Sind informiertere Leute linker? - Kann Bildung gegen den Rechtsruck helfen?

Die Überschrift mag ketzerisch klingen, aber in Anbetracht des Zulaufs von rechten Parteien und den aktuellen „Diskussionen“ in den Medien drückt sich mir die Schlussfolgerung auf, dass umso informierter die Menschen sind desto weniger geneigt sind sie rechte Parteien zu wählen. Würde man eine rein objektive Diskussion mit der AFD zu ihren Forderungen führen und nur Fakten und Wahrheiten zählen lassen, so könnte man vermutlich 90% ihrer Forderungen entkräften. Das soll nicht heißen, dass einzelne Personengruppen ein legitimes persönliches Interesse für die Wahl der AFD haben … Aber im Allgemeinen betrachtet, scheint der Erfolg der AFD an ihren sehr vereinfachten Darstellungen der gesellschaftlichen Probleme zu knüpfen mit den vermeintlich „einfachen“ Lösungen. Dies ist ja die Definition von Populismus. Darauf fallen aber gut informierte Bürger nicht rein, die erkennen, das die AFD nicht die (gesamte- Klammern gesetzt Mod.) Wahrheit erzählt. Könnte daher bessere (und gezieltere) Bildung eine langfristige Lösung gegen den Rechtsruck in Deutschland sein? Es ist ja in manch anderen Ländern zu beobachten, dass eine höhere Bildung nicht erwünscht ist, damit sich illegitime Regime halten können. Daher gibt es sicherlich einen Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und der Politik. Ich würde mich freuen, wenn ihr dieses Thema untersuchen würdet.

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Würde ich so nicht unterscheiden.
Heinrich Prinz von Reuß der 13. hatte bestimmt keine schlechte Bildung genossen.
Als die AFD begonnen hatte, galt sie als Professorenpartei, hat sich aber schon klar pro Deutschland und Anti-EU positioniert.
Bildung schützt also nicht vor nationalistischem Gedankengut.
Bildung hilft aber, Rattenfänger leichter zu erkennen.
Und die lassen sich links wie rechts finden.

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Die erste Frage, die sich aufdrängt, wäre, wie wir in diesem Zusammenhang „rechts“ und „links“ definieren und wie man z.B. eine Wagenknecht Partei dort einordnen würde.
Versteht man z.B. „rechts“ im Kern als „konservativ“ und „links“ als „progressiv“, dann würde ich zunächst keinen Zusammenhang zwischen Bildung und politischer Richtung sehen. Bildung könnte je nach Thematik dazu führen, dass man die Notwendigkeit eines radikalen Wandels versteht oder aber die damit zusammenhängenden Gefahren.
Statistisch und bezogenen auf unsere deutsche Parteienlandschaft und deren Kernthemen könnte das anders aussehen. Aber in der Theorie sehe ich diesen Zusammenhang erstmal nicht.

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Zudem, wie definiert man „gebildet“ oder „informiert“?

Ein akademischer Abschluss gilt zwar als Beleg für höhere Bildung, macht aber niemand gefeit gegen extreme Positionen. Auch die AfD hat ja Akademiker zuhauf in den eigenen Reihen.

Und Informiertheit hängt immer auch von der Wahl der Quellen ab. Auch da gibt es unterschiedliche Ansichten

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Bildung kann nicht mehr gegen den Rechtsruck helfen. Die meisten AfD-Wähler besuchen schon längst keine Bildungseinrichtung mehr.
Gegen Populismus jedweder Art hilft wissenschaftliches Denken, sofern wir Populismus als das Anbieten einfacher Lösungen für komplexe Probleme definieren. Wissenschaftliches Denken wird aber in Schulen schwer zu vermitteln sein, da es eigentlich nur durch wissenschaftliches Arbeiten erlernt werden kann.
Informationen sind heute (dank des Internets) leichter zugänglich als jemals zuvor. Trotzdem erleben wir einen Rechtsruck. Grund hierfür kann also nicht der Mangel an Information sein, sondern nur der Mangel der Fähigkeit, Informationen korrekt einzuordnen. Diese Einordnung kostet aber häufig nicht nur Zeit, die viele Menschen schlicht nicht erübrigen können, und bedarf häufig des Rückgriffs auf (wissenschaftliche) Ressourcen, wie wissenschaftliche Datenbanken, auf die die meisten Menschen aber keinen Zugriff haben. Oder auch nicht wissen, dass sie überhaupt existieren. Gerade bei wissenschaftlichen Informationen, wie Studien, fehlt es vielen Menschen auch an der Fähigkeit, diese korrekt einzuordnen.
Damit Bildung gegen den Rechtsruck helfen kann, kommt es meines Erachtens auf die Ausgestaltung an. Aktuell ist das Ziel unseres Bildungssystems, die Menschen arbeitsmarktfähig zu machen. Wissenschaftliches Denken ist da - abseits von wissenschaftlichen Tätigkeiten - nicht gefragt. Jedoch kann auch ein Bildungssystem, dass wissenschaftliches Denken in den Mittelpunkt stellt, nur einen zukünftigen Rechtsruck verhindern. Auf den aktuellen Rechtsruck kann Bildung allein nicht die Antwort sein.

ME ist die Frage, ob jemand eine politisch rechte oder eine politisch linke Gesinnung hat, keine Frage der Bildung. Auch wenn es hier bestimmt Korrelationen gibt. Vielmehr bin ich überzeugt, dass es eine Frage der sozialen Prägung ist. Da spielen in der Schule vermittelte Werte aber natürlich auch eine Rolle. Die Kunst sollte dann aber sein, diese eigenen Werte mittels der Ideologiekritik zu hinterfragen.
Meines Erachtens sind links und rechts miteinander unvereinbare Gegensätze. Zumindest in ihren Grundwerten. Und diese werden nicht einfach aufgegeben, nur weil es der Lehrer sagt oder irgendeine Studie veröffentlicht wird. Hinzukommt, dass es in der Natur von politischen Entscheidungen liegt, dass ihre Folgen häufig nicht (gänzlich) absehbar sind. Also wie Informationen über die Folgen einer politischen Entscheidung bewertet werden, hängt maßgeblich von der politischen Einstellung ab. Wenn man also etwas gegen einen zukünftigen Rechtsruck unternehmen will, muss man meines Erachtens den Menschen durch das Bildungssystem die Fähigkeit vermitteln, die eigenen Werte kritisch zu hinterfragen.

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Die Prämisse kann doch unmöglich sein, dass Intelligenz und Bildung zu politisch linker Gesinnung führt. Das ist Hybris. Menschen kommen auch vor gleichem Bildungs und IQ Background zu unterschiedlichen Bewertungen.

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Diese These macht es sich zu einfach. Wenn es so wäre, müssten linke Parteien ja nur für eine möglichst gute Bildung sorgen und hätten so den Wahlsieg nach ein paar Jahren gepachtet.

Aber völlig ohne wahren Kern ist sie natürlich auch nicht. Das Wahlverhalten korreliert durchaus mit „sozialen Milieus“ und Bildung ist ein Aspekt bei der (Selbst-)Zuordnung in eines dieser Milieus:


Allerdings sind diese Milieus nicht statisch. Sie verschieben und entwickeln sich. Eine politische Analyse nur auf einen Indikator abzustellen kann darum eigentlich keinen großen Erkenntnisgewinn bringen.

Siehe auch: Theorien des Wahlverhaltens: vier Erklärungsansätze | Wahlen in Deutschland: Grundsätze, Verfahren, Analysen | bpb.de

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Bildung kann ein wenig gegen Populismus helfen, eben weil man den Populismus dank Bildung eher durchschauen kann. Das heißt aber nicht, dass sehr gebildete Menschen keine Populisten wählen würden - natürlich wird ein z.B. sehr intelligenter Erzkonservativer trotzdem einen Populisten wie Trump wählen, nicht unbedingt, weil er auf dessen Populismus reinfallen würde (wobei das auch passiert, weil man eben glaubt, was dem eigenen Weltbild entspricht, auch als gebildeter Mensch!), sondern oft auch, weil er ernsthaft der Überzeugung ist, dass Trump die Gesellschaft in seine Richtung bewegen wird. Der gebildete Konservative wählt daher im Ergebnis das Gleiche wie der ungebildete Konservative, aber oft aus anderen Gründen. Das kann man so letztlich auf alle Bereiche übertragen.

