Wieviel wusste Israel über die Anschlagspläne der Hamas?

Aktuell scheinen sich Berichte und Anzeichen zu häufen, dass israelische Sicherheitskreise die Anschläge vom 07.10. hätten kommen sehen können.

Neben den Meldungen vom Beginn der Vergeltungsaktionen, das Ägypten die Israelis gewarnt habe und das Israel selbst die Vorbereitungen der Hamas im Gazastreifen bemerkte, gab es letzte Woche ja auch noch die Meldung, dass Israel die Angriffspläne der Hamas bereits seit einem Jahr kannte, aber nicht ernst nahm. In diese Reihe von Meldungen passt nun dieses Paper über short-selling Aktivitäten israelischer Firmen kurz vor den Anschlägen:

Ich bin kein Börsianer und kann das daher nicht einschätzen, aber wenn 2 amerikanische Professoren das veröffentlichen, könnte ja etwas dran sein. Vielleicht kann jemand mit Branchen-Erfahrung mal etwas dazu schreiben. Das Paper ist kann man kostenfrei herunterladen.

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Nah allem, was ich gelesen habe, ist es recht wahrscheinlich, dass entsprechende Hinweise (etwa auf umfangreiche Übungen der Hamas) zwar vorhanden waren, aber nicht richtig gedeutet wurden. Das ist durchaus „normal“ in Sicherheitskreisen - ich sage nur Anis Amri oder NSU…

Ich denke auch dass man davon ausgehen kann, dass umfangreiche Informationen vorlagen und fehlgedeutet oder schlicht ignoriert wurden. Dies wird hoffentlich die Karriere der Beteiligten (insbesondere Netanyahu) endgültig beenden. Mehr Konsequenzen sehe ich sich daraus aber nicht ergeben.

Beide Autoren nennen die Hamas nicht explizit als Urheber der Wetten. Sie sprechen aber von »Händlern, die von den bevorstehenden Attacken informiert wurden«. Zwar sollen laut Recherchen der »New York Times« auch israelische Sicherheitskreise von einem Angriffsplan der Hamas gewusst haben – aber ohne das genaue Datum für die Umsetzung der Pläne zu kennen. Damit wären die Hamas-Terroristen nach heutigem Kenntnisstand wohl die wahrscheinlichsten Hinterleute der Short-Attacken, sofern die Vorwürfe zutreffen.

Bemerkenswert wert wie schnell die Spiegel Autoren die Hamas als Verdächtigen ausmachen. Dass israelische Sicherheitskreise doch relativ gut im Bilde gewesen sein müssen, zeichnet sich immer deutlicher ab

Der von dir zitierte Text leitet doch her, wieso Hamas-Terroristen nach heutigem Kenntnisstand wohl die wahrscheinlichsten Hinterleute der Short-Attacken sind, wenn es sie überhaupt gegeben hat.

Wenn israelische Sicherheitskreise so gut im Bilde waren, dass sie tatsächlich damit Geld machen konnten, dann wird man das hoffentlich erfahren. Es wird ja bereits untersucht, wie wir hier sehen können.

Aber klar, wir können auch ein wenig Geraune darüber verbreiten, dass vielleicht manche einflussreiche Juden in Geheimdienstkreisen und der Finanzwelt die Geschicke der Welt lenken und furchtbare Ereignisse orchestrieren, um Geld zu machen.

sekundäre Antisemitismus (…) . Heute zeichnet er sich oft durch eine „Täter-Opfer-Umkehr“ aus. Zumindest teilweise weist er einen verschwörungsthetoretischen Kern auf, wonach „die Juden“ als die tatsächlichen Profiteure des Holocaust gelten, etwa um ihre Nahost-Politik oder deutsche Reparationszahlungen zu rechtfertigen.
Broschuere_Antisemitismus_-_Geschichte__Gefahren__Gegenmassnahmen.pdf (rlp.de)

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Es ist reine Spekulation. In den israelischen Sicherheitskreisen scheinen derart viele Informationen über den bevorstehenden Anschlag aufgelaufen zu sein, dass ich nicht davon überzeugt bin dass Unwissen bezüglich des Datums bestand.

Geraune?

Ich schon.
Man sieht, dass sie trainieren, man weiß, dass es Pläne gibt, aber der Termin ist da immer unklar.
Auch der NordStream-Anschlag war bekannt, wurde aber bereits Monate vorher erwartet, was dann dazu führte, dass die Geheimdienste meinten: wohl doch nur Fehlalarm

Unabhängig davon ob Sicherheitskreise oder höher gestellte Individuen ein genaues Datum kannten oder nicht, wird man das öffentlich natürlich leugnen. Alles andere wäre politischer Selbstmord. Für meinen Geschmack zu viel Vertrauensvorschuss in einer heiklen Frage aber das muss jeder selbst einordnen.

Wenn sie das Datum wussten und aus politischen Gründen keine Vorkehrungen gegen den Angriff getroffen haben, wäre es tatsächlich besser, das für sich zu behalten.
Für mich ist das aber so abwegig, dass ich das von vornherein ausschließe.
Es sieht auch nicht so aus, als könnte die israelische Regierung aus dem Angriff politisches Kapital schlagen, vielmehr gehen viele davon aus, dass Netanjahu, wenn der Krieg vorbei ist, gehen muss.
Dass die Hamas an der Börse versucht hat, aus der Situation einen Nutzen zu schlagen, ist dagegen gar nicht abwegig. Ähnliches gab es am 11. September 2001 zu beobachten.
Die Käufer sind nicht geheim. Es wird sich also leicht herausfinden lassen, wenn Israelis darunter sind.

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Das Ziel dieser Argumentationskette ist doch sowieso klar. Israel hat bestimmt alles gewusst und hätte das easy verhindern können, wollte aber nicht!!!1111

Das ist das Äquivalent zu „Israel hatte einen Minirock an!“

Täter-Opfer-Umkehr, Victim Blaming, wie auch immer man das nennen mag.

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Der „daily“-podcast der NYT stellt es sehr plausibel und mit offensichtlich tiefem Einblick in israelische Armee- und Geheimdienstkreise dar: eine Handvoll Analysten der Abwehr, die die Trainings der Hamas auswerteten und eine ziemliche Übereinstimmung mit einer Schrift der Hamas „Jericho walls“ (Entwurf eines Angriffs auf Israel) fanden, schlugen Alarm, aber die Armeeführung war seit längerer Zeit der Meinung, der Führer der Hamas würde sich mehr in Richtung konstruktive Regierung des Gaza-Streifens bewegen. Sie wollten den paar untergebenen Leuten nicht recht glauben. So einfach könnte es also gewesen sein.

Im Übrigen sollte es Netanyahu sein Amt kosten, endlich. Als Profiteur dürfte er nicht in Frage kommen.

Ich weiß nicht, wie man das so interpretieren kann.

Zugegeben, der Thread-Titel ist problematisch („Wusste Israel…“), denn in Wirklichkeit geht es ja nicht um die Frage, ob „Israel“ als Land etwas wusste, sondern ob die Regierung bzw. die Sicherheitsapparate etwas wussten.

Das finde ich nebenbei auch bei den Täter-Opfer-Umkehr-Vorwürfen in Beziehung zu den Massakern vom 07.10.2023 so problematisch: Opfer dieser Anschläge waren (vorwiegend) israelische Zivilisten - das ist das bestialische an diesen Anschlägen. Opfer war nicht die israelische Regierung, Opfer waren nicht die Befürworter der Siedlungspolitik oder andere Extremisten. Die israelische Regierung bzw. Siedlungspolitik in diesem Kontext zu kritisieren ist daher schon keine Täter-Opfer-Umkehr, weil die israelische Regierung in diesem Sinne nicht Opfer ist.

Wenn nun vor allem Menschen in Israel, aber auch im Rest der Welt, ein Interesse daran haben, zu erfahren, ob die rechtsextremen Regierungskreise tatsächlich etwas wussten oder hätten wissen können, aber untätig blieben - oder im israelischen Sicherheitsapparat die Information bekannt war, aber auf Grund von dysfunktionalen Systemen nicht zu den Entscheidungsträgern gelangt ist (oder von diesen abgetan wurde), dient diese Information vor allem dem israelischen Volk bei der Bewertung ihrer eigenen Regierung.

