Wahlwiederholung Berlin - undemokratisch?

Liebes LdN-Team, liebes Forum,

ich wohne seit September 2022 in Berlin-Pankow. Über die Seite des Landeswahlleiters Berlins habe ich erfahren, dass ich als “Wiederholungswähler” an der Wiederholung der letzten Bundestagswahl teilnehmen kann (siehe bspw hier auch einen Beitrag der Tagesschau dazu: .Wie die Bundestagswahl-Wiederholung in Berlin abläuft | tagesschau.de )

Meine Stimme gab ich in 2021 bereits in meinem damaligen Wohnort Frankfurt am Main ab. Wie kann es sein, dass meine Stimme für die gleiche Wahl nun zweimal gezählt werden soll (einmal in Frankfurt, einmal in Berlin), während andere, die nach 2021 aus meinem aktuellen Wahlkreis weggezogen sind, ggfs. nun rückwirkend gar keine Stimme haben? Für mich scheint das eine Verletzung demokratischer Grundsätze zu sein (1 Person = 1 Stimme) und ich frage mich, ob - und wenn ja wie - man dagegen vorgehen sollte.

Ich würde mich über eure gewohnt ausgewogene Analyse dieser Thematik freuen, sowie über Kommentare hier im Forum.

VG aus Berlin

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Naja, „undemokratisch“ ist etwas zu hoch gegriffen.

Eine Wahlwiederholung wird immer unter anderen Umständen stattfinden, als die reguläre Wahl. Klar, Umzüge der Wahlberechtigten haben einen Einfluss (aber der ist statistisch vermutlich nahezu irrelevant), dagegen sind die unterschiedlichen politischen Gegebenheiten maßgeblich relevant.

Dass die aktuelle Regierung bei der Wahlwiederholung in Berlin daher abgestraft werden wird, steht glaube ich außer Frage. Das ist letztlich das größere Problem, da die Wahlkreise in Berlin nun auf einer anderen Grundlage urteilen als die Wahlkreise, deren Ergebnis von 2021 gilt.

Egal wie man es dreht und wendet, eine Wahlwiederholung wird immer kleinere demokratietheoretische Probleme mit sich bringen. Deshalb sind die Gerichte eigentlich auch immer sehr zurückhaltend gewesen, wenn es um die Frage ging, ob eine Wahlwiederholung sinnvoll und vor allem notwendig ist. Insofern stellt sich immer nur die Frage, ob bei der Wahl so viel schiefgelaufen ist, dass das Beibehalten des Ergebnisses unterm Strich „negativer“ wäre als die Wahlwiederholung. Denn das sind die beiden Optionen… wieder mal ein Dilemma, daher ein Problem, für das es unterschiedliche Lösungswege gibt, alle möglichen Lösungswege aber zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, man sich also nur überlegen kann, welches das geringere Übel ist.

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Trotzdem eine interessante Frage. Vielleicht geht @Max90 ja einfach zur Wahl und legt danach selber Wahlprüfungsbeschwerde ein? :wink:

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Klar, kann man versuchen, aber das Problem ist halt:

Wenn man dieses Argument zulassen würde, wären Wahlwiederholungen grundsätzlich nicht mehr möglich bzw. sinnvoll. Und das scheinen BGH und BVerfG anders sehen, daher wird auch an den unteren Instanzen wohl kein Gericht diese Argumentation gelten lassen.

Naja, es gäbe ja schon Möglichkeiten:

  • Eine radikale Variante: Ganz oder gar nicht. Keine Teilwahlwiederholungen.
  • Eine sanfte Variante: Wahlberechtigt ist nur, wer’s auch ursprünglich war und immer noch ist.

Wäre halt nicht für oder gegen irgendwelche Ergebnisse, sondern allein interessehalber für die Rechtsfortentwicklung. Wahlprüfungsbeschwerden kosten meines Wissens nichts, oder?

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Die radikale Variante ist glaube ich vom Tisch, das wäre gleichbedeutend mit „Gibt nie Wahlwiederholung“, weil kaum ein Szenario denkbar ist, in dem in einem Bundesland massiv Mist passiert und man dafür eine ganze BTW wiederholen würde.

Die Frage ist, ob das vom Ergebnis besser wäre. Also warum sollten diejenigen, die weggezogen sind, ihr Wahlrecht verlieren? Warum sollten die, die zugezogen sind und das Ergebnis der Restzeit der Legislaturperiode „ausbaden“ müssen, nicht abstimmen dürfen?

