Es ergibt sich eigentlich von selbst, dass in voraussichtlich der aktuellen, resp. kommenden Lage darüber gesprochen werden wird. Denn gestern, am 13.05. wurde das Gutachten praktisch gleichzeitig von Cicero und Nius veröffentlicht. Dabei handelt es sich um 1108 Druckseiten, die (m.M.n. schlampig) eingescannt und in Form eines PDF-Dokumentes bei Nius kostenfrei und bei Cicero für Abonnenten zum Download bereitgestellt wurde.
Aktuell mehren sich die Kommentare dazu im Netz und scheinen durch die Bank weg Kritik an dem Dokument, dessen inhaltlicher Relevanz und dem Umgang damit zu äußern.
Mehr als 1.000 Seiten, auf denen sich unzählige Beispiele dafür finden lassen, wie AfD Politiker denken, sich verhalten und sich öffentlich äußern sind für die einen offenbar kein Grund dafür, daraus eine reale Gefahr für die FDGO abzuleiten.
Für die anderen - und mich - gilt auch hier der Duck-Test:
If it looks like a duck, swims like a duck, and quacks like a duck, then it probably is a duck.
Übrigens:
Hier läuft gerade ein Prozess, der das Dokument in einzelne Bilder zerhackt hat, den Text darin in diesem Moment mittels Tesseract (OCR) erkennt und im Anschluss wieder zusammenfügt, so dass ein markierbares und - viel wichtiger - durchsuchbares Dokument entsteht.
Ausgerechnet Cicero, ein klar dem konservativen Spektrum zuzuordnendes Magazin, hat das gesamte 1000-Seitige Verfassungsschutz-Gutachten nun seinen Abonnenten online zur Verfügung gestellt.
Das finde ich sehr fragwürdig. „Frag den Staat“ hatte zuvor Auszüge veröffentlicht, das Bundesinnenministerium hat das Gutachten nicht veröffentlicht, weil der Quellenschutz dem entgegen steht, daher: Aus dem Gutachten könnte man zu leicht erkennen, von wem gewisse Informationen stammen. Eine Veröffentlichung des gesamten Gutachtens ohne Berücksichtigung des Quellenschutzes unter dem Vorwand, „transparenz und kritische Öffentlichkeit“ herstellen zu wollen, finde ich doch sehr merkwürdig, vor allem, wenn diese Veröffentlichung vor allem der AfD dienen wird, undichte Stellen zu finden. Der blatante Verstoß gegen die Grundlagen des Quellenschutzes muss doch auch ein Verstoß gegen den Pressekodex sein.
Jetzt ist das Ding jedenfalls vollständig an der Öffentlichkeit, also bin ich gespannt, welche Auswirkungen das auf die öffentliche Meinung und auf ein etwaiges Verbotsverfahren haben wird.
Gleichzeitig schwadroniert der konservativste Kolumnist der konservativen FAZ darüber, dass der Fall der Brandmauer zur Linken auch den Fall der Brandmauer zur AfD nach sich ziehen müsse. Man kann förmlich zusehen, wie sich eine „Normalisierung der AfD“ im (erz)konservativen Millieu vollzieht. Dass die AfD zumindest in Teilen klar verfassungsfeindlich ist, während die Linke sowohl in Thüringen als auch im Bund sichtlich konstruktiv arbeitet, wird dabei natürlich unter den Tisch fallen gelassen. Das klassische Lied von „Rechts und Links ist doch gleich schlimm“, welches immer nur von Rechten gesungen wird…
Je mehr Nachrichten ich zum Thema AfD konsumiere, desto stärker wird mein Eindruck, dass wir uns in der Tat auf ein neues 1933 hin bewegen. Wenn wir jetzt kein Parteiverbot einleiten, wird es zu spät sein. Zu viele selbsternannte Konservative stehen als Steigbügelhalter für Höcke und co. in den Startlöchern, um mit Hilfe der AfD einen ähnlich stramm-rechten Kulturkampf zu führen, wie Trump es in den USA tut.
Cicero bestreitet das. Das Argument des Quellenschutzes sei demnach nur Vorwand:
Es ging nie darum, den Verfassungsschutz vor Ausspähung, sondern vor einer kritischen Öffentlichkeit zu schützen. […] Es gibt keine relevanten geheimdienstlichen Quellen, die es zu schützen gälte. Der Verfassungsschutz verfügt in Sachen AfD im Grunde über keinerlei geheimdienstlich relevante Erkenntnisse. Er stützt sich fast ausschließlich auf öffentlich zugängliche Quellen.
Nach Sichtung komme auch ich zur Einschätzung, dass keine persönlichen Adressen, private Kontaktinformationen, biometrische Daten oder pseudonyme inoffizielle Benennungen von Whistleblowern/Informanten genannt werden. Daher enthält der Bericht keine sensiblen personenbezogenen Daten im Whistleblower-/Informanten-Sinne.
Nur einige wenige Quellen, wie Instagram Stories privater Accounts und Inhalte geschlossener Telegram Gruppen der Jungen Alternative sind nicht öffentlich, aber wohl nicht auf eine einzelne Person zurückzuführen.
