Volker Erb: Strafbarkeit der Bundesregierung bei COVID-19-Impfungen

Hallo,

was sagt ihr zu der folgenden Stellungnahme von Herrn Erb (Prof. für Strafrecht/Prozessrecht an der Uni Mainz) unter dem Titel: Strafbarkeit des Unterlassens einer maximalen Beschleunigung der COVID-19-Impfungen in Deutschland durch die Bundesregierung, vom 26.01.2021

Er sagt, die Regierung macht sich strafbar, wenn nicht alles Mögliche unternommen wird, um die Impfstoffverfügbarkeit in Deutschland zu erhöhen - auch durch möglich Exportverbote von Impfstoff.

Aktuell war die Stellungnahme hier abrufbar: https://erb.jura.uni-mainz.de/files/2021/01/Coronaimpfstoff-Strafbarkeitsgutachten-II.pdf

Ich finde es als Laie immer schwierig gegen solche juristischen Stellungnahmen anzuargumentieren. Stimmt es, dass sich die Regierung strafbar macht, oder kann man das auch anders sehen? Vielleicht kann mir jemand dabei helfen? Danke!

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Mhm ich studiere Rechtswissenschaften im 7. Semester und sehe manche Teile ein wenig anders.
Mich würde Ulfs Meinung aber auch brennend interessieren.
Insbesondere finde ich damit verbundene politische Stellungnahme äußerst unsympathisch. Für mich klingt das nach „Germany first“.

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Zwei Juristen, drei Meinungen. Die einzig echte Wahrheit gibt es bei Jura selten - also anders sehen, kann man das bestimmt.
Ich persönlich finde die Argumentation schon schlüssig. Wie Prof. Erb aber schon schreibt, über vergleichbare Fälle musste die Rechtsprechung noch nicht entscheiden.
Nur weil aber eine Strafbarkeit im Raum steht, bedeutet das nicht, dass die Regierung direkt eingesperrt wird. Als Abgeordnete genießen insb Frau Merkel und Herr Spahn Indemnität. Zwar hat meines Wissens nach der Bundestag diese grundsätzlich aufgehoben, aber ob dieser Fall dann auch darunter fällt, müsste dann der einschlägige Ausschuss entscheiden.

Welche Stellen siehst du denn anders? :slight_smile:
Im Übrigen hat sich Prof. Erb meines Wissens nach gerade gegen eine solche politische Instrumentalisierung ausgesprochen. Ziel des Gutachtens sollte eher eine Warnung vor der Möglichkeit einer Strafbarkeit sein.

Das würde aber im Weiteren bedeuten, das jegliches Wissen um eine durch den Einzelnen nicht zu vermeidende Gesundheitsgefährdungen vom Staat in Handlungen zur Abschaffung der Gefährdung münden müssen. Beispiel Feinstaub oder Ozonbelastung in Städten.

Zwei Juristen drei Meinungen da hast du wohl Recht.
Dass das nicht bedeutet, dass Spahn oder Merkel sich direkt vor Gericht verteidigen müssen, verstehe ich. Ich glaube, mich interessiert an der Diskussion tatsächlich mehr die Frage, ob ein Exportstopp von in Deutschland/Europa produzierten Impfstoffen das Mittel der Wahl wäre - oder ob das aus anderen/sonstigen (politischen/solidarische) Gründen, trotz allem geboten erscheint. Wobei das vermutlich auch losgelöst von der Perspektive der Strafbarkeit diskutiert werden muss. Natürlich auch hinsichtlich möglicher außenpolitischer Wirkung.

Und ich bin gespannt auf spätere Studien, die möglicherweise eine Perspektive geben können, wie viele Infektionen/Todesfälle tatsächlich durch früheres/breites impfen hätten verhindert werden können - auch im Hinblick, dass ja hoffentlich sehr bald mehr Impfstoff zur Verfügung steht.

Ich bin zugegebenermaßen totaler Laie, aber das kommt mir ziemlich albern vor. Viele (Fehl-)Entscheidungen, Verzögerungen, Kompetenzgerangel usw. der deutschen Politik in den vergangenen 11 Monaten haben im Coronakontext mehr oder weniger direkt Menschenleben gekostet. Unser Wirtschafssystem tut das politisch gestützt seit Jahrzehnten, die Klimakatastrophe tut es und wird es noch viel stärker tun, weil sie politisch wider besseren Wissens ebenfalls seit Jahrzehnten nicht richtig angegangen wird… Wo will man da anfangen, geschweige denn aufhören? Während (Hallo, Herr Scheuer) fast nichts in den letzten Jahren auch nur zu personellen Konsequenzen geführt hat, soll sowas jetzt auf juristischem Wege möglich sein? Sorry für den etwas bitter-zynischen Kommentar, aber in einer solchen Welt leben wir doch einfach nicht.

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Was ich mich als Naturwissenschