Was läuft in der Bildung alles falsch?

Zur Zeit gibt es viele Themen, die wichtig sind. Aus meiner Sicht (ich bin Lehrer) wird dabei die Bildung wie meistens hinten angeschoben.
In den Schulen gibt es so viele Probleme: Lehrermangel, Digitalisierung, keine flexiblen und viel zu straff gebaute Lehrpläne.
Ich finde diese Klage ist nur ein Symptom über das Problem Bildung in Deutschland.

Zum Lehrermangel auch eine witzige (eigentlich traurige) Überschrift, die ich vor ein paar Tagen gelesen haben: Bayern versucht Lehrer aus anderen Bundesländern zu gewinnen, um ihren Mangel zu beseitigen.

s. dazu auch

Ja, ich sehe es genauso wie du.
Die Probleme im Bildungsbereich werden leider nicht ernsthaft angegangen. Über lange Zeit hinweg konnte man Lehrer über ein relativ gutes Grundgehalt und einen durch die Verbeamtung sicheren Job gewinnen. Man hat halt leider versäumt parallel ein modernes Bildungssystem aufzubauen, welches den Herausforderungen der Gegenwart geschweige denen der Zukunft gewappnet ist. Das ganze dürfen die Lehrkräfte in den Schulen ausbaden, wodurch die Attraktivität des Berufes massiv abgenommen hat.

Parallel dazu werden die Aufgaben, welche die Gesellschaft/Politik auf das Bildungssystem übertragen immer mehr. Weiterführend müssen in der heutigen Lohnstruktur oft beide Elternteile arbeiten, wodurch diese (auch zu recht) den Anspruch an das Bildungssystem haben, dass dort ihre Kinder nicht nur gebildet sondern auch erzogen werden. Eine Aufgabe, welche mit fehlenden Personal nicht zu bewerkstelligen ist.

Ein anderes Problem ist das Thema der Inklusion. Der Ansatz ist vollkommen richtig, man hätte aber die Schulen für diese Aufgabe mit Personal ausstatten müssen. Stattdessen wurden die Förderschulen geschlossen, das dortige Personal eingespart und die Schüler mit höheren Förderbedarf in die Regelschulen übergeben, ohne diese dort adäquat fördern zu können. Stattdessen verzweifeln die Lehrkräfte dort nun, weil sie nicht wissen wie sie damit umgehen sollen.

Zudem kommt hinzu, dass grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse zum Bildungsprozess in Deutschland keinen Einzug in die Schulen finden, stattdessen wird Klientelpolitik oder sinnfreier Aktionismus betrieben, welchen die Lehrkräfte wieder umsetzten müssen.

Zusätzlich gibt es keine Vision für die Bildungspolitik in Deutschland, welche einheitlich verfolgt wird. Ich spreche hier eindeutig nicht nur den schulischen Bereich an, es geht dabei um eine schlüssige Verzahnung von der Betreuung Schwangerer Frauen, der Elternzeit, der Kita-Betreuung, einem schlüssigen Schulsystem, einem zeitgemäßen Ausbildungs- und Weiterbildungssystem und die Einbindung von Konzepten des lebenslangen Lernens. Die KMK, welche für solch eine Vision zuständig wäre, findet immer nur den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen den 16 Bundesländer. dadurch wird unser Bildungssystem ein selbstreferentielles System, welches sich stumpf reproduziert aber nicht weiterentwickelt.

Die Problemliste wäre noch endlos weiterzuführen. Das Problem ist so umfassend und so groß, dass es mich einfach nur verwundert, wie es (obwohl allen bewusst) so grandios ignoriert wird. So ziemlich alle Zukunftsfragen/Zukunftsprobleme (Demografischerwandel, Digitalisierung, Fachkräftemangel, Klimawandel, lebendige Demokratie, gesellschaftlicher Zusammenhalt, etc.) werden ohne ein funktionierendes Bildungssystem nicht bewältigt werden können.

Man macht es aus meiner Sicht zu kompliziert und findet dann tausend Gründe, warum es nicht geht.
Aus meiner Sicht gibt es nur wenige, wichtige Punkte:

  1. Lehrer müssen Lehrer sein und keine IT Spezialisten oder Schulausflugsplaner → mehr Personal für nicht Lehrtätigkeiten

  2. Moderne Infrastruktur und ausreichend IT Geräte (an der 8. Klasse frühestens ggf. Schüler eigene Geräte)

im weiteren:
3. Kleinere Klassen durch mehr Lehrpersonal (also mehr an verfügbaren Unterrichtsstunden und nicht zwingend Personen,)

  1. Sozialarbeit in Schulen nicht durch Lehrer → richtiges Personal in ausreichendem Umfang

  2. Ärztliche/ psychologische Betreuung der Lehrer über Angebote und regelmäßige Fortbildungen in die Richtung Selbstmanagement

Warum kommt das nicht und vor allem nicht schnell:
Es kostet Geld, klingt nicht nach einer super Idee und wirkt sich langfristig aus.

Darauf stehen Politiker nicht.

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Wenn du damit Recht hast und es nur daran liegt, dass Politiker nur bis zur nächsten Legislaturperiode denken können, bedarf es vielleicht einer Änderung der Verfassung, welche eine Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit in der Gesellschaft verankert und es somit verhindert, dass Politik nur von der Wand bis zur Tapete denkt.

