270: Russischer Aufmarsch

Es gab 2016 eine ähnliche Situation:

Was war anders? Die USA waren zu diesem Zeitpunkt im Wahlkampf. Es gab andere Themen mit Russland wie den Syrienkrieg oder russische Eingriffe in eben diesen Wahlkampf. Ein innenpolitischer Angriff auf Obama, dass er Schwäche gegenüber Russland zeigt, hat sich damals bei einem scheidenden Präsidenten nicht mehr gelohnt. Polen wähnte sich nicht in einem mittelbaren Konflikt mit Russland via Weißrussland. (Die Bedrohung durch Einwanderung scheint ja Europa insgesamt zu fokussieren.) Kein akuter Konflikt über Nord Stream 2 und die - nicht darauf basierende, aber häufig so geframte - Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen im Kontext einer Energiekrise.

Mit anderen Worten, meines Erachtens ist die Wahrnehmung der Bedrohlichkeit dieses Aufmarsches - jenseits der Ukraine - das Ergebnis erhöhter Aufmerksamkeit. Die westliche Reaktion ist damit selbst Teil der Eskalation.

Ich zweifle an einem bevorstehenden Angriff auf die Ukraine, aber ich sehe, selbst wenn man das annimmt, wenig Sinn in dieser Form einer sehr öffentlichen Gegenreaktion. Entweder Russland erwägt tatsächlich einzumarschieren, dann ist ihnen klar, dass massive wirtschaftliche Sanktionierung darauf folgen wird, unabhängig von der öffentlichen Androhung, oder sie wollen es nicht, dann wird die Drohkulisse, die sie aufbauen, durch die Reaktion im Westen enorm aufgewertet. Das einzige, was wirklich als Abschreckung dienen könnte, nämlich die Androhung einer militärischen Intervention gegen Russland, hat man dagegen ausgeschlossen.

Zwei weitere Anmerkungen:

  1. Ich glaube von der Idee, dass Putin noch Aufmerksamkeit und Bestätigung vom Westen als einen Wert an sich sucht, muss man sich mal verabschieden. Das hat zu bestimmten Zeiten vielleicht auch mal gestimmt, aber für einen Staatschef dieser Senioriät und mit einer langjährigen Desillusionierung bezüglich Spielräumen der Verständigung mit dem Westen, wird das keine große Rolle mehr spielen. Eine innenpolitische Wirkung ist zwar möglich, allerdings sehe ich nicht, worauf das momentan abzielen sollte.
  2. Insofern muss man aus westlicher Sicht einfach mal der Realität ins Auge sehen, dass Russland ein vitales Interesse hat, ein feindliches Militärbündnis wie die NATO aus definierten Sicherheitsräumen auszuschließen. Allerdings verstehe ich den Aufmarsch in diesem Fall als eine Reaktion auf die Eskalation zwischen Polen und Weißrussland, ein Land mit dem sich Russland in einem Staatenbund befindet und für das es im Fall eines Angriffs eine Garantie militärischer Unterstützung abgibt.
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Abgesehen von der etwas seltsamen Analyse die doch sehr nach des Deutschen Liebe zum östlichen Großreich klingt, fragt man sich dann schon was daraus resultieren soll :

Staaten, wie die Ukraine sind halt keine satelliten Staaten eines russsichen Schutzgürtels.

Eine Legitimation militärischer Mobilisierung als diplomatisches Mittel?

Reines Eigeninteresse. Symmetrisch aufgelöste NATO als Reaktion auf das Ende des Warschauer Vertrags, wesentlich weniger Kopfschmerzen heute. Aber was soll man machen, wenn man selbst zur Peripherie eines empire gehört …

Was genau erscheint dir seltsam?

Es gibt noch Raum zwischen einem Nachbarland, das man kontrolliert, und einem Nachbarland, das Teil eines feindlichen Militärbündnis ist. Russland will halt nicht noch mehr davon und aus meiner Sicht ist es enorm billig, ihnen das zu geben.

Willkommen im 21. Jahrhundert.

Was wäre denn wenn die NATO sich wirklich von heute auf morgen mit der Ukraine verbünden würde und Truppen in der Ukraine stationiert. Russland würde wohl kaum einen Krieg vom Zaun brechen. Wie groß ist den wirklich die wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland für die EU/Amerika. Hat Russland überhaupt eine Drohkulissen die über Säbelrasseln hinausgeht? Das Militär ist es bestimmt nicht.

Für so einen Zug fehlen sowohl die politischen Voraussetzungen (eine Aufnahme der Ukraine in die NATO über Nacht ist unrealistisch) als auch die militärische Vorbereitung (es stehen russische Truppen einmarschbereit nahe der Grenze, keine der NATO).

Außerdem ist es eine aberwitzige Idee.

