4-Tage Woche

Ich bin im Zwiespalt. Bin ich für die 4-Tage Woche oder nicht?
Als beschäftigte in der Automobilindustrie und der flexiblen Arbeitszeit mit Home Office ist es natürlich leichter dies zu kombinieren oder umzusetzen- ist es das wirklich?

Wenn wir jedoch zu wenige Fachkräfte haben, wie sollen wir dann weniger arbeiten, dafür brauchen wir doch mehr Menschen- oder doch nicht?
Oder sollten wir nicht alle 6 - Tage die Woche arbeiten, um den Mangel zu kompensieren?

Wie kann man dieses Modell richtig einführen ohne gleich den Niedergang der Wirtschaft zu prophezeien?!

Ich bin persönlich für die 4 Tage Woche, selbstverständlich bei vollem Lohnausgleich:-)

Viele Grüße aus Baden-Württemberg

Dann eine Gegenfrage. Sollte in anderen Berufen dies dann nicht auch gelten? Gesundheitsbranche (Pflege, Ärzte, Rettungsdienst)? Sozialbranche (Kitas? Erzieher?)? Oder eher nicht, weil diese Branchen ja keine „Wirtschaftsunternehmen sind“ - und damit keine „Gewinne“ erzielen?
Hier handelt es sich oft um Knochenjobs - ich denke da bspw. an die Pflegekräfte. Problem ist aber auch hier der Fachkräftemangel (jetzt schon), und dass bei der Pflege wegen der Arbeitsbelastung viele als ultima ratio in Teilzeit gehen (bei Lohnabzug).
Überspitzt gefragt: 4 Tage Woche nur für Unternehmen, die es sich leisten können?

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Sollte natürlich für alle Unternehmen gelten.
Gerade in den frauenlastigen Berufen wird ja gehofft, dass diese Beruf und privates dann besser unter einen Hut bekommen, wenn sie einen Tag frei haben.
Aber damit sehe ich das mit dem vollen Lohnausgleich schon mit einem großen Fragezeichen versehen.
Oder sollte der Staat systemrelevante schlecht bezahlte Jobs vielleicht sogar steuerlich besser stellen?
Indirekt passiert das ja bereits in reiseintensiven Berufen (Vertreter, Leiharbeiter, Baubranche) mit den Verpflegungspauschalen.

Ich erwarte, dass die Gewerkschaften vorlegen werden und die anderen dann Stück für Stück nachziehen müssen.
Der Staat wird sich da bedeckt halten und auf die Vertragsfreiheit verweisen.

Bedingungsloses Grundeinkommen kann auch dabei helfen.

Bedingungsloses Grundeinkommen ist finanzierbar

Wer sich nicht um existenzielle finanzielle Fragen kümmern muss, kann eher dem nachgehen, was er machen möchte und auch ohne vollen Lohnausgleich in entsprechenden Jobs 4 Tage arbeiten gehen.

Ob das dann den Pflegenotstand beheben kann, vermag ich nicht zu beurteilen.

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Nach allem was ich gehört habe, sind die bisherigen Erfahrungen, dass gegenüber der 5-Tage-Woche zwar formal ein Tag wegfällt, aber die Produktivität kaum sinkt, u. a. weil die Leute weniger Pausen machen, sehr viel seltener krank sind etc.
Das spricht doch dafür, auch in Lehr- und Pflegeberufen, also in Bereichen, wo viele Menschen wegen der miesen Arbeitsbedingungen nur in Teilzeit tätig sind, die 4-Tage-Woche (natürlich bei gleichem Gehalt!) zur Regel zu machen. Ich halte es nicht für abwegig, dass das solche Berufe wesentlich attraktiver machen würde.
Gewerkschaften forderten schon in den 1980er Jahren eine 35-Stunden-Woche. Die Produktivität dürfte seitdem so stark gestiegen sein, dass ich etwa 32 Stunden Wochenarbeitszeit als Norm für durchaus vertretbar halte.
Von dem Versuch, wegen des Fachkräftemangels möglichst viel wöchentliche Arbeitszeit aus den Leuten rauszupressen, halte ich gar nichts. Das dürfte auch keine besonders nachhaltige Lösung sein, vor allem wenn man sich anschaut, dass Überlastung in vielen Berufen zu den Hauptgründen dafür zählt, dass Menschen aufhören.

