Volt: Kleinpartei mit Momentum

Die Kleinpartei hat bei der Europawahl ein interessantes Momentum an den Tag gelegt:

  • Der Stimmenanteil in Deutschland hat sich fast vervierfacht (0,7% ➔ 2,6%).
  • In vielen größeren Städten liegt der Stimmenanteil deutlich über 5% (Darmstadt: 10,9%).
  • Der Stimmenanteil in den Niederlanden hat sich mehr als verzweieinhalbfacht (1,9% ➔ 4,9%).
  • Die Anzahl der Europa-Abgeordneten hat sich verfünffacht (1 ➔ 5).

Nachdem wir alle die lila Plakate mit den markigen Sprüchen (und wenig Substanz) gesehen haben, würde mich ein Interview mit einer Politikerin oder einem Politiker von Volt interessieren. In den Medien kommen sie kaum vor. Wenn sich bei euch eine Gelegenheit ergeben sollte – ich wäre neugierig.

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Ein ausführliches Interview mit Volt-Spitzenkandidat Damian Boeselager:

Für mich interessant. Wenn sich die Lage gelegentlich dem Thema annimmt, hätte ich nichts dagegen.

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Mit der Antwort auf die Frage, was Volt denn vom politischen Konkurrenten Gründe unterscheidet, gibt er doch die ebenso populistische wie inhaltsleere Antwort „wir sind nicht ideologisch“ und „bei uns ist die Wirtschaft nicht der Feind“. Und als eines der wichtigsten politischen Ziele folgt dann tatsächlich mehr Förderung für Start-Ups. Das hat mir ehrlich gesagt schon gerecht, um meinen bisherigen Eindruck von dieser Partei zu bestätigen.

Ich habe Volt gewählt weil sie

  • sie dafür einstehen Europa politisch zu stärken (Stichwort Europa der Bundesstaaten)
  • sie oftmals liberaler sind als die Grünen (bspw. bei der Gentechnik)
  • sie ähnlich ambitioniert beim Klimaschutz sind wie die Grünen
  • ich mich schwer tue die Grünen zu wählen weil sie oft zu wenig pragmatisch diskutieren (und agieren)
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Ich finde diese Aussage muss man dann schon wieder im Kontext sehen. Natürlich kann man bei Habeck, Baerbock und Co. durchaus sagen, dass die der Wirtschaft vergleichsweise nah stehen und vieles auch weniger ideologisch sehen. Aber genau diese Position des Realoflügels wird Parteiintern auch keineswegs als die einzig mögliche Ausrichtung der Partei gesehen, vor allem nicht an der Parteibasis.
Gerade lokal bei der Diskussion über Stromtrassen oder auch Ausbau von Bahnschienen sieht die Argumentation oft schon anders aus. Da wurde in meiner Heimatstadt z.B. schon sehr Wirtschaftsfeindlich argumentiert. Wobei man fairerweise dazu sagen muss, dass die lokalen Grünen sich in diesem Fall gegen die Parteilinie auf Landes- und Bundesebene gestellt haben.

Ich glaube den Grünen tut es nicht gut, dass zwischen dem Realo-Flügel auf Landes- und Bundesebene und Teilen der Parteibasis inhaltlich doch ziemliche Differenzen liegen.

Mir ging es überhaupt nicht um die inhaltliche Ebene. Von mir aus kann Volt ja gerne behaupten, „näher an der Wirtschaft“ zu sein - was auch immer das im Einzelnen heißen soll. Aber auf eine sehr offene Einladung der Interviewerin, die politischen Vorzüge der eigenen Partei vorzustellen, mit solchen Plattitüden und so einem (sorry, Startups, aber) Nischenthema zu antworten, hat mich in meiner Position bestärkt, dass ich diese Partei nicht als seriöse Alternative betrachte. Ich kann auch wunderbar damit leben, dass andere Menschen das für sich anders entscheiden, ich finde nur die hier bisher genannten Gründe dafür alles andere als überzeugend.

Die Frage ist ja auch ob man Volt eher als Alternative für Wähler der Grünen sieht oder als Alternative für Wähler die bisher nicht Grün wählten, weil es eben für viele Leute diverse Gründe gibt nicht die Grünen zu wählen.
Und ich habe den Eindruck gerade für diese Gruppe will man sich als Alternative positionieren. Dabei hilft es natürlich auch solche Argumente aufzugreifen, die zwar in der Realität nicht zutreffen, von vielen Wählern aber eben doch als Argument gegen die Grünen wahrgenommen werden.

Strategisch also durchaus nicht ganz ohne Sinn, auch wenn ich diese Aussagen auch etwas platt sehe. Das Programm insgesamt finde ich aber ganz gut, zumindest das was ich davon gelesen habe.

