Abschiebe Debatte nach Messerangriff

Guten Tag liebes Lage Forum,

ich bin seit Jahren eifriger Zuhörer der Lage und bin in jeder Hinsicht begeistert. Allerdings hat mir in der Abschiede Debatte nach dem Messerangriff in Mannheim ein wenig der sonst doch progressive Touch gefehlt.

Der Punkt: Es handle sich um sehr wenige und der Preis wäre moralisch, politisch und wahrscheinlich auch finanziell, unglaublich hoch finde ich gut erörtert.

Ergänzend: Wollen wir wirklich einen Straftäter der seit 10 Jahren in Deutschland lebt und einen voraussichtlichen Mord begangen hat in die Hände der Taliban geben?
Sollten wir nicht den Ehrgeiz haben, diesen nach deutschen Recht zu verurteilen und zu bestrafen?
Wäre es nicht befriedigend, ihn bei diesem Prozess zu begleiten und das Absitzen einer wahrscheinlich lebenslanger Freiheitsstrafe zu garantieren?

Ich kenne mich nicht aus, mit dem Prozess: „Auslieferung von Straftätern nach Verurteilung“ und lass mich hier gerne belehren.
Aber können wir, selbst nach einem erfolgreichen und höchst fragwürdigen Deal mit der Taliban, sicher sein, dass im unseren Sinne eine gerechte Bestrafung in Afghanistan durchgeführt wird?

Abgesehen von den moralischen, politischen und finanzielle Kosten. Kann ich mir aktuell nur 3 Varianten nach der Abschiebung vorstellen:

  1. Er bekommt ein deutlich milderes Maß an Bestrafung (sehr doof)

  2. Er bekommt das empfohlene Strafmaß („nur“ imense Kosten s.o.)

  3. Er bekommt ein deutlich härteres Strafmaß. Wie Folter oder Tod (sehr doof)

Also zusammengefasst:

Wenn die Wahrscheinlichkeit einer angemessen Bestrafung in Deutschland garantiert wird und die Kosten in vielerlei Hinsicht günstiger sind, warum zur Hölle dann abschieben? Behaltet ihn nach Möglichkeit hier.

Freue mich auf Feedback.

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Warum dann nicht die Strafe in Deutschland absitzen lassen und danach dann abschieben? Die Probleme beim Abschieben bestehen natürlich trotzdem noch.

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Hallo Jastein,

ich finde, dass man bei der Frage

anhand des Tatmotivs differenzieren sollte. Wenn ein nach Deutschland geflüchteter Mensch aus irgenwelchen Beweggründen (Habgier, Eifersucht, whatever) eine Straftat begeht, dann sollte er nach den hier geltenden Gesetzen verurteilt und bestraft werden, so wie jede und jeder andere auch. Wenn er aber auf Grund einer islamistischen (oder sonstwie reliös radikalisierten) Gesinnung ein schweres Gewaltverbrechen mit Todesfolge begeht und damit implizit die freiheitlich-demokratische Grundordnung dieses Landes attackiert, dann soll dieser Mensch abgeschoben werden. Denn er hat offenkundig kein Interesse daran, das hiesige Rechts- und Wertesystem, die säkulare Lebensweise vieler Menschen sowie die im Grundgesetz verankerten Rechte jeder und jedes Einzelnen zu akzeptieren, sondern folgt der selben Ideologie wie das Regime des Landes, aus dem er geflohen ist.

Ich glaube auch nicht, dass der Attentäter von Mannheim in Afghanistan irgendwelche Repressalien zu befürchten hätte, denn schließlich hat er mehrere „Ungläubige“ verletzt und einen –obendrein auch noch Repräsentant eines von den Taliban verachteten Staates des dekadenten Westens– getötet. Wahrscheinlich gibt’s dafür eher ein bisschen Geld und einen Job beim Staat zur Belohnung.

Was das konkrete Dilemma angeht, dass die Aufnahme von Beziehungen zu den Taliban eine Grundlage für eine Abschiebung nach Afghanistan darstellt, haben die Moderator:innen der Folge (und die Grünen) einen Punkt. Aber die grundsätzliche Diskussion sollte jetzt nicht in Richtung „Alle Geflüchteten aus Afghanistan werden unter Generalverdacht gestellt“ gehen, sondern glasklar unterscheiden, aus welchen Motiven Menschen hier Straftaten begehen. Und ein Motiv wie die radikale Ablehnung unserer Lebensweise und unseres Rechts- und Wertesystems (jetzt bekomme ich bestimmt Haue von den Jurist:innen hier) muss einfach anders bestraft werden.

