LDN 395 - Migration: Kann Deutschland Geflüchtete an seinen Grenzen zurückweisen?

Friedrich Merz sagte, er wolle mit den Regierungsparteien erst reden, wenn er „eine schriftliche Zusage erhält, dass ‚irreguläre‘ Migranten schon an der Grenze zurückgewiesen werden.“
Ich hatte da direkt den Impuls, eine Strafanzeige zu erstatten. Da nicht jeder ohne Aufenthaltstitel, EU-Staatsbürgerschaft oder Touristenvisum nach geltendem Recht abgewiesen werden dürfen und dies nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern das Vorenthalten von Grundrechten darstellt, wäre das für mich eine Aufforderung zu einer Straftat. Seitdem trage ich es mit mir herum.
Wahrscheinlich werden Politikerregelung anders bewertet, sonst müssten ja jede Woche Strafanzeigen gegen (nicht nur) AfD-Politiker eingehen. Und für mich ist der Aufwand zu hoch.
Wäre aber vielleicht ein schönes Signal, wenn eine Organisation wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte oder eine Flüchtlingsorganisation medienwirksam so eine Strafanzeige stellen würde.
Dass es der ganzen CDU bewusst ist, dass so eine Zurückeinweisung illegal ist, sieht man schon daran, dass Unionspolitiker sich damit rechtfertigen wollen, dass es nicht sein könne, dass Deutschland das einzige Land sei, dass sich an die Gesetze halten würde.

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Würde aber nichts nützen, da das Gericht ja nicht die Frage der Abweisung, sondern die Frage, ob so eine Aussage getätigt werden darf, bewerten würde.
Und dann würde ein Freispruch nur denen nutzen, die diese Aussagen befürworten.

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Gegen welche strafrechtliche Norm soll er denn damit verstoßen haben? „Aufforderung zum Rechtsbruch“ ist m.W. keine Straftat und „Aufforderung zur Straftat“ ist das nicht.

Zur Rechtslage zum Zurückweisen:

Meines Wissens wird das ja schon an den Grenzen zu Tschechien und Österreich getan.

Quelle: Grenzkontrollen in Bayern: Jeder Zweite wird zurückgeschickt - Bayern - SZ.de

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Zu dem, was da RA Tommeten erklärt:

Die Dublin-III-Verordnung ist eine innereuropäische „Vereinbarung zwischen EU-Staaten“ darüber, welcher Staat für einen Flüchtling zuständig ist: Derjenige, in den der Flüchtling als ersten EU-Staat eingereist ist - egal, ob er dort Asyl beantragt hat oder nicht.

Allerdings sind Zurückweisungen an der Grenze von Menschen, die Asyl suchen, erst zulässig, wenn geprüft wurde, welcher Mitgliedsstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

Oberflächlich mag man denken: Jeder, der von Österreich nach Deutschland kommt, kommt aus einem sicheren Staat. Was ist da zu prüfen? Nun, es muss eben nicht geprüft werden, ob er aus einem sicheren Staat kommt, sondern welcher EU-Staat für den Flüchtling zuständig ist.

Wenn also ein Mensch die Deutsch-Österreichische Grenze überquert, heißt das meistens nicht, dass Österreich für ihn zuständig ist. In aller Regel sind für die Asylverfahren nicht die deutschen Nachbarländer zuständig, sondern die Mitgliedsstaaten an den EU-Außengrenzen. Es könnte auch z.B. Ungarn sein. Nach diesem Tagesschau-Artikel muss das sogar ein Verwaltungsgericht prüfen. Dann muss sich Deutsch mit Ungarn in Verbindung setzen und die Zurückführung direkt nach Ungarn abstimmen. Ein Zurückweisen an Deutschen Grenzen ist also schon nach DublinIII nicht möglich.

Dazu kommt die Genfer Flüchtlingskonventionen von 1951, die die die Dublin-Verordnung gar nicht kennen. Sie verbietet, Flüchtlinge in ein Land zurückzuweisen, in dem sie Verfolgung befürchten müssen. Im Ergebnis muss wohl Deutschland sicherstellen, dass durch die Zurückweisung keine Kettenabschiebungen erfolgen. Bei korrekter Anwendung von Dublin-III durch alle EU-Staaten sollte das gewährleistet sein. Aber Deutschland weiß ganz genau, dass Dublin-III von vielen EU-Staaten (v.a. solchen an der EU-Außengrenze) faktisch nicht mehr angewendet wird.

Politiker, die zurückweisen wollen, müssen sich daher aussprechen für

  • Änderung oder Aussetzen von Dublin III
  • Änderung oder Austritt aus den Genfer Flüchtlingskonventionen

(Transparenzhinweis: Ich bin kein Jurist, schon gar kein Fachanwalt für Flüchtlingsrecht. Sollte ich falsch liegen, bitte ich um Hinweis durch Menschen mit entsprechendem Background).

