Das halte ich auch für ein interessantes Thema für den Podcast. Da müssten sich doch bestimmt Parteienforscher:innen oder entsprechend spezialisierte Juristen:innen finden lassen.
Die KPD wurde (nach 1919, 1923 und 1933) ein viertes Mal seit ihrer Gründung für illegal erklärt. Dies führte zu tausenden Verfahren und Verurteilungen. Noch am Tag der Urteilsverkündigung wurden von der Polizei Parteibüros geschlossen, Druckereien beschlagnahmt und 33 Funktionäre festgenommen. […] Das Parteivermögen, darunter Immobilien, Druckereien und 17 Zeitungen mit einer Auflage von insgesamt rund 150.000 Exemplaren wurde eingezogen und gemeinnützigen Zwecken zugeführt. […] Im niedersächsischen Landtag durften die zwei Abgeordneten der KPD (Ludwig Landwehr und Heinz Zscherpe) als Fraktionslose ihre Mandate behalten, ähnlich wurde in der Bremer Bürgerschaft verfahren.
Wenn das als Präzedenzfall herhalten kann, dann dürften die Abgeordneten ihr Mandat behalten (was denke ich auch im Sinne der Verfassung ist), die Partei einschließlich aller ihrer Strukturen wird allerdings aufgelöst und das Parteivermögen beschlagnahmt.
Beim KPD-Verbot gab es außerdem ziemlich harte Strafverfahren gegen tausende Mitglieder und Funktionäre, bis hin zu Berufsverboten auch bei einer bloßen „Mitläuferschaft“ oder vermuteten Mitgliedschaft. Das wird Rückblickend aus rechtsstaatlicher Sicht sehr kritisch betrachtet. Dienstrechtliche Konsequenzen dürfte es vielleicht für diverse Beamte geben, wenn sie in der AfD hervorgehobene Positionen innehaben, denen dann ja Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation vorgeworfen werden könnte.
Die Folgen eines Parteiverbots würden aber das Verfassungsgericht denke ich noch einige Zeit beschäftigen, da das KPD-Verbot wie gesagt rückblickend als wenig glanzvolle Aktion betrachtet wird und das Gericht vermutlich eine Reihe von rechtlichen Fragen gerne neu und abschließend klären würde.
Interessante Frage. In jedem Fall sollte das Verfassungsgericht die Urteilsverkündung zu einem Zeitpunkt veröffentlichen, an dem die Stimmzettel noch nicht gedruckt sind, das Verbot also nicht den Ablauf der eigentlichen Wahl stört. Noch besser wäre eine Urteilsverkündung vor Ablauf der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen (ca. 100 Tage), wodurch das Verbot Formal nicht mit der Wahl kollidieren würde.
Wenn das Verbot innerhalb der 100 Tage ausgesprochen wird und die AfD vom Wahlleiter vorher schon zur Wahl zugelassen wurde, dann wird die Frage ohne Zweifel vor dem Verfassungsgericht geklärt werden müssen. Konsequent wäre natürlich ein kompletter Ausschluss der AfD-Listen und Kandidaten von der Wahl, weil diese dann ja nicht mehr die Voraussetzungen zur Zulassung entsprechen.
Könnte mir vorstellen, dass wenn ein Verbot absehbar ist, diverse Mandatsträger vorzeitig aus der AfD austreten würden, damit sie ihr Mandat nicht verlieren, wenn die AfD verboten wird. Weiß jetzt aber auch nicht genau, ob alle AfD MdBs mit Ausspruch des Verbots direkt aus dem BT ausscheiden und ihr Mandat verlieren. Eigentlich wäre das ja konsequent.
Siehe oben. Wenn das Verfassungsgericht nicht grundlegend von der Rechtssprechung im Fall des KPD-Verbots abweichen sollte (und mir ist kein Grund dafür ersichtlich), dann behalten alle Mandatsträger ihr Mandat als dann unabhängige Abgeordnete. Insofern wird kein einziger austreten, es sei denn er fürchtet zum Beispiel als Beamter dienstrechtliche Konsequenzen.
Gibt es denn eine juristische Begründung dafür, warum das so gehandhabt würde? Die MdBs sind doch nur über die AfD, die ja dann verboten ist, an ihr Mandat gekommen.
Oder stellt man da das freie Mandat über das Parteienverbot und bei der nächsten Wahl wären die entsprechenden MdBs eben weg vom Fenster, weil sie keine Partei mehr haben?