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Hier nach geltendem Recht bestrafen und danach abschieben.

Die Existenz des gesellschaftlichen Sprengstoffs dieser anhaltend auftretenden Einzelfälle muss irgendwann auch gewürdigt werden.
Da sind die finanziellen Kosten eher sekundär.
Ungeachtet der praktischen Abschiebeproblematik ist es aber nötig allein her gesellschaftlichen Befriedung angesagt, ein klares Statement zu setzen.
Wer in zersetzender Art den schützenden Staat angreift in den man geflohen ist, darf sich nicht zurücklehnen können im Sinne eines „ihr werdet mich eh nicht mehr los“.

Es muss bei entsprechender Ausgangslage möglich sein, den Schutzstatus zu verlieren und aus dem Land geworfen zu werden. Eine Grenze darf keine Einbahnstraße sein.

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Kurze Ergänzung noch zu dem Punkt … in der letzten Lage, er verstehe die Debatte nicht straffällig gewordene Afghanen abzuschieben.

Es geht in der Debatte meiner Meinung nach nicht nur um die Abschiebung von verurteilten Straftätern sondern auch von islamistischen Gefährdern oder prinzipiell Leuten, die die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht anerkennen.

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Laut dem Justizministerium Baden-Württemberg, betrugen im Haushaltsjahr 2022 die Nettokosten eines Gefangenen je Hafttag einschließlich Bauinvestitionen 180,46 € . Hochgerechnet auf 20 Jahre sind das 1.314.000 €.

Das kann doch gern das Heimatland übernehmen?!

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Da besteht die Hauptschwierigkeit darin, diese Gefährder zu erkennen und die Abschiebehindernisse zu überwinden. Der Mannheimer Attentäter war nach erster Erkenntnis auf keiner Gefährderliste geführt.

Ich fände es wichtiger im Internet gegen Hassprediger vorzugehen und auch stärker zu beobachten was ausländische Imame hier predigen (siehe DİTİB Vorfälle).

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In der aktuellen Debatte geht es ja generell um die Abschiebung von Straftätern nach Afghanistan, das Attentat von Mannheim ist hierbei der absolute Extremfall.

Grundsätzlich sollten Gewaltverbrecher oder Wiederholungstäter abgeschoben werden können, egal wie die Lage in ihren Heimatländern ist. Meiner Meinung nach aber auch erst nach dem Absitzen der Strafe hier in Deutschland, um diese zu garantieren.

Wer die Regeln der schutzgewährenden Nation gewaltsam oder wiederholt bricht, verwirkt jeglichen Schutzanspruch. Alles andere wäre völlig absurd.

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Er verwirkt aber weder seine Menschenwürde noch seine unveräußerlichen Menschenrechte.

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Liebes Lage Team,
Herr Banse verurteilte bei dieser Lagedarstellung die Diskussion über eine mögliche Abschiebung mehr als die grausame Tat selbst. Ein Großteil der Bevölkerung verurteilt die Tat und möchte solche Täter nicht in Deutschland haben. Die Stammtischparole „Jetzt müssen wir noch den Gefängnisaufenthalt zahlen“ wird nicht nur einmal gefallen sein. Dem möchten Politiker entgegenwirken und eine Diskussion im Vorfeld von Wahlen verführt Politiker der demokratischen Parteien doch immer mal wieder zu opportunen Stellungen, in dem Wissen, dass diese aufgrund von geltendem Recht nicht umgesetzt werden. Da wir zum Glück in einem Rechtsstaat leben werden mögliche Abschiebungen, wie in der Vergangenheit auch, durch Gerichte überprüft. Der AfD die alleinige Position dieser Ansicht zu überlassen dürfte gefährlicher für unsere Demokratie und zukünftige Wahlergebnisse sein als eine Diskussion. Wenn Menschen aus den Statements heraushören, dass alle Ausländer abgeschoben werden sollen ist das mangelnde Resilienz eines jeden Einzelnen.

