Zunächst: auch zentrale Ansätze wie z.B. der aus Frankreich nutzen Bluetooth-Beacons. Schlicht, weil GPS in Gebäuden nicht funktioniert, dort aber die meisten fürs Infektionsgeschehen relevanten Kontakte stattfinden. Auch ist die Genauigkeit von GPS mit meist ein paar Metern nur unter optimalen Bedingungen überhaupt ausreichend, um auf ein bis zwei Metern genau Kontakte festzustellen. Bluetooth ist in dem Punkt zwar auch nicht perfekt, jedoch funktioniert es wenigstens in Gebäuden genauso gut wie draußen, was ein gigantischer Vorteil ist. Hinzu kommt, dass es mit deutlich geringerem Energiebedarf auskommt wie der GPS-Empfänger.
Der eigentliche Unterschied zwischen der französischen Lösung und unserer sind zwei Aspekte: der erste macht den Unterschied zentral und dezentral aus, und der zweite erlaubt es Frankreich, auch ältere Geräte zu unterstützen, hat aber seine ganz eigenen Nachteile.
Zunächst Punkt 1: beim zentralen Ansatz werden die empfangenen Bluetooth-Codes anderer Teilnehmer nicht lokal auf dem Handy gespeichert und gegen eine heruntergeladene Liste infizierter Codes verglichen, sondern von vorneherein allesamt auf einen zentralen Server hochgeladen. Der kennt nun einerseits alle Codes die alle Teilnehmer empfangen haben und andererseits alle Codes die alle Teilnehmer gesendet haben (die gibt der zentrale Server nämlich vor). Im Ergebnis kann er diese beiden Listen abgleichen und Kontakte ermitteln, die er dann gezielt benachrichtigt, sofern Codes als infiziert markiert wurden. Es entfällt, dass alle Teilnehmer regelmäßig die Liste aller infizierten Codes runterladen und selbst vergleichen, aber dafür hat man eine allwissende Instanz in der Mitte, die nicht nur die infizierten Kontakte, sondern alle Kontakte aller Teilnehmer ermitteln kann.
Um aber eine App dieser Art umsetzen zu können, ist ein tiefer Eingriff in die Bluetooth-Fähigkeiten der Smartphones nötig, den insbesondere Apple eigentlich nicht gestattet - unter anderem eben genau, weil sich damit Tracking-Apps realisieren lassen (die im Zweifel den Nutzer auch nicht nach seinem Einverständnis fragen würden oder zumindest nicht ehrlich erklären würden, was sie konkret tun). Hinzu kommt, dass dauernder Bluetooth-Betrieb vor allem bei dauerhaftem Empfang sehr auf den Akku schlägt, und Apple hat kein Interesse daran, dass Apps den Akku wegbraten, weswegen sie stark in ihren Möglichkeiten eingeschränkt werden, so lange sie nicht im Vordergrund laufen. In Folge dessen haben alle Apps, die den Bluetooth-Code-Krempel umsetzen wollen, das Problem, dass sie auf iPhones eigentlich nicht funktionieren, da man sie ständig im Vordergrund und bei entsperrtem Telefon benutzen müsste, was natürlich völlig praxisfern ist. Es gibt nun gewisse technische Tricks, wie man teilweise um diese Begrenzung herum kommt - die französische App tut genau das - aber das sind alles keine besonders zuverlässigen Lösungen, sie funktionieren vor allem auf iPhones im Hintergrund nur eher sporadisch, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie beim nächsten Betriebssystem-Update ganz aufhören zu funktionieren, weil sie sich auf diverse eher zufällige Gegebenheiten verlassen, die sich jederzeit ändern können. Hinzu kommt, dass diese Tricks eher wenig zimperlich mit der Akkulaufzeit umgehen.
Wie kommt man nun um diese Begrenzung herum? Man benutzt die von Apple und Google auf beiden Plattformen bereitgestellten Schnittstellen, die deren Bluetooth-Fähigkeiten genau so erweitert haben, dass es damit auf einfache und zuverlässige Weise möglich wird, den dezentralen Tracking-Ansatz zu realisieren! Damit begrenzt man sich in zweierlei Hinsicht: einmal auf den dezentralen Ansatz, weil diese Schnittstellen nur speziell für diesen funktionieren und wichtige Informationen für eine Umsetzung des zentralen Ansatzes gar nicht herausgeben. Und zum anderen in der Frage, welche Betriebssystem-Versionen man als App-Entwickler unterstützen kann, nämlich nur die, bei denen diese neuen Schnittstellen überhaupt vorhanden sind. Dafür gewinnt man einen zuverlässig funktionierenden „Unterbau“ der den ganzen Bluetooth-Krempel sauber und zuverlässig durchführt, ohne dass der App-Entwickler das selbst implementieren müsste, und vor allem funktioniert das alles zuverlässig auch dann, wenn die App im Hintergrund ist, weil das Betriebssystem auf dem Telefon die Regeln festlegt und immer läuft, ergo auch immer handlungsfähig ist, egal welche App gerade offen ist. Und die Akku-Belastung ist auch kein Problem, denn Apple und Google kennen ihre Geräte sehr gut, sie müssen keine Tricksereien anwenden, und haben die Funktionalität daher so implementiert, dass sie ohne nennenswerte Belastung im Hintergrund funktioniert. Aber eben nur auf einem begrenzten Spektrum an Betriebssystem-Versionen und somit Geräten - das muss der App-Entwickler dann hinnehmen, so lange er die beiden Großkonzerne nicht überzeugen kann, noch ältere Systeme wieder auszugraben und ebenfalls zu erweitern und ein Update auszurollen.