Die Geheimhaltung aus Quellenschutzgründen finde ich demnach nicht schlüssig, wie kommst du zur gegenteiligen Schlussfolgerung?
Natürlich lässt sich über Informationen aus geschlossenen Telegram-Gruppen und privaten Instagram-Accounts möglicherweise ein Rückschluss auf wenige Personen ziehen, die in allen betroffenen Medien waren. Wenn in den Gruppen bzw. Accounts jeweils tausende Nutzer waren wird das vielleicht schwieriger, aber gerade wenn es nur hunderte sind dürfte es ziemlich leicht sein, hier Übereinstimmungen zu finden, die zumindest klare Verdachtsmomente begründen.
Das konservative Magazin Cicero, das maßgeblich am Kulturkampf gegen Links beteiligt ist, will also die „kritische Öffentlichkeit“ gegen den Verfassungsschutz stärken, und zwar ausgerechnet, wenn der Verfassungsschutz zum Schlag gegen die AfD ausholt… und passend dazu wird Cicero-Gründer Weimer zum Kulturstaatsminister.
Ich habe die drei Beiträge dazu aus einem anderen Thread von gestern und heute mal hier hin verschoben, damit die Diskussion an einem Platz bleibt.
Dass neben Cicero auch das Rechtsaußen-Nachrichtenportal Nius die Sache geleaked hat, bestätigt mich noch mehr in meinem Verdacht, dass hier gezielt versucht wird, das AfD-Verbotsverfahren zu sabotieren.
Da Nius ansonsten keinerlei Interesse an der Korrektheit der von Ihnen verbreiteten Informationen hat wäre auch zu checken, ob die veröffentlichte Version wirklich dem Original-Gutachten entspricht. Dem Reddit-Thread zufolge lässt sich wohl an den Metadaten der Cicero-Version ablesen, dass diese auch ursprünglich von Nius stammt bzw. die gleiche wie die Nius-Version ist.
Da sowohl Nius als auch Cicero in der Vergangenheit neben ultrarechter Propaganda auch vorsätzliche Unwahrheiten publiziert haben, würde ich diese Veröffentlichung mit großer Zurückhaltung behandeln. Das sind keine verlässlichen Quellen.
Wer sich ein Bild machen will, kann sich die vorangegangen Gutachten verlässlicher anschauen. Im Grunde reichten die inhaltlich auch schon, um die aktuelle Einstufung ganz solide zu begründen. Die meisten, die Kritik daran äußern, haben die öffentlich vorliegenden Befunde in Wahrheit nicht gelesen.
Um einzuordnen, mit was für einem „Journalismus“ man es beim Cicero zu tun bekommt hier ein winziger Einblick, der aber eigentlich pars pro toto reicht, um das einzuordnen, falls man sich die Lügen-Kampagnen bspw. zum AKW-Ausstieg nicht im Detail erarbeiten will:
Ich würde davon ausgehen, dass einige Medien den Bericht zugespielt bekommen haben und gerade in der Prüfung sind. Es wird ja schon seit Tagen quer durch die Medienlandschaft fleißig zitiert.
Es ist an den anderen Medien kritisch zu prüfen, was da veröffentlicht wurde.
Im Grunde aber ist die Veröffentlichung zu begrüßen, in der LDN 429 wurde ja von Ulf auch schon kritisch angemerkt, dass sich die Veröffentlichung so lange zieht.
Der Instagram Account von Sebastian Münzenmaier hat beispielsweise 22000 Follower und damit ebenso viele potenzielle Informanten. Eine einfache Korrelation der Daten ist nicht möglich, zumal wir nicht wissen, ob die Daten von einer oder viel wahrscheinlicher mehrere Quellen stammen oder ob der Verfassungsschutz sich mit eigens erstellten Accounts Zugang zu den Informationen beschafft hat.
Hinzu kommt, dass die AfD einem Gerichtsprozess sowieso an diese Daten käme, weil die infrage kommenden Instagram stories dann auch irgendwie substantiiert werden müssen.
Wenn das schon ausreicht, um eine Geheimhaltung aus Quellenschutz aufrechtzuerhalten (rechtlich oder per Pressekodex), wäre investigativer Journalismus in Zukunft kaum noch möglich.
Hier ist vielleicht wichtig, anzumerken, dass auch das Bundesinnenministerium das Gutachten bald freigeben wollte. Es war meines Wissens nach nie die Rede davon, das Gutachten auf alle Zeiten unter Verschluss zu halten.
Die Frage ist aber bei solchen Dingen immer: Wenn - wie du richtig sagst - die AfD spätestens im Prozess ohnehin die Informationen bekommt, müssen bis dahin noch Vorkehrungen getroffen werden, um Informanten zu schützen / in Sicherheit zu bringen oder Quellen gesichert werden, bevor sie gelöscht werden. Wenn das Bundesinnenministerium für die Klärung dieser Fragen noch ein, zwei Wochen Zeit haben wollte wäre es sinnvoll gewesen, dem Bundesinnenministerium diese Zeit zuzugestehen, denn einen direkten Nutzen für Demokratie und „kritische Öffentlichkeit“ sehe ich durch eine möglichst frühe Veröffentlichung eher nicht.
