüber hier genau geredet wird.

Vorab, es sagt niemand mit einer seriösen Einschätzung, dass es technisch einfach ist sondern, dass viele der Herausforderungen einer komplexen Lösung bedürfen. Allerdings so zu tun, dass das Ramping Problem, was aus der resultierenden Lastkurve im Netz durch die volatilen Erneuerbaren erfolgt technisch kaum lösbar wäre ist schlicht falsch. Ja, dass ist nicht mehr der vergleichsweise einfache alte Netzbetrieb. Aber es ist schon heute so, dass die Lastkurven, die bei immer mehr PV am Netz stärkere Gradienten morgens und abends aufweisen zu keinem Zusammenbruch des Netzes führen (es also doch technisch zwar anspruchsvoll, aber gut lösbar ist). Das hängt schon damit zusammen, dass es ein Tag-Nacht-Übergang ist und keine starre Grenze. Die Gradienten, die Kraftwerke und Speicher fahren müssen sind also nicht Nahe einer an oder aus Situation, sondern es gibt immer noch einen Bereich, der sich über einen längeren Zeitraum bewegt.

Z.B. im Fall der gerne herangezogenen duck curve in Kalifornien (https://www.eia.gov/todayinenergy/detail.php?id=56880). Da ist gut zu erkennen, dass es immer extremer wird und in 2023 zum Abend hin fast 20 GW Last relativ schnell durch steuerbare Kraftwerke und Speicher ausgeglichen werden müssen. Aber der Zeitraum ist immer noch über gut 2h gestreckt. Etwas womit z.B. Gaskraftwerke, aber auch Speicher sehr gut operieren können. Ja, die Gradienten werden in Zukunft in Deutschland weiter ansteigen, aber das ist grundsätzlich unabhängig von der Atomkraftsituation. An dieser Stelle ist viel relevanter, dass die Netze und steuerbaren Kapazitäten rechtzeitig vorhanden sind und auch dort vorhanden sind, wo sie benötigt werden (also an den richtigen Orten in die Netze eingebunden sind).

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