Ich sehe konkrete Anhaltspunkte für wenig Ideologie bei Volt:

  • Atomkraft lehnen sie nur in der jetzigen Form ab, weil sie für Deutschland nicht sinnvoll umsetzbar ist.
  • Sie sind offen für Gentechnik (s. turmfalke).
  • Sie sind offen für zwei Fraktionen im Europa-Parlament: die liberale und die grüne. Es hängt davon ab, wo sie ihre Ziele besser umsetzen können.

Nebenbei bemerkt und unabhängig von Volt werde ich zunehmend vorsichtig, wenn Parteien als ideologisch bezeichnet werden. Das wird immer mehr zum Kampfbegriff rechter und rechtsextremer Parteien, der vor allem dem Zweck dient, andere Parteien zu diskreditieren und von der eigenen Ideologie-Lastigkeit abzulenken. Vielleicht wäre es sinnvoller, zwischen Prinzipientreue und Pragmatismus zu unterscheiden, wobei ich beide Begriffe wertfrei verstehe.

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Was im EU Parlament natürlich hoch interessant ist, welche Fraktion Volt letztendlich aufnimmt.

Aus dem Deutschlandfunk Politikpodcast, ab 26:50

“Damian Böselager hatte sich der Grünen-Fraktion hier angeschlossen in der letzten Legislaturperiode. Und der hat etwas ganz Interessantes gemacht. Der hat so eine Art Organigramm der Ausschüsse gemacht.

Das hat er mir mal gezeigt auf seinem Handy. Und da sind dann bestimmte Ausschüsse gelb markiert. Und das sind die, die für die Volt-Programmatik für das, was diese Partei politisch erreichen will, ganz besonders wichtig sind.

Und mit diesem Organigramm gehen jetzt die Volt-Abgeordneten zu den Grünen und zu den Liberalen. Das sind die beiden Ansprechpartner für die. Und sagen, so schaut mal, wir hätten einen Pfund mitzubringen.

Fünf Abgeordnete. Wir haben programmatische Nähe zu beiden Gruppen, sowohl Grünen als auch Liberale. Jetzt sagt uns mal, was haltet ihr von unserer Ausschusswunschliste?

So läuft der Transfermarkt dann konkret ab. Was könnt ihr uns bieten? Welche Rolle können wir in diesen Ausschüssen spielen?

Welche Rolle als Berichterstatter könnt ihr euch für uns vorstellen? Bei künftigen Gesetzesvorhaben werden wir da wirklich gut bedacht. Und wir haben ja gerade die Situation sowohl der Grünen als auch von Renew beschrieben.

War mir so auch nicht bewusst, dass Volt eine solche Nähe zum wirtschaftsliberalen Kurs der Liberalen EU Fraktion hat, der auch FDP angehört.

Muss man jetzt mal abwarten, welche Fraktion hier auf dem EU Transfermarkt das bessere Angebot an Volt macht.

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Das ist ja gerade mein Punkt: Da wird jemand nach den Unterschieden zu den Grünen gefragt und die Antwort ist „wir sind unideologisch“. Das ist m. E. nichts anderes als der verklausulierte Vorwurf, die Grünen seien „ideologisch“ - was auch immer das heißt.
Grundsätzlich gilt in politischen Debatten sowieso immer: ideologisch sind immer nur die anderen!
Und wenn man eins den Grünen in den letzten 40 Jahren nicht vorwerfen kann, dann dass sie Prinzipientreue den Vorrang vor Machtoptionen gegeben hätten - in dieser Hinsicht haben sie sich wirklich als sehr pragmatisch erwiesen. Nur bleibt für mich die Frage, ob man Pragmatismus an sich als Wert oder politisches Ziel ansieht.

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Ich glaube hier muss man auch wieder differenzieren.

Für den Wähler der die Grünen explizit wegen bestimmter Punkte wählt wäre eine Politik der Prinzipientreue wohl wichtiger als Pragmatismus. Für einen Wähler der einfach möchte, dass die Politik im Grünen Sinne stärkst möglich beeinflusst wird, unabhängig von bestimmten Programmpunkten, dem ist wohl Pragmatismus wichtiger. Denn selbst kleines Entgegenkommen in der Regierung ist meist mehr als das was man in der Opposition erreichen könnte.

Letztlich haben die Grünen an der Basis ja doch eine sehr große Bandbreite an Leuten mit einer ganz unterschiedlichen Ausrichtung. Das ist aber natürlich auch kein explizit Grünes Phänomen. Auch in anderen Parteien gibt es ja immer wieder Diskussionen über die Ausrichtungen und auch in der Union ist zwischen verschiedenen Landesverbänden und auch Spitzenpolitikern eine enorme Bandbreite vorhanden.

