Ich würde es nicht von den Tagen, sondern von der Wochenarbeitszeit abhängig machen. In der Industrie sind 35h/Woche Standard, ein mit mir befreundeter Architekt hat die 35 Stunden schon am Mittwoch voll (behauptet er).
Ich sehe da keinen Widerspruch, denn die Gesundheitsbranche oder auch in der Industrieproduktion wird sowieso 24/7 gearbeitet und die Leute dort arbeiten eben im Durchschnitt 5 Tage die Woche. Wobei es da sicher Unterschiede gibt, eine befreundete Ärztin hat früher im Klinikum 15 Tage/Monat 12h gearbeitet. So gesehen eine 3,75-Tage-Woche.
Kita genauso. Unsere Kita betreut Kinder von 7h-17h und die Mitarbeiter dort haben auch Früh- und Spätschichten.
Die Kosten würden sich durch den Vorschlag der IGM übrigens gar nicht steigen, denn sie wollen die 32h-Woche bei + 8,5% mehr Gehalt. Das bedeutet, dass unterm Strich das Monatsentgelt jedes Arbeitnehmers sogar auf 99,2% des ursprünglichen Gehalts sinkt.
Die meisten Büro-Jobs kann man sicherlich auch in 32 statt 35 Stunden erledigen, teurer wird es in der Tat in der Produktion. Dort müsste man die fehlenden 9% Mannstunden durch neues Personal kompensieren.
Geht es hier um die Tage oder die Stunden? Ich könnte auch mit einer Reduktion von 40 h auf 35 h bzw 32 h bei vollem Lohnausgleich leben - nur ist das glaube ich Utopie (gerne dann auch 5 Tage die Woche).
Das wäre schön. Aber wenn man die Tarifabschlüsse so anschaut gibt es dort nur ein Minimum. Da sind die bspw. der IG-Metall ein Traum dagegen. Will sagen, bei Unternehmen geht’s, bei sozialen Berufen sind wir da eher geizig! Und die sind dann die Leittragenden. Können sie sich eine 32 h Woche in der Pflege bei vollem Lohnausgleich vorstellen?
Sie legen da ja eine tolle Einstellung an den Tag. Kein Wunder, das weitsichtige Arbeitgeber Alternativen zu ihren Angestelltendurch durch Automation suchen. Meine Unterstützung hätten sie. Wo soll das enden? 3Tage Woche bei vollem Lohnausgleich?
Ziel eines Unternehmens ist es Gewinne zu machen. Dazu müssen sie wettbewerbsfähig sein. Und das geht nur, wenn sie ihre Kosten (und damit auch ihr Löhne) im Griff haben.
Du legst letztlich die klassische neoliberal-konservative Sichtweise dar.
Das Problem mit dieser Sichtweise ist:
Wo ziehen wir die Grenzen? Internationale Wettbewerbsfähigkeit ist in einer globalisierten Welt ein gutes Argument, da stimme ich dir natürlich sofort zu. Aber offensichtlich gibt es Grenzen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Denn natürlich sind z.B. die Uiguren-Arbeitslager in China ein Vorteil für Chinas Wettbewerbsfähigkeit, natürlich ist der Verzicht auf viele Arbeitnehmerrechte (wie in den USA) ein Wettbewerbsvorteil, natürlich ist die maximale Ausnutzung von globalen Umweltressourcen (Stichwort: CO2) ein Wettbewerbsvorteil (den Europa und die USA massiv ausgenutzt haben, und jetzt den anderen Ländern untersagen wollen).
Aber es ist doch völlig klar, dass wir alle diese Dinge nicht opfern werden, nur um maximal Wettbewerbsfähig zu sein. Wenn du daher die Wettbewerbsfähigkeit einwirfst, ist das wieder ein typisches Totschlag-Argument, wie es von Union und FDP immer eingeworfen wird.
Die Frage ist letztlich, ob uns der Verlust eines Teiles der Wettbewerbsfähigkeit die Vorteile einer 4-Tages-Woche wert ist. Und da kann man zu völlig unterschiedlichen Ansichten gelangen, die natürlich von unseren politischen Positionen abhängen.
