Projekt „Gold Apollo AR-924“

Zur völkerrechtlichen Einordnung fand ich den folgenden Thread auf X recht interessant.

Der Thread von Elvira Rosert vom 18. September 2024 auf X befasst sich mit einem möglichen Verstoß Israels gegen das Protokoll II der „Convention on Certain Conventional Weapons“ (CCW), indem angeblich Pager, die mit Sprengstoff präpariert waren, gegen Hisbollah-Kämpfer eingesetzt wurden. Sie analysiert die Frage, ob dieser Einsatz gegen das Protokoll verstößt:

  1. Handelt es sich um Sprengfallen?: Rosert argumentiert, dass gemäß Artikel 2 Absatz 4 präparierte Pager als Sprengfallen gelten könnten.

  2. Verstoß gegen das Protokoll?: Sie betont, dass das Protokoll nicht den Einsatz von Sprengfallen an sich verbietet, sondern nur bestimmte Arten von Sprengfallen und deren spezifische Einsätze.

Wichtige Punkte:

  • Artikel 3 Absatz 3: Das Verbot von Sprengfallen, die unnötiges Leid verursachen, greift hier vermutlich nicht, da herkömmlicher Sprengstoff davon nicht betroffen ist.
  • Artikel 3 Absatz 7: Der Einsatz gegen Zivilisten ist verboten, doch in diesem Fall waren die Hisbollah-Kämpfer die Zielpersonen, nicht Zivilisten.

Fazit: Rosert hält es für möglich, dass ein Verstoß vorliegt, jedoch ist es weniger eindeutig, als manche es darstellen.

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Ich bin nicht in der Lage die völkerrechtliche Beurteilung zu führen. Aber diese Pager wurden nur an ranghohe Hissbollah Führungskräfte Funktionsträger und Kader verteilt. Die gesamte Führung ist mit einem Schlag außer Kraft gesetzt worden.

Ich glaube nicht das es jemals eine Aktion dieser Größenordnung gegen eine Terrororganisation gab die einen geringeren Anteil an Kollateralschaden verursacht hat.

Ich fühle mich langsam wie eine Schallplatte mit Kratzer aber auch hier nochmal: Erstens ist diese Behauptung nicht belegt. Zweitens ist Hisbollah nicht nur eine bewaffnete Gruppe, sondern eine komplexe Organisation, die auch nicht-militärische quasi-staatliche Aufgaben wahrnimmt. Teile von ihr lassen sich am ehesten mit den kirchlichen Wohlfahrtsverbänden in Deutschland vergleichen. Insofern gehören zum Führungspersonal eben auch Zivilisten ohne militärische Aufgaben.

Das ist mit extrem großer Sicherheit eine massive Überbewertung des Erfolgs dieser Aktion. Allein, dass es „nur“ zu etwa 30 Toten gekommen ist, sollte ein Hinweis darauf sein, dass nicht alle Ziele Israels auch „ausgeschaltet“ wurden. Sicherlich sind viele verletzt, aber die werden wiederkommen – mit mehr Hass und größerer Motivation.

Am stärksten dürfte der Effekt auf das Funktionieren der Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren der Organisation gewesen sein. Aber vermutlich nur kurzfristig. Es gab ja die Spekulation, dass Israel diesen Angriff als Auftakt für eine größere Militäraktion, vielleicht sogar einen Einmarsch im Libanon nutzen will. Das scheint nicht der Fall zu sein. Insofern wird der militärische Effekt dieser Operation ziemlich schnell komplett verpuffen und hat das vielleicht schon getan.

Für solche Beurteilungen ist es einfach viel zu früh. Wir wissen überhaupt nicht, was das Ziel der Operation war. Insofern können wir ihren Erfolg auch nicht beurteilen. Mal davon abgesehen, dass uns dafür auch die nötigen Einblicke in die Hizbollah fehlen.

So oder so ist die Behauptung aber vermutlich nicht war. Westliche Geheimdienste haben es islamistischen Terrororganisationen in den letzten Jahrzehnten praktisch unmöglich gemacht, komplexe Kommunikation und Finanzierung zwischen Mitgliedern dieser Organisationen durchzuführen. Entsprechend war 9/11 nicht der Auftakt zu einer immer schlimmer werdenden Serie komplexer Anschläge mit enormen Todeszellen, sondern der Höhepunkt.