„wirtschaftliberal“ - was für ein unschönes Wort. Das heißt doch jetzt „pragmatisch“ und „unideologisch“ - oder eben auch „technologieoffen“ :wink:

War mir auch nicht bewusst, es wundert einen aber nicht, wenn man den ausgeschriebenen Namen von Damian Boeselager sieht:
Damian Hieronymus Johannes Freiherr von Boeselager

Das macht aber Sinn, denn Volt sieht sich selbst ehr als sozial-liberal an. Das war übrigens die FDP auch sehr lange, noch unter einem der wenigen sympathischen FDPler Gerhard Baum. Anfang der Neunziger hat die FDP dann entschieden neokapitalistisch und egoistisch zu agieren, also nur für die Freiheit der Stärksten einzustehen. Volt füllt diese Lücke und ergänzt sie durch sinnvolle Klimathemen. Insgesamt wirkt es wesentlich besser als die Programme der Grünen und der FDP.

Es wäre sehr gut, wenn die undemokratische 5% Hürde auf Bundesebene fallen würde, damit solche Parteien endlich leichter ins Bundesparlament einziehen können, wie auf EU-Ebene auch. Gerade weil die Partei eine ernsthafte Konkurrenz für FDP und Grüne darstellt, glaube ich allerdings nicht, dass diese üble Hürde fallen wird.

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Für die Zeit nach der Bundestagssommerpause wird die Entscheidung des BVerfG zur letzten Wahlrechtsreform (wir erinnern uns: BT verkleinert, da Wahlkreissiger:innen nicht mehr automatisch im BT, Grundmandatsklausel entfällt) erwartet. Ich bin nicht mehr sicher, wo ich es gehört habe, aber aus der mündlichen Verhandlung wurde berichtet, dass das Gericht dem Wegfall der Grundmandatsklausel eher skeptisch ggü. stehe. Es könnte daher sein, dass eine Fünfprozenthürde ohne Grundmandatsklausel als verfassungswidrig beurteil wird (besonders angesichts der Entwicklung, dass Kleinparteien immer mehr Zulauf bekommen, die Differenz zwischen Zählwert und Erfolgswert einer Stimme also steigt). Das könnte dann das Fenster für eine veränderte Gestaltung wieder öffnen. Ich persönlich hoffe sehr drauf, weiß aber, dass sich die Parteien beim Wahlrecht bislang immer schwer taten und beharkten wie verrückt (die jüngste, sinnvolle Reform ist deshalb mE trotz der üblen Scharte mit der Grundmandatsklausel nicht geringzuschätzen!). Daher könnte das Zeitfenster zu knapp sein, um eine größere Veränderung zu schaffen.

Hieran anknüpfend würde ich mir auch eine vertiefte Auseinandersetzung mit Volt in der Lage wünschen. Insbesondere zur Frage der Sozialpolitik. Mein oberflächlicher Eindruck ist in dieser Hinsicht, dass Volt eher eine grün angestrichene FDP ist mit europäischen Sternchen (nicht böse gemeint), weshalb ich bislang Schwierigkeiten habe, ihnen auf dem Feld etwas zuzutrauen und zu vertrauen. Für mich persönlich aber ein wichtiges Thema, das mir auch die Grünen in der Umsetzung zu schnell ggü. ihren Koalitionspartnerinnen aufgeben oder vernachlässigen. Ich bin da durchaus noch in der Bringschuld, mich über Volt besser zu informieren (was allerdings bislang auf die Claims aus dem Programm beschränkt ist), aber wenn ein Medium wie die LdN, das die Sozialpolitik auf dem Schirm hat, es aufgreifen würde, wär das ein wichtiger Beitrag nicht nur für mich.

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Seit wann lassen sich politische Überzeugungen an Namen ablesen?

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Manche Namen, eher Titel, lassen Rückschlüsse zu, wie jemand aufgewachsen ist ist aus welchen Umfeld er kommt.
Ganz zufällig ist der „Freiherr“ bei uns auch Spitzenkandidat der FDP.

Ich kann das Ressentiment nachvollziehen, ich glaube aber nicht, dass es weiterführt. Zum Beispiel habe ich auch ein „von“ im Nachnamen, und zwar durch Heirat. Deine Rückschlüsse würden damit ins Leere laufen.

Dabei ist es völlig ausreichend, darauf zu verweisen, dass Damian Boeselager als Unternehmensberater gearbeitet hat, um herauszufinden, wo seine politischen Überzeugungen liegen könnten.

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Vorurteile können zutreffen, müssen aber nicht.

Und schon spült mir der YouTube-Algorithmus das nächste Video zum Thema auf die Startseite:

Der Beitrag beleuchtet auch Seiten des Volt-Gründers, die manchen hier vielleicht unsympathisch sind: viel Geld für Wahlkampf, Tätigkeit als Unternehmensberater, privilegierte Herkunft und so weiter und so fort.

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