wie funktionieren demokratische Wahlen im Krieg?

Hallo liebes Lage-Team,

2024 ist ja das globale Superwahljahr und da frage ich mich folgendes:
Wie kann man in einem Land, in welchem Teile seines Staatsgebietes von einem anderen Land besetzt sind, freie und faire demokratische Wahlen abhalten?
Funktioniert das überhaupt nach den gegebenen Definitionen für faire und freie Wahlen überhaupt?
Kann man Technologien einsetzten um Personen zu erreichen, die ansonsten nur schwer erreichbar sind?
Wie wird sichergestellt, dass alle Wahlberechtigten auch wählen können, frei und fair?
Denn nicht wählen oder die Wahl verschieben (auf unbestimmte Zeit) ist auch auch nicht so sehr im Sinne der Demokratie…
Für mich eine sehr komplexe Frage, die ich mir so nicht einfach selbst beantworten kann. Und irgendwie auch interessant, aus vielen verschiedenen Perspektiven. Und da dachte ich: das ist doch genau Euer Ding!

Ist vielleicht mal eine Frage für ne Folge!?

Liebe Grüße
Melanie

Das kommt auf die Art der Besatzung an. Wenn es eine „wohlmeinende“ Besatzung ist, wie z.B. in Deutschland nach 45 oder in Afghanistan, werden nur bestimmte Strömungen aus dem demokratischen Prozess ausgeschlossen (z.B. Nazi-Nachfolger nach 1945 oder zu extreme Islamisten in Afghanistan). Die Besatzungsmacht ist in diesen Fällen aber bemüht, einen möglichst breiten Meinungskorridor zu eröffnen. Aber klar ist, dass dabei die Demokratie natürlich etwas eingeschränkt wird, aber man versucht eben, so viel Demokratie wie möglich zu ermöglichen, sodass man noch von „freien Wahlen“ sprechen kann, wenn man das möchte.

Bei einer „bösartigen Besatzung“ mit dem Ziel der territorialen Aneignung (z.B. Russland in der Ukraine) liegt die Sache natürlich ganz anders. Russland wird keine anti-russischen Parteien zu etwaigen „Wahlen“ zulassen, generell wird die Demokratie in diesen Fällen natürlich maximal eingeschränkt, weil der gesamte Zweck der Wahlen eigentlich nur Propaganda ist, daher natürlich über 90% der Bevölkerung Putins Partei oder andere russische Nationalisten unterstützen (und wer etwas anderes behauptet landet im Arbeitslager :wink: …). Kurzum: In diesem Szenario gibt es natürlich keine freien Wahlen, sondern nur Scheinwahlen (aber das gilt leider ja generell für Russland, in den besetzten Gebieten aber wohl noch mehr als im Kernland).

Die anderen Fragen betreffen ja eher tatsächliche Probleme. Natürlich ist es nicht möglich, all die vertriebenen Ukrainer wählen zu lassen, weil dafür gar nicht die Infrastruktur vorhanden ist, um einen ordnungsgemäßen Ablauf sicher zu stellen. Und es macht auch wenig Sinn, „Exil-Wahlen“ abzuhalten, an denen nur die Menschen im Exil teilnehmen (Überraschung, eine Wahl unter Exil-Kubanern in Florida würde wohl ergeben, dass die kubanische Regierung keine 5% Rückhalt hat ^^)

Aber selbst in den Bereichen der Ukraine, die aktuell nicht besetzt sind, wird es wohl vorerst keine Wahlen geben. Eine Wahl ist ein bürokratischer Kraftakt und macht eine Bevölkerung im Krieg angreifbar, gerade wenn der Feind, hier Russland, zeigt, dass er hohe zivile Verluste in Kauf nimmt. Daher wurden die Wahlen, die eigentlich im Oktober 23 schon stattfinden sollten, verschoben - und werden nach dem aktuellen Stand wohl auch 2024 nicht stattfinden können. Für Wahlen müsste es mindestens erst Mal einen Waffenstillstand geben, während eines „heißen Kriegs“ sind Wahlen einfach nicht vernünftig denkbar.