Wollte Stark-Watzinger unliebsamen Profs die Förderung streichen?

Ich wäre überrascht, wenn da eine Begründung herauskommen würde, die nicht zu Lachkrämpfen führt. War ja auch in der LdN Thema. Die Fachebene hat ja zurückgeschrieben, dass das eine dumme Idee ist. Ich glaub, man muss intern auch mal eine dumme Idee haben dürfen.

Diese dumme Idee hätte man aber in einem 5-Minuten-Gespräch bei einer Tasse Kaffee mit dem Verfasser der ersten Antwortmail (Zitat: „Ich bin etwas verdutzt…“) abräumen können. Stattdessen wurden gleich mehrere Referatsleiter in den Mailverkehr mit reingezogen. Ich finde das ist schon mehr als eine dumme Idee.

An dieser Stelle einen Dank an Ulf & Philipp für die Behandlung des Themas in der aktuellen Lage. Ich fand es besonders gut, dass ihr die generelle Abhängigkeit der Forschung (und übrigens häufig auch der Lehre) von sogenannten Drittmitteln noch mal so hervorgehoben habt. Und da muss man deutlich sagen, dass ist ein Umstand, den die FDP natürlich nicht geschaffen hat, aber der zu einer FDP-Ministerin passt wie A… auf Eimer.
Gut fand ich auch, dass ihr auf die strafrechtliche Einordnung durch das BMBF eingegangen seid, weil die ja auch hier im Thread kontrovers diskutiert wurde.
Auch was das Krisenmangagement der Ministerin (wenn man es überhaupt so nennen mag) angeht, gehe ich mit Euch mit. Ich habe vorher nichts von ihr gehalten und halte nun noch weniger von ihr.
Ich würde auch die Art und Weise, in der sie den Offenen Brief kritisiert hat und vor allem die Art und Weise wie die Bild-Zeitung das ausgeschlachtet hat, heftig kritisieren. Aber grundsätzlich finde ich schon, dass eine politische Kritik - in diesem Fall am Inhalt des Offenen Briefs - wichtig und berechtigt ist und dass diese auch von einer amtierendenen Bundesbildungsministerin geäußert werden darf.

1 „Gefällt mir“

Moin Forum, es gab oben Fragen zur Projektförderung, die ich mal versuche einzuordnen mit meinem beschränkten Wissen aus der Forschung:

Die (Unter-)Finanzierung von Universitäten und FHs liegt soweit ich weiß in der Verantwortung der Bundesländer - die darauf auch immer sehr rumreiten. Diesen Schuh braucht sich der Bund (und das BMBF) nicht anziehen. Ich war z.B. immer froh, eine sog. „Landesstelle“ zu haben in der Forschung, da es etwas sicherer war, als ein Drittmittel-Schleudersitz.

Die Drittmittel, also Projektförderung, wird natürlich durch das BMBF vergeben um die politischen Ziele die vom Bundestag vorgegeben wurden umzusetzen. Hier findet aber eine enge Abstimmung mit ForscherInnen z.B. über Expertengespräche und anschließende Projekt-Begutachtungen statt.

Wichtig ist mE, dass hier auch die Wissenschaftsfreiheit nur bedingt als Argument taugt. Der Bund hat politische Ziele und stellt dafür Forschungsgelder zur Verfügung. Diese Ziele sind vom Bundestag (demokratisch legitimiert) über das Haushaltsgesetz vorgegeben und werden vom BMBF als Exekutive umgesetzt. Die Umsetzung ist dann natürlich freier - und das gilt auch für die Forschung: Denn WIE das Ziel erreicht wird, dafür können und sollen die Forschenden ja gerade frei Vorschläge machen.