Der große Skandal ist nebenbei ohnehin, wie das Gutachten überhaupt an die Medien geleaked werden konnte. Das darf in einem Geheimdienst wie dem Verfassungsschutz nicht passieren. Ab diesem Zeitpunkt ist das Kind ohnehin schon in den Brunnen gefallen, weil selbstverständlich irgendwelche Nius-„Journalisten“ das Gutachten schon an ihre AfD-Freunde weitergereicht haben werden…
Ich glaube, es ist naiv anzunehmen, dass derartige Dokumente nicht zumindest an bestimmte Journalisten (etwa beim Spiegel oder der Süddeutschen) durchgestochen werden und es dann unter der Hand auch weitergegeben wird. Das ist auch nichts Neues. Neu ist, dass Medien wie Nuis oder Cicero sich in ihrer Konkurrenz zu etablierten Medien deutlich rabiater vorgehen und dann eben auch mal ein Dokument im Volltext veröffentlichen.
Der wirkliche Skandal ist hier aus meiner Sicht eher die katastrophale Informationspolitik des BfV. Anstatt mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit zu dokumentieren, wo und wie die AfD rechtsextrem und verfassungsfeindlich agiert - was sebstverständlich auch unter Auslassung sensibler Quellen möglich ist - verkündet man eine Einschätzung, ohne diese für die Öffentlichkeit nachvollziehbar zu machen und schafft so erst den „Bedarf“ für solche Leaks. So wie in den letzten Wochen diskutiert wurde, war es m. E. nur eine Frage der Zeit, bis irgendwer das Gutachten in Gänze irgendwo veröffentlicht.
Es gibt sowas wie „Täterwissen“, Dinge die nur bestimmte Personen wissen können UND mit deren Hilfe dann Rückschlüsse auf die Quellen gezogen werden können…
Weimer war von 2004 bis 2010 Chefredakteur, da war Cicero noch kein konservatives Magazin. Mit Michael Naumann war danach sogar zwei Jahre ein SPD-Politiker Chefredakteur. 2014 kritisierte die Titelgeschichte die Abschottung Europas und eine Das-Boot-ist-voll-Mentalität und porträtierte Flüchtlinge.
Das darf aber geschwärzt erfolgen. Nur wenn das Gericht den Meinung ist, dass zu viel oder falsch geschwärzt wurde, würde auch dieser Teil freigegeben.
Es wurden Auszüge vom BfV freigegeben. Ich nehme an, dass die Zitate aus diesem sind.
Was soll das in diesem Fall konkret sein? Im Bericht werden hunderte Belege aufgeführt, die veranschaulichen, warum die AfD als rechtsextrem eingestuft wird. Meistens Auszüge aus öffentlichen Reden oder anderweitige öffentliche Verlautbarungen. Kannst du ein Beispiel nennen, bei dem Täterwissen vonnöten ist?
Was soll da vor Gericht geschwärzt werden? Vor Gericht würde doch auch eine konkrete Instagram Story z.B. mit Holocaust Leugnung vorgeführt werden. Da reicht es selbstverständlich nicht, abstrakt zu behaupten, dass irgendwann im zweiten Halbjahr 2023 auf einem geschwärzten Socialmediakanal ein nicht näher definierter verfassungsfeindlicher Kommentar veröffentlicht wurde.
Sonst stelle ich mir das Verfahren und die Verteidigung sehr kafkaesk vor.
Wenn aber die betreffende Instagram Story gezeigt wird, ist die gleiche Information gegeben, wie jetzt im Bericht.
Ich habe das Gefühl, dass viele, auch hier im Forum, nicht wahrhaben wollen, wie rechtsextrem die AfD tatsächlich ist, und sich deshalb der Veröffentlichung des Berichts erwehren.
Nein, das kann und darf absolut nicht sein! Ich bin bei weitem nicht in einem so sensitiven Bereich tätig aber habe, wie vermutlich fast jeder einfache Angestellte, knallharte Vertraulichkeitsklauseln in meinem Arbeitsvertrag. Der oder diejenigen, die die Dokumente geleakt haben werden hoffentlich arbeitsrechtlich zur Rechenschaft gezogen.
Dies sage ich völlig unabhängig von der Frage ob der Bericht an die Öffentlichkeit gehört. Hierzu habe ich mir noch keine Meinung gebildet.
Aber es ist echt ein Armutszeugnis für unsere Institutionen wenn Dokumente nicht entsprechend ihrer Einstufung behandelt werden. Unsere Feinde, wie zB Russland, wird es freuen…
Natürlich kann man kein konkretes Beispiel nennen, solange man den Bericht nicht kennt.
Es liegt aber doch nahe anzunehmen, dass irgendwo in dem Bericht Zitate oder Belege enthalten sind, die eben nicht öffentlich, sondern in einem Kreis von vielleicht zehn Personen gesagt wurden. Diese Fälle von Täterwissen meint @makurmark .