Sofortige Genozid-Präventionsmaßnahmen Israels?

Liebes Forum,

am 26. Januar hat der Internationale Gerichtshof (IGH) Israel aufgegeben, verschiedene Maßnahmen zu treffen, um effektiv und mit sofortiger Wirkung einen Genozid im Gazastreifen zu verhindern. Israel soll alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen (Wortlaut der Verfügung, meiner Übersetzung) dafür ergreifen.
Zudem soll Israel die grundlegende Versorgung und humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen ermöglichen.

Über die getroffenen Maßnahmen sollte Israel binnen eines Monats dem Gerichtshof Bericht erstatten. Ich kenne die Fristenberechnung beim IGH nicht genau, dieser Monat scheint mir aber verstrichen zu sein.

Weiß jemand, ob Israel dem nachgekommen ist? Und gibt es dazu mediale Berichterstattung? Mir ist bislang nichts untergekommen. Das lässt mich vonseiten der Medien vorläufig enttäuscht zurück.

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Manchmal hilft es die fehlende Information aktiv zu suchen statt zu warten bis sie einem unterkommt. Das lindert oftmals auch den Frust über die Medienlandschaft.
Ich habe jedenfalls in jeder Sprache in der ich gesucht habe Berichterstattung gefunden.
Der Spiegel schreibt z.B. im Artikel ‚Verpasste Chance auf Besserung‘
„die Vorgaben des Gerichts […] seien »nicht sehr spezifisch in der Anordnung«. Allgemein lasse sich jedoch feststellen, dass Israel die Weisungen des IGH bisher »nicht wirklich« umgesetzt habe.“

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Hab selbstverständlich vor dem Verfassen des Beitrags gesucht, sonst hätte ich nicht gefragt. An die Suchbegriffe erinnere ich mich nicht. Bei Wiederholung jetzt mit „IGH-Forderungen umgesetzt“ findet sich bei Google in ersten 10+ Ergebnissen nur der Spiegel-Artikel (bei mir paywalled), alle anderen beziehen sich nicht auf die tatsächliche Umsetzung. Mit „international court of justice measures implemented“ gibt es nicht einen Artikel in den Top10, der tatsächlich den Bericht Israels oder die Umsetzung der Maßnahmen betrifft. Das ist erst an 13 der hier: https://www.timesofisrael.com/israel-reports-to-icj-on-actions-taken-to-comply-with-court-orders-on-gaza/

Es geht ja nicht nur darum, ob etwas überhaupt mit der Lupe zu finden ist. Ich erwarte von einer funktionierenden Medienlandschaft und guten Journalist:innen (insb. dem ÖRR), dass bestimmte Themen alle Bürger:innen erreichen, die im durchschnittlichen Umfang Qualitätsmedien konsumieren. Zu solchen Themen zähle ich nicht Dinge wie das Gerichtsverfahren zwischen Johnny Depp und Amber Heard, an dem selbst ich damals ohne jede absichtliche Boulevard-Lektüre nicht vorbeikam, sondern selbstverständlich die Umsetzung von Anordnungen des weltweit am weitesten anerkannten Gerichts in einem aktuell laufenden Konflikt, in dem laut diesem Gericht ein Genozid durch einen Verbündeten Deutschlands zu befürchten ist. Zumal es hier auch einen fixen Zeitpunkt für die Berichterstattung gab, nämlich das Ablaufen der Frist. Und wenn Israel keine Details zu den Maßnahmen veröffentlicht, ist es umso wichtiger, kritisch nachzuhaken und es ggf. eben so zu vermelden.

Um an die Spiegel-Überschrift anzuknüpfen: Warum wird die Chance auf Besserung verpasst? Auch, weil die Medien nicht an diesem Punkt ansetzen.

Hier sieht man wie Israel sich um den Schutz der Zivilisten kümmert. Es lässt sie verhungern und verdursten, indem man die Hilfslieferungen beschränkt. In der Folge bricht die zivile Ordnung zusammen und kriminelle Banden bereichern sich an Lebensnotwendigem. Gut möglich, dass das dann bald die neuen Machthaber in Gaza werden und die ihr Geld für die nächste Intifada nutzen. Es zeigt auch wie die Hamas bereits die Kontrolle in Gaza verloren hat, das israelische Ziel die Hamas in Gaza zu zerschlagen also eigentlich erreicht ist - mit fatalen Folgen.