Für die „freie Forschung“ haben wir zudem ein riesen System der außeruniversitären Forschungsinstitute (HGF, WGL, MPG, FhG) sowie die DFG (ja ich weiß, ist bisserl was anderes). Hier ist die Einflussname des Bundes mehr Kontrolle (sind am Ende ja doch alles Steuergelder und auch Forschende dürfen halt nicht alles tun was sie wollen - siehe FhG letztes Jahr) und nur sehr begrenzt inhaltlich. Und wer rechnen kann, sieht, dass hier mittlerweile auch sehr viel Geld vom Bund ausgegeben wird.

Vorgaben für die Projektförderung ergeben sich aus den Grundsätzen der Bewirtschaftung öffentlicher Gelder ( Haushaltsgrundsätzegesetz - HGrG) und sind eher administrativer Natur. Hier geht es u.a. um den möglichst effektiven Einsatz von Steuergeldern (Minimal- und Maximalprinzip: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Oeffentliche-Finanzen/Haushaltsrecht-und-Haushaltssystematik/das-system-der-oeffentlichen-haushalte.pdf?__blob=publicationFile&v=7) und natürlich gibt es noch 1000 andere Regeln (viel zu viele) wie Beihilferecht (AGVO), Nebenbestimmungen die sich aus dem Haushaltsrecht ergeben (u.a. NKBF, NABF, BNBest)… ist schon ein ziemlicher Dickicht. Aber hier geht es nicht um eine politische Gesinnungsprüfung o.ä.

Die Projektförderung wird m.W.n. zudem nicht Instrument genutzt für „sachfremde“ Erwägung wie Abstufung von bestimmten Profs o.ä… Die Mitarbeitenden im BMBF erlebe ich als fachlich versierte und überwiegend politisch neutrale Überzeugungstäter.

1 „Gefällt mir“

Wir sollten nicht immer nur das negative (die Ministerin) sehen, sondern auch das Gute an der Geschichte: Eine, in diesem Fall offenbar funktionierende, Ministerial-Bürokratie, die sich gegen solch undemokratische und illiberale Maßnahmen stemmt.

10 „Gefällt mir“

Was mir etwas zu kurz kommt: der ursprüngliche Impuls, der besagte Brief, wurde von Medien als Brief von ProfessorInnen aufgegriffen. Geht man die Liste durch, und sieht sich die Fachgebiete der Unterzeichnenden an, wird der Brief deutlich homogener. Zudem sind der Großteil der Unterzeichnenden keine ProfessorInnen, sondern bspw. Dozierende aller möglichen Universitäten und Hochschulen.

Während das Verhalten des Ministeriums sehr viele Fragen aufwirft. Aber der Brief selbst ist mE äußerst schwierig und fordert eine maßregelnde Reaktion, zumal der Großteil auch nicht an der FU beschäftigt ist (genauso wie viele der Protestierenden keine Studierenden sind).

Egal in welche Richtung man blickt, man kann leider nur den Kopf schütteln und sich sorgen, wie in diesem Klima freies Studieren und Forschen möglich sein soll.

Das Ganze ist noch nicht vorbei:

[Die über Frag den Staat veröffentlichten Daten] belegen außerdem: Externe Partner des Ministeriums wurden offenbar unter Druck gesetzt, Namen für die umstrittene Liste kritischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu liefern
[…] Die Auswertung des Materials legt nahe, dass die im Ministerium gewünschten Überprüfungen umfangreicher waren, als bisher bekannt - und dass sie mit großem Druck durchgesetzt werden sollten
[…] Kurznachrichten aus Messengerdiensten fehlen bei den bisher veröffentlichten Unterlagen völlig.

Edit:
Hier wird noch eine alternative Quelle ohne Paywall erwähnt:

Was genau ist an diesem Brief zu „Maßregeln“?

Hier geht es vornehmlich um das Grundrecht auf Versammlung, und fast gar nicht um den Naukonflikt. So etwas mit dem Totschlagargument „Antisemitismus“ vom Tisch zu wischen (Wie es nach meiner Erinnerung Frau Stark-Watzinger und gerade wieder Table.Today getan hat), ist geradeaus unseriös!