Bildung ist erst einmal dahingehend wichtig, dass sich Menschen überhaupt mit politischen Themen auseinander setzen - mangelnde Bildung (i.d.R. in Verbindung mit Arbeitslosigkeit und Armut) führt in erster Linie zu einer geringen Wahlbeteiligung. Bildung ist aber nur ein Aspekt bei der Frage, zu welcher politischen Einstellung Menschen gelangen. Es ist grundsätzlich schon so, dass Menschen mit hoher formaler Bildung eher Grüne, Linke oder auch FDP wählen als die Gesamtbevölkerung, diese Statistik sagt da sehr viel aus:

Der Grund dürfte sein, dass Menschen mit hoher Bildung eher dazu neigen, Parteien zu wählen, die ihre spezifischen Interessen vertreten (das sind vor allem die GRÜNEN und die FDP, jeweils aus teilweise unterschiedlichen Gründen) und deshalb deutlich weniger SPD, CDU und AfD wählen - diese drei Parteien sind bei Menschen mit hohem Bildungsabschluss deutlich geringer repräsentiert als in der Gesamtbevölkerung.

Warum die AfD hier bei Menschen mit hoher Bildung nur halb so viel Erfolg hat wie in der Gesamtbevölkerung dürfte auch daran liegen, dass Menschen mit hoher Bildung nicht die massiven Abstiegsängste haben, die häufig mit AfD-Wählern verbunden werden. Bildung ist definitiv wichtig, aber kein Allheilmittel - jemand, der klar rechts sozialisiert wurde wird sich auch mit viel Bildung davon nicht befreien können oder wollen, niemand wird durch Bildung automatisch links. Trotzdem kann Bildung zumindest ein wenig gegen Populismus helfen.

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Die Eingangsthese muss man schon ablehnen, da sie, wenn man links-rechts als System mit unendlich vielen graduellen Abstufungen sieht, suggeriert, dass es in der Politik genau eine richtige (die linke) und ansonsten unterschiedlich falsche (weniger linke bis rechte) Lösungen gäbe. Dem ist aber mitnichten so, sondern je nach persönlichen Prioritäten kann man zu verschiedenen Lösungen von Zielfunktionen kommen.

Die Ruanda-Debatte ist für mich dafür ein gutes Beispiel. Linke Menschen verteufeln die Briten dafür. Hört man Fachwissenschaftler wie Koopmans oder Knaus zu - mir ist klar, dass zumindest ersterer nicht unumstritten ist -, dann hört sich das viel differenzierter an als die menschenfreundlich gedachte Linke Position.

Wir müssen uns daran gewöhnen, dass viele Wege nach Rom führen und es nicht diese eine ultimative Lösung gibt. Stattdessen gibt es unterschiedliche Partikularinteressen, deren Priorisierung zu unterschiedlichen gleichwertigen Lösungen führen können.

Edit: Es gab (erwartungsgemäß) per PN Widerspruch zur Ruandathematik als Beispiel. Ich will das hier nicht breit ausführen. Aber die Position beider Fachwissenschaftler ist sinngemäß, dass mit Australien ein ähnliches Modell in den 2000ern funktioniert hat. Dadurch seien dort heute viel weniger Bootstote zu beklagen und Australien hat die gesunkenen Flüchtlingszahlen genutzt, um dafür Menschen über UN-Flüchtlingskontingente aufzunehmen.

Um das deutlich zu machen, das ist nichts was ich mir ausgedacht habe oder präferiere. Mir geht es nur darum, dass linke Personen bei diesem Thema (aus Gründen) eine sehr eindeutige Position einnehmen, während sich Fachwissenschaftler (gut begründet) konträr positionieren.

Am Ende haben beide Seiten wohl ihre Punkte, was belegt, dass es nicht diesen einen offensichtlich richtigen Weg gibt.

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Das ist sicher ein Faktor. Ich möchte hinzufügen, dass viele gebildete Menschen auch eher beruflichen Kontakt zu anderen Kulturen haben dürften, wodurch die Angst vor dem Unbekannten abnimmt.

Daneben ist soziale Ächtung aber auch ein wichtiger Punkt. Wer sich gesellschaftlich ohnehin schon am Rand sieht, hat wenig gesellschaftliche Achtung zu verlieren. Die Hemmschwelle AfD aus Protest zu wählen ist sicher nicht hoch.