Meanwhile in Deutschland regt man sich darüber auf, dass Künstler auf der Berlinale den israelischen Militäreinsatz kritisieren und dabei auf den 07.10.2024 keinen Bezug nehmen. Man kritisiert damit auch moderate Israelis, die sich für Frieden aussprechen und wirft ihnen pauschal Antisemitismus vor. Rechte Israelis nutzen nun diese aufgeregte Berichterstattung um diese moderaten Israelis und ihre Familie einzuschüchtern.

So steht es also um den Schutz von Zivilisten in Israel und den besetzten Gebieten. Kennt ihr das Gefühl wenn man widerwillig die Erkenntnis gewinnt, die eigene Nation stehe auf der falschen Seite? Damit will ich ganz sicher nicht die Hamas in Schutz nehmen. Das sind ganz klar Verbrecher. Ich kritisiere aber, dass unsere viel zu leise Stimme gegenüber israelischen Hardlinern und Rechtsextremen mitverantwortlich dafür ist wie Israel gegen legitime Kritiker und Zivilisten vorgehen kann.

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Ist etwas off-topic, aber: Trifft meine Gefühlslage gut. Ich schäme mich als politischer Mensch mittlerweile auch, nicht für Frieden oder wenigstens Waffenruhe auf die Straße zu gehen. Proteste dafür sind hierzulande recht effektiv als allein „propalästinensisch“ und damit parteiisch gelabelt worden (sind sie ja in Teilen auch). Nicht entschuldbare antisemitische Ausschreitungen haben ihr Übriges dazu getan. Ich finde keine Anlaufstelle für Proteste der Partei Mensch. Auch wenn man diese Vorstellung naiv finden mag.

Anfangs hatte ich den Eindruck, dass D, mind. auf der eher „linken“ Seite des politischen und medialen Spektrums, eine differenzierte Position einnehmen könnte: ohne kritikarme Hinnahme der israelischen Darstellung und, ebenso wichtig, im Kontrast zur in meiner Wahrnehmung historisch einseitigen „globalen Linken“ (soweit sich ein Gesamteindruck überhaupt feststellen lässt - ich meine grob Positionen wie die Lulas, FFFs). Ich bin davon überzeugt, dass Israel sich auch militärisch gegen die dauernden Angriffe (einschl. der Massaker des 7.10.) verteidigen muss(te), es dabei das humanitäre Völkerrecht einhalten muss und Solidarität mit den dabei mitgetroffenen unschuldigen Palästinenser:innen und Israelis (v.a. den immer noch als Geiseln gehaltenen Menschen) aufseiten aller Menschen trotzdem grenzenlos und universal sein muss. Mir scheint diese Position aber in einer tlw. reflexhaften Parteinahme, tlw. aus pragmatischen (Bündnis-)Gründen durch tonangebende mediale und politische Akteur:innen nicht eingenommen zu werden. Nach meinem oberflächlichen Eindruck würde bspw. Annalena Baerbock sich stärker auch mit Taten für Frieden und humanitäre Hilfe einsetzen, wenn es sichtbarerere Unterstützung von der Bevölkerung dafür gäbe. Und auch kritische Israelis würde das unterstützen.

On-topic: Egal, wie man zu diesem Exkurs steht, das war nur meine lückenhafte Sicht der Dinge. Eine Verfügung des IGH ist hingegen etwas, worauf sich wirklich ALLE einigen können müssen, die Universalismus und Rechtsstaatlichkeit für sich in Anspruch nehmen. Dahinter gibt es kein Zurück, ohne diese Ansprüche zu delegitimieren. Verweise auf sonstige kontextuelle Wertungen oder politische Einstellungen verblassen hinter der Kraft der Rechtsanwendung. Deshalb ist mir gerade das so wichtig. Die Medien lassen diese Bedeutung der Verfügung mMn nicht hinreichend in ihre Arbeit einfließen und schwächen das Recht.

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Was genau wäre da der Unterschied zum Hamas-Regime, das seit Jahren in Gaza herrschte?

