Man sollte ein AfD-Verbotsverfahren einleiten, auch wenn das Risiko besteht, dass es abgelehnt wird.
Holger Klein von Übermedien stellt die Gründe mit Bezug auf ein Interview in der Süddeutschen hier sehr gut dar.
Ein solches Verbotsverfahren hätte den Nebeneffekt, dass Informationen über die AfD in der breiten Öffentlichkeit diskutiert würden und kein AfD-Wähler und kein AfD-Mitglied behaupten könnte, von den Zielen der AfD nichts gewusst zu haben.
Ich stimme dem voll zu. Mir macht es große Sorge, dass es bald zu spät sein könnte.
Interview mit Verfassungsjurist Christoph Möllers
Vielleicht ist es ein Problem, dass für Parteiverbotsverfahren nur der Bundestag, der Bundesrat oder die Bundesregierung - also politische Akteure - antragsberechtigt sind. Das macht jedoch leider Sinn, weil ein Verbotsverfahren wohl zwangsläufig die Daten des Verfassungsschutzes braucht, welche für andere Akteure nicht zugänglich sind.
In der medialen Wahrnehmung gilt ein missglücktes Verbotsverfahren leider als enormer Erfolg der zu verbietenden Partei (also der AfD) und enorme Niederlage der Antragssteller (also der anderen Parteien). Damit wird die Entscheidung, ob ein Verbotsverfahren eingeleitet wird, sehr schnell sehr politisch motiviert und nicht mehr sachmotiviert.
Würde die AfD möglicherweise von einem gescheiterten Verbotsverfahren massiv profitieren, indem sie sich als zu Unrecht verfolgt und durch das Verfassungsgericht offiziell freigesprochen darstellen könnte? Also würden wir die Partei, die wir schwächen wollen, damit im worst case eventuell sogar stärken? Ich sehe da Parallelen zu Trump in den USA, der von der ganzen Medienberichterstattung und jeder missglückten Klage eher zu profitieren scheint.
Ich bin mir daher nicht wirklich sicher, ob die Vorteile die potenziellen Nachteile aufwiegen. Die Hoffnung ist ja, dass die Öffentlichkeit durch das Verbotsverfahren erfährt, wie schlimm die AfD wirklich ist, aber diese Hoffnung basiert darauf, dass die Öffentlichkeit sinnvoll auf diese Informationen reagiert. Mit Verweis auf Trump in den USA und die riesigen Erfolge der AfD ausgerechnet in Thüringen bin ich da skeptisch…
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung warnt vor einem Verbotsverfahren:
Laut ihm wären die juristischen Erfolgschancen gering und das Verbotsverfahren würde der AfD sogar helfen.
Das ist einer der großen Streitpunkte. Verbotsverfahren an sich sind immer repressiv. Wann immer ein Staat gegen eine Opposition mit Repression vorgeht, riskiert er, dass er das Anliegen, dass er bekämpfen will, stärkt, das liegt in der Natur der Sache.
Es ist daher natürlich immer besser, problematische Oppositionen mit Argumenten zu besiegen. Trump, Erdogan, Putin, Orban und co. haben aber gezeigt, dass die Populisten diesen „Kampf um die Köpfe“ auch gewinnen können, es jedenfalls nicht garantiert ist, dass die Vernunft sich durchsetzen wird. (von Hitler wollen wir gar nicht erst anfangen…).
Und das ist die demokratietheoretische Zwickmühle. Wir wollen eine Herrschaft des Volkes und wir wollen, dass Parteien die Willensbildung des Volkes beeinflussen. Aber was tun wir, wenn bestimmte verfassungsrechtliche Grenzen überschritten werden, das Volk aber „einverstanden“ damit scheint - oder das Volk es zumindest nicht zu kümmern scheint oder es zu schlecht informiert ist? (wie sonst könnte die AfD im Osten, wo sie gesichert als Rechtsextrem gilt, so gute Ergebnisse erzielen?!?)
Da gibt es halt nur die Möglichkeiten, entweder zuzuschauen und zu hoffen, dass schon nichts Schlimmes passieren wird (mit dem Risiko, dass hier das gleiche passiert wie in Polen und Ungarn) oder eben doch mit Repression zu arbeiten. Dass es auch innerhalb der SPD gänzlich unterschiedliche Ansichten dazu gibt, ist selbstverständlich, diese unterschiedlichen Ansichten wird man in allen Parteien (also auch bei der Union, der FDP und vermutlich auch den Grünen und sogar Linken) finden, wenn man danach sucht. Eben weil die Frage keinesfalls klar zu beantworten ist, sondern niemand wissen kann, welcher der beiden Pfade der weniger riskante ist.