Heute beschränkt sich der organisierte islamistische Terrorismus im Westen auf „Einsame Wölfe“, die durch Propaganda aus der Ferne radikalisiert werden. Die operative und finanzielle Unterstützung durch Organisationen wie Al Qaeda und den IS ist minimal bis nicht vorhanden. Nicht, weil diese Organisationen es nicht wollen. Sondern weil sie es nicht können.

Und diese Art des Anti-Terror-Kampfes hat keinerlei Kollateralschaden gefordert.

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Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Einschätzung so folgen kann oder möchte. Nach meiner Wahrnehmung, die nur auf Medienberichten (!) der vergangenen Jahre beruht, ist es so, dass die Hisbollah gezielt als „Wohltäter“ auftritt, um die Bevölkerung an sich zu binden. Dabei verhindert sie gezielt die Entwicklung bzw. Aktivitäten von Staaten, UN oder dem Roten Halbmond. Daher tue ich mich wirklich schwer mit der o.g. Gleichstellung zu den Wohlfahrtsorganisationen. Für mich ist das eher eine „besondere“ Abteilung der Terrormiliz.

Schwierige Argumentation, ehrlich gesagt, weil sie letztlich die Unterscheidung von Kombattanten und explizit geschützten Gruppen schwieriger macht. Es gehört glaube ich zur Realität, dass auch „Wohlfahrtsorganisationen“ in einem „Unrechtsstaat“ oft problematisch agieren. So gab es z.B. auch durchaus fragwürdige Kooperationen zwischen dem DRK und dem Nazi-Regime (der DRK-Präsident 1937 war gleichzeitig auch Chef des SS-Sanitätsamtes und an der Euthanasie der Menschen mit Behinderung maßgeblich beteiligt), trotzdem darf daraus nicht folgen, dass das DRK plötzlich „Freiwild“ im Sinne des Völkerrechts wird.

Es wird daher in Situationen wie im Libanon oder im Gaza, wo extremistische Organisationen wie die Hizbollah oder die Hamas starke gesellschaftliche Rollen haben, immer zu einer partiellen Unterwanderung solcher Wohlfahrtsverbände kommen, die natürlich auch dazu dienen soll, das Ansehen der Extremisten zu steigern. Wenn wir das als Grund genügen lassen, Angriffe gegen die „Wohlfahrtsabteilungen“ von Hamas und Hizbollah zu rechtfertigen, wird die Gegenseite auch sagen: „Bei euch Demokraten sind die Wohlfahrtsorganisationen auch in eure Systeme eingebunden und richten sich nach den Werten eurer Systeme, warum sollen wir die also schonen?!?“ - und sie hätten damit einen Punkt. Es darf meines Erachtens beim Schutz von Wohlfahrtsorganisationen keinen „Gesinnungscheck“ geben, das ist ganz gefährliches Terrain.

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Klar, da gehe ich total mit. Ich habe sie ja auch nicht mit den kirchlichen Wohlfahrtsorganisationen „gleichgestellt“, sondern geschrieben, dass sich die Rolle dieses Teils der Hamas am ehesten mit diesen Organisationen vergleichen lässt.

Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass nicht alle Menschen, die der Hizbollah angehören oder ihr zugerechnet werden, bis an die Zähne bewaffnete Terroristen sind. Wir (und die israelische Regierung) tun uns keinerlei Gefallen damit, da einfach alle über ein und denselben Kamm zu scheren.

Nochmal: wir wissen einfach viel zu wenig, um hier mit so krass selbstsicheren Aussagen über die Operation des israelischen Geheimdienstes urteilen zu können. Es gibt aus meiner Sicht zumindest genügend Hinweise darauf, dass sie in Teilen rechtlich und operationell problematisch sein könnte – und damit würde sie sich in eine ganze Serie von Entscheidungen der israelischen Regierung der letzten Jahre einreihen.

Nur um die offenen Fragen nochmal aus meiner Sicht zusammenzufassen:

  • Was war das Ziel der israelischen Operation? Ging es um die Ausschaltung von Führungskadern der Hizbollah? Oder war es eine komplexe Operation zum Sammeln von Informationen zum besseren Verständnis der Hizbollah-Organisations- und Kommunikationsstruktur (z.B. indem Agenten an den Eingängen der Notaufnahmen der Krankenhäuser positioniert und die Identitäten der Eingelieferten registriert)? Oder ging es um reinen Terror gegenüber Unterstützern der Hizbollah? Es sind darüber hinaus sicherlich noch andere Antworten möglich.
  • Welche Alternativen hätte es für das Erreichen der israelischen Ziele gegeben?
  • Wer sind die Opfer? Es gibt eine grobe Zahl der Toten und Verletzten, aber so weit ich weiß keine auch nur ansatzweise vollständige unabhängige Identifikation der Opfer und ihrer möglichen Verbindungen zu Hizbollah.
  • Welchen Effekt hatte die Operation auf die operative Kapazität der Hizbollah?
  • War die Operation in einen größeren Plan eingebetet bzw. haben sich aus ihr positive Sekundäreffekte ergeben? Reine Mutmaßung, aber dass Israel ein paar Tage später zwei hochrangige Kommandeure der Hizbollah umbringen kann, geht vielleicht auf Effekte der Pager-Operation zurück.

Aufgrund der aktuellen sehr dürftigen Faktenlage würde ich persönlich die Operation als durchschlagenden operativen Erfolg bewerten. Gleichzeitig ist die Aktion völkerrechtlich zumindest hoch fragwürdig und wir würden das bei praktisch jedem anderen Land als Staatsterrorismus bezeichnen.

Ganz grundsätzlich halte ich das aber für einen weiteren Beleg dafür, dass die aktuelle israelische Regierung und das israelische Sicherheitsestablishment keinerlei Interesse an irgendeiner Form von „Frieden“ hat. Es ist inzwischen glasklar, dass Netanyahu und Konsorten die Sicherheit Israels und seiner (jüdischen) Bewohner einzig und allein durch aggressive Abschreckung garantieren wollen.

Ich halte das für den falschen und darüber hinaus auch extrem gefährlichen Weg. Der 7. Oktober hat deutlich gezeigt, dass eine Strategie des „Containment“ nur so lange gut geht, wie sie gut geht. Und wenn sie versagt, dann sind die Konsequenzen umso schrecklicher.

Hast du dafür Belege? Dass solche Leute zum Führungspersonal gehören und vor allem durch ihre Funktionen innerhalb der Hesbollah nicht zu Kombatanten werden, also keinen militärischen Aufgaben, sondern nur zivilen nachgehen?

Alleine die Tatsache, dass der iranische Botschafter getroffen wurde (der nach keiner Definition ein legitimes Ziel ist!), zeigt schon, dass in jedem Fall auch unzulässige Ziele unter den Empfängern der Pager waren.

Aber generell: Wie soll man dafür Belege haben? Wer trägt hier bitte die Beweislast?

Wer ein Mittel wie „in multi-use Geräten eingebaute Sprengladungen“ benutzt ist - wenn man es überhaupt als zulässig sehen kann - verpflichtet, sicherzustellen, dass nur Kombattanten getroffen werden. Und das kann man wegen der mangelnden Kontrolle einfach nicht sicherstellen. Im Moment des Versands wird die vollständige Kontrolle abgegeben und im Gegensatz zu regulären z.B. Raketenangriffen liegt zwischen „Verlust der Kontrolle“ und „tödliche Auswirkung“ einfach zu viel Zeit. Es sind zu viele Szenarien denkbar, die zu katastrophalen Folgen führen können.

  • Transportunfälle (weil die zivilen Transportunternehmen nicht mal wissen, dass sie da mit einer Palette Pagern größere Mengen Sprengstoff transportieren)
  • Kinder der Kombattanten, die ihren Vätern den bimmelnden Pager bringen (die Geräte klingelten ein paar Sekunden, bevor sie explodierten!)
  • Zielpersonen, die sich gerade in Mitte von Zivilisten befinden (siehe die Videos aus Supermärkten) oder gar in einem Krankenhaus befinden
  • Zielpersonen, die zum Zeitpunkt der Sprengung gerade ihre Familie im Auto durch die Gegend fahren
  • Einstufung der Pager als „für militärische Zwecke ungeeignet“ und Weiterverwendung in Bereichen, in denen üblicherweise Pager verwendet werden (Krankenhäuser und co.)
  • Überbestellung an Pagern, sodass Teile davon an Krankenhäuser und co. weitergegeben werden

Das Risiko ist hier einfach zu groß, weshalb die Aktion zumindest als völkerrechtlich fragwürdig bezeichnet werden muss. Wir können darüber streiten, ob sie „nur“ fragwürdig oder straight-up „völkerrechtswidrig“ war, aber die Position, dass die Aktion völlig unproblematisch sei, wird denke ich auch in der juristischen Community von nahezu niemanden vertreten. Es war in jedem Fall eine mindestens grenzwertige Aktion.

