Wo kriegnen wir genug Zweifler her - Transformation braucht Zweifler!

Transformation braucht Zweifler!

Ich habe hier meine Erfahrungen mit Menschen in Transformationsprojekten zusammengefasst. Es würde mich wundern, wenn diese Erfahrung, was Verhalten und Einstellung angeht, nicht auch auf die Gesellschaft übertragbar wäre.

Idealist

Den Idealisten muss ich nicht überzeugen. Sein Motto: Wenn wir es wirklich wollen, schaffen wir das!

Das Problem, er hat keine oder nur geringe Zweifel an der Machbarkeit. Ich muss ihn bewegen sich etwas realistischer mit der Situation auseinanderzusetzen, um die Problemlösung und damit die Umsetzung zu beschleunigen. Wenn ich übersteuere, besteht die Gefahr das ich ihn verliere.

Zweifler

Den Zweifler muss ich nicht überzeugen. Er hat gute Argumente, mit denen ich mich auseinandersetzen muss. Sein Motto: Nicht mit der Brechstange, wir müssen diskutieren und kreative Lösungen finden! Für mich ist der Zweifler der Schrittmacher in der Transformation, weil er sich mit den Zielen identifiziert und hilft die Probleme rechtzeitig zu erkennen und aus dem Weg zu räumen.

Betroffener

Der persönlich Betroffene ist auch überzeugt, würde aber durch eine Änderung etwas „verlieren“. Sein Motto: Ja, aber warum ich, warum jetzt, warum so? Ich muss verstehen, wo seine Probleme liegen, dann Überzeugungsarbeit leisten, Brücken bauen und wo nötig helfen. Mein Ziel ist es aus ihm einen produktiven Zweifler zu machen.

Bremser

Der Bremser ist ein rational denkender Mensch, der seinen persönlichen Vorteil nicht aufgeben möchte und nach Mitteln sucht, die Änderungen zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Sein eigentliches Nein verpackt er geschickt. Er weist auf die Konsequenzen für andere hin. Sein Motto: Ja, aber warum die, warum jetzt, warum so? Ich gehe wie beim persönlich Betroffenen vor. Wenn das nicht hilft und sich herausstellt das die Einwände nur vorgegaukelt sind, fordere ich „Hilfe“ an. Hier muss korrigiert werden.

Unvernünftiger

Der Unvernünftige reagiert irrational und ist für sachliche Argumente nur bedingt zugänglich. Er ist bereit eigene Schäden in Kauf zu nehmen. Sein Motto: Das ist doch alles Scheiße. Ich versuchen trotzdem zu überzeugen. Wenn alles nicht klappt, hilft nur einhegen und verhindern, dass Unvernunft nicht um sich greift.

Meines Erachtens das größte Problem

Wie schaffen wir es als Gesellschaft, Bremser von persönlich Betroffenen zu unterscheiden? Denn, die Bremser würde ich gerne „ausbremsen“ und den persönlich Betroffenen helfen.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass diese Einteilung auch auf Parteien übertragbar sein könnte

Gemäß der Beschreibung sehe ich in der Praxis eher das Problem den Zweifler vom Bremser zu unterscheiden. Mancher Bremser gibt sich als Zweifler aus und mancher Zweifler wird vom Idealisten als Bremser bezeichnet.

Das ist was dran. Man muss genau hinhören und hinterfragen. Irgendwann fällt die Maske.

Genau hinhören ist gut. Man muss sich allerdings auch der Einschränkung bewusst sein, dass man die wirklichen Motivation einer Person, die anonym im Internet etwas schreibt, in den meisten Fällen kaum herausfinden kann. Auch wenn manche sehr davon überzeugt sind, dass das geht. Das ist etwas anderes, wenn man eine Person face-to-face spricht, etwas belastbares über ihren persönlichen Hintergrund weiß und die idealerweise schon länger kennt. Da gehe ich dann mit, dass man auch bei der Art und Weise, wie man das Gespräch angeht, berücksichtigt, was für ein Typ das ist.
Hat man diese Möglichkeit nicht, rate ich von Spekulationen mit niedriger Trefferquote ab und plädiere für eine Auseinandersetzung mit dem Argument

Einverstanden, mein Kommentar bezog sich auf Face to Face.