Ohne es juristisch prüfen zu können: Ich habe gehört, dass es sehr wohl Menschen gibt, für deren Verfahren Deutschland zuständig sein kann, wenn sie z.B. Angehörige in Deutschland haben. Welche Bedingungen genau dann erfüllt sein müssen, weiß ich natürlich nicht. War das nicht sogar in der LDN?

Danke für die Klarstellung,
als Nicht-Jurist bin ich ganz naiv davon ausgegangen, dass wenn man Menschen systematisch Grundrechte (Antrag auf Asyl zu stellen) verwehrt, sei dass eine Straftat. Und Friedrich Merz hatte ja nicht nur aufgefordert, sondern sogar als ultimativ gefordert, dass dass alle irregulären (nicht illegale) Migranten an der Grenze zurückgeschickt werden sollen - und zar ohne die Möglichkeit einer gerichtlichen Prüfung, welcher Staat dafür zuständig ist.
Für mich klingt das ebenso nach Straftat, wie die Praxis in Teilen der Frontex - Flüchtlingsboote wieder in internationale Gewässer zu schleppen oder zu drängen. Aber um im Rahmen zu bleiben, es gibt noch einen großen Unterschied, da bei der Zurückweisung an einer deutschen Außengrenze nicht erkennbar eine unmittelbare Lebensgefahr besteht.

Niederlande hat einen Sonderstatus beantragt, wie ihn in ähnlicher Form auch Dänemark hat. Dies könnte zu einem Vorbild für die Union werden.

Irgendwie zum Kotzen.
Da sitzen wir auf einem Luxusliner mit Kabinen bis zu 100m² und allem PiPaPo - zugegeben nicht alle Passagiere haben es so bequem und schreien, „Das Boot ist voll!“ und stoßen die untergehende Nuss-Schale wieder weg. Und das soll nicht strafbar sein?
„wir“, denn außer ein paar kleinen Spenden unternehme ich zugegebenermaßen auch nicht vioel dagegen.

Das ist das große Problem der „westlichen Perspektive“ auf Migration.

Der globale Norden hat durch Ausbeutung des weniger entwickelten globalen Südens und Nutzung global begrenzter Rohstoffe (z.B. im Hinblick auf den CO2-Ausstoß) massiv an Wohlstand gewonnen. An diesem Wohlstand wollen nun Menschen aus dem globalen Süden teilhaben. Das würde aber für den Norden einen „Abstieg“ vom gewohnten Luxus bedeuten - nicht nur, dass man nicht mehr so stark vom Nord-Süd-Gefälle profitieren kann (dh. das klassische „billige Rohstoffe werden importiert, teure Industrieprodukte exportiert“ wird stärker hinterfragt), sondern es wollen auch noch Menschen aus dem Süden jetzt hier im Norden an unserem Reichtum teilzuhaben.

Darauf reagieren die Konservativen dann mit „Wir können nicht die ganze Welt retten“, stellen sich also auch noch als „Retter“ und die Gegenseite als „Bittsteller“ dar.

Ich kann es durchaus nachvollziehen, dass man, wenn man an den Luxus der vergangenen Jahrhunderte gewohnt ist, nur schwer bereit ist, das auch nur ein Stück weit aufzugeben. Aber wenn man über „globale Gerechtigkeit“ spricht, wird man darum nicht herum kommen. Dann aber plärren die Rechtspopulisten von Höcke bis zu Trump wieder, dass „unser Land ja im Abstieg sei“ und „wir etwas dagegen tun müssten“. Was diese Leute tun wollen, ist, den ungerechten Status Quo aus der (Post-)Kolonialzeit, an den wir uns gewöhnt haben, gegen den Süden zu verteidigen, durch massive Abschottung und eine „Mein Land Zuerst“-Politik. Und leider verfängt das bei vielen Menschen - denn wenn die Menschen sich zwischen „Moral“ und „mehr Luxus“ entscheiden müssen, werden nicht wenige der Moral den Rücken kehren.

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Naja noch hat Herr Merz niemandem etwas verwehrt, er hat etwas gefordert und Forderungen, auch wenn sie nicht besonders klug oder sogar illegal sind, sind in aller Regel von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Wäre Herr Merz Kanzler und würde (über das Innenministerium) der Bundespolizei die Weisung geben, Personen an der Grenze zurückzuweisen, dann könnte man dagegen klagen. Aber auch das wäre erstmal keine Strafanzeige sondern ein Verwaltungsverfahren. Erst wenn ein Gericht entschieden hätte, dass die Rückweisungen illegal sind und Herr Merz als Bundeskanzler, sich weigern würde seine Weisung zurückzunehmen, dann kämen wir vielleicht in den Bereich der Rechtsbeugung oder des Amtsmissbrauchs und damit einer Straftat.

Aber grundsätzlich sind politische Forderungen erstmal von der Meinungsfreiheit geschützt und das ist auch gut so. Ausnahmen gibt es nur in Extremfällen bei konkreten Aufforderungen zu Straftaten (also „Du da, raub für mich den Laden aus“ ist illegal, aber nicht „ich verlange, dass das Ausrauben von Läden erlaubt wird“) oder bei Volksverhetzung. Aber auch diesen Straftatbestand erfüllt Herrn Merz Forderung nicht.

Die Frage ist, ist das geforderte eine Straftat, Wenn ich von einem hochrangigen Poltiker einfach nur fordern würde, er solle sich darum kümmern dass ich keine Steuern mehr zahlen soll, wäre das vielleicht noch in Ordnung. Wenn ich fordere, dass er die bestehende Steuerforderung löschen (oder verjähren) lässt - und nur dann würde ich die Hälfte des Betrages seiner Partei spenden (und ihm vielleicht noch persönlich einen billigen private Hauskredit gewähren), sollte ich ich mit einem Ermittlungsverfahren wegen Bestechung und vielleicht auch wirklich zur Aufforderung einer Straftat rechnen.
Und wenn ich zur Tötung oder Körperverletzung auffordere sowieso.
Also nicht jede politische Forderung ist einfach eine Meinungsäußerung, besonders wenn sie als Vorbedingung für eine Gegenleistung (Teilnahme an wichtigen Gesprächen) vorgebracht wird.

Dabei kommt es ganz vorwiegend auf die Verwerflichkeit an, also auf die Zweck-Mittel-Relation. Verspreche ich einer Partei Geld (oder andere finanzielle Vorteile) für eine politische Gegenleistung ist das ganz klar Bestechung, Fordere ich hingegen eine politische Gegenleistung dafür, politisch überhaupt in’s Gespräch zu kommen, ist das im Rahmen der Demokratie kaum als „verwerflich“ zu sehen. Also es ist wohl relativ übliches Verhandlungsgeschehen, dass man vor der Verhandlung schon versucht, Pföcke einzuschlagen. Es geht in diesem Fall ja darum, dass zwei politische Lager ihre Forderungen durchsetzen wollen, nicht darum, dass sich jemand persönlich oder sonstwie illegal bereichern wollen würde.

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Was ja erst noch zu beweisen wäre. Denn zumindest junge Menschen aus dem globalen Süden würden, so lange sie hier bleiben, unsere Gesellschaft ja mit tragen. Die Frage ist eher ob es genug Arbeit für alle gibt, denn aktuell haben wir mehr Arbeitssuchende als Arbeitsplätze deutschlandweit.

Sorry aber deine Vergleiche sind ziemlich wirr. Ich finde die Forderung von Herrn Merz falsch, aber sie erfüllen völlig eindeutig und und unbestreitbar keinerlei Straftatbestand. Ich verstehe deine Wut über die Forderungen von Herrn Merz, aber das Strafverfolgen zu wollen macht keinerlei Sinn. „Vorenthalten von Grundrechten“ ist keine Straftat, entsprechend kann auch die Forderung jemandem Grundrechte vorzuenthalten, keine Aufforderung zu einer Straftat sein.

Können wir diese Diskussion bitte schließen?

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Du kannst ja gerne aussteigen. Oder versuchen, mir zu erklären, was der Unterschied zwischen den verschiedenen Grundrechten ist.
Wahrscheinlich muss auch für jedes Grundrecht ein Paragraph im Strafgesetzbuch stehen. Aber dass das Vorenthalten eines Grundrechts keine Straftat ist, stimmt so nicht.
Wenn die Feuerwehr sich weigert, bei Bränden an bestimmten Adressen auszurücken, nur weil der Eigentümer im Streit mit dem Leiter der Feuerwache steht, oder es sich um bestimmte Menschengruppen handelt, die dort wohnen, enthält sie diesen das Grundrecht auf Unversehrtheit von Leib und Leben und des Eigentums vor und ich bin sicher, da gibt es einen Paragraphen.
Und so gibt es sicher viele Beispiele für Ärzte, Rettungskräfte oder auch Verwaltung oder auch bei Einzelpersonen (unterlassene Hilfeleistung), bei denen das Vorenthalten eines Grundrechts einen Straftatsbestand darstellt. Wenn Du als Fachmann erklärst es gibt weder den Straftatsbestand „Vorenthalten eines Grundrechts“, noch „Asylrechtsansprüche ohne Prüfung zu unterbinden“ im StGB und so etwas braucht man für den Begriff „Straftat“, schläft die Diskussion wohl bald ein.
Aber ohne Begründung zu behaupten, dass sei keine Straftat und basta, bringt mir nicht viel.
Und wenn es tatsächlich keine Straftat ist, Flüchtlingsnussschalen wieder auf Meer außerhalb des Hoheitsgebietes zu schleppen um kein Asylverfahren durchführen zu müssen, wird es wohl Zeit, etwas zu ändern.
Aber Du hast Recht, das hat schon lange nichts mehr mit Friedrich Merz zu tun, sondern eher etwas mit Humanität und nationalen oder internationalen Gesetzen.