Liebes Forum,
ich möchte euch hier meinen aktuellen Reformvorschlag für die gesetzliche Rentenversicherung vorstellen. Letztes Jahr hatte ich bereits einen Vorschlag gepostet – seitdem hat sich das Konzept, aber auch die zugrunde liegende Theorie deutlich weiterentwickelt.
Ich beschäftige mich nun seit knapp drei Jahren intensiv mit dem Thema, habe wissenschaftliche Vorträge gehalten, Artikel geschrieben und mich ausführlich mit Rentenexperten ausgetauscht – unter anderem mit Bert Rürup (Deutschland) und Marek Góra (Polen), die beide maßgeblich an Rentenreformen beteiligt waren.
Mein Vorschlag weist viele Parallelen zu sogenannten NDC-Systemen (Nonfinancial Defined Contribution) auf, wie sie z. B. in Schweden und Polen umgesetzt wurden.
Eine ausführliche Beschreibung des Konzepts samt Begründung der Designentscheidungen findet ihr hier. Weitere Artikel und theoretische Hintergründe sind in den Referenzen des Artikels und auf dieser Seite gesammelt.
Kurze Beschreibung
Wie im aktuellen System zahlen alle Versicherten Beiträge ein. Anstelle von Entgeltpunkten gibt es jedoch ein persönliches Rentenkonto, auf dem die Beiträge direkt gutgeschrieben werden. Dieses Konto ist nicht finanziell unterlegt – das heißt, es enthält keine realen Vermögenswerte wie Aktien oder Anleihen, sondern folgt weiter dem Prinzip: Beiträge finanzieren laufende Renten.
Der Wert des Rentenkontos wird jährlich entsprechend der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts angepasst.
Beim Renteneintritt wird das angesparte Konto über eine staatlich organisierte Versicherung in eine monatliche Auszahlung umgewandelt. Dabei gibt es eine verpflichtende, aber großzügige Basisversicherung, die eine Grundabsicherung gewährleistet. Darüber hinaus können Versicherte wählen zwischen:
- einem Auszahlplan (keine Versicherung),
- und einer Zusatzversicherung (zusätzliche Absicherung).
Zudem gibt es die Möglichkeit, einen Teil des Rentenkontos zu kapitalisieren – also gegen echtes Kapital zu tauschen, um es individuell am Finanzmarkt zu investieren. Dafür fällt eine Kapitalisierungsgebühr an, deren Höhe von der Nachfrage abhängt.
Was verbessert sich konkret?
Im Folgenden vier Punkte, in denen ich klare Vorteile gegenüber dem bestehenden System sehe:
1. Zielgerichtetere Bekämpfung von Altersarmut
Viele Vorschläge zur Rente – z. B. von der LINKEN oder dem Sozialverband VdK – zielen darauf, das allgemeine Rentenniveau zu erhöhen, etwa auf 53 %. Der Plan im Koalitionsvortrag, das Rentenniveau zu stabilisieren hat langfristig einen ähnlichen Effekt. Das hilft aber vor allem Menschen mit mittleren oder höheren Renten – jene mit sehr niedrigen Renten profitieren davon kaum. In meinem Vorschlag erfolgt die Bezuschussung über die Basisversicherung eher in absoluten Beträgen – das heißt: Wer wenig eingezahlt hat, bekommt verhältnismäßig mehr.
2. Einnahmen durch Kapitalisierung
Durch die Kapitalisierung können staatliche Einnahmen generiert werden, z. B. zur Finanzierung der Basisversicherung. Das Prinzip ähnelt dem Generationenkapital der Ampel – nur dass hier das Risiko nicht kollektiv, sondern individuell getragen wird. Für den Staat ist das Risiko gering, sodass ein deutlich höheres Volumen als beim Generationenkapital möglich ist.
Beispiel: Bei einem Volumen von einer Billion Euro und einer Kapitalisierungsgebühr von 2 % entstünden Einnahmen von rund 20 Milliarden Euro jährlich (unter der Annahme, dass sich das BIP langfristig ähnlich wie die Zinsen auf Staatsanleihen entwickelt).
3. Rentenbeiträge werden als Anspruch wahrgenommen – nicht als Abgabe
Heute empfinden viele ihre Beiträge als eine Art Steuer – ohne direkten Gegenwert.
Im vorgeschlagenen System werden die Beiträge sofort transparent als Anspruch auf dem persönlichen Rentenkonto verbucht.
Ziel ist eine neue Wahrnehmung: Pflichtbeiträge zur Altersvorsorge statt steuerähnlicher Belastung.
4. Reduktion individueller Unsicherheit
Gerade viele jüngere Menschen haben das Gefühl, „sie bekommen später ohnehin nichts raus“.
Der Vorschlag erlaubt es, sich dieser Unsicherheit individuell weitgehend zu entziehen –
- durch die Option des Auszahlplans (falls man staatliche Versicherungsangebote mit unsicheren Konditionen in ferner Zukunft für unattraktiv hält),
- und durch Kapitalisierung.
Ich freue mich auf euer Feedback, eure Fragen – und gerne auch kritische Rückmeldungen!
Außerdem suche ich Testpersonen, die Lust haben, sich das Konzept und den theoretischen Hintergrund in einem Online-Meeting näher erklären zu lassen.
Ziel ist es, die Verständlichkeit der Erklärung zu verbessern.
Schreibt mir einfach per DM, wenn ihr Interesse habt.
Danke,
Martin