Was hat es mit dem Wolfsgruß auf sich?

Nein, das funktioniert so nicht. Ebenso wenig wie Nazis aufhören würden, Hakenkreuze zu benutzen, wenn wir statt sie zu verbieten und einfach über sie lustig machen würden. So funktionieren Extremisten einfach nicht.

Der Fall liegt hier aber durchaus etwas anders. Es geht immer um die Frage des Kontextes. Bei „From the River to the Sea“ ist ein Kontext denkbar und auch nachvollziehbar, der keine Auslöschung Israels einbezieht, sondern z.B. einfach eine Ein-Staaten-Lösung ohne Benachteiligung der Palästinenser fordert. Natürlich kann man bei manchen Pro-Palästinensern sagen, dass die wohl eher die Auslöschung Israels meinen, aber „gerichtsfest“ bekommt man das eben nur in Situationen mit einem klaren Kontext (z.B. „From the River to the Sea“ in Verbindung mit „feiernden Postings“ zum 07.10.23).

Beim Wolfsgruß ist der Fall anders gelagert. Hier sind die Anwendungsbereiche von „Leisefuchs“ und „Wolfsgruß“ in aller Regel schon aus ihrem Kontext heraus eindeutig abzugrenzen - nur in Ausnahmefällen (türkisch-nationalistische Kindergärtner?!?) kann das zu Problemen führen, in denen dann in der Tat die für den Betroffenen „harmlosere“ Auslegung gewählt werden müsste. In 99,9% aller Fälle stellt sich diese Problematik aber nicht.

Das Urteil des BVerfG zum „Hängt die Grünen“-Fall wird auch bald erwartet, dort werden vielleicht noch mal etwas klarere Pflöcke eingeschlagen, wie „eindeutig“ solche Delikte sein müssen. Ich hoffe doch sehr, dass der Dritte Weg nicht mit seiner völlig weltfremden Ausrede durchkommt (sinngemäß: „gemeint waren die grünen Plakate… ja, wir fordern unsere Wahlhelfer mit Wahlplakaten auf, Wahlplakate aufzuhängen - ist doch logisch?“), diese Ausrede ist ungefähr so glaubwürdig, wie ein „Grauer Wolf“, der den „Wolfsgruß“ gegenüber anderen türkischen Nationalisten verwendet und argumentiert, er habe nur zum Zuhören aufgefordert :wink:

Der Unterschied zwischen dem Hakenkreuz und diesem Wolfsgruß ist, dass das Hakenkreuz keine andere gesellschaftlich Assoziation hat. Das heißt würden wir jetzt anfangen uns über das Hakenkreuz lustig zu machen, würde sich das künstlich anfühlen, das würden die Nazis relativ schnell durchschauen können und drüber stehen. Deswegen würde das „Schweigefuchs Mobbing“ auch nicht in der Türkei funktionieren, da es dort diese Assoziation nicht gibt.

Ein Zeichen funktioniert halt auch nur, wenn es jemanden gibt, der die Bedeutung versteht.
Der Kindergärtner müsste also den Kindern schon erklären, dass dieses Zeichen eben nicht für „seid mal leise“ steht oder gezielt benutzen wenn Erwachsene anwesend sind. Gerade der Kindergartenkontext lässt sich schon schwer konstruieren.
Genauso ist in einem Fußballstadion eben keiner, der bei so einem Zeichen gleich an den Leisefuchs denkt. In meinem katholischen Dorfkindergarten vor vierzig Jahren gab es ihn jedenfalls nicht.

Nichts anderes habe ich 3x in meinem post behauptet. Mit „from the river to the sea“ habe ich nur die Stelle beschrieben, an welcehr Ulf den Themenkomplex erläutert hat (zum nachhören). Allenthalben ging es darum, HansHans mit Verweis auf den Kontext dessen Sorgen um ein Verhaltensdiktat zu nehmen. No disagreement here.

Das finde ich schon eindeutiger. „Von der Etsch bis an den Belt“ (übrigens auch von Fluss bis Ostsee), früher war das „einfach“ die Grenze des deutschen Sprachraums. Im deutsch-dänischen Krieg war dies eine Begründung, warum Nordschleswig zum Deutschen Reich gehören sollte.
Das hat heutzutage zurecht einen aggressiven Klang und darum darf die erste Strophe des Deutschlandliedes folgerichtig nicht mehr genutzt werden.

Die erste Strophe des Deutschlandliedes darf heute noch genutzt werden. Im staatlichen Kontext tun wir das nicht. Außerhalb dessen gibt es aber durchaus legale use-cases.
(Immerhin war die erste Strophe zur Zeit der deutschen Teilung ja auch super modern, wie Diether Krebs als Michael Graf eins spottete: „Deutschland, Deutschland - ist doch super modern, dass darin beide Teile Deutschlands erwähnt werden.“

Vielleicht war es ihm nach dem Tor auch zu laut im Stadion. Die türkischen Fans sind ja sehr leidenschaftlich. Er wollte mit dem Leisefuchs den Zuschauern signalisieren das sie etwas leiser sein sollen.

1 „Gefällt mir“

Die Vorstellung, dass Fußballspieler das Stadion mit dem Leisefuchs zum Schweigen bringen, hat etwas.

Der Spieler ist von der UEFA gesperrt worden. Damit bleibt sie konsistent. Ein albanischer Spieler wurde zuvor auch für das Anstimmen von nationalistischen Gesängen gesperrt.

Falls es wie angekündigt zu rassistischen Vorkommnissen aus dem Publikum kommt, kann der Schiedsrichter das Spiel nach dem Dreistufenplan abbrechen.