Ich glaube wie gesagt, dass alle Alternativen auf ihre eigene Art problematisch sind und deshalb die Gerichte der Politik hier einen relativ großen Spielraum lassen würden. Es gibt einfach keine rechtsdogmatisch zwingenden Argumente für die eine oder andere Variante.

Klar, wenn da wirklich ein Interesse besteht. Aber tut es das? Wie gesagt, für das Wahlergebnis werden die Umzüge wohl in 99,999% der Fälle keine Rolle spielen, der absolut dominante Faktor ist hier die geänderte politische Großwetterlage. Es spricht daher wenig dafür, eine i.d.R. sehr, sehr vernachlässigbare Rechtsfrage gerichtlich zu klären.

Klar, wenn der favorisierte Kandidat im Wahlkreis mit 3 Stimmen Rückstand verliert könnte man es auf eine Wahlprüfungsbeschwerde ankommen lassen (mit der Argumentation, dass die Stimmen der Zugezogenen das Ergebnis verändert haben könnten), aber das klingt schon sehr nach amerikanischem Wahlsystem (dh. das Ergebnis gefällt mir nicht, also ringe ich nach Strohhalmen, um es zu kippen).

Naja, wie @Max90 geschrieben hat, weil sie bereits gewählt haben (oder zumindest die Chance hatten), und ihre Stimme damit ins Ergebnis eingeflossen ist, und diese – im Gegensatz zu den Stimmen der damaligen Berlinerinnen und Berliner in den betroffenen Stimmbezirken – nicht wieder herausgerechnet wird. Interessanterweise betrifft das ja nicht nur ehemalige Frankfurter, sondern auch Berliner Binnenmigranten, die von einem nicht betroffenen in einen betroffenen Stimmbezirk umgezogen sind. Die haben dann am Ende, wenn sie möchten, zweimal für dieselbe Landesliste abgestimmt.

Sie als Einzelstimmen am neuen Wohnort wählen zu lassen, ist halt nicht möglich. Man könnte sie natürlich auch an ihrem letzten Berliner Wohnsitz nachwählen lassen. Keine Ahnung, wie aufwendig das ist das zu tracken. Allerdings ist es nicht außergewöhnlich, dass Menschen bei Umzügen Wahlen verpassen, wenn sie etwa keine 3 Monate am neuen Wohnsitz gemeldet sind. Das würde dann unter ‚shit happens‘ zu verbuchen sein. Dass jemand für dieselbe Volksvertretung zweimal wirksam abstimmen darf, ist dagegen eigentlich nicht das, was man möchte, und die einzige denkbare Rechtfertigung ist wohl „das betrifft so wenige, und Wiederholungswahlen sind so selten, das lassen wir jetzt so“.

Wie gesagt, ich hab da keine Emotionen bei dem Thema, fänd’s nur inkl. juristische Begründungen interessant, egal wie’s ausgeht.

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Das gilt allerdings nur für lokale (also Landtags-/Kommunal-)wahlen, wenn man aus einem anderen Bundesland/Gemeinde zugezogen ist. Dein Vorschlag würde bedeuten, dass die Person ihre Stimme zur Bundestagswahl verliert, obwohl sie immer noch in Deutschland lebt.

Ich sehe nicht, warum „manche haben null Stimmen statt einer“ inhärent besser ist als „manche haben zwei Stimmen statt einer“.

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Ich würd nicht sagen, dass Landtagswahlen irgendwie unwichtig wären. Und wenn bspw. zwei Landtage am oder um denselben Tag gewählt werden, und man ist gerade innerhalb der letzten drei Monate vom einen ins andere Land gezogen, darf man in keinem von beiden wählen.

„Manche haben null Stimmen“ gilt aber schon immer. Z.B. für Minderjährige. Wer eine Woche nach der Bundestagswahl 18 wird, darf erst mit fast 22 Jahren das erste Mal da mitmachen.

Oder jemand hat unmittelbar vor/am Wahltag einen Unfall oder wird schwer krank oder muss spontan ans andere Ende von Deutschland fahren um Angehörigen bei irgendetwas zu helfen oder aus beruflichen Gründen o.ä., und hatte keine Zeit rechtzeitig Briefwahlunterlagen zu ordern, o.ä.

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