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Die Hizbollah hat neben dem militärischen Flügel („Jihad Council“) auch einen politischen Arm („Loyalty to the Resistance Bloc“), der mit einer starken Fraktion im libanesischen Parlament vertreten ist. Bei der Wikipedia findet sich auch das Zitat hier:

Hezbollah not only has armed and political wings—it also boasts an extensive social development program. Hezbollah currently operates at least four hospitals, twelve clinics, twelve schools and two agricultural centres that provide farmers with technical assistance and training. It also has an environmental department and an extensive social assistance program. Medical care is also cheaper than in most of the country’s private hospitals and free for Hezbollah members.

Hast du Belege dafür, dass die leitenden Kader dieser Teile von Hizbollah nicht nur rein zivile Aufgaben wahrnehmen?

Ich halte es aufgrund der Komplexheit der Hizbollah und dem, was wir bisher über die Opfer der Pager-Detonationen wissen für extrem unwahrscheinlich, dass alle Eigentümer dieser Geräte in die militärische Seite der Organisation eingebunden waren. Und ich bin zu 100% davon überzeugt, dass der israelischen Regierung diese Unterscheidung komplette egal ist. Dort interpretiert man meiner Ansicht nach jeden Angehörigen der Organisation als grundsätzlich legitimes Ziel.

Ganz ehrlich: die israelische Führung hat in den letzten Monaten und Jahren so viele nach näherer Betrachtung der Faktenlage völkerrechtswidrige und friedenspolitisch desaströse Entscheidungen getroffen, dass meiner Ansicht nach die Rechtfertigungspflicht auf Seiten jener liegt, die diese Art von Operationen verteidigen. Für einen einigermaßen ehrlichen Beobachter ist es meiner Ansicht nach Offensichtlich, dass Israels Führung versucht, die Sicherheitsprobleme des Landes mit dem Vorschlaghammer zu lösen. Das Völkerrecht spielt bei diesen Überlegungen meiner Ansicht nach nur noch insofern eine Rolle, wie man es sich mit den wichtigsten Partnern (vor allem den USA) nicht komplett verscherzen will. Insofern muss man es den westlichen Partnern zumindest ermöglichen, das Vorgehen Israels im Ansatz als völkerrechtskonform zu verteidigen.

Was nicht heißt, dass sich Israels Gegner völkerrechtskonform verhalten. Aber „die anderen machen es doch auch“ ist nunmal in keinem Rechtssystem eine wirksame Verteidigung.

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Jeder, der einfach Behauptungen ins Feld führt? Sonst behauptet der nächste einfach das Gegenteil.

Wenn der iranische Botschafter bei einem gezielten Angriff (z.B. mittels Drohne) ums Leben kommt, weil er eine Kampfeinheit der Hesbollah besucht hat, und Israel diese ausschalten wollte - war er dann auch illegitim? Nur weil eine Person x getroffen wurde, lässt das nicht auf die Rechtmäßigkeit einer Aktion schließen. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Ist der iranische Botschafter eventuell nicht auch gleichzeitig ein militärisches Mitglied der Hesbollah? Was sagt das Völkerrecht dazu?

Dann müsste die Gegenseite erst einmal belegen, dass die Pager mit Sicherheit nur an zulässige Ziele verteilt wurden - denn diese Behauptung forderst du auf, zu widerlegen. Wie soll man etwas widerlegen, für das es selbst keine Beweise gibt, das selbst nur auf den Aussagen einer der Konfliktparteien beruht (natürlich sagt Israel, dass die Pager nur für die Hizbollah-Führungsriege bestimmt gewesen seien…)

Botschafter sind ganz grundsätzlich völkerrechtlich geschützt - auch wenn das teilweise für z.B. Spionage missbraucht wird. Das ändert aber nichts an dem Schutz der Institution des Botschafters beziehungsweise der Institution „Botschafter“. Also ja, Angriffe auf Botschafter sind immer völkerrechtswidrig, auch, wenn sie als Kollateralschäden im Rahmen einer Abwägung akzeptiert werden, wie es bei deinem Beispiel der Fall wäre. Hier wäre die Antwort: Der Angriff auf die Kampfeinheit der Hizbollah hat zu erfolgen, nachdem der Botschafter abgereist ist.