Antisemiten - und darauf läuft dein Vorwurf ja hinaus - haben von diesen Informationen generell eher wenig. Klar, manch ein Hamas-Anführer oder Anführer im Iran mag sich die Hände reiben, wenn die Investigation dazu führt, dass die israelische Regierung gestürzt wird, aber das hat wohl primär realpolitische Gründe.

Insofern sehe ich hier wirklich keine Täter-Opfer-Umkehr. Ich sehe lediglich, dass es zu einem ungeheurem Massaker kam, obwohl Israel einige der weltbesten Geheimdienste hat, die massive Ressourcen investieren, um genau das zu verhindern - und ich sehe ein israelisches Volk, das selbstverständlich nun fragen stellt und Aufklärung wünscht, um die politischen Verantwortlichen zu finden und dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passiert. Das ist wohl auch mehr als berechtigt.

Ich persönlich halte auch die zwei oben genannten Szenarien für am wahrscheinlichsten:
Entweder man wusste, dass sich dort etwas zusammen braut, hat aber geglaubt, dass es erst später passieren würde oder ganz ausbleiben würde - oder Teile der Geheimdienste wussten konkreteres, wurden aber nicht ernst genommen. Die Annahme, dass die Regierung genau wusste, was passieren würde, und dennoch die Soldaten von der Grenze des Gaza-Streifens abgezogen hat, dürfte wohl in’s Reich der Verschwörungsmythen gehören, wird aber denke ich auch von niemandem so wirklich vertreten.

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Lügen zu verbreiten ist Kerngeschäft von Geheimdiensten. Was du da schreibst ist wieder reine Spekulation. Die Warnung aus Nl ist bestätigt, was daraus folgte reine Glaubensfrage.

Vor dem Hintergrund finde ich es auch recht billig, zu glauben dass israelische Dienste Hinweise nicht ernstgenommen oder falsch gedeutet hätten. Dafür war der Zeitraum zu lang, die Quellen zu divers und die Inhalte zu konkret.

Ich lass das als Antwort so stehen. Ansonsten werde ich darauf nicht mehr eingehen.

Ich denke wir unterschätzen, wie viele Hinweise solch ein Geheimdienst zu verarbeiten hat. Und zwar solche die fundiert sind wie auch solche die einfach nur ohne realen Hintergrund dort ankommen oder auch solche die gezielt als Fehlinformationen gestreut werden.
Wenn hunderte Warnungen eingehen und eine davon erweist sich im Nachgang dann als berechtigt, dann ist es für uns natürlich leicht zu schreien man hätte doch nur handeln müssen.

So wurde z.B. berichtet, dass Punks in der DDR der Stasi gezielt Infos über Konzerte zugespielt haben die es nie gab, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die VR dannie dort auftauchen wo tatsächlich ein Konzert stattfand.

Vergleichbare Diskussionen haben wir auch bei Unwetterwarnungen bei uns. Gibt es Unwetterwarnungen und am Ende ist alles halb so wild wird von Versagen gesprochen. Gibt es keine Unwetterwarnung und es passiert was, dann ebenso. Dazwischen gibt es nicht viel.

Ich kann mir gut vorstellen, dass in Israel kaum eine größere Veranstaltung möglich wäre wenn man bei jeder Warnung die irgendwo vorliegt handelt.

Hat jemand ein Update zu den vermeintlichen Profiteuren des Anschlags?

Kurzfristig? Oder langfristig?

Kurzfristig profitieren aktuell vor allem die radikalsten israelischen Siedler, die den Krieg in Gaza nutzen, um mit Unterstützung der israelischen Armee im Westjordanland Fakten zu schaffen und ihre Siedlungen zu erweitern. Das hätten sie ohne diesen Anschlag zweifelsohne nicht mit so wenig „Gegenwind“ tun können. Ob sie langfristig profitieren oder ob der Konflikt dafür sorgt, dass stärkerer internationaler Druck auf die israelische Siedlungspolitik erfolgt, bleibt abzuwarten.

