Vorstoß in Thüringen: zwangsweise Hilfstätigkeiten von Geflüchteten

Hallo.

Ich bin heute über folgende Nachricht gestolpert, die mich sehr nachdenklich stimmt:

Traumatisierte Geflüchtete sollen gemeinnützige Arbeit zu Dumpinglöhnen verrichten um besser in den deutschen Arbeitsmarkt integriert zu werden, die Sprache leichter zu lernen und den Fachkräftemangel auszugleichen. Bei Verweigerung droht eine Kürzung von Sozialleistungen. Sieht so erfolgreich Migrationspolitik aus? Und ist es gerechtfertigt, dass Thüringen so mit Geflüchtete umspringt?

Hier einer der Artikel, der es gut zusammenfasst:

Das ist ein ähnlich kontroverses Thema wie damals bei den 1-Euro-Jobs, wegen dem rassistischen Unterton sogar noch schlimmer.

Die Theorie, dass Menschen so an den Arbeitsmarkt herangeführt würden, hat sich scheinbar nicht bewährt, sondern es sind tatsächlich sonst sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verdrängt worden (siehe z.B. diesen Artikel der Taz über die Kritik vom Bundesrechnungshof)

Dieses Konzept nun auf Flüchtlinge anzuwenden halte ich für problematisch. Statt Flüchtlinge in Arbeit zu Dumpinglöhnen zu zwingen sollten wir schlicht den Zugang zum „richtigen“ Arbeitsmarkt für Flüchtlinge eröffnen und dafür sorgen, dass genug berufsbegleitende Sprachkurse zur Verfügung stehen.

Die thüringische CDU versucht hier meines Erachtens, das flüchtlingskritische, AfD-nahe Klientel zu bedienen, indem sie das rassistische Stereotyp vom „arbeitsunwilligen Asylanten, der uns auf der Tasche liegt und endlich mal einen Tritt in die richtige Richtung braucht“ nutzt. Das ist im Prinzip schon genau so ein Vorschlag, wie ich ihn erwarte, wenn die hölzerne „Brandmauer“ der Thüringer CDU zur AfD in Flammen steht und eine Koalition mit der AfD verhandelt wird. Das ist letztlich auch ein Inhalt der Wannsee-2.0-Konferenz gewesen: Es den Flüchtlingen durch Arbeitszwang auf Dumpinglohnniveau so unangenehm in Deutschland zu machen, dass sie freiwillig das Weite suchen. Einfach nur widerlich.

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Rassistisch motivierte Zwangsarbeit. Ich hoffe, dass das langfristig krachend vor den Gerichten scheitern wird. Vor allem, weil der Gesetzgeber selbst das grundlegende Problem aus der Welt schaffen könnte: Einfach den Arbeitsmarkt auch für Geflüchtete während des laufenden Asylverfahrens öffnen.

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Der reguläre Arbeitsmarkt sollte generell für Geflüchtete so schnell es geht ermöglicht werden.

Warum nun gemeinnützige Arbeit bis dahin schrecklich und Menschenverachtende sein soll, versteh ich nur bedingt.

Langeweile und das fehlen einer Aufgabe frustriert viele Gelfüchtete. So würden diese mit Vereinen und Gemeindemitarbeitern in Kontakt kommen und erste Anknüpfungspunkte in der Gesellschaft finden.

Sprich der erste Schritt hin zu Integration und Spracherwerb wird geschaffen.

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Weil die Weigerung, an so einer Maßnahme teilzunehmen, zu einer Streichung von Leistungen führt.

Ich bin total dafür, Geflüchteten während des laufenden Verfahrens die Möglichkeit zur sozialen oder gemeinnützigen Arbeit anzubieten und dies auch mit einem kleinen Lohn anzuerkennen. Aber in der von Thüringen vorgeschlagenen Variante ist es einfach nur Zwangsarbeit und ich hoffe, dass kein gemeinnütziger Verein tief genug sinkt, sich für sowas als Kooperationspartner herzugeben.