Doch, wenn das Argument der einen Seite ist „Die Aktion ist legitim, weil wir sicherstellen konnten, dass die Pager nur von legitimen, militärischen Ziele genutzt wurden“ und der Fall des Botschafters ein klarer Beweis dafür ist, dass auch nicht legitime Ziele diese Pager genutzt haben, fällt die Legitimitäts-Argumentation in sich zusammen.

Stell dir einfach vor, Russland hätte so eine Aktion in der Ukraine gebracht und der deutsche Botschafter in der Ukraine wäre davon getroffen worden. Natürlich würden wir Russland in diesem Fall vorwerfen, ein nicht-legitimes Mittel genutzt zu haben, natürlich würden wir sogar von Staats-Terrorismus reden. Völkerrechtlich darf man nicht den Fehler machen, die moralische Bewertung der Aktionen mit der moralischen Bewertung der beteiligten Parteien zu vermischen. Genau das geschieht hier aber, und genau das führt dann wieder zu - durchaus berechtigten - Vorwürfen der Doppelmoral gegenüber dem Westen.

Warum ist es für manche Menschen so schwer, diese Aktion zu kritisieren?

Wenn es dafür Beweise gäbe, könnte man darüber diskutieren, dass der Botschafter dann kein Botschafter im Sinne des Völkerrechts mehr wäre. Aber das wäre zu beweisen, bevor man ihn verstümmelt - aus offensichtlichen Gründen - und das ist nicht geschehen.

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IANAL, aber deutsche Gerichte stufen die Hisbollah ebenfalls als terroristische Vereinigung ein. Würde damit nicht jedes leitende Mitglied, egal ob Kommandosoldat oder Chefarzt, bei einer Einreise festgenommen werden?

Eine terroristische Vereinigung ist nunmal das. Bei der Waffen SS gab es auch Seelsorger. Neulich erst wurde eine Sekräterin der SS wegen Beihilfe zum Mord schuldig gesprochen. Nur weil jemand den leitenden zivilen Aufgaben einer Terrororganisation nachgeht, ist er nicht weniger Terrorist.

Mitglied einer Terrororganisation zu sein hat nicht zwangsläufig zur Folge, auch den Status als Kombattant zu erhalten und damit ein legitimes Ziel für Tötungs- und Verstümmlungsaktionen zu sein.

Das ist auf vielfache Weise problematisch.
Auch die SS-Sekretärin im KZ war keine Kombattantin und eine gezielte Tötungsaktion oder ein gezieltes Erschießen bei der Erstürmung des KZ wäre ein Kriegsverbrechen. Das hat nichts mit der strafrechtlichen Aufarbeitung zu tun, du vermischst hier völlig die Ebenen des „Rechts im Krieg“ (wer darf legitim mit Gewalt bekämpft werden) und des „Rechts außerhalb des Krieges“ (wer kann nach dem Krieg strafrechtlich verantwortlich gemacht werden). Beides sind völlig andere Ebenen.

Dein Beispiel ist außerdem problematisch, weil der SS-Seelsorger, der sich tatsächlich nur - wie jeder Militärseelsorger - um das seelische Leid der Soldaten an der Front gekümmert hat, in der Regel nicht mal strafrechtlich zu belangen wäre, ähnlich eben, wie der durchschnittliche Wehrmachtssoldat. Kriegsteilnehmer strafrechtlich zu belangen ist nur im Rahmen von konkreten Kriegsverbrechen möglich, im Fall der Sekretärin, weil sie wusste, was im KZ passiert, und dies durch ihre Arbeit mit-ermöglicht hat, sie sich daher an einem riesigen Kriegsverbrechen beteiligt hat.

Das führt aber auch alles recht weit vom Thema weg - wobei, eigentlich nicht, weil es ja auch im Thema genau um diese Unterscheidungen geht: Wer darf mit militärischer Gewalt ausgeschaltet werden und wer nicht? Die Sektretärin und der Seelsorgen, die du ansprichst, dürften jedenfalls beide nicht mit militärischer Gewalt ausgeschaltet werden, weil sie beide zweifellos keine Kombattanten sind.