Kurzfristiger Verlierer ist mMn definitiv die Hamas. Sie verliert einen Großteil ihrer Kämpfer und Infrastruktur. Ob die Hamas langfristig davon profitiert, darf auch bezweifelt werden, da die Hamas durch diese Anschläge Israel jede Berechtigung gegeben hat, zu sagen, dass gegen die Hamas nur strikte Waffengewalt helfen kann. Sie profitiert lediglich in dem Sinne, dass ihre Unterstützung in den radikalen Kreisen noch gestiegen ist, das kann langfristig natürlich Vorteile bringen.

Kurz- und langfristig sind die Verlierer der Anschläge jedenfalls in erster Linie die Zivilisten auf beiden Seiten, die ihr Leben verloren haben. Auch die Palästinenser, deren Häuser zerstört wurden, die nun auf der Flucht leben und in noch schlimmeren Umständen leben müssen als zuvor, zählen zumindest kurzfristig zu den größten Verlierern, ob ausgelöst durch die Anschläge und die israelischen Gegenschläge nun eine stärkere Debatte zur Verbesserung der Lebensumstände im Gaza-Streifen in Gang kommt, sodass dort eine nicht-extremistische Regierung etabliert werden kann und Hilfsgelder tatsächlich in die zivile Infrastruktur, statt in Bunkeranlagen und Hamas-Luxusresorts fließen, kann man ebenfalls noch nicht beurteilen.

Ebenso zu den kurz- und langfristigen Verlierern zählen die israelischen Soldaten, die getötet werden und töten müssen und in vielen Fällen traumatisiert nach Hause kommen. Zu den Profiteuren hingegen zählen Antisemiten weltweit, die das robuste Vorgehen Israels natürlich nutzen, um wieder einen „Kampf der Kulturen bzw. Religionen“ zu beschwören. Denn eines steht leider fest: Jedes Mal, wenn Israel große Militäreinsätze im Gaza durchführt, kommt es weltweit zu einem Anstieg von Antisemitismus (das ist keine Schuldzuweisung an Israel, sondern eine reine Feststellung; über die Gründe dafür kann man vortrefflich diskutieren)

Die Frage nach den Profiteuren ist daher mMn nicht so leicht zu beantworten. Diese Anschläge haben einfach so viele Teile in Bewegung versetzt, dass man wohl nur zurückschauend sagen können wird, wer davon letztlich profitiert hat.

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Lässt sich denn nicht nachvollziehen welche Firmen (respektive Menschen) am 7. Oktober an der israelischen Börse auf fallende Kurse wetteten?
An der (Verschwörungs-)Theorie kann ja durchaus nichts dran sein aber ein followup in der Presse wäre schon nett. Oder ist es schwierig bis unmöglich solche Vorgänge an der Börse nachzuvollziehen?

Für mich steht völlig außer Frage, dass wir uns durch diesen Weckruf für eine Zweistaatenlösung stark machen müssen. Sobald der aktuelle Gazakrieg beendet ist muss(!) Deutschland, die EU und eigentlich die ganze Welt Druck auf Israel ausüben die ILLEGALEN Siedlungen zu räumen.

Sollten Sie das nicht tun sind Wirtschafts- und Finanzsanktionen (inkl. keine U-Boot Deals zu Ramschpreisen mehr) meines Erachtens unumgänglich, sollte uns das Völkerrecht, das unsere Außenministerin stets predigt, noch irgendetwas wert sein.

Für mich ist vollkommen klar: ich stehe für die Existenz Israels ein. Und wir sollten die Sicherheit Israels garantieren. Aber das darf kein Freifahrtschein für den kontinuierlichen, jahrzehntelangen Bruch des Völkerrechts sein. Israel muss sich entscheiden: arbeiten an der Zweistaatenlösung und Verlust illegaler Siedlungen oder langfristig ein wirtschaftlicher Außenseiterstaat wie Nordkorea werden.

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