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Nur zur Unterfütterung: Die Produktivität ist seit 1991 um etwa 25% gestiegen. Das heißt also, die Arbeit, die 1991 in 40h geleistet wurde, wird jetzt in 32h geleistet.

Wenn man also bedenkt, dass die 35h-Woche schon in den 80ern Thema war, sollten wir wahrscheinlich noch weiter heruntergehen. Ich persönlich bin für eine 25-Stunden-Woche.

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Sie sollten die Steigerung der Produktivität nicht alleinig betrachten. Gleichzeitig sind in diesem Zeitraum auch die Löhne gestiegen. Die jährliche Lohnsteigerung muss durch die Steigerung der Produktivität kompensiert werden um das kostet Niveau konstant zu halten. Ansonsten hat man als Industriebetrieb keine Chance, zu überleben. In jedem Jahr in dem die Löhne steigen muss gleichzeitig die Produktivität entsprechend besser werden.
Wenn nun also plötzlich 20 % der Arbeitsleistung wegfallen bedeutet dass eine Kostensteigerung, die so nicht kompensiert werden kann. Daher ist die ganze Diskussion um eine vier Tage Woche bei vollem Lohn Ausgleich absoluter Irrsinn.

Und Es gab gleichzeitig auch eine Inflation; das muss man bei der Betrachtung natürlich ebenfalls bedenken. Also könnte es schon gut sein, dass vor allem der Arbeitgeber von der gestiegenen Produktivität profitiert (hat).

Aber ja, eine vier Tage Woche bei vollem Lohnausgleich klingt schon etwas utopisch. WANn gibt es schon eine Gehaltssteigerung um 20 %.
Auch wenn ich mich natürlich darüber freuen würde

Wie sehr die Löhne gestiegen sind, steht zur Debatte, und anscheinend gibt es da unterschiedliche Berechnungsmethoden; laut Bundeszentrale für politische Bildung aber jedenfalls nicht so stark wie die Produktivität.

Das Argument hier wurde natürlich genauso schon vor 100 Jahren verwendet, um die 80-Stunden-Woche zu rechtfertigen.

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Dass bei einer 4-Tage-Woche angeblich 20% der Arbeitsleistung wegfallen, war jahrzehntelang das Argument der Arbeitgeberseite. Es stimmt aber einfach nicht, denn es fallen lediglich 20 Prozent der Arbeitszeit weg - das ist aber mitnichten dasselbe. Zudem nehmen bei einer 4-Tage-Woche wie gesagt auch diverse Ausfälle stark ab.
Es ist schon hilfreich für eine Diskussion, wenn die bisherigen Beiträge zumindest zur Kenntnis genommen werden…

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STOP: Warum ist die Produktivität gestiegen in diesem Zeitraum? Weil Automation, Robotik, ERP Systeme, optimierte Logistikketten (just in time) und andere technische Neuerungen Einzug gehalten haben. Das hat die Produktivität nach oben gedreht.
Das wird in Zukunft in bestimmten Bereichen auch weiter gehen, aber es wird auch Bereiche geben, wo keine Steigerung mehr möglich ist. Z.B. Schule, Pflege und Medizin, Handwerk, einfache Tätigkeiten wie „Regale einräumen im Supermarkt“. Und grade in den Bereichen fehlen heute schon die meisten Fachkräfte.