Wenn ich mir die Beschreibung der beiden Typen anschaue, dann ist der Bremser eigentlich auch ein persönlicher Betroffener, nur dass er sein wahres Problem nicht offenbart. Das ist im allgemeinen schwer herauszufinden. Allerdings kann man die Motivation, seine eigentlichen Beweggründe zu verschleiern, prinzipiell reduzieren. Häufig ist diese Motivation nämlich dadurch getrieben, dass die eigentlichen Beweggründe nicht ernst genommen werden, wenn sie eher emotional und nicht rational sind. Dazu gibt es schon den u.g. Thread. Wir leisten uns als Gesellschaft eine Menge Scheindiskussionen über rationale Ersatz-Argumente, weil wir emotionalen Argumenten zu wenig Gewicht einräumen. Beispiel Tempolimit.
Natürlich gibt es dann immer noch „Bremser“ die eine rationale, aber tendenziell egoistische Motivation haben, die sie nicht offenbaren wollen. Auch da würde es natürlich helfen, wenn wir auf Egoismus weniger moralisch reagieren, sondern eher herausstellen, warum die Sorge ggf. unbegründet ist.
In Summe wird man Bremser also kaum zweifelsfrei identifizieren. Aber man kann die Motivation zum Bremsen reduzieren, indem man eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre schafft, in der schnell deutlich wird, dass sowohl emotionale als auch egoistische Beweggründe ernst genommen werden, solange beide an einer ehrlichen, konstruktiven Diskussion interessiert sind.

Vielleicht muss man hier auch nochmal dazu sagen, dass sich hier eben öffentliche und vertrauliche Diskussion grundlegend unterscheiden, weil man bei ersterer eben Zuhörer hat, um die es vor allem geht. Da kann es also durchaus Sinn machen die schlechten Argumente seines Gegenüber bloß zu stellen, was im vertraulichen Gespräch kaum Erfolg versprechen würde. Und genauso würde jemand in der öffentlichen Diskussion kaum zugeben auf dem Holzweg zu sein, wenn er das irgendwie vermeiden kann.
Entsprechend ist der Bremser überhaupt nur im vertraulichen Gespräch wirklich zu identifizieren und zu überzeugen. Und um am Schluss noch etwas Motivation zu versprühen: es funktioniert auch durchaus mal, einen Bremser letztendlich zu überzeugen. Es ist zwar ein zäher Prozess ist, aber eben kein hoffnungsloser.

1 „Gefällt mir“

Wie weit geht die „Rationalität“ des Bremsers? Man kann schon halbwegs rational argumentieren bis an den persönlichen Schmerzpunkt - und dann einfach aufhören zu denken und sich einbilden, zu Ende gedacht zu haben. Das menschliche Bewusstsein ist ein Wunder an Plastizität, so haben auch alle Dummheiten darin Platz und fallen vielfach gar nicht auf. Nachdem in dem geschlossenen System Welt alles mit allem verbunden ist und jedes Handeln eine praktisch unendlich verzweigte Wirkung hat und in jedem Fall (zumindest in kleinsten Dosen) eine Rückwirkung auf den Akteur hat, ist das Meiste was als „rationales Handeln“ verkauft wird, eben sehr eingeschränkt rational. Alle Konsequenzen durchzudenken, ist gar nicht leistbar.

Für vernünftig halte ich den vereinfachenden Grundsatz, NICHTS zu beschädigen und nach Verbesserungen in Allem zu suchen. Egoismus beschädigt Gesellschaft und Welt. Auf der Suche nach Verbesserungen ist Zweifeln ein wichtiger Zwischenschritt, aber Zweifler(als Kategorie) bleiben zu oft beim Zweifeln stehen. Bremser halte ich eher für Ausredenkünstler und Schwachdenker. Sie schaden sich selbst, bemerken das aber wahrscheinlich nicht bis an ihr Lebensende. Sehr schwer, ihnen beizukommen, wenn sie schon erwachsen sind und ihre Persönlichkeitsentwicklung als abgeschlossen abgehakt haben. Es ist schwierig, Menschen mal so einzuteilen, aber irgendwie muss man sich ja an eine Problemstellung annähern.

Auf jeden Fall: Gute Schule und Bildung an die erste Stelle überhaupt!

Deswegen brauchst du einen gesunden Mix aus Zweiflern und Idealisten (gemäß der Darstellung im Eingangsthread). Der ungebremste Idealist würde Gefahr laufen, sich zu übernehmen, mit unausgegorenen Konzepten ins Rennen zu gehen und dadurch schlimmstenfalls sogar zu scheitern.
Der ungebremste Zweifler würde - genau wie du es beschreibst - sich vmtl. in den Stillstand zweifeln.

1 „Gefällt mir“