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Ich verstehe nicht ganz, warum es zu diesem Thema zwei Threads gibt, in denen mehr oder weniger dasselbe diskutiert wird, siehe etwa die Einschätzungen von Ronen Steinke hier Terrorakt oder normale Verteidigung (auch LdN 398) - #45 von TilRq
Generell finde ich mal wieder bemerkenswert, dass bei (mutmaßlichen) Aktionen israelischer Sicherheitsorgane jedes rechtliche Detail haarklein diskutiert wird, während einzelne militärische Handlungen anderer Kriegsparteien höchst selten überhaupt thematisiert werden.
Auch keine Rede davon, dass die Hisbollah spätestens seit einer einstimmigen Resolution des UN-Sicherheitsrates von 2006 komplett entwaffnet werden sollte.
Am Freitag gab es einen weiteren Angriff auf hochrangige Hisbollah-Kommandeure, die nach Angaben von Al-Monitor einen Angriff mit Bodentruppen auf Israel geplant haben, der nach Angaben des israelischen Militärs wohl dem Muster des 7. Oktober folgen sollte (sprich: wahllose Ermordung von Zivilisten, Geiselnahmen etc.).
Aber Hauptsache man redet - ohne natürlich irgendwelche tatsächlich konkreten Informationen zu haben - darüber, ob nicht auch in Einzelfällen Personen verletzt worden sein könnten, die minderjährig oder weiblich sind, die einen iranischen Dipolmatenpass oder eine medizinische Ausbildung haben - was bei solchen Milizen im Unterschied zu regulären Armeen natürlich überhaupt nicht per se ausschließt, das sie nicht auch in militärische Aktivitäten der Hisbollah involviert (aka Kombattanten) sind.

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Diesen Strohmann kann ich echt nicht mehr hören. Das wird jedes Mal genannt, und jedes Mal wird das korrekte Gegenargument genannt, warum dieses Argument sinnlos ist.

Niemand hier oder sonstwo im demokratischen Spektrum bestreitet, dass die Hizbollah eine bösartige Terrororganisation ist, die regelmäßig das Völkerrecht bricht. Gleiches gilt für die Hamas, den Iran, Nordkorea und mittlerweile auch Russland. Und weil es dort keine Diskussion gibt, ist es auch nicht nötig, jeden Terrorakt von Hamas, Hizbollah und co. im Detail zu analysieren: Weil wir uns alle bereits einig sind, dass diese Aktionen völkerrechtswidrig sind.

Mich überrascht es daher viel mehr, dass man bei (nahezu bewiesener!) israelischer Urheberschaft hingegen sofort reflexartig die Ebenen der moralischen Bewertung der Mittel und der moralischen Bewertung der Akteure vermischt, indem man ein Mittel, dass man sofort verurteilen würde, wenn die Hamas oder die Hizbollah es einsetzen würde, plötzlich doch irgendwie akzeptabel findet. Und genau deshalb kommt es bei israelischer Urheberschaft solcher Aktionen zu diesen Diskussionen: Hätten Hamas oder Hizbollah diese identische Aktion durchgezogen, wären wir uns alle einig, dass es völkerrechtswidrig ist und wir würden das nicht mal diskutieren, weil es keine Gegenrede gäbe. Aber wenn Israel diese Aktion durchzieht, gibt es Gegenrede im Hinblick auf die Völkerrechtswidrigkeit und folglich auch diese Diskussionen.

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Dass es die Diskussionen über Militäraktionen von Hamas, Hisbollah & Co. nicht gibt, bestätigst du ja selbst. Warum soll es dann ein „Strohmann“ sein, wenn ich genau das feststelle.
Welche Diskussionen über was wie „nötig“ sind, kann man ja durchaus unterschiedlich bewerten.
So könnte man z. B. aus der Einschätzung, dass das Handeln der genannten Akteure per se völkerrechtswidrig ist, auch ableiten, dass dieses um so stärker kritisiert gehört.

Hier wird die Argumentation m. E. widersprüchlich, denn über einzelne völkerrechtswidrige Aktionen von Hamas oder Hisbollah wird ja - s. o. - gerade nicht diskutiert und es gibt auch nur selten eine Verurteilung.

Ich will hier auch gar nicht die 47. Grundsatzdiskussion führen, sondern wollte einfach mal einen etwas anderen Blick auf die hier gerade stattfindene Diskussion teilen. Meine Sichtweise muss ja niemand toll finden, geschweige denn übernehmen, aber sie als „sinnlos“ oder „Strohmann“ abzukanzeln, finde ich ehrlich gesagt etwas übertrieben.

Das ist sehr schwieriges Terrain.
Wenn ich nämlich nur die Taten einer Seite kritisiere, ergibt sich beim sich Informierenden ein Ungleichgewicht. Das muss nicht mal bewusst geschehen. Und plötzlich werden in Diskussionen die Untaten der Unrechtstaaten heruntergespielt und die Untaten des Rechtsstaates überbewertet.