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Das mag so sein, dass irgendwo die Grenzen erreicht sind, aber noch sehe ich für keinen Bereich, dass wir da in der Nähe sind.
Es werden Roboter für Hilfen in der Medizin und Pflege entwickelt. Wenn der Roboter dem Arzt den Tupfer reicht - VDI nachrichten (vdi-nachrichten.com)

Das Handwerk erhält ebenfalls massive Unterstützung roboterlicher Natur. Bauroboter - Automatisierung auf der Baustelle - architektur-online : architektur-online
Wenn Schule wirklich innovativ werden soll, muss man den Wert von Videos und Spielen (u.v.m.) anerkennen und ihn Nutzen:
Wenn man verhindern kann, dass sich die Hälfte der Klasse (willkürlich gewählt) nachmittags Videos zu dem vormittags behandelten Thema anschaut, weil sie im Frontalunterricht nicht verstanden worden, und sich unter Hunderten den für sich geeigneten Überbringer aussuchen kann, dann ist das von Bedeutung. Wenn Themen spielerisch digital vermittelt werden können, dann ist das von Bedeutung. Beides und noch viel mehr muss Berücksichtigung finden. Und wenn so etwas effizient genutzt wird, dann ist das eine massive Einsparung von Zeit der Lehrenden.

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Ich finde eine Generalisierung bei diesem Thema sehr schwierig.
Hier ein Bericht aus der Sicht von uns aus der Automobilindustrie, und in meinem Fall gebunden an den Verbrenner.
Eine 4 Tage Woche bei vollem Lohnausgleich würde keine einzige Stelle retten. Es gibt inzwischen einfach zu wenig Arbeit.
Inzwischen kann man wirklich sagen, weil man es überall schon spürt: der Verbrenner ist sowas von tot.
Die Schlacht um die allerletzten Entwicklungsgelder tobt, und in den Entwicklungsabteilungen werden brutal Stellen gekürzt. Die wahrscheinlich sehr abgeschwächte EU7 Regelung killt auch die letzten Entwicklungsprojekte, weil damit bis 2035 ohne Neuerungen mit der jetzigen Technologien wie im Baukasten weiter produziert werden kann.
Den vollen Lohnausgleich wird keiner zahlen wollen, denn damit steigt letztendlich ja nur der Preis pro Arbeitsstunde. Und hier stehen wir inzwischen in voller Konkurrenz, auch im Bereich Entwicklung und Projektleitung, z.B. mit Ländern wie Indien. Und jeder Euro on top auf den Stundensatz ist ein Argument mehr für die Verlagerung ins Ausland.

Rund um das Thema Wasserstoff und E-Mobilität gibt es bedeutend mehr Gelder und Arbeit. Aber auch hier: Niedrige Stundensätze erhöhen die Chancen auf Aufträge.

Ich persönlich finde das Framing 4 Tage Woche generell schwierig. Man sollte eher von (einer optionalen) 32 Stunden Woche sprechen mit den beiden Optionen 4x8 Stunden oder 5x6,5 Stunden.

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Das mag sein - immerhin hat VW das ja 1994 mal probiert und damals kundgetan, dass dadurch Arbeitsplätze erhalten werden konnten. Scheint also zumindest von der Situation abzuhängen. Aber grundsätzlich ist das Argument, dass es um Arbeitsplatzerhalt geht, zumindest für mich vollkommen neu. In anderen Branchen haben wir ja eher zuwenig Menschen, die die Arbeit machen können oder wollen - da ist also sicherlich Differenzierung angebracht.

Ich hätte kein Problem damit, anstatt einer 4-Tage-Woche eine 32-Stunden-Woche zu fordernt. Arbeitszeitmodelle sollten ohnehin sehr viel flexibler werden - und zwar sowohl nach den Bedürfnissen von Branche und Arbeitgeber, aber ausdrücklich nach den Bedürfnissen der Arbeitenden (Stichwort Kinderbetreuung). Der Kerngedanke bleibt aber, dass eine Vollzeitstelle durch vier volle Arbeitstage pro Woche definiert ist, nicht mehr durch fünf.

VW ist aber ein OEM, der weit über die Hälfte der Entwicklungsarbeit an einem PKW an Zulieferer vergibt. Und diese stehen natürlich untereinander, international, unter Konkurrenz.
Die Lohnkosten innerhalb des VW Konzerns spielen also nur eine untergeordnete Rolle.
Und mir scheint es, dass die Hersteller, um keine Mitarbeiter zu entlassen, wieder mehr Entwicklung bei sich selbst machen im E Auto Bereich.
Die großen Verlierer sind alle Zulieferbetriebe, die am Verbrennungsmotor hängen.