Aber zum Zeitpunkt der Wahl war die Partei nicht verboten. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Mandatsverlust eine Form von Rückwirkung des Verbotes bedeuten würde und das dürfte in Deutschland nicht zulässig sein.
Das ist mMn die viel spannendere Frage. Könnten die ehemaligen Mitglieder einfach eine neue Partei gründen und wenn ja, wie weit müsste sich die ggf. „neue AfD“ programmatisch und personell von der Alten unterscheiden?
Oder werden andere Parteien (Werte-Union, 3. Weg, Bürger in Wut) versuchen die bekannten Gesichter der AfD als Stimmenlieferanten aufzunehmen?
Es gibt den Straftatsbestand „Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei“. Insofern dürften sich die Abgeordneten natürlich anderen Parteien anschließen, bei der Gründung einer neuen Partei müssten sie aber wohl sehr darauf achten, sich von der dann verbotenen AfD abzugrenzen.
Außerdem kann das Verfassungsgericht feststellen, dass eine Neugründung eine Ersatzorganisation einer verbotenen Partei ist. Die wäre dann automatisch auch verboten.
Die Hürden sind hier also real, mal davon abgesehen, dass die Abgeordneten das komplett ohne die vorher angesammelten Finanzmittel und staatliche Wahlkampfzuschüsse machen müssten.
Das würden sie sicher versuchen, das wäre aber ein schwieriges Unterfangen und würde mit Sicherheit die Aufmerksamkeit der Verfassungsschützer auf sich ziehen.
Wenn ein Verfahren gegen die AfD erfolgreich wäre, dann würde das denke ich auch die Beishemmung mancher politischer Akteure gegen andere relevante rechtsradikale Parteien verringern.
Das ist alles richtig, aber der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass in den zwei Fällen, in denen eine Partei verboten wurde (SRP 1952, KPD 1956) jeweils ein Jahrzehnt später eine nahe verwandte Nachfolgepartei (NPD 1964, DKP 1968) gegründet hat, die dann nicht verboten wurde.
Dass AfD-Faschisten im Falle eines Verbots einfach als Fraktionslose weitermachen könnten, ist eine irrige Annahme.
Außer in Niedersachsen war die KPD auf Länderebene nur noch in der bremischen Bürgerschaft vertreten. Die vier KP-Abgeordneten im Parlament des Stadtstaates haben aber ihre Mandate nach einer Bestimmung des bremischen Wahlgesetzes mit dem Urteil des Verfassungsgerichts automatisch verloren. […]
Zscherpe wußte also nicht, daß in dem Urteil des Verfassungsgerichts, anders als im Urteil gegen die SRP, nichts davon steht, daß alle kommunistischen Mandate in den Länder- und Kommunalparlamenten ersatzlos wegfallen.
D. h. das SRP-Verbot ging mit einem Wegfall der Mandate einher. Des Weiteren kann man wohl - per einfacher Wahlgesetzänderung - festlegen, dass ein Mandatsverlust mit einem Parteiverbot einhergeht. Für eine Wahlgesetzänderung reicht bekanntermaßen die einfache Mehrheit im Parlament.
Diverse Jurist:innen haben schon darauf hingewiesen, dass ein Scheitern eines Vollverbots nicht heißen muss, dass nicht doch einzelne Landesverbände - z. B. auch vom BVerfG als gesichert rechtsextremistisch beurteilte - verboten werden. Auch kann die JA möglicherweise trotzdem verboten werden, wobei das u. U. auch ganz ohne BVerfG-Urteil per Anwendung des Vereinsrechts geschehen kann.
Darüber hinaus kommt es auf den Urteilstenor an. Das BVerfG kann nämlich durchaus betonen, dass wesentliche Teile der rechtsextremen AfD verfassungsfeindlich sind, aber die Partei und ihre Anhänger insgesamt nicht hinreichend wider die Freiheitlich-demokratische Grundordnung arbeiten. Auch das wäre mitnichten ein „Persil-Schein“.
Im Artikel 21 GG heißt es:
Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.
Dem Wortlaut nach reicht es also bereits aus, „die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen“.
Es könnte auch noch passieren, dass sich die AfD im Zuge des Verbotsverfahrens vom faschistischen Flügel trennt, um so einem Verbot zu entgehen.
Wenn jetzt alle AfD-Abgeordneten aus einer Regierung fliegen, hat das eine ganz schöne Veränderung der Machtverhältnisse zur Folge. Beispiel Brandenburg: 88 Sitze insgesamt. Wenn 30 AfD-Sitze wegfallen sind es nur noch 58 und die SPD hätte dann mit ihren 32 Sitzen plötzlich eine absolute Mehrheit. Habe ich das richtig verstanden?
Als SPD würde ich dann einfach mit meiner absoluten Mehrheit über Neuwahlen abstimmen lassen .
Heißt, dass ein AfD-Verbot auch ein machtpolitisches Instrument ist, von dem die verbleibenden Parteien enorm profitieren können. Es ist taktisch schwer einzusetzen, da man nicht weiß, wie lange die Entscheidung dauern würde und damit wann es in Kraft tritt. In Brandenburg würde die SPD eine absolute Mehrheit erhalten und im Bund könnte es nach der nächsten Wahl durchaus so sein, dass die CDU dadurch eine absolute Mehrheit erhält.
Das hängt davon ab, ob das gesetzlich geregelt ist, würde ich sagen. Für den Fall von Bremen ist das ja im Wahlgesetz geregelt (Quelle). Laut ARD ist das auch wohl auch im Allgemeinen so, aber (Quelle):
Mandatsverlust: Dass Gesetz sieht einen Mandatsverlust vor. Die fünf NPD-Abgeordneten im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, der NPD-Europaabgeordnete Udo Voigt und viele kommunale NPD-Mandatsträger könnten also ihr Mandat verlieren. Diese Folge ist aber rechtlich umstritten.
Das kann ich mir gut vorstellen. Eventuell ist das Problem, dass die Wähler der AfD-Mandatsträger selbst vor dem BVerfG klagen, weil der Wegfall ihrer gewählten Vertreter die verfassungsmäßige Gleichheit der Wahlstimmen verletzt. Aber das ist natürlich nur meine Laien-Vermutung.
Ich lass neulich beim Verfassungsblog, dass das eher unwahrscheinlich ist. Die JA ist, wie die meisten parteilichen Jugendorganisationen wohl so stark mit der „Mutter-Partei“ über Satzungen usw. verbunden, dass sich zwar einerseits ein AfD-Verbot auch auf die JA ausweiten würde, aber andererseits der hohe verfassungsmäßige Schutz auch auf die JA erweitert ist.
Das die JA an sich ein Verein ist und dementsprechend verboten werden könnte ist dabei wohl nachrangig, weil das andernfalls eine Ungleichbehandlung der Partei-Jugendverbände bedeuten würde. Die Jusos sind nämlich z.B. kein Verein sondern „nur“ eine Arbeitsgruppe der SPD und genießen daher definitiv den „Parteienschutz“ und wären damit anderen Parteijugend-Organisationen, die als Verein organisiert sind, gegenüber rechtlich besser gestellt.
Die eleganteste Variante wäre natürlich, dass das BVerfG bei einem AfD-Verbot einfach auch den automatischen Mandatsverlust mit ins Urteil schreibt, so, wie es das im Fall der SRP auch schon getan hat. Geschähe das nicht, müssten eben entsprechende Wahlgesetze vor der Urteilsverkündung geändert werden.
Das ist alles mach- und regelbar.
Manchmal beschleicht mich der Eindruck, dass gewisse Leute, die angebliche Probleme eines AfD-Verbots hochjazzen, in Wahrheit gerne die AfD „am Leben erhalten“ würden, damit der politische Diskurs weiterhin so rechtsverschoben bleibt.
Und deshalb sollen wir unsere Demokratie nicht schützen? „Aktives Nichthandeln“ hat schon einmal in die Katastrophe geführt.
Vielleicht gibt das BVerfG ja auch einen deutlichen Hinweis, dass die letzten Wahlergebnisse stark durch die Verhinderung von rechtsextremer Machergreifung verzerrt wurden. Sowohl zur CDU als auch zur SPD liefen viele Wählende über, damit mit rechtsextreme AfD bloß nicht stärkste Kraft wird. Also liegen Neuwahlen auf der Hand.
Es gibt dann ja noch die Möglichkeit, gegen die Mandatsträger vorzugehen und das passive Wahlrecht anzugreifen. Dann dürfte das Mandat verloren gehen.
Zumindest gegen die, die sich angreifbar machen. Und die anderen sitzen halt ihre Zeit ab und stecken die Entlohnung ein - wie jetzt, nur weniger denokratieschädlich.