2 „Gefällt mir“

Wenn du schon eine Kritik pauschal als „Totschlagargument“ abtust, fände ich es redlich und hilfreich, Quellen zu den entsprechenden Aussagen zu nennen.

1 „Gefällt mir“

Zumindest in puncto Digitalkompetenz scheint das BMBF keine Peinlichkeit auszulassen. Frag den Staat hatte eine Anfrage zur Fördermittelaffäre gestellt, die das Ministerium zu spät beantwortet hat. Die Ausrede der Ministerin: Die Datei sei mit 33 MB für den Server von Frag den Staat zu groß gewesen, doch laut Frag den Staat

  • zeigt der Logfile eindeutig, dass die Mail den Server des BMBF nie verlassen hat
  • war die Datei nur deshalb so groß, weil das BMBF erst ausdruck, dann auf Papier schwärzt und dann wieder einscannt anstatt digital zu schwärzen
  • bietet Frag den Staat mit jeder Anfrage einen Upload-Link an, damit genau solche Probleme nicht auftreten.
    Quelle: x.com [Post von Frag den Staat]
    Mag in dieser Cause eine Nebensache sein, spricht aber m. E. Bände darüber wie ein Bundesministerium 2024 arbeitet und lügt.
2 „Gefällt mir“

Würdest Du auch so argumentieren, wenn die Professoren einen offenen Brief unterzeichnet hätten, der die Remigration bestimmter Ausländer fordert?

Ich bin froh den Wissenschaftsbetrieb vor einigen Jahren verlassen zu haben. Nirgendwo sonst in der Gesellschaft habe ich annähernd soviel Antisemitismus erlebt wie an der Uni. Es sind auf alle Fälle nicht nur Einzelfälle gewesen. Dass solche Strukturen auch noch mit meinem Steuergeld gefördert werden, finde ich persönlich einfach zum Kotzen.

Ist das wirklich die gleiche Ebene, wie der Brief, der hier vorliegt?

Ich finde allerdings besonders irritierend, dass es sich um eine liberale Ministerin handelt und ihre Partei an dem ganzen Vorgang scheinbar auch keinerlei Anstoß nimmt. Passt für mich eher bspw. zur Union.

Ich kann mir vorstellen, dass diese Partei schon vor langer Zeit verdrängt hat, dass es eine Bildungsministerin in Deutschland gibt.

2 „Gefällt mir“

Jein. Der Brief per se ist neutral und daher m.E. im engeren Sinne nicht zu beanstanden. Die berechtigte Frage ist allerdings, wie wir als Gesellschaft (und insbesondere „Linke“) darauf reagieren würden, wenn es rechte Gruppierungen gewesen wären, die die Uni besetzt hätten, um z.B. über „migrantische Gewalt“ zu demonstrieren, wobei Teile davon in schwammigen aber unmissverständlichen Worten eine Remigration gefordert hätten. Hätten die Unidozenten dann auch auf das Versammlungsrecht etc. gepocht? Vermutlich nein.

Wer die Proteste gutheißt bzw. gewähren lässt, muss dies konsequenterweise dann auch bei anderen Themen machen, sonst kann er sich nicht auf Neutralität berufen.

2 „Gefällt mir“

Wo hast du denn so etwas erlebt, wenn man fragen darf? Nach meinen Erfahrungen sind Universitäten eher links liberale Orte, die mit Rechtsextremismus oder Antisemitismus wenig zu tun haben.
Oder meinst du mit Antisemitisch nur Israel-kritisch? Das sollte man nämlich trennen.

Wie fördern den BMBF Gelder für Forschungsprojekte deiner Meinung nach antisemitische „Strukturen“ an deutschen Universitäten?

Häh? Das findet doch ständig in Deutschland statt. Denk nur mal an Pegida, HoGeSa oder AfD-Kundgebungen. Das findet (leider) alles in Deutschland statt und alles von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Solche Veranstaltungen finden halt normalerweise nicht an Universitäten statt. Vermutlich weil es da am meisten potenzielle Gegendemonstranten gibt, wie ich oben schon erklärt habe.