Unsere marktwirtschaftlich orientierte Gesellschaft ist primär auf zeitnahen Gewinn aus.
Bildung erzeugt zum einen keinen unmittelbaren Gewinn, zudem kostet es langfristig Geld, bei dem der Ertrag nicht gesichert absehbar ist.
Man muss also langfristig in Vorkasse gehen, und langen Atem haben.

Ist für eine Legislaturperiode zu lang, drum beschränkt man sich auf Kosmetik mit schnellem Rücklauf oder öffentlichkeitswirksamen Aktionismus.

Wer wirklich was ändern will, scheitert oft an Bürokratismus und verkrusteten Strukturen.

Bildung müsste da schon losgelöst sein von schnelllebigen politischen Strömungen.

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Ein Beitrag wurde in ein neues Thema verschoben: LdN325 LehrerInnen-Mangel / Berufsstart von ReferendarInnen

Ihr habt schon viel über Schulen gesprochen, was richtig und wichtig ist, aber an den Hochschulen sieht es nicht besser aus.
Anstatt zu investieren wird gerade an allen Hochschulen eingespart, Mittel werden gestrichen und Stellen nicht neu besetzt oder erst einige Semester verzögert ausgeschrieben. Das soll dann mit Lehraufträgen aufgefangen werden. Das wollen aber immer weniger Leute machen. Hintergrund ist unter anderem die miserable Vergütung. Während es in Hamburg an der Hochschule 40€ Brutto die Stunde gibt, sind es in Schleswig-Holstein sage und schreibe 21,70€ Brutto ohne weiteren Sozialleistungen. Das Ganze versteht sich inkl. Vor- und Nachbearbeitung.
Mittelbau existiert quasi nicht und wenn doch, dann von einer befristeten Stelle zur nächsten - im besten Fall.
Dafür sind die Studierenden oftmals super schlecht von den Schulen vorbereitet und es würde sehr viel Arbeit und Zeit bedeuten das aufzuholen. Die Kapazitäten dafür gibt es aber nicht. Das Bildungsproblem zieht sich also von der Kita bis zum Studium durch und macht sich dann anschließend im Berufsleben breit.

Was läuft in der Bildung alles falsch?

Inklusion.

Diese soll hierzulande an Regelschulen stattfinden und ist theoretisch einklagbar. In der Praxis werden Pädagogen und Erzieher bis heute nicht in der Ausbildung ausreichend dazu aufgeklärt und kriegen dort nicht das Handwerkszeug, mit dem sie I-Schüler gut unterrichten können.

Hatte mich als Betroffener dazu bereits ausführlich ausgelassen: Obwohl Autismus mit 1% der Menschheit eigentlich sehr weit verbreitet ist und ein Lehrer während seiner Karriere vielen hochfunktionalen Autisten begegnen wird, weiß kein frisch ausgebildeter Lehrer, welche Bedürfnisse diese Schüler haben. Meine Kinder (und seinerzeit ich) können sehr gut in der Schule funktionieren, sobald die Lehrer ein paar wenige Veränderungen zulassen.

Das gleiche gilt für AD(H)S und andere Kinder mit I-Status. Pädagogen in Regelschulen wissen nicht ausreichend, wie sie mit diesen Kindern umgehen sollen. Lehrer, die gute Inklusion machen, haben sich in aller Regel selbst fortgebildet und/oder arbeiten selbstausbeuterisch.

Das deutsche Schulsystem fordert die Inklusion zwar ein, unterstützt aber die Lehrer nicht dabei und hat weder Qualitätskontrollen noch Sanktionen für Schulen, wo man keine Lust auf Inklusion hat.

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Ich verfolge viele dieser Diskussionen. Meine Meinung auf die Frage, was läuft falsch:

Nicht viel!

Es sind nämlich nur wenig Stellschrauben, um deutlich besser zu werden, aber keiner bedient sie:
Mehr Personal (viel mehr, nicht nur Lehrer)
Mehr Raum (kleinere Klassen, mehr Räume)
Moderne Ausstattung

Und das alles umsetzen mit Weitblick (mehr sich Strategie) und nicht im Dunkeln mit Standlicht über die Landstraße rasen.

Leider wird nichts davon passieren, obwohl ich mir der Schule unserer Kinder Budget zufrieden bin. Das Engagement der Lehrkräfte ist aller Ehren wert. Danke dafür als Elternteil.

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Tut mir Leid, aber ich finde bemerkenswert, dass ein brandneuer Account hier erzählt, dass Migranten das deutsche Schulsystem überfordern, weil sie mit ihren behinderten Kindern gezielt nach Deutschland kommen, wo diese dann die deutschen Förderschullehrer bespucken, angreifen und verletzen.

Bin selbst jetzt seit einigen Jahren im Thema als Betroffener unterwegs (bin „hochfunktionaler“ Autist, habe mehrere autistische Kinder mit I-Status, allerdings an Regel- und nicht an Förderschule bzw. -kita). Bisher konnte ich weder aus den Schulen, noch bei den Behörden, noch in den Selbsthilfegruppen hören, dass vermehrt Ausländer mit autistischen Kindern hierher kommen würden.

Ebenso wäre mir neu, dass Deutschland einen guten Ruf bzgl. des Umgangs mit autistischen Schülern hätte. Woher sollten wir auch einen guten Ruf haben? Wie bereits gesagt ist das Thema Inklusion hierzulande gar nicht Teil der Ausbildung von Pädagogen, wenn sie nicht gleich Sonderschulpädagogik lernen, obwohl die Inklusion dann primär an den Regelschulen stattfinden soll.