Daher:
Ja, eine 4-Tages-Woche ohne Lohnausgleich wäre - unter der Prämisse, dass die Arbeitsleistung davon negativ beeinflusst wäre (was zu beweisen wäre!) - ein Wettbewerbsnachteil. Hat es jedoch keinen Nachteil für die Arbeitsleistung (dh. arbeiten die Menschen tatsächlich in der 4-Tages-Woche 25% effektiver, weil sie weniger ausgelaugt sind) sieht das wieder ganz anders aus.
Wie gesagt, die Wettbewerbsfähigkeit darf hier kein Totschlagargument sein.
Ich sehe das auch in etwa so, aber welche % Zahl der Gehaltskürzung ist denn angemessen, bei Verringerung der Arbeitszeit um 20 %?
Umgekehrt dürfte jemand, der von Teilzeit (30 h) wieder in Vollzeit (40 h) wechselt, zwar 33 % mehr arbeiten, aber z.B. nur 25 % mehr Lohn kriegen. Ich glaube das gibt es heutzutage auch nicht.
Letztlich ist das der Normalfall, wegen des progressiven Steuersystems.
Beispiel:
Entgeltstufe 13 TVöD bleiben bei 100% Arbeitszeit 2.577 Euro Netto.
Entgeltstufe 13 TVöD bleiben bei 75% Arbeitszeit 2.040 Euro Netto. (79% des vollen Lohns)
Entgeltstufe 13 TVöD bleiben bei 50% Arbeitszeit 1.470 Euro Netto. (57% des vollen Lohns)
Entgeltstufe 13 TVöD bleiben bei 25% Arbeitszeit 809 Euro Netto. (31% des vollen Lohns)
Wer also von 75% auf 100% wechselt arbeitet 33.3% mehr, bekommt aber nur 26.3% mehr Lohn.
Dieser Effekt würde sich somit nur verstärken und damit die Teilzeitarbeit noch attraktiver machen. Ob das der gewünschte Effekt ist, muss sich jeder selbst überlegen.
Das hängt tatsächlich davon ab, ob und wenn ja wie viel Effizienzsteigerung es durch die Arbeitszeitreduktion gibt. Das führt wiederum dazu, dass zeitgebundene Arbeitskräfte (z.B. Hotline-Mitarbeiter, Pflegekräfte oder Kassierer im Supermarkt) eher weniger profitieren würden, wohingegen Büroarbeitskräfte stark profitieren, vor allem in Bereichen, in denen es aktuell sehr viel Downtime und weniger Cruchtime gibt…
Die Fairness für diese zeitabhängigen Berufsgruppen herzustellen ist tatsächlich die große Herausforderung und das wird nicht ohne große Umverteilungen funktionieren.
Auch wenn meine Sichtweise neoliberal und durch aus konservativ ist, stimme ich Ihnen in einem Punkt absolut zu: Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit haben ihre Grenzen. Die chinesischen Lager sind ein extremes Beispiel – es gibt auch noch einige andere. Und auch beim Globalisierungswettlauf der letzten Jahrzehnte ist sicherlich nicht alles immer ganz richtig gelaufen.
Aber die Arbeitskosten sind ein entscheidender Faktor (ich beziehe mich allerdings immer auf industrielle Prozesse – hier ist mein Fokus). Dass Menschen eventuell heutzutage lieber vier statt fünf Tage arbeiten ist ja legitim. Dass sie allerdings für diese geringerer zeitliche Leistung (eine höhere Effizienz dalasse ich mal aussen vor) das gleiche Geld haben wollen, ist nicht tragbar. Ich arbeite in einem Chemiebetrieb der 24/7 läuft. Wenn hier ein Schichtarbeiter käme und wollte plötzlich statt den üblichen 42 Stunden nur noch 33 1/2 Stunden arbeiten und das beim selben Gehalt, würden sämtliche Kalkulationen den Bach untergeht. Egal wie effizient er ist (und ich bezweifle dass er bei 33 Stunden effizienter wäre wie bei 42), die Personalkosten steigen und damit die Produktkosten. Und hier bin ich wieder bei meiner Wirtschaftlichkeit. Wir selbst haben letzten zwei Jahren zwei grosse Betriebe geschlossen. Es gibt viele Gründe dafür, aber fast alle lassen sich auf Kosten reduzieren. Wir müssen alles daran setzen, dass unsere Kosten runter gehen und nicht Schnapsideen verfolgen, bei denen die Produktions Kosten auch noch hochgehen.