Was ich im Handwerk interessant finde ist das Modell, Montag bis Donnerstag die größeren Aufträge zu machen, und Freitags bis 1300 (vielleicht auch nur mit der halben Mannschaft im Rotationsprinzip) Kleinaufträge abzuarbeiten.

Wie gesagt: Wie die Arbeitszeit dann im Einzelfall verteilt wird, sollte individuell geregelt werden. Es gibt auch Handwerksbetriebe, die freitags nur noch Notdienst mit 1-2 Leuten machen. Bei anderen arbeitet die Hälfte montags bis donnerstags, die andere dienstags bis freitags. Die Beispiele zeigen aber m. E. dass eine drastische Verkürzung der Arbeitszeit in sehr unterschiedlichen Situationen vonnutzen sein kann.

Das sehe ich genauso.
Jede Sub-Branche muss, teilweise auch noch regional unterschiedlich, für sich eine Lösung finden.
Deswegen glaube ich auch nicht, dass die 4
Tage Woche final so im Tarifabschluss stehen wird, sondern maximal als Option, z.B. anstatt einer tariflichen Gehaltserhöhung, stehen wird.

Aber ich sage ganz klar: Für Firmen, die international im Wettbewerb stehen, ist die 4 Tage Woche bei vollem Lohnausgleich höchst problematisch.

Hm. Erst kritisierst du Pauschalisierungen und nun pauschalisierst Du selber. Es hängt doch vollkommen von Branche, Produktivität, Auftragslage etc. ab. Außerdem geht es ja ohnehin nur um die Arbeitszeitregelungen in Deutschland - dass internationale Konzerne sehr gerne in Ländern produzieren lassen, wo die Menschen für sehr viel weniger Geld sehr viel länger arbeiten müssen, ändert sich ja dadurch nicht.

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Ich denke auch, dass Pflegeberufe / Lehrer / Handwerk usw. und alle anderen durchaus als 4Tage Woche umgedacht werden können. Gerade da, wo man von Mo-Sonntag arbeitet.
Nur genau in diesen Bereichen (auch in anderen) gibt es bereits einen Fachkräftemangel. Daher würde es mich interessieren, ob es rechnerisch überhaupt möglich wäre, diese Idee dort umzusetzen in Hinblick Arbeitskräfte. Finanziell sollte hier sowieso nachgebessert werden. Und die Mittel die vom Bund teilweise verfallen, MÜSSEN für unser Sozialsystem genutzt werden und mehr in Bildung und Arbeit verwendet werden.

Gerade in der Industrie und auch in Bereichen, wo die finanzielle Absicherung sehr gut ist, beobachte ich, dass immer mehr über eine geringere Arbeitszeit nachdenken und teilweise auch in Anspruch nehmen. Wohlstand hoch bedeutet mehr Gedanken zu WorkLifeBalance, mehr Zeit für persönliche Weiterentwicklung / Selbstverwirklichung usw.

Die Produktivität wird auch weiter steigen, vor allem in nicht automatisierten Bereichen durch die KI. Die Arbeitsleistung hingegen wird vielleicht erst mal stagnieren oder durch Stress evtl sinken. Da müssen viele Zahnräder ineinander passen… Das ist klar. Aber die Produktivität steigt und steigt.

Ich denke auch, dass die Gewerkschaften hier eine Aufgabe haben und wir hoffentlich in der Kommunikation und Diskussion das ganze als Chance sehen und weg vom negativ narrativ kommen (wie in einer der Letzten LDN-Folgen beschrieben im Hinblick/Umgang auf Migration).

https://www.igmetall.de/tarif/tarifrunden/eisen-und-stahl/diskussion-ueber-4-tage-woche-als-tarifforderung

https://www.igmetall.de/tarif/faq-zur-vier-tage-woche

https://www.igmetall.de/tarif/tarifrunden/eisen-und-stahl/forderung-stahltarifrunde-2023

IG Metall - Regt zum Nachdenken an - egal ob man zunächst dazu steht.