Gebildete mit gutem Job haben dagegen oft auch in ein breite(re)s Netzwerk investiert, dass sich aufgrund der sozialen Ächtung durch ein Bekenntnis zur AfD, in Rauch auflösen könnte. Die Hemmschwelle zur AfD Unterstützung dürfte hier ungleich höher sein.

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Ich muss widersprechen. Es gibt eine richtige Lösung. Auch in der Politik. Aber die Schwierigkeit besteht darin, sie zu finden. Denn - wie ich oben bereits ausgeführt habe - kann niemand im vorhinein die Folgen einer politischen Entscheidung (gänzlich) wissen. Wissenschaftliche Erkenntnisse können die Folgen höchstens (mehr oder weniger) gut abschätzen. Damit kommt es letztendlich auf die politische Einstellung an, welcher Weg (auf Grundlage der wissenschaftlichen Fakten) eingeschlagen werden soll. Und bei dieser politischen Einstellung kann und sollte man sehr wohl zwischen links und rechts unterscheiden und diesen grundlegenden Unterschied nicht im Vorhinein unterlaufen, indem man so tut als gäbe es kein richtig oder falsch.

Meines Erachtens ist daher auch das Ruanda-Beispiel denkbar schlecht geeignet. Denn die Beurteilung der wissenschaftlich zusammengetragenen Fakten und die politische Entscheidungsfindung kann nicht von der Wissenschaft gewährleistet werden. Sie ist Kernaufgabe der Politik. Insbesondere aber belegt das Beispiel nicht, dass es nicht den einen richtigen Weg gibt. (Nach derselben Logik könnte man es auch als Beleg dafür ansehen, dass es keine richtige Antwort gibt, wenn einer sagt, dass 1 + 1 3 ergibt, und der andere sagt, dass 1 +1 4 ergibt.) Vielmehr belegt das Beispiel, wie wichtig die Debatte ist, um den richtigen Weg zu finden. Die Behauptung aber, es gäbe keinen richtigen Weg, relativiert die politischen Positionen innerhalb der Debatte im Vorhinein und unterläuft damit die Debatte selbst.

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Glaube die zwei Fragen im Titel sind einfach zwei ganz unterschiedliche.
Sind informierte Leute linker? Nein - aus den genannten Gründen. Dass ggf. mehr informierte Leute linke Parteien wählen könnte schlicht mit der Parteienlandschaft zusammenhängen. Es gibt aber aus meiner Sicht keine überzeugende Argumentation, dass in der Tendenz linke Positionen grundsätzlich intelligenter sind als in der Tendenz rechte Positionen.
Kann Bildung gegen den Rechtsruck helfen? Ja definitiv. Da reden wir aber über das Wählen oder nicht wählen einer rechtsradikalen, in großen Teilen rassistischen und demokratiefeindlichen Partei.

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Da muss ich widersprechen. Ich weiß nicht, ob ich dich richtig verstanden habe, aber der Gedanke, dass es genau eine richtige Lösung gibt - alle anderen also falsch sind, ist das Gegenteil von Politik, die ja gerade dadurch gekennzeichnet ist, dass Menschen mit unterschiedlichen Grundüberzeugungen, Wahrnehmungen, Ansätzen, Abwägungen und Interessen in eine Art Streit oder Wettbewerb miteinander treten. Wenn es genau eine richtige Idee gibt, brauche ich keine Politik mehr, sondern nur noch eine Art Expertenrat, der die findet und umsetzt. Selbst wenn das funktionieren würde, wäre natürlich die Frage, wer denn das entscheidet, auf welcher Grundlage und mit welchem Mandat. Zumindest meine politischen Erfahrungen mit TINA (There is no alternative)-Politik sind da nicht gerade vielversprechend.

Welches Beispiel wäre denn gut geeignet für eine Politik der „einen richtigen Lösung“, wie du sie vertrittst.

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Bildung ist sicherlich hilfreich. Aber das ist das Wesen der Bildung, dass auch andersartige Ergebnisse herauskommen können. Daher ist „Bildung kein Rezept gegen Rechts-Radikalismus“.
Das ist aber keine neue Erkenntnis. So konnte man schon vor Jahren für jede „unsinnige“ Meinung einen Experten (wirklich studierte Personen) finden, der diese „merkwürdigen“ Thesen unterstützten.