Vielleicht hast du ja andere Quellen, aber nach allem was ich gelesen habe, gab es Empörung darüber, dass bei der so prominenten Veranstaltung wie der Berlinale-Preisverleihungsgala von einem „Genozid“ Israels gesprochen und strafbewehrte antisemitische Parolen wiedergegeben wurden und es dazu nach Meinung der Kritisierenden zu wenig Widerspruch von Seiten der Veranstalter und der Bundesregierung (BKM) gab. Das kann man richtig oder falsch finden und man kann der Meinung sein, dass es angesichts der Ereignisse in Gaza gar nicht der Rede wert sein sollte - aber zwei Sachen sind an deiner pauschalisierenden Darstellung einfach falsch: 1. Nicht „Deutschland“ hat diese Kritik geübt, sondern einige Menschen in Deutschland - so wie andere Menschen in Deutschland genau diesen Filmemachern für diesen Film einen renommierten Preis verliehen haben. Es waren auch Menschen in Deutschland, die zu den genannten Aussagen kräftig applaudiert haben. 2. Bezieht gab es eben keinen „pauschalen“ Antisemitismusvorwurf und die Kritik bezog sich auch nicht darauf, dass Israelis „sich für Frieden aussprechen“. Die Kritik war eben sehr viel spezifischer.
Wer sich mit der Kritik an konkreten Aussagen oder Verhaltensweisen nicht auseinandersetzen will, kann es sich halt leicht machen und einfach behaupten, die Kritik sei pauschal, überzogen und nicht angemessen. Das gilt m. E. für die Behauptung, jegliche Kritik an Israel werde als Antisemitismus gebrandmarkt, was empirisch schlicht nicht haltbar ist - es ist halt auf eine Art eine sehr bequeme Haltung, vor allem wenn man nur noch bei allem zwei Seiten sieht und das wichtigste zu sein scheint, auf welcher davon man steht.

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Ich hänge das hier ran, da es als zu passen scheint: Wenn das Vorgehen der Chinesen gegen die Uiguren ein Genozid ist, oder der Krieg Russlands gegen die Ukraine, warum ist das, was Ärzte ohne Grenzen hier beschreibt dann keiner?

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Gerade im Radio. Die Israeli haben hunderte Zivilisten die bei der Verteilung von Lebensmittel anstanden erschossen. Das ist schwer auszuhalten.

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Vielleicht weil es einer durchaus komplexeren juristischen Beurteilung bedarf, um diese Frage zu beantworten und nicht nur der Sichtung eines 10-minütigen Videos? Für das Vorgehen Chinas gegen die Uiguren in Xinjiang gibt es solch differenziertere Einschätzungen (etwa hier), im Falle von Russlands Vorgehen in der Ukraine gibt es einen Verdacht, der derzeit untersucht wird (siehe dazu etwa diese Nachricht). Und wenn ich mich nicht völlig irre, prüft der IGH in Den Haag ja gerade, ob das israelische Vorgehen im Gazastreifen so bewertet werden kann.
Wenn man bei solch einem schwerwiegenden Vorwurf eine solche juristische Bewertung nicht abwarten will, sondern Israel einen Völkermord vorwirft und damit so tut, als sei das eine bewiesene Tatsache, muss man sich m. E. schon den Vorwurf gefallen lassen, den Begriff als politisches Kampfmittel einzusetzen.

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Was genau passiert ist, scheint laut Tagesschau (dt. ÖRR) nicht klar zu sein: Vorfall in Gaza-Stadt: "Nichts gesehen als Verletzte und Tote" | tagesschau.de

Al Jazeera (katarischer Staatsfunk) vermeldet es deutlich eindeutiger als israelischen Beschuss und mit mehr Details: ‘Massacre’: Dozens killed by Israeli fire in Gaza while collecting food aid | Israel War on Gaza News | Al Jazeera

Die New York Times am ausführlichsten: https://www.nytimes.com/live/2024/02/29/world/israel-hamas-war-gaza-news

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Naja, wenn ein Völkermord passiert, nützt es eben wenig, zu sagen „wir müssen das erstmal prüfen“ und dann Jahre verstreichen zu lassen (das ist, wie lange es dauern wird, bis Den Haag ein Urteil fällt).

Wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen, ist der Genozid im Zweifelsfall schon abgeschlossen. Es muss jetzt interveniert werden.

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Du tust so, als wäre die zwangsläufige Folge dieser Prüfung, dass politisch, zivilgesellschaftlich und juristisch nichts gegen Verletzungen des Völkerrechts tun könne oder dürfe, solange kein Genozid nachgewiesen ist. Aber du weißt hoffentlich auch, dass das überhaupt nicht stimmt. Die Frage ist ja nicht „Völkermord“ schreien oder Nichtstun - genau diese binäre Logik kritisiere ich ja, da sie bestenfalls bestimmte politische Bedürfnisse bedient, aber bestimmt nicht den Menschen hilft, um die es angeblich geht.

