Hi,
eigentlich gibt es gerade andere Probleme auf der Welt, aber das Thema hat mich aktuell beschäftigt. Ich habe die Hoffnung hier im Forum objektive Meinungen dazu zu hören.
Kurz zur Grundlage mein persönliches Sprachverständnis:
Für mich war die -er Form eines Wortes nie männlich. Wenn also zum Beispiel von einem Zuhörer gesprochen wird, assoziiere ich damit keinen männlichen Zuhörer, sondern einen geschlechtsneutralen Zuhörer. Wenn ich mich in meinem engeren Umfeld umhöre ist es genauso. Es ist eher das Phänomen, dass es somit keine explizite männliche Form gibt und man diese teilweise extra hervorheben muss (ich gehe zu einem männlichen Friseur vs. Ich gehe zu einer Friseurin).
Ich denke dies ist auch einer der Gründe, warum die Diskussion Teilen der Bevölkerung als so skurril vorkommt. Es wird einem gesagt, dass wenn man die Sprache anders verstehen würde als man es tut (-er als ausschließlich maskulin), eine erneute Umstellung nötig wäre (:innen), damit wieder der ursprüngliche Status erreicht wird und Geschlechter wieder gerecht betitelt werden können. Es wird also ein Lösung vorgestellt, aber für ein Problem, welches auch erst in diesem Zuge erschaffen wird. An dieser Stelle möchte ich aber klarstellen, dass ich die Forderung nach der geschlechtergerechten Ansprache nachvollziehen kann und unterstütze.
Problem 1: Unnötiger Fokus auf das Geschlecht
Ein Problem mit dem :innen ist für mich, dass ein unnötiger Fokus auf das Geschlecht gelegt wird. Durch das Zuhörer:innnen scheint es überhaupt erst so, als sei bei dem Wort „Zuhörer“ wichtig, dass dieser ein Geschlecht hat. Eigentlich sollte doch das beschreibende Wort dies gar nicht zu Grunde legen.
Zuhörer: Etwas was zuhört. Dabei sollte es eben keine Relevanz haben, ob männlich, weiblich, trans, bi, Mensch, Tier, … .
Problem 2: Verhunzung der Sprache
Diesen Punkt höre ich häufig und finde diesen im Kern eher schwach. Sprache ändert sich und wenn es einer Anpassung bedarf ist das kein Problem.
Bei der Umsetzung mit dem :innen kann ich aber in einigen Texten aber das Problem nachvollziehen, weil die Lesbarkeit häufig schon drastisch leidet.
Problem 3: Geschlechterungleichgewicht wird trotzdem erzeugt
Dadurch, dass das :innen an die weibliche Wortbildung gehängt wird, gibt es ja nun zwei Wortstämme: Männlich (Bauer) und Rest (Bäuer… , also Bäuer:innen, Bäuerin ). Das legt irgendwie wieder nahe, dass hier ein Unterschied liegt.
Könnte man nicht aber mit wenig Aufwand diese „Probleme“ lösen:
Die deutsche Sprache hat uns bereits ein Wort gegeben, welches (zumindest nach meinem Sprachverständnis) neutral ist (die allgemeine -er Form), und zusätzlich gibt es bereits die Regel, wie man daraus ein Geschlecht ableitet. Exakt diese Regel kann man doch einfach erweitern. Kurz als Beispiel:
Neutral: Bauer
Weiblich: Bäuerin
Ab jetzt kann man doch beliebig mit exakt dieser Regel Geschlechter nachziehen. Als Vorschlag, einfach weil es im Lateinischen so ist: es entstehe eine männliche Form, diese endet mit „us“.
Männlicher Bauer: Bäuerus
Zuhörer, Zuhörerin, Zuhörerus
Vorteil 1: Erweiterbar:
Dies ist beliebig und einfach erweiterbar, zum Beispiel für das Geschlecht Divers, oder eben jedes weitere denkbare Geschlecht. Diese würden dann nicht nur allgemein benannt (:innen), sondern könnten explizit benannt werden. Eine Stellenausschreibung kann dann auch einfach Bahnfahrer sein, das m/w/d kann ich mir sparen. Sonst wäre die Ausschreibung ja Bahnfarerus.
Vorteil 2: Sprache wird nicht verhunzt
Das Sprachbild bleibt deutlich lesbarer und im Zweifel wird immer die allgemeine und einfache neutrale -er Form verwendet.
Vorteil 3: Es wird quasi rückwirkend jedes deutsche Dokument gegendert.
In allen alten Texten etc. wird ja das generische Maskulin verwendet. Die Anpassung des Sprachgefühls für alle dahingehend, dass diese -er Form rein neutral ist, löst also rückwirkend jegliches Genderproblem.
Vorteil 4: Fokus liegt nicht auf dem Geschlecht, sondern auf der Bedeutung.
Indem dann die neutrale Form nur den Zweck beschreibt und gar keinem Geschlecht zugewiesen ist und auch schon in der Wortbildung anders ist, wird gar nicht erst nicht die Notwendigkeit eines Geschlechtes suggeriert.
Nachteil? 1: Dann ändert sich ja nichts
Die Änderung zum :innen hat natürlich den Vorteil, dass es auffällt. Somit wird das Problem in den Fokus gerückt und die Änderung / das Umdenken wird den Leuten klar.
Ein einfaches Einführen einer männlichen Form hat da sicher weniger Einfluss. Finde ich aber einen schwachen Punkt, zumal ja dann die Leute die es nicht mitbekommen automatisch die neutrale Form verwenden.
Nachteil? 2: der Artikel
Die neutrale Form hat mit aktuellem Stand der deutschen Sprache meist den männlichen Artikel „der“. Man könnte also suggerieren, dass die Form ja quasi die männliche Form ist. Das Argument finde ich aber ehrlich einfach schwach. In der deutschen Sprache hat der Artikel (durch Genus bestimmt) halt keinen direkten Bezug zum Geschlecht der Bedeutung des Wortes (Sexus), auch wenn es in vielen anderen Sprachen so ist. Man beschwert sich ja aber auch nicht, dass die Sonne ein „die“ zum Artikel hat, der Teller ein „der“ und das Mädchen ein „das“.
Aber ganz ehrlich, wenn das am Ende nötig wäre, dann ändert man halt diesbezüglichen Artikel zum neutralen „das“. Dann hat man auch gleich die merkbare Änderung aus dem „Nachteil? 1“. Und die deutsche Sprache würde zusätzlich viel einfacher zu erlernen.
Schluss:
Jetzt würden mich weitere Meinungen hierzu interessieren?
Wurde so etwas als Lösungsansatz schon mal diskutiert?
Glaubt ihr so eine Änderung würde grundsätzlich zu spät kommen, da nun schon das *innen eingeführt wurde und sonst niemand mehr weiß, was Sache ist?