Ich habe ja hier noch gar nicht die politische Durchsetzbarkeit diskutiert. Natürlich würde so eine Steuer nie eine Mehrheit finden. Mir ging es nur darum, ob sie überhaupt funktioniert. Und selbst wenn sie politisch durchsetzbar wäre und es keine Kapitalflucht gäbe, würde sie nicht funktionieren weil niemand mehr unternehmerisches Risiko eingehen würde, wenn die Gewinne oberhalb eines Freibetrags zu 90 oder 100% versteuert würden.
Ich kann diese Formen der Rechtfertigung leider nicht so richtig ernst nehmen. Gerade vor dem Hintergrund, dass so ein Vorschlag, wenn er aus einer anderen politischen Richtung gekommen wäre, sofort als populistisch eingestuft worden wäre. Ich will hier definitiv nicht unterstellen, dass jemand bewusst Populismus propagiert. Leider hat der Post aber genau eine solche Wirkung. Er suggeriert, dass es einfache Lösungen auf komplexe Probleme gäbe.
Und die gibt es halt leider nicht. Insbesondere plädiere ich dafür Lösungen nicht nur vor dem Hintergrund des persönlichen Gerechtigkeitsempfindens sondern auch vor dem Hintergrund der ökonomischen Auswirkungen zu durchdenken. Wenn man das zusammenbringen möchte empfiehlt es sich Ökonomen zu Rate zu ziehen, die einerseits zu sozialer Ungleichheit forschen und andererseits nicht im Verdacht stehen der neoliberalen Schule anzugehören. Und da kommt immer wieder Marcel Fratzscher ins Spiel. Der allererste Schritt wäre die Besteuerung von Grund und Boden und eine Erbschaftssteuer. Aufwändiger wäre eine umfassende Vermögenssteuer, aber aus meiner Sicht auch denkbar. Sehr viel aufwändiger weil nur international sinnvoll umsetzbar ist die Kapitalertragssteuer, um die man aber m.E. langfristig nicht herum kommt, weil man sie als Regulationsinstrument für den Finanzmarkt dringend braucht. All diese Dinge auf den Weg zu bringen wäre für mich der erste Schritt. Die Steuersätze kann man basierend auf ökonomischen Einschätzungen so wählen, dass einerseits signifikante Einnahmen generiert werden, andererseits ökonomische Anreize aber weiter bestehen bleiben. Insbesondere ist auch die Besteuerung von Unternehmenserbschaften möglich, wenn die Zahlung über mehrere Jahre gestreckt werden kann.
Politische Mehrheiten für sowas zu finden ist schwierig, weil beim Thema immer wieder über Narrative, dass Oma jetzt ihr Haus verkaufen muss und Unternehmen dicht machen können, Stimmung dagegen gemacht wird. Das gelingt besonders gut, je mehr radikale Vorschläge von der anderen Seite publik gemacht werden.
Ich denke nicht, dass das sein Ziel ist. Und wenn es das wäre, bringt es ja nichts, das einfach abzuservieren, sondern sollte man eben sachlich zeigen, dass man das Problem auch sieht, aber den Weg für falsch. Auch stellt sich ja die Frage, wie weit es sinnvoll ist, in einem Forum in die Tiefe zu gehen.
Unsere Lösung muss nicht perfekt sein, da sie weder ein Politiker abschreiben wird, noch wir die Möglichkeit haben, sie selbst im Bundestag einzureichen.
Hier mal ein (auf die Schnelle ergoogelter) Beitrag zu Fratzscher. Er spricht sich klar für eine Vermögenssteuer aus.
Meiner Erinnerung nach befürwortet er auch eine Einmalzahlung an 18-Jährige aus einer funktionierenden Erbschaftsteuer.
Wir sollten viel mehr abgabentechnisch in der EU (und dann auch weiter, wenn möglich) zusammen führen. Gerade in der EU haben wir zwar einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, aber dann einen Flickenteppich von Regelungen. Das lädt ja direkt zu Missbrauch ein.