2 „Gefällt mir“

Wenn man sich nun anschaut, was für eine Staatsaffäre Erdogan aus dem Vorfall macht, scheint der türkische Staat diese Handlung anders zu bewerten als du.

1 „Gefällt mir“

Um zu verstehen, warum Erdogan daraus eine Staatsaffäre macht, muss man die türkische Politik verstehen.

Erdogans AKP ist aktuell mit der nationalistisch-rechtsextremen MHP in einem Regierungsbündnis. Die „Grauen Wölfe“ sind quasi der militärische Arm der MHP, böse gesagt deren Sturmabteilung. Aus Sicht der türkischen Regierung sind die „Grauen Wölfe“ damit natürlich „stolze Patrioten“ und in diesem Kontext steht Erdogan von seinem Bündnispartner unter Druck, eine „Verunglimpfung“ der „Grauen Wölfe“ nicht zuzulassen.

Es geht daher tatsächlich nicht darum, was der „türkische Staat“ einem jungen Menschen vorschreiben kann oder sollte. Der „junge Mann“ handelt letztlich in einer Art, die der türkischen Regierung durchaus gefallen wird. Aber dass derartige politische Gesten und Aktionen im Rahmen von Sport-Großveranstaltungen unerwünscht sind ist ja hinlänglich bekannt - Erdogan wird daher vermutlich wissen, dass er „im Unrecht“ ist, aber ihm geht es mehr darum, ein innenpolitisches Zeichen an seine Verbündeten zu senden. Besondere, lang-anhaltende Konsequenzen wird diese Affäre wohl nicht haben, daran haben beide Seiten kein Interesse.

1 „Gefällt mir“

Der Publizist Murat Kayman dazu auf Twitter:

Es ging bei dieser Geste immer darum, sich einer gemeinsamen völkischen, rassistischen, gewaltbereiten Gesinnung zu vergewissern. Sie war und ist ein extremistisches Erkennungszeichen und wurde nach außen immer als Einschüchterungsgeste gemeint und genutzt. … Ein an sich normales Phänomen, nämlich die Identifikation mit der deutschen Gesellschaft, die Selbstwahrnehmung als auch-deutsch im Sinne einer hybriden Zugehörigkeit, wird in weiten Teilen der türkischen Bevölkerung als Verrat, als Anbiederung, als Ausverkauf der türkischen Identität markiert. Es gibt das intensive Bedürfnis, sich der ausschließlich türkischen Identität zu vergewissern. Deshalb klammert man sich an die Idee, an die Vorstellung, jedes Element, das diese Vergewisserung bekräftigt, bewahren und verteidigen zu müssen. Die Aneignung und die Verteidigung eines rechtsextremistischen Symbols, ist eine Ersatzhandlung für die Verteidigung der türkischen Selbstwahrnehmung und des türkischen Selbstwertes.

1 „Gefällt mir“

Der Autor Burak Yilmaz:

Der Wolfsgruß ist ein antidemokratisches, rechtsextremes Symbol. Dass es von einem Nationalspieler gezeigt wird, ist eine absolute Vollkatastrophe. Daraus spricht die pure Menschenverachtung. Demiral hat gesagt, dass er den Gruß bei Fans gesehen und zurückgegrüßt habe. Es ist schon ein riesiges Problem, wenn Fans den Gruß zeigen. Aber wenn es ein Spieler macht, entwickelt das eine Dynamik und bekommt eine Reichweite, die sehr problematisch ist. … Die „Grauen Wölfe“ nutzen den Fußball, um neue Anhänger zu finden. Im Umfeld der Spiele der Nationalmannschaft versuchen sie, ihre Symbole zu normalisieren. Merih Demiral hat mit dem Gruß bei seinem Torjubel maßgeblich dazu beigetragen. Wenn die EM zu Ende ist, bleiben die neuen Beziehungen und Kontakte bestehen, die während des Turniers entstanden sind. Vor allem 12- bis 16-Jährige, das ist ein ganz sensibles Alter, kommen mit den „Grauen Wölfen“ in Kontakt. Diese Jugendlichen bekommen vorgelebt, dass die Symbole der „Grauen Wölfe“ etwas Normales sind und kein Rechtsextremismus.

3 „Gefällt mir“

Türkische Fans = Kindergarten?

1 „Gefällt mir“

Es bewegt sich etwas. Jedoch anders als von mir vermutet und in kleinen Bremen statt auf Bundesebene:

Soviel zu Zeichen Kontextbezogen verbieten :expressionless:

Wie gesagt, in Österreich ist es auch bereits verboten. Und ich sage weiterhin: Das ist okay so…

Wenn ein Zeichen eine zu starke braune Kruste entwickelt, weil es von Nazis benutzt wird, muss man sich eben wirklich fragen, ob es das Wert ist, das Zeichen weiter zu benutzen. Gerade türkischstämmige Kinder an ein solches Zeichen im Kindergarten heranzuführen ist hier ein massives Problem. Es gibt genug Alternativen.

Bei dem kontextbezogenen Verbot geht es eher darum, dass man, wenn man das Zeichen strafrechtlich verbieten würde, bei einem Kindergärtner, der es offenkundig unwissentlich weiter verwendet, von einer Strafverfolgung absehen, bei einer türkisch-nationalistischen Demo hingegen hart durchgreifen würde. Bei einem strafrechtlichen Verbot sind wir aber - mangels Verbot der Organisation „Graue Wölfe“ - noch nicht.

1 „Gefällt mir“