Ich weiß ja nicht, was du mit „abgeschlossen“ meinst. Das einzige was mir dazu einfallen würde, wäre eine vollständige physische Vernichtung bestimmter Menschengruppen - in diesem Falle der Palästinenser. Glaubst du ernsthaft, dass es das ist, was Israel vorhat? Ich würde gerne wissen, ob ich mit jemand diskutiere, der ernsthaft glaubt, dass wir es hier mit einem gezielten und geplanten Massenmord von Millionen von Menschen zu zun haben.

Ich war in dieser Diskussion nicht derjenige, der gesagt hat, man solle die „juristische Bewertung abwarten“… Abwarten heißt in meinem Sprachgebrauch nichts tun. Aber gut, wenn du das nicht so gemeint hast.

Nein. Ich denke, was Israel vorhat (oder jedenfalls bestimmte Mitglieder der Regierung), ist die ethnische Säuberung des Gazastreifens. Wahrscheinlich wären die Akteure auch zufrieden damit, wenn die Palästinenser:innen nach Ägypten fliehen, nur dass Ägypten selbst davon nicht so begeistert ist.

Abgeschlossen wäre der potentielle Genozid, wenn die Militäroperation Israels, die ihn billigend in Kauf nimmt, endet.

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Aber die juristische Bewertung gibt es doch: Südafrika hat ein Verbrechen wahrgenommen, eine detaillierte Klageschrift ausgearbeitetet und bei Gericht eingereicht (erste juristische Bewertung), welches diese dann für verhandlungswürdig befunden und angenommen hat (zweite juristische Bewertung). Das ist noch kein Urteil, aber schwerwiegender als eine Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, die Du als Beleg für den Genozid durch China bringst (in Südafrika dürfte eine ähnliche Ausarbeitung der Klageschrifterstellung vorausgegangen sein - im Sinne einer Machbarkeitsstudie und/oder Risikoabschätzung).

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Ich bitte doch darum meine Aussage im Kontext zu lesen. Meine Forderung, mit dem Begriff „Völkermord“ doch bitte etwas vorsichtiger zu sein, so lange es eben noch keine entsprechende juristische Prüfung gibt, da dieser sonst völlig zu einem beliebig einsetzbaren politischen Kampfbegriff verkommt, bezieht sich auf eben das: die Benutzung dieses Begriffs. Auch „Nichtstun“ bezieht sich folglich nur darauf, den Begriff nicht zu benutzen.

Erst mal ist es ja ein erheblicher Unterschied, ob einige Mitglieder der israelischen Regierungsmitglieder sich etwas wünschen oder sich in eine bestimmte Richtung äußern, ob die Regierung etwas zu ihren politischen Ziel macht oder ob „Israel“ - also ein gesamtes Land inklusive der gegen diese Regierung Protestierenden und der arabischen Bevölkerung einen Plan verfolgt.
Unabhängig davon ist „ethnische Säuberung“ zwar ein Verbrechen gegen die Menschheit, aber eben nicht dasselbe wie ein Völkermord - auch wenn u. a. deutsche Vertriebenenverbände das immer wieder propagiert haben - womit ich wieder bei der Mahnung zur Vorsicht bei der Benutzung bestimmter Buzzwords wäre.

Aus der Wikipedia:
Die Konvention definiert Völkermord in Artikel II als „eine der folgenden Handlungen, begangen in der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:

a) das Töten eines Angehörigen der Gruppe
b) das Zufügen von schweren körperlichen oder seelischen Schäden bei Angehörigen der Gruppe
c) die absichtliche Unterwerfung unter Lebensbedingungen, die auf die völlige oder teilweise physische Zerstörung der Gruppe abzielen
d) die Anordnung von Maßnahmen zur Geburtenverhinderung
e) die zwangsweise Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe“

Ich denke allerdings nicht, dass die rechtsextreme Regierung Israels eine Vernichtung der Palästinenser im Sinn hat. Ich halte es allerdings für realistisch, dass diese rechtsextreme Regierung einer Vertreibung der Palästinenser keine Träne nachweint und Mitglieder dieser rechtsextremen Regierung haben das ja auch bereits öffentlich geäußert.

Come on. Die meisten Leute sagen selbstverständlich „Deutschland will sich bei der Abstimmung zum Lieferkettengesetz enthalten“ und es ist dann klar, dass daraus nicht folgt, dass ich das auch will. Natürlich steht Israel hier für die politische Entität, wie sie aktuell existiert und von einer mehrheitlich gewählten rechtsextremen Regierung geführt wird.