So eine Stationierung würde Zeit in Anspruch nehmen. Und bei diesem hypothetischen Szenario, „morgen“, ist Russland gerade im Prozess einer Mobilisierung oder hat sie abgeschlossen. Ich könnte mir schon vorstellen, dass man sich dann gut überlegt, das Zeitfenster zu nutzen, um die Ukraine zu erobern, bevor sie militärisch verstärkt wird. Das wäre auch jetzt das Argument für einen Angriff - wenn er denn wirklich erwogen wird - weil auch in Zukunft Rüstungsgüter an die Ukraine gehen werden und sie als Gegner tendenziell gefährlicher wird.

Ansonsten kommt es darauf an, was daraus resultiert: Eine Großoffensive im ukrainischen Teil des Donbass? Eine Rückeroberung der Krim? Einen konventionellen auf diese Region begrenzten Krieg würde Russland vermutlich gewinnen.

Die Abhängigkeit der EU von Energielieferungen aus Russland ist signifikant. Sieht man an der gegenwärtigen Lage im Gasmarkt. Davon, dass die Gaslieferungen über die Ukraine wegbrechen würden, kann man wohl ausgehen. Da würde schon eine deutliche Lücke gerissen. Auch das wäre „morgen“ ein großes Problem - vermutlich nicht, wenn man sich einigen kann, Nord Stream 2 als Ausweichroute zu verwenden. Sollte man sich da arrangieren können. Die wirtschaftlichen Beziehungen Russlands zu amerikanischen Ländern haben keine so unmittelbare Bedeutung, der ich mir bewusst wäre. Aber die meisten davon sind ja auch nicht in der NATO.

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Selbstverständlich. Russland besitzt glaubhafte militärische Fähigkeiten, die nicht ignoriert werden sollten.

Sollen abgeklärte Kommentare jetzt eine Analyse sein ?
Seltsam ist die affimierte angebliche Notwendigkeit des russischen Verhaltens und damit die Schuldzuweisung an den Westen. Klassische langweilige antiimp These, die Gegenspieler der imperialistischen Staaten haben immer nur eine Möglichkeit. Aufgrund ihrer angeblichen eigenen Machtlosigkeit. Das die Russsische Föderation letztlich auch nichts anderes als ein anachronischtisches Staatsgebilde ist, deren Konstitution letztlich aus einem imperialistischen Feudalstaat stammt, wird dabei geflissentlich ebenso ignoriert, wie die daraus resultierenden Einflüsse auf die russische Politik. Selbiges gilt auch für chinesische Politik.

Der Deutschen Liebe zu den Russen und Abneigung gegenüber der USA führt dann dazu dass sich in dieser These zahlreiche politische Strömungen von links nach rechts einig sind in der Analyse sind.

Die Nato sollte man nicht nur als Relikt des Kalten krieges betrachten. Dass Deutschland in einem Militärbündnis mit stärkeren und insbesondere liberalen Mächten entsprechend gebunden ist, ist die absolute Untergrenze der notwendigen Begrenzung deutscher Großmachtbestrebungen.

Im Bezug auf Ukraine ist eine Assoziation mit der EU nicht das selbe wie eine Natomitliedschaft. Das ersteres von Russland als Bedrohung wahrgenommen wird hängt halt mit imperialistischen Vorstellungen eigenen Hegemonie Sphäre zusammen. Natürlich haben die USA aus solche Ideen aber zum einen ist mir nen PAX americana deutlich lieber als irgendwleche Absprachen zwischen einer deutsch dominierten EU und Russland. Zum anderen gibt es schon unterschiede in Mittel und eskalation.
Der ukrainische Wunsch nach letzterem ist ja mittlweile fast notwendig um die Integrität des eigenen Staates sicher zu stellen. Und wenn wir schon völlig arbiträr und kontextlos irgendwo mitten in der Geschichte unsere Argumente herausziehen, dann kann man auch schlicht argumentieren, dass die ehemaligen Ostblockstaaten sowohl in Zeiten vor als auch während der Udssr ebenso wie in der neueren Geschichte (Stichwort Georgien) die Erfahrung gemacht haben, dass ihre staatliche Integrität bis hin zum Bestand ihres Staates niemals sicher war. Den westeuropäern war es schlicht nicht wichtig genug und Deutschland und Russland würden es sich am liebsten wieder einverleiben. Selbst nach dem 2. wk hats im Deutschland lange gedauert bis man dt. jetzige Größe wirklich akzeptiert hat. Bei Russland ist das bis heute fraglich. Natürlich begibt man sich dann lieber in ein Militärbündnis dass die eigene Staatlichkeit garantiert.

Ah „Hufschmied“. Clever. Danke für die Einordnung, jetzt verstehe ich aus welcher Richtung du kommst.

Weiß nicht, wo du die herausliest.