Es gab früher, erst vor wenigen Jahren wurde das korrigiert, die Möglichkeit Verluste aus Kapitalvermögen (also verlorene Investitionen aus Insolvenz o. ä.) mit Kapitalerträgen zu verrechnen. Das wurde mit den Start-Ups wieder interessant. Von 10 x 10.000 € verzehnfachen z. B. zwei ihren Wert und acht gehen hopps. Macht 180.000€ steuerpflichtigen Gewinn, der aber nur zu 100.000€ steuerpflichtig war. Würde man das wieder einführen, sind auch Risikoinvestitionen weiterhin interessant. Als andere Möglichkeit wird immer wieder auf das Teileinkünfteverfahren verwiesen. Dann wären bei Risikokapital nur 60% steuerpflichtig, bei Zinsen auf Sparguthaben 100%.
Es gibt schon jetzt Förderprogramme einzelner Bundesländer für Start-Ups. Wer 10.000€ investiert, bekommt 10.000€ drauf. Damit soll es reizvoll sein, auch bei weniger Einsatz in Start-Ups zu investieren (beim Risiko des Totalverlusts). Solche Programme könnten auch bei hohen Steuersätzen Risikoinvestments weiter reizvoll machen. Und der Staat kann sogar beeinflussen, welche Investments er besonders wichtig erachtet.
Ansonsten frage ich mich, wie viel Risikokapital überhaupt noch direkt in Unternehmen fließt. Die meisten sparen und haben eher zu viel als zu wenig Geld, die anderen bekommen keines mehr und sind am Limit. Und auch die Start-Ups sind im internationalen Vergleich unterfinanziert.
Wie gesagt: nicht ganz einfach, aber denkbar. Er vergleicht z.B. mit Frankreich wo man ab 800.000 € ca 0,5% pro Jahr zahlt und ab 10.000.000€ 1,5% pro Jahr. Das wären Größenordnungen die ich mir auch noch als wirtschaftlich verkraftbar vorstellen könnte.
Finde ich auch eine gute Idee.
Definitiv.
Solche staatlichen Investitionen sind sinnvoll aufgrund ihrer Lenkungswirkung. Man sollte sich aber keine Illusionen machen, dass sie private Investitionen ersetzen könnten - da sind sie noch eine Größenordnung entfernt. Und mal angenommen der Staat wollte diese Lücke füllen, dann hätten wir uns vermutlich auch effektiv aus der Marktwirtschaft verabschiedet.
Das ist doch Augenwischerei. Wenn jemand Kapital durch Leistung akkumuliert, ist dieses Kapital bereits die Entlohnung für erbrachte Leistung. Warum soll dieselbe Leistung dann nochmals in Form von Kapitalerträgen belohnt werden?
Und reiche Menschen investieren normalerweise nicht selbst, die geben das ab an ihre:n Anlageberater:in. Da wird also auch keine Leistung erbracht.
unabhängig davon, dass Start-Ups gefördert werden müssen, damit man auch hier Start-Ups haben und halten kann, ist mir diese Art der Förderung schleierhaft.
Man muss schon extrem reich sein, um 10.000€ auf eine sehr risikoreiche Karte setzen zu können. Und, wie du schon richtig geschrieben hast, ist das potenzielle Wachstum von Start-Ups, extrem, sodass insbesondere bei einer gewissen Regelmäßigkeit solcher Investments, extreme Gewinne fast zu erwarten sind.
Dafür, dass man also in Summe ein überschaubares Risiko hat (immerhin hat man so viel Geld, dass man in Serie mehrere 10.000€ in hochriskante Invests steckt, wovon aber nur ein erfolgreiches Unternhmen, alle anderen Verluste nichtig machen kann), bekommt man also auch noch einen fetten Rendite-Bonus, bezahlt von der Allgemeinheit. Naja; ich jedenfalls finde das arg bedenklich.