Es gibt viele legitime und gute Gründe, angebotene Arbeit nicht anzunehmen. Vielleicht will jemand lieber die Zeit zum Erlernen der Sprache nutzen. Oder einer Aktivität nachgehen, die genauso sinnvoll ist, aber nicht offiziell „genehmigt“.

Und wie gesagt: das Problem wäre keins, wenn man die Leute einfach auf den regulären Arbeitsmarkt vermitteln würde. Mir kann auch bis heute niemand erklären, welche Gründe dagegen sprechen. Wenn das Asylverfahren mit einem negativen Bescheid endet, dann erlischt die Arbeitsgenehmigung eben wieder oder besteht nur noch bis zur erfolgreichen Abschiebung. Wo ist da das Problem? Wer verliert dadurch etwas?

Mal ganz davon abgesehen, dass hier die libertären Redenschwinger schon im Flügel stehen und nur darauf warten, dass selbe Konzept auch für Sozialhilfe- und ALGII-Empfänger zu fordern. Die sind ja schließlich auch alle faul. /s

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Ja, warum nicht ein Sowohl-als-auch? Den Zugang zum regulären Arbeitsmarkt vereinfachen und beschleunigen und zugleich mehr Angebote an sinnvollen gemeinnützigen Tätigkeiten schaffen - was selbstredend nicht dasselbe ist wie ein Zwang oder eine Verpflichtung -, und das möglichst außerhalb der Flüchtlingsunterkunft und in Zusammenarbeit mit Vereinen. Wer aus welchen Gründen auch immer (noch) keine reguläre Arbeitsstelle annehmen kann, hätte so zumindest sinnvolle Betätigungs- und Kontaktmöglichkeiten.

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Afaik ist die „Sorge“ der Konservativen/Rechten, dass dies Abschiebungen erschweren würde, weil die Betroffenen dann ja schon besser integriert wären und sie lehnen es deshalb ab.
Nebenbei erhalten sie damit natürlich auch das „Problem“ des „faulen Asylanten“, mit dem sich weiter zu eigenen Gunsten rechte und rassistische Narrative schüren lassen. Zufälle gibt’s…

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Ich finde es auf jeden Fall richtig, geflüchtete Menschen so schnell wie möglich das Arbeiten zu ermöglichen, weil ich viele so erlebe, dass sie das möchten.
Dein Argument, dass sie in der Zeit vielleicht deutsch lernen möchten funktioniert meines Wissens nicht, weil die Deutschkurse nicht bezahlt werden (und die Menschen somit nicht teilnehmen können), so lange der Aufenthaltstitel nicht vergeben ist.
Desweiteren frage ich mich, ob es Arbeitgeber*innen gibt, die Personen einstellen, bei denen ungewiss ist, ob sie bleiben können. Ich erlebe es sehr wohl, dass „Geduldete“ eingestellt werden (nach einem unverschämt langen Verfahren), aber ob sie auch Asylsuchende nehmen?
Mich würde bei der Arbeitsverpflichtung interessieren, ob da auch die Frauen mit gemeint sind, denn die sind in den meisten Fällen mit der Kinderbetreuung „beschäftigt“.

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In unserer gemeinnützigen Einrichtung wäre es für solche Leute toll, weil sie sozialen und gleichzeitig auch Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen könnten. Nur sind unsere Kapazitäten beschränkt und das wird bei anderen genauso sein.

Ich bin im Vorstand einer gemeinnützigen solidarischen Landwirtschaft. Wir haben immer wieder Bedarf Hilfskräften, denen wir auch deutlich über Mindestlohn (und deutlich mehr als konventionelle Landwirte ihren Erntehelfern) zahlen und wo wir trotzdem manchmal Schwierigkeiten haben, die Stellen zu besetzen. Wir würden auf der Stelle Geflüchtete dafür einstellen. Aber ich würde eher den Verein auflösen, als mich an Zwangsarbeit zu Dumpinglöhnen zu beteiligen.

Und wenn im Flüchtlingsheim das Laub gefegt werden muss, warum kann die Gemeinde diese Tätigkeit den Geflüchteten nicht zum Mindestlohn auf freiwilliger Basis anbieten? Ich kann garantieren, dass es keine Probleme gäbe diese Stelle zu besetzen.

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