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Ich vermute der Gedanke ist, dass es oft eine richtige Richtung gibt, z.B. muss man etwas gegen den Klimawandel machen, und die Aufgabe ist dann, den richtigen Weg zu finden. Dass dieser Weg nicht eindeutig ist, ist klar. Aber die Aufgabe der Politik ist es dann die möglichst (vermeindlich) beste Lösung zu finden.

Nun grundsätzlich kann man sich auf die Wissenschaft verlassen würd ich sagen.

Aber ich bin keineswegs der Ansicht, dass es lediglich einen richtigen Weg gibt und ergänzend der Meinung, dass politischer Diskurs zwingend notwendig ist.

Daraus würde ich gern ein anderes Beispiel ableiten. Wir sind uns (bis auf einige Verlorene) sicher einig, dass wir die Welt schnell auf Netto-Null bringen wollen. Umstritten sind zwischen progressiv-konservativ aber weiterhin

  • der Einsatz von CCS, in dem einige nur den Versuch des Greenwashings sehen
  • ob kleinere große Umweltverschmutzer bei der Transformation vorgehen müssen oder ob Klimaschutz im Gleichschritt passieren muss um effektiv zu sein; das heißt man fordert für jeden eigenen Schritt entsprechend größere Schritte der großen Sünder USA und China
  • ob der Umstieg aufs E-Auto wirklich ein Gewinn ist, sofern der Verbrenner nicht verschrottet wird. Im Zweifel fährt sonst nur jemand anders mit dem Verbrenner rum.
  • und vieles mehr.

Häufig sind die großen Ziele ja gar nicht wirklich umstritten, die Ansätze hingegen schon. Alle wollen sie die Welt retten. Nur können sie sich nicht einigen, wie.

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Eben, man kann. Man muss aber nicht. Selbst wenn es den wissenschaftlich besten Weg gäbe, meinetwegen das gesellschaftliche Leben wie wir es kennen, zu dekarbonisieren, wäre die Entscheidung dafür und die Art und Weise der Umsetzung immer noch eine politische Entscheidung, bei der noch ganz andere Faktoren ins Spiel kommen (z. B. wer will von wem gewählt werden, welche Interessen müssen oder wollen bedient werden etc).
Abgesehen davon arbeiten auch Wissenschaftler mit unterschiedlichen Grundannahmen, Ansätzen, Methoden, Gewichtungen etc., weshalb Wissenschaft immer zu einem gewissen Grad pluralistisch ist. Daher geht die Rede von „der Wissenschaft“ auch meist ziemlich an der Realität vorbei und Versuche, bestimmte Positionen innerhalb einer Wissenschaft zu delegitimieren, indem ihnen die Wissenschaftlichkeit abgesprochen wird, sind meist immanent politisch.

Keineswegs wollte ich eine alternativlose Politik herbeireden. Da hast du mich wohl falsch verstanden. Ich sagte ja in dem von dir zitierten Beitrag, dass es die Debatte braucht, um die richtige Lösung zu finden. Das auch gerade weil in der Politik Entscheidungen getroffen werden müssen, bei denen man erst im Nachhinein wissen kann, ob sie richtig oder falsch sind.
Vielleicht bin ich aber auch mit @turmfalke zu hart ins Gericht gegangen. Natürlich sollten die politische Rechte und die politische Linke in der Debatte die Argumente austauschen und das beste Argument sich durchsetzen. Aber ich halte es für genauso verkehrt, die eigene Position oder die Debatte generell zu relativieren, wie ich eine als alternativlos präsentierte Politik ablehne.

Es gibt also meines Erachtens keine Politik der richtigen Lösung. Aber sehr wohl gibt es politische Entscheidungen, die richtig sind. Die Schwierigkeit ist halt nur, herauszufinden, welche Lösung richtig ist. Und das sollte meiner Meinung nach der Antrieb in der Debatte sein. Eine vorherige Relativierung der Debatte durch die Behauptung, es gibt ohnehin kein richtig oder falsch, birgt die Gefahr eines faulen Kompromisses, im schlimmsten Fall sogar zulasten der richtigen Lösung.

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und keiner möchte anfangen

Aber die Beurteilung, was richtig ist, hängt doch nun mal immer vom Bewertungsmaßstab und von den anderen genannten Größen ab - oder halt im demokratischen Sinne von der Meinung der Mehrheit. Ich finde, das Wort „richtig“ tut so als gäbe es dafür einen einheitlichen oder gar objektiven Maßstab.

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