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Ich höre seit langem die Lage und lese hier mit, dies ist heute meine erste Wortmeldung im Forum. Daher zuerst einmal ein Dankeschön an Ulf und Philip, die für mich einen Super-Job machen und mir schon zu vielen Themen Denkanstöße gaben.
Zum Thema der Abschiebung des mutmaßlichen Attentäters von Mannheim bleiben für mich aber Fragen, die man glaube ich beantworten muss, da solche Fragen zum Rechtsruck in unserer Gesellschaft (der mir Angst macht) beitragen.
Im konkreten Fall hatte der Mannheimer Angreifer einen Asylantrag gestellt der 2014 abgelehnt wurde. Damals war die Bundeswehr noch in Afganistan stationiert und es bestanden auch diplomatische Beziehungen.
Trotzdem wurde nicht abgeschoben. An dieser Stelle verstehe ich den Unmut vieler Menschen, die mit dem staatlichen Handeln nicht einverstanden sind. Warum soll eine Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern in ein Land, dem man damals militärisch und wirtschaftlich half, nicht möglich gewesen sein. Welchen Sinn macht es überhaupt, einen Asylantrag zu bearbeiten, wenn man unabhängig vom Ausgang in Deutschland bleiben darf.
Und auch wenn es (zum Glück) sehr seltene Fälle sind, so war z.B. auch der islamistische Attentäter auf den Berliner Weihnachtsmarkt ein abgelehnter Asylbewerber, der von der Polizei wegen seiner islamistischen Gesinnung beobachtet wurde, und daher für mich hätte abgeschoben werden müssen. (In sein Heimatland Tunesien, mit dem es diplomatische Beziehungen gibt).
Ich freue mich über eure Gedanken zum Thema, immer natürlich auch im Wissen, dass Einzelfälle nie zur Verallgemeinerung taugen.

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Guten Abend beroslav,

danke für dein Feedback. Finde ich sehr wertvoll.

Insbesondere dein Punkt:
Die Debatte weg von der Nationalität und damit weg vom Generalverdacht Geflüchteter aus Afghanistan zu lenken.
Das ganze Objektiv anhand des Motives zu betrachten, finde ich ein interessanten Gedanken.

Über das Dilemma sind wir uns einig.

Mir war vor allem wichtig, dass das Wort „Abschieben“ sehr emotions geladen ist und häufig von Populisten als universal Lösung präsentiert wird. Ich wollte das ganze mal von der anderen Seite beleuchten und habe mich gefragt, ob es Gründe gibt solche Straftäter hier zu behalten.

Wollte hierzu Feedback und das habe ich ja auch bekommen. Danke :slight_smile:

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Ich würde in die Diskussion gerne auch als Grundlage diesen Beitrag von LTO miteinbringen:

Bisher wurde, wenn ich den Tenor des Artikels richtig nachvollziehe, in keinem Fall in Deutschland höchstrichterlich festgestellt, ob einer Abschiebung nach Afghanistan grundsätzlich etwas entgegensteht.
In den beschriebenen Fällen ging es zudem ausschließlich um Personen, die nicht straffällig geworden sind.
Die Genfer Flüchtlingskonvention Schreibt auch im Artikel 33:

Artikel 33
Verbot der Ausweisung und Zurückweisung

  1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über
    die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine
    Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer
    bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein
    würde.
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  2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen,
    der aus schwer wiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes
    anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses
    Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren
    Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.

Zwar bleibt jetzt in dem konkreten Fall aktuell auch nach einer möglichen Verurteilung, die unter Artikel 33 immer noch das Problem, dass man nur „technische Kontakte“ nach Afghanistan pflegt und somit bleibt eine Abschiebung, nach der Mindesthaftstrafe erst einmal außen vor, allerdings sollten wir das dennoch mal für uns grundsätzlich klären.

Ich hätte damit kein Problem, wenn es möglich ist.