1 „Gefällt mir“

Das stimmt alles - aber glaubst du ernsthaft hunderte Wissenschaftler hätten ein Plädoyer für die Meinungsfreiheit verfasst, wenn das Thema stark aus der rechten Ecke gekommen wäre? Zumal viele der Protestierenden gar keine Studenten waren.

Die Unterscheidung zwischen einer legitimen Kritik an Israel und Antisemitismus ist wichtig. So zu tun, als sei Kritik an Israel immer und notwendiger Weise etwas anderes als Antisemitismus, ist bestenfalls naiv. Nicht erst seit dem 7. Oktober spielt der israelbezogene Antisemitismus in Deutschland eine zentrale Rolle. Im Vergleich zu anderen Formen des Antisemitismus ist er auch besonders häufig in den politisch-kulturellen Milieus, die du beschreibst. Dass Liberale oder andere Menschen, die nichts mit Rechtsextremismus zu tun haben, automatisch keine antsemitischen Einstellungen haben können, ist jedenfalls ein Irrtum.

Gemeint war ja eine öffentliches Eintreten für das Recht auf diese Proteste von Menschen, die eben eher liberal bis links, eher antirassistisch etc. sind. Auf den Punkt gebracht: Würden Menschen, die das Recht Dritter unterstützen, für die Zerstörung Israels zu demonstrieren, in gleicher Weise z. B. auch für das Recht von Pegida-Demos eintreten?

Und da sind wir bei der Krux der Sache. Wenn man solche Demos grundsätzlich als Forderung zur vollständigen Vernichtung Israels sieht, dann ist natürlich auch die Forderung, die Demonstrierenden gewähren zu lassen, schlussendlich die Billigung eines Aufrufs zum Völkermord. Und natürlich sollten Personen, die Aufrufe zu Völkermorden billigen, kein Geld vom Staat bekommen. Wenn man dieser Logik folgt, dann macht es Sinn, jede Möglichkeit zu prüfen, den Unterzeichnern dieses Briefs das Wasser abzugraben.
Wenn man die Demonstration als Forderung wahrnimmt, den aktuellen Krieg zu beenden und den Palästinensern auch (nicht anstelle Israels) einen Saat zuzuerkennen, dann ist das natürlich von der Meinungsfreiheit gedeckt und der Brief somit eine Verteidigung eben der Meinungsfreiheit. Daraus folgt dann, dass Maßnahmen gegen die Unterzeichnenden (auch nur versuchte) umso mehr ein Angriff auf die Meinungsfreiheit sind.
Aber da wir uns hier im Forum nicht einigen werden, ob die Demonstrierenden schlussendlich genozidale Terrorunterstützer sind oder nicht, ist die Diskussion um die Bewertung dieser Prüfaufträge relativ müßig.

3 „Gefällt mir“

Man muss aus meiner Sicht die bei der „Besetzung“ der FU gerufenen und auf Transparenten gezeigten Parolen gar nicht so schwarz-weiß bewerten - also entweder „Aufruf zum Völkermord“ oder völlig unproblematische Meinungsäußerung. Es reicht m. E. schon völlig, anzuerkennen, dass Rufe wie „From the river to the sea“ (bzw. die sehr viel eindeutigere arabische Version) oder Forderungen nach „Widerstand“ und „Intifada“ ohne eine gleichzeitige klare Abgrenzung Hamas & Co. die ähnliche Parolen nutzen, zumindest problematisch ist, auch wenn es von der Meinungsfreiheit gedeckt sein kann. Deswegen muss dann auch noch nicht alles ok sein, was ein Ministerium unternimmt, aber zumindest eine rechtliche Prüfung ist dann m. E. nicht mehr völlig abwegig. Und sich auf die Position zurückzuziehen, man mache sich mit dem Offenen Brief diese Forderungen und Parolen nicht zu eigen, finde ich dann eben auch fragwürdig - nicht mehr und nicht weniger.