Dazu folgendes Thema:
Ja, dem widerspreche ich nicht. Momentan werden Reiche damit subventioniert und dann noch mit einem niedrigen Steuersatz auf Kapitalerträge belohnt. Wenn nun Kapitalerträge progressiv oder stärker besteuert würden, wäre der Effekt abgeschwächt.
Und die Förderung kann sinnvoll sein. Wenn die Hälfte der Investitionen sonst nicht in Start-Ups geflossen wären, hat der Staat seinen Einsatz um 50% mit privatem Geld aufgestockt.
Schon klar, dass Förderungen notwendig sind.
In dem verlinkten Thema geht es mir genau darum. Egal, wie man sie gestaltet. Völlig fair kann sie nicht werden, weil es um Geld geht, was risikoreich investiert werden kann. Der Verlust des Geldes darf also keinen wirklichen Unterschied machen. Dieses Geld steht viel zu vielen Menschen überhaupt nicht zur Verfügung.
Trotzdem sollten meiner Meinung nach Förderungen immer so gestaltet werden, dass möglichst wenige ausgeschlossen werden. Wenn also „die Reichen“ eh durch Start-Up Förderungen subventioniert werden, dann kann man die Förderbedingungen trotzdem anders gestalten:
Indem man „die Mitte“ einbezieht und Förderungen volldigital, meinetwegen vollautomatisch, bei Crowdinvestings möglich macht. Da liegt das Mindestinvestment bei 100€, also bei 1% der jetzigen „Fördergrenze“.
Außerdem kann der Staat auch einfach die Investitionen der Fördermittelnehmer nachahmen (1zu1 oder sonst ein Verhältnis). Die Förderung kann dann bestehen aus: Risikominimierung, indem ein Totalausfall vermieden wird oder vom Gewinn des Staates ein kleiner Prozentsatz als Bonuszahlung ausgezahlt wird. So kann der Staat auch selbst Gewinn aus der Förderung ziehen.
Es gibt viele Möglichkeiten, nicht direkt und nicht im aktuellen Umfang, „den Reichen“ das Investment in Start-Ups attraktiver zu machen und dabei dennoch möglichst fair vorzugehen. Aber das wird halt nicht gemacht.
Der entscheidende Unterschied ist, dass das Kapital, wenn es verliehen oder investiert wird nicht für den Konsum zur Verfügung steht. Besonders wichtig ist diese Form der Leistung für diejenigen die in einer aktuellen Phase ihres Lebens viel verdienen, später aber potentiell nicht mehr. Z.B. Profisportler jenseits der ersten Fußball Bundesliga.
In diesem Fall wird für diesen Teil der Leistung jemand beauftragt und somit auch bezahlt. Lohnt sich aber nur bei wirklich hohen Vermögen.
Wenn ich da angelangt bin habe ich einen klaren Vorteil gegenüber anderen, wie ich ja auch schon geschrieben habe. Gilt natürlich auch für die Akkumulation von Vermögen.
Ein anderer Aspekt sind Mieten. Wenn ich einzelnen Beiträgen im Forum folge, würden Mieteinnahmen dann zu 100% besteuert (außer man hat die Wohnung mit eigenen Händen gebaut, dann ist es wohl doch ok). Somit würde der Staat zum einzigen legitimen Vermieter werden.
Die Debatte um Einkünfte aus Kapital ist trotzdem eine „schöne Erinnerung“ an ganz alte Zeiten. Da war das auch schon ein heißes Thema religiöser Fundamentalisten (Zinsverbot – Wikipedia).
Nein, von Mieteinnahmen kannst du immer die Investitionen abziehen…
Und ich glaube auch nicht, dass hier die meisten 100 % Besteuerung verlangen.
Einfach nur mal angemessen wäre doch schön…
Man könnte auch darüber sprechen, ob Wohnungen überhaupt in Privathand gehören, bzw. in die Hand von Immobilienfirmen. Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Die mittlerweile geringe Anzahl von Sozialwohnungen und die Wohnungsnot führen zu immer höheren Mieten. So haben die Immoblienfirmen auch keinerlei Grund, weitere zu bauen. Mehr Angebot würde nur zu niedrigeren Einnahmen führen… Gesetz des Marktes.