Das ist auch nicht das Argument. Ethnische Säuberung ist das Ziel, Völkermord das Mittel. Das kann man jetzt natürlich diskutieren, aber vielleicht wäre es sinnvoller zu diskutieren, wie man verhindern kann, dass Israel (oh Entschuldigung, ich meine natürlich „viele Mitglieder des israelischen Militärs“) Verbrechen gegen die Menschheit begeht. Stattdessen wird hierzulande lieber auf die Menschen eingedroschen, die sich gegen das israelische Vorgehen aussprechen, weil die Wortwahl nicht genehm ist.

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Mein Argument ist ja gerade, dass man schon etwas genauer überlegen und auch präziser formulieren sollte, bevor/wenn man anderen einen Völkermord vorwirft. Da finde ich „Leute formulieren halt immer schwammig“ als Gegenargument etwas schwach. Das Argument, dass die Gleichsetzung von Regierung und Land immer legitim ist, finde ich gerade bei diesem Beispiel und einer so gespalteten Gesellschaft wie Israel auch nicht wirklich überzeugend. In Israel wurde in den letzten Jahren zigmal gewählt, seit Jahren sind in Israel Hunderttausende gegen Netanyahu und seine rechten Koalitionen auf der Straße, sprich das Land ist ziemlich gespalten - gerade auch was den Umgang mit „dem Konflikt“ angeht. Würdest du etwa auch bei Trumps „Muslim ban“ vor einigen Jahren sagen: Die Amerikaner wollen keine Muslime im Land haben?

Wer oder was hindert dich denn daran, darüber zu diskutieren? Die Aussage und besonders das Wort „stattdessen“ suggeriert ja 1., dass man nur über das eine oder das andere diskutieren kann oder dass wenn ein Thema wichtiger ist, ein anderes keine Rolle mehr spielen soll/kann/darf. Diese Annahme halte ich für falsch und gefährlich. 2. Wird in einem Viktimisierungsdiskurs immer wieder behauptet, dass Menschen in Deutschland Repressalien erdulden müssten, weil sie sich „gegen das israelische Vorgehen aussprechen“. Du benutzt nun dafür sogar das Wort „eindreschen“(sic!).
Mal kurz zurück in die Realität: Wo ich wohne, gibt es seit Monaten mehrmals pro Woche entsprechende Demos, deutsche Spitzenpolitiker fast aller Parteien kritisieren das israelische Vorgehen bzw. mahnen zur Einhaltung des völkerrechts, eines der renomiertesten Filmfestivals vergibt einen Preis an einen Film, der das Vorgehen Israels gegen Palästinenser scharf kritisiert. Nichts davon wurde infrage gestellt, und erst recht wurde dafür auf niemanden „eingedroschen“. Dass man Israel hierzulande nicht kritisieren darf, ohne dafür auf den Deckel zu kriegen ist einfach eine Schimäre, sonst nichts.
Dass es Diskussionen darüber und mitunter auch eine Kritik daran gibt wie Menschen das tun, aus welchen Motiven und mit welchen politischen Zielen - ist unbestritten. Dazu gehört auch eine Kritik an Antisemitismus, der nun mal sehr häufig im Kontext mit Israel auftritt. Aber auch hier ist es falsch und gefährlich, diese beiden Dinge immer wieder in einen Topf zu werfen.

Zur Unterstützung hier ein Bericht des CNN, der sich meinem Verständnis nach irgendwo dazwischen positioniert.

Dort wird von CNN-Augenzeugen berichtet, die angeben, dass israelische Soldaten auf die Menge geschossen hätten und das die LKW-Fahrer veranlasst hätte die Flucht zu ergreifen, wodurch man mehrere weitere Menschen überfahren hätte.

Man schließt auch mit dem Resumee, dass zwar unklar sei wieviele Menschen nun durch Schüsse und wieviele durch die LKWs überfahren wurden, verantwortlich aber die schreckliche humanitäre Lage in Gaza sei. Ich füge hinzu, eine Lage die Israel maßgeblich verursacht hat, indem sie monatelang ausreichende Hilfslieferungen blockierten und auch es im notwendigen Maße auch weiterhin tun.

Es ist schrecklich was da passiert. Echte Freunde fallen Freunden auch mal in den Arm wenn sie Scheiße bauen. Aber die deutschen Medien und die Bundesregierung steht nur mit schwacher, leiser Stimme daneben während Israel Menschen in eine Hungerkatastrophe stürzt.

Es müssen nun langsam eindeutige Konsequenzen der westlichen Welt folgen.

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