Der Mensch ist jetzt, wenn ich es richtig behalten habe 25 Jahre alt, sprich von 10 Jahren war er noch Minderjährig und hat somit noch einen besonderen Schutzstatus. Und da, wenn ich den von mir verlinkten obigen LTO-Artikel im meinem obigen Diskussionsbeitrag richtig verstanden habe, gibt es bis heute kein höchstrichterliches Urteil, unter welchen Umständen jmd. abgeschoben werden kann, wenn denn Rückführungsabkommen (so heißt das doch, oder?) existieren.
Hier müsste, wenn ich unser Rechtssystem richtig verstehe, Staatsanwaltschaften, dies bis zu den obersten Gerichten durchfechten, oder prozessführende Richter, dies entsprechend den obersten Instanzen zur Prüfung vorlegen. (Ich hoffe, ich habe das so richtig im Kopf, bin juristischer Leihe)
Anbei noch einmal der LTO Artikel

Danke für dein Feedback mir fallen spontan folgende Punkte ein:

  1. Wird die Taliban in unserem Sinne verurteilen und bestrafen?

  2. solche Rechnungen sind interessant aber man könnte auch rechnen: Bei ca. 84,6 Millionen Einwohner sind das 0,000779 Euro im Jahr pro Einwohner pro Gefangenen. Demokratie hat halt ihren Preis.

  3. Wie hoch sind die gesellschaftlichen, moralischen und politischen Kosten. Steht das im Verhältnis.

Das dürfte eine Scheindebatte sein: Die Taliban werden sicherlich kaum jemanden zurücknehmen, und ganz sicher keinen Mörder - es sei denn, um ihn als islamistischen Helden zu feiern.

Du würdest also einem islamistisch motivierten Attentäter zur Belohnung den Flug nach Hause bezahlen? Ist das nicht völlig absurd?

Warum diskutieren wir eigentlich nicht über das DDR-Modell? Deutschen Straftätern wird, wenn sie das Land verlassen, der Pass als ungültig erklärt und die Wiedereinreise verweigert.

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Ein Militär, das von einem Tag auf den anderen fluchtartig das Land verließ und Helfer vor Ort, die wochenlang über befreundete Journalisten Videos mit der Bitte um Hilfe schickten, weil die Taliban jedes Haus durchsuchten, um die Helfer des Feindes ausfindig zu machen. Es gab sicherte Orte, das waren die Kasernen der Militäreinheiten. Wohin hättest du da abschieben wollen?

[quote=„der_Matti, post:17, topic:24194, full:true“]
Du würdest also einem islamistisch motivierten Attentäter zur Belohnung den Flug nach Hause bezahlen? Ist das nicht völlig absurd?[/quote]

Wäre es nicht viel absurder so jemanden in einer gemütlichen Gefängniszelle für 15 Jahre durchzufüttern (wie absurd es ist das so jemand schein-rehabilitiert nach 15 Jahren überhaupt wieder raus dürfte lassen wir dabei noch unkommentiert!)? Und wenn es ganz schlecht läuft erreicht der Verteidiger das ihm ein Psychologe PTSD bescheinigt und dann bekommt er einen Platz in der Forensik, der den Steuerzahler 25.000 Euro im Monat kostet.

Ich kann die Debatte in einigen Teilen der Medien ohnehin nicht nachvollziehen. Es geht um einen radikalen, ideologisch-motivierten Mörder, der gezielt einen Polizisten getötet hat. Insofern sollte es erstmal nicht um Abschiebungen gehen, sondern um (emotionale!) Integration und den politischen Islam als strukturelles Problem. Wenn wir rechte Gewaltstraftaten haben, dank werden diese völlig zu recht gleich als das benannt was sie sind und es wird eine Diskussion über Rechtsextremismus als strukturelles Problem geführt. In diesem Fall wird dieser Diskussion jedoch vielerorts ausgewichen, obwohl es der gleiche Sachverhalt ist, nur eine andere Ideologie. Für mich unverständlich.

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Wenn es nicht möglich ist, illegale Migranten, die schwerste Straftaten begehen, auch wieder des Landes verweisen zu können, dann hat das eine zersetzende Wirkung. Aus meiner Sicht wird damit auf kurz oder lang die Akzeptanz des Asylrechts in der Bevölkerung schwinden. Ein (gefühlt) handlungsunfähiger Staat ist, was viele in die Hände rechtspopulistischer Parteien treibt.

Auch unser Rechtssystem ist nicht in Stein gemeißelt - Gesetze kann man ändern. Insbesondere wenn sie im fundamentalen Widerspruch zum Gerechtigkeitsempfinden eines Großteils der Bevölkerung stehen.

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