Finde ich gut. Aber was heißt denn angemessen? Ich glaube auch, dass viele einer progressive Besteuerung von Erbschaften, Vermögen, Kapitaleinkünften (natürlich mit Freibeträgen) gar nicht so kritisch gegenüberstehen würden, wenn man das gut erklärt und für bestimmte Fälle vorrechnet. Aber der springende Punkt ist doch immer: wie hoch ist angemessen? Wäre z.B. das französische Modell der Vermögenssteuer angemessen?
Ich bin keine Expertin und kann diese Frage nicht beantworten. Aktuell ist es auf jeden Fall zu wenig.
In Frankreich ist die Steuer meines Wissens nicht (mehr) der Rede wert. Nur auf Immobilien, hoher Freibetrag, geringe Steuer. Soweit ich weiß jedenfalls.
„Auch?“ Wen genau bezeichnest du hier im Forum als religiösen Fundamentalisten?
Solche Vergleiche bringen doch nichts. Klar könnte ich eine Parallele ziehen zwischen Erbschaften und „Herrschaft von Gottes Gnade“ im Feudalismus. Wem hilft das weiter?
Ja, klar. Was bei so einer Startup-Förderung dann herauskommt, sieht man u.a. hier:
Haufenweise vermutlich geförderte Start-Ups, die nutzlose Apps entwickeln um unsere Krankenkassen abzuzocken. So sieht Startup-Culture in Deutschland aus.
Fair. Experten sind wir vmtl. alle nicht. Würde auch keine genaue Zahl erwarten, aber vielleicht einen groben Bereich oder zumindest einen Weg wie man zu dieser Zahl kommen könnte. Nach welchen Kriterien würde man so eine Steuer festlegen?
Das würde zumindest etwas Aufschluss geben, ob man sich hier nur über den Weg oder auch das Ziel uneinig ist.
Das französische Modell habe ich ja oben vorgestellt. Nach Fratzschers Aussage Faktor 3 oder 4 mehr als in Deutschland wenn das noch aktuell ist.
Ich habe vom Arztgehalt im Schichtdienst gesprochen. Ein Facharzt verdient ohne Schicht bis zu 107.000€ im Jahr nach Tarif. Wenn du soviel durch Mieteinnahmen als Gewinn übrig hast, bist du definitiv nicht verarmt sondern besitzt viele Wohnungen.
Also wenn man sich die Wohnsituation in DDR und anderen Staaten des Ostblocks ansehen konnte, dann kann man die Frage stellen, aber ich beantworte sie aber gerne mit JA.
Wenn dann auch noch Parteizugehörigkeit etc. darüber entscheidet ob man in eine Neubauwohnung oder in eine Bruchbude ziehen muss, dann ist das was wir heute erleben ja fast eine Luxussituation (Bruchbuden in weniger guter Lage findet man auch heute günstig).
Und es hindert ja keiner den Staat daran im großen Stil als Anbieter von Wohnungen tätig zu werden. Wenn man selbst mit viel niedrigeren Mieten noch so viel Geld verdienen könnte wie es viele behaupten, dann wäre der Staat ja sogar doppelt am Gewinnen. Einerseits würde man ein großes Problem beheben, andererseits würde man auch noch Einnahmen erzielen die man an anderer Stelle investieren könnte. Ganz so einfach ist es aber dann ja wohl doch wieder nicht.
Danke. Dieses ganze Gerede von „Leistung“ ist in jeder Hinsicht eine Nebelkerze. Bei sinnvoller Steuerpolitik muss es um gute volkswirtschaftliche Outcomes gehen - es geht um Anreize für gewünschtes Verhalten, (Markt-)Macht, sozialen Frieden uvm. Nicht um irgendwelche ominösen „Leistungen“.