Die Frage, was mehr wert ist: Wettbewerbsfähigkeit oder eine vier Tage Woche, die stellt sich mir gar nicht. Unsere Wettbewerbsfähigkeit steht – zumindest in der chemischen Industrie – mehr wie auf dem Spiel. Unzählige Unternehmen schliessen Betriebe, weil sie den Wettbewerbsdruck nicht mehr standhalten können und nicht mehr ausreichend Ergebnis liefern, Lanxess, Evonik, BASF sind nur einige Namen. Die kleinen sagen erst gar nichts, sie verabschieden sich leise aus der deutschen Industrielandschaft. Daher ist für mich eine Vier-Tage-Woche indiskutabel. Eine vier Tage Woche bei vollem Lohn Ausgleich wirtschaftlicher Selbstmord.
Also ich mal kurz meine Gedanken dazu:
Punkt 1: warum geht die Diskussion immer auf „von jetzt auf gleich“ ?
Warum nicht die 4 Tage Woche als Ziel ausgeben und dann in den Verhandlungen immer wieder 30 Minuten Verkürzung heraushandeln bei gleichzeitig moderater Lohnerhöhung.
Sprich einen Teil der möglichen Erhöhung nicht monetär sondern in Zeit umwandeln, ja würde dauern, aber wenn man in den 1980ern damit angefangen hätte und jedesmal nur 15 Minuten WAZ herausgeholt hätte wäre die Diskussion um die 4 Tage Woche schon seit 10 Jahren vorbei, weil erreicht.
Hat dann auch den Vorteil, dass z.B. bei den Teilzeitkollegen eine Stufenweise Anpassung auf Vollzeit ergibt. Ergo in ein paar Jahren alle 80% Teilzeitler Vollzeitbeschäftigte sind, was sich wiederum positiv auf ihre Rente auswirken würde.
Punkt 2: wir hatten letztes Jahr temporär 2 Schicht System, wobei die Frühschicht 5 Tage und die Spätschicht 4 Tage hatte.
Die Spätschicht hatte zusätzlich auch noch ein paar Stunden weniger als die Frühschicht (glaube es war irgendwas zwischen 2-3 Wochenstunden)
Trotzdem hat die Spätschicht in der geringeren Zeit mehr produziert als die Frühschicht.
Denke also mal, dass man bei einer Reduktion der WAZ gar nicht auf so dermaßen viel Produktivität verzichtet.
Nein, viele Angestellte könnten das auch gleich morgen haben.
Ich könnte sofort 4x9h, statt 5x7h arbeiten und jede Woche einen Gleittag nehmen und eine Überstunde aufbauen.
Die IGM will diese Freiheit nun für Schichtarbeiter erkämpfen.
Der Schritt von 42 auf 33,5 Stunden entspräche ja auch einer Lohnsteigerung von 25%, das ist auf einmal schon viel.
Die IGM fordert einen Schritt von 35 auf 32 Stunden, also von 5x7 auf 4x8. Für vollen Lohnausgleich müsste die IGM +9,73% fordern, „begnügt“ sich aber mit +8,5%. Die Arbeiter werden so 99,2% Gehalt bei einer 4-Tage Woche verdienen.
Ein Plus von 8,5% bewegt sich im Rahmen der anderen Tarifabschlüsse.
Ich sehe nur Probleme beim planen von 9 Stunden Schichten und beim finden von neuen Fachkräften.
Und auf der anderen Seite das gleiche Phänomen. Die Life-Coach-Branche boomt. Jeder will jetzt Berater werden und selbständig Kurse anbieten. So viele potentielle Kursteilnehmer haben wir gar nicht, wie zertifizierte Lebenskünstler rumlaufen.
Wäre schön, wenn die Arbeitgeber die mit reizvollen Angeboten zurück ins echte Leben holen würden.
Dass die Arbeitgeber das so sehen ist ja klar. Also wird eine Verhandlungsposition aufgebaut, um von der Maximalforderung dann etwas runtergehen zu können. Gleiches Gehalt ist utopisch, allerdings ist auch klar, dass es mehr werden muss, da viele jetzt schon mit ihrem Gehalt gerade so auskommen.
Natürlich ist es das, wenn du sowas morgen einführen wölltest.
Aber wenn du bei jeder Tarifrunde was bekommst, kommst du auch an’s Ziel, ganz ohne Selbstmord.
Hier in Schweden gibt es neben dem zentralen Tarifvertrag immer auch die Möglichkeit für die Betriebsräte noch etwas nachzuverhandeln.
Hatte auf einer meiner Ausbildungen mal mit jemandem gesprochen, dessen Betriebsrat rein auf Zeit gesetz hat.
Ergo Geld war Zentral, Zeit lokal verhandelt. Die haben on Top der Erhöhungen innerhalb von ein paar Jahren einen kompletten Urlaubstag extra herausgehandelt.
Steter Tropfen höhlt den Stein, das ist der Weg zur 4 Tage Woche.
Das ist in Deutschland auch so. Es gibt auch immer weiche Punkte, von denen der Betrieb abweichen darf, wenn sich Betriebsrat und Arbeitgeber einig sind. Die Arbeitszeit ist momentan eher nicht darunter. Aber mit Sicherheit könnte ein Betrieb hier ein Modell kreieren und den Verzicht auf weiche Punkte mit Arbeitszeitredizierung belohnen.
Sie hat 180h im Monat gearbeitet, aber dafür „nur“ 15 Tage im Monat. Aber inklusive Wochenenden und natürlich auch nachts. Die Schichten an dem Klinikum waren entweder von 6 bis 19 Uhr, oder von 18 bis 7 Uhr.
Ja, ich bin verbittert. Aber das trägt inhaltlich nichts zur Sache bei.
Warum? Der Schritt von 35h auf 32h entspricht einer Gehaltssteigerung von ca. 9,3% bei vollem Lohnausgleich, die IGM fordert +8,5%, das bedeutet, dass Mitarbeiter bei 3h weniger Arbeit pro Woche einen Hauch weniger Geld im Portmonee hätten.
Viel schwerwiegender ist da meiner Ansicht nach der logistische Aufwand in der Produktion. Der Tag hat 3x8h, also passen da genau drei 7h-Schichten mit 1h Pause rein. Was macht denn der Produktionsleiter jetzt wenn die Leute plötzlich 9h (8+1h Pause) da sind?
Nicht nur, dass er kreativ werden muss was die Schichtplanung angeht, er braucht auch mehr Mitarbeiter um seine Bänder 24/7 auszulasten.
Weil ich nur ein Leben habe und nicht 30 Jahre warten will, bis vielleicht die Kapitalist:innen mir genug Brosamen zuwerfen, damit ich ein gutes Leben führen kann?
Nur weil es jetzt schon 2x erwähnt wurde: Die IGMetall will 32 h bei vollem Lohnausgleich und einem Plus von 8,5%!
„ Von 35 auf 32 Stunden pro Woche will die IG Metall die wöchentliche Arbeitszeit verkürzen und das bei vollem Lohnausgleich. Darauf einigte sich die Tarifkommission in Duisburg. Des Weiteren sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Lohnplus von 8,5 Prozent erhalten.“
Das ist schön für die IGM, ich gönne es auch jedem dort, nur ist schon die 35 Stunden Woche ein Träumchen für die meisten Angestellten im Land. Das war mal ein Ziel in den 80ern, und das wurde großflächig nie umgesetzt. Ich fände es schön, wenn wenigstens das mal Ziel sein würde, und nicht wieder für einzelne Bereiche.
Berechtigte Forderung, aber wie schon geschrieben die Diskussion um die 4 Tage Woche ist schon 40 Jahre alt, hätte also längst abgeschlossen sein können, wenn man nicht darauf bestanden hätte das immer sofort umzusetzen.
Geht die Diskussion weiter um die sofortige Einführung werden auch nochmal Jahrzehnte vergehen.
Fängt man mit den Brotkrümeln an, ist das Brot irgendwann fertig und das schneller als wenn man das Brot am Stück haben will.