Passt nicht so ganz dazu, dass die Leitmacht, soweit ich mich entsinne seit drei Präsidenten, auf einer massiven deutschen Aufrüstung besteht. Würde sie im vorgesehenen Umfang umgesetzt, würde ich mir tatsächlich Sorgen machen, dass unsere militärische Schlagkraft plötzlich wieder zu Großmachtbestrebungen passt. Aber ich hoffe mal, wir bleiben da untreu. Überhaupt gehört Deutschland doch eher zu den Bremsklötzen der Ambitionen dieses Bündnisses.

Ich habe ja nicht gesagt, dass Russland ausschließlich Sicherheitsinteressen und nicht auch noch hegemoniale Ansprüche hat. Unter den bestehenden Verhältnissen lässt sich beides allerdings schwer voneinander trennen. Die Krim mal ausgenommen, gäbe es ohne die Existenz der NATO vielleicht wenige oder keine russischen Einwände gegen eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine. Wer weiß.

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Ist die Idee als Nato zu sagen wir nehmen die Ukraine auf weniger „aberwitzig“ wie die Idee Russland könnte dort einfach einmarschieren? Militärisch ist Russland nicht klein aber die NATO hat ca die dreifache Menge an Soldaten. Ich glaube auch das würde sich Russland stark überlegen. Was das Gas angeht als einziger wirklicher Hebel. Ich denke auch hier könnte man kurzfristig alternativen hochfahren wenn man wollen würde. (Kohle, Kernkraft bis Erneuerbare soweit sind). Aber gut…ich sage nicht das ich einen Krieg möchte. Im besten Fall ist es Säbelrasseln von alten weißen Männern.

Ja witzig nicht ? Der Verweis auf meine alte Uni und ihre seltsame Forschung die keiner ernst nimmt.

Aber kommt noch was außer das Europa ein friedensparadies wäre ohne die Nato und deutsches Großmachtstreben kein Problem wäre solange die Transallmaschinen der Bundeswehr noch vom Himmel fallen?

Nicht dass ich so ne edgy Überheblichkeit nicht gewohnt wäre, ich erwarte die nur eher beim lokalen antiimp Stammtisch als im Lage Forum :wink:

So funktioniert das aber nicht. Das ist kein Computerspiel.

Nun, ich gehe wie gesagt nicht davon aus, dass Russland das plant.

Die Aufnahme der Ukraine an sich ist völlig unrealistisch. Selbst wenn man die bisherigen eigenen Kriterien und das Beitrittsverfahren umgeht, würde das mit Sicherheit am Veto einiger Mitglieder scheitern. Aber schon wegen dem Territorialkonflikt besteht da keine Chance. Im Prinzip hat Russland eine Situation herbeigeführt, die eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ausschließt. Was sie nicht ausgeschlossen haben, dass das Land zu einem Stationierungsgebiet der USA werden könnte. (Ergänzung: Was sie natürlich auch nicht ausgeschlossen haben, ist eine Kooperation mit der NATO. Die Ukraine hat wie diverse andere Länder an Russlands Grenzen einen IPAP.)

In jedem Fall werden die USA das Land weiterhin mit Rüstungsgütern beliefern, denn das zwingt Russland mehr Ressourcen dort zu binden und der eigene militärisch-industrielle Komplex freut sich über die Steuergelder.

Wieviele Soldaten man auf dem Papier hat und wie viele man in einem bestimmten Gebiet zum Einsatz bringen kann, ist ein großer Unterschied. Und die Frage wäre auch, wie investiert die NATO-Mitglieder in den Konflikt wären. Von den großen Armeen in der NATO abgesehen von den USA, würde vermutlich Polen Soldaten entsenden. Was ein Desaster für sich wäre. Vielleicht auch Großbritannien, die freuen sich immer, wenn es Haue gibt. Sowohl die Türkei als auch Deutschland kann ich mir nicht vorstellen. Frankreich oder Italien, würden die sich da reinziehen lassen? Eher fraglich. Selbst die USA müssten sich gut überlegen, was eigentlich die Implikation ist, wenn unweigerlich eigene Soldaten von russischen Soldaten getötet würden.

Aber wie gesagt zu diesem Verteidigungsfall käme es gar nicht, weil die Ukraine der NATO nicht beitreten wird.

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Dem kann ich wiederum nicht folgen.

Von einem Friedensparadies habe ich natürlich nie gesprochen. Und „deutsches Großmachtstreben“ - falls das in der Formulierung unklar war - halte ich mit Blick auf die Politik der letzten Dekaden für ein Phantasma.

Es ist lange her, dass eine Transall der Bundeswehr vom Himmel gefallen ist. Die heben bloß nicht ab. Besonders jetzt, wo keine mehr im Gebrauch sind.

Also ich bin definitiv überheblich genug, dass ich mit den Augen rolle, wenn jemand etwas als „edgy“ bezeichnet.

Ist mir klar. Ich will damit nur sagen das auch Russland keinen Krieg anzetteln würde wegen der Ukraine. Niemand möchte in Russland einmarschieren also sollen die doch bitte Zuhause bleiben.

Nun bisher haben sie, in dieser gegenwärtigen Situation, genau das getan.