Zu geringe Forschungsausgaben für postvirale Erkrankungen (ME/CFS, LongCovid, PostVac)

Liebes Lage-Team, liebe Community

Ich würde gerne für eine zukünftige LdN erneut das Thema ‘Umgang mit postviralen Krankheiten in Deutschland’ vorschlagen.

Zu diesen postviralen Krankheiten zählen vor allem:

  • ME/CFS (tritt nach Borreliose, EBV-, CMV-/Herpesinfektionen)
  • LongCovid (Langzeitfolgen von Coronaviren, sehr ähnlich zu ME/CFS)
  • Post-Vac (sehr seltene Impfnebenwirkung nach Covidimpfung, ähnlich zu LongCovid, seien an dieser Stelle mit erwähnt, um das Thema nicht den Impfskeptikern/Querdenkern zu überlassen, allerdings tritt Post-Vac natürlich sehr sehr viel seltener auf als LongCovid)

Die wichtigsten Symptome umfassen 1:

  • Schwere Fatigue (Erschöpfung, nicht gleichzusetzen mit Müdigkeit)
  • Belastungsintoleranz (Post-exertional-malaise, PEM)
  • Muskel/Gelenkschmerzen
  • Kopfschmerzen
  • Brain-Fog
  • Konzentrationsprobleme
  • Synkopen
  • Immunologische Dysregulationen
  • Tachykardien
  • Palpitationen
  • Gastrointestinale Beschwerden

Betroffen von postviralem ME/CFS waren präpandemisch mindestens 300.000 Menschen (vergleichbar mit MS) in D erkrankt 2, davon über 60% arbeitsunfähig 2.


Die Einschränkung der Lebensqualität ist gleichzusetzen mit der von MS-Erkrankten. Durch Covid und LongCovid wird sich diese Zahl mindestens verdoppeln (konservative Schätzung). Laut jüngsten Auswertungen von Krankenkassendaten wurden in den ersten 9 Monaten des Jahres 2022 in Bayern und Baden-Württemberg 350.000 bzw. 320.000 gemeldet 3, 4.

Was tut die Bundesregierung also, um dieses gesundheitliche, menschliche aber vor allem wirtschaftliche Problem anzugehen? Das SPD-geführte Gesundheitsministerium möchte eine Hotline einrichten und das FDP-geführte BMBF beruft sich jüngst auf 2021 getätigte Forschungsausgaben von 16,5 Mio, mit denen ja eine gute Versorgung gesichert sei. 2022 wurden deshalb die meisten Förderanfragen abgelehnt.

Die Realität von ME/CFS-, LongCovid, Post-Vac-Erkrankten sieht leider so aus:

  • Wartezeiten von mehreren Monaten in Spezialambulanzen für LongCovid-Betroffene
  • 2(!) Anlaufstellen in ganz Deutschland für ME/CFS-Betroffene ohne COvid-Beteiligung (davon eine nur für Kinder, die andere nur für Menschen aus dem Berliner-Umland)
  • HausärztInnen kennen die Krankheit im besten Fall zwar aber können auch nicht helfen und im schlechtesten Fall wird alles auf die Psyche geschoben und zu Sport geraten (bei ME/CFS stark kontraindiziert)
  • Medikamente sind offiziell keine zur Behandlung zugelassen, Studien werden nicht oder kaum finanziert.
  • Hunderttausende vegetieren in ihren Betten/Wohnungen dahin und stehen dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung. Fachkräftemangel lässt grüßen.
  • Das Medizinstudium behandelt postvirale Erkrankungen kaum bis gar nicht (selbst getestet als Medizinstudent)

Die US-Regierung hat die Dringlichkeit des Problems erkannt und 2022 1 Mrd. USD [5] für die LongCovid-Forschung bewilligt. Auf Deutschland umgerechnet wären das Ausgaben von über 100 Mio. Euro. Die Dringlichkeit der Erforschung von LongCovid sowie ME/CFS ist auch im Ampel-Koalitionsvertrag festgehalten, passiert ist allerdings bisher wenig.

Vielversprechende Medikamente und Verfahren wie z.B. der Wirkstoff BC007 6, 7 oder Immunadsorptionen (vgl. Dialyse) sind bei deutschen Firmen patentiert und benötigen niederschwellige Finanzierung und Förderung, ähnlich der Impfstoffentwicklung, um bisherige Erfolge in großen Zulassungsstudien zu beweisen. Doch im Gegensatz zur Impfstoffentwicklung zeigt sich das BMBF hier sehr verhalten, was die Förderung angeht. Dabei ist die Rechnung eine einfache: Bekommen wir die hunderttausenden arbeitsunfähigen (überwiegend) jungen Betroffenen wieder fit, können sie dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Abgesehen natürlich von der offensichtlichen Motivation, dieses unglaubliche Leid, das diese Erkrankungen verursachen, zu stoppen.

Ich selbst bin Betroffener seit knapp 1,5 Jahren, vorher war ich Medizinstudent und IT-Werkstudent, habe viel Sport gemacht und mich in der Flüchtlingshilfe engagiert. Heute kann ich keine 500m gehen und muss von meinen Eltern gepflegt werden. Ich will wieder leben!

Für mehr Infos schaut gerne auf Was ist ME/CFS? — Deutsche Gesellschaft für ME/CFS

Quellenverzeichnis:

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Ein sehr wichtiges Thema, das jeden Tag dringender wird und viel zu wenig Präsenz in den Medien findet. Ein gigantischer Schaden für die Volkswirtschaft und unbeschreibliches Leiden der Betroffenen.
Die Menschen werden alleine gelassen, glücklich kann sich schätzen, wer jemanden hat der ihn pflegt. Einen Pflegegrad bekommen Betroffene jedoch meistens nicht, weil die Begutachter genauso wie die meisten Ärzte keine Ahnung von dieser Krankheit haben.Es werden immer noch Aktivierungstherapien von Ärzten und in Rehas empfohlen, die nachgewiesen schädlich für den Krankheitsverlauf sind.
Auch viele Kinder sind betroffen, die ihre Kindheit im dunklen Zimmer mit Noise Canceling Kopfhörern verbringen, weil es nicht anders zu ertragen ist.

Die 16,5 Mio Euro für Forschung sind ein Witz, wenn man bedenkt, dass der volkswirtschaftliche Schaden in Deutschland auf 74 Milliarden Euro geschätzt wird (Quelle:7,4 Milliarden Euro könnte ME/CFS die deutsche Volkswirtschaft jedes Jahr kosten)

Auf Instagram häufen sich die Accounts von Betroffenen, die, bisher ignoriert, versuchen, die Aufmerksamkeit auf Ihr Leiden oder Dahinvegetieren zu ziehen.Bspw. [
martin_mit_me
nichtgenesenkids
goodbyepostcovid
long_covid_kids
crashi_me_cfs
longcoviddeutschland und noch Unmengen mehr. Viele betroffene sind gar nicht mehr in der Lage, auf Instagram aktiv zu sein.
Die Menschen verschwinden aus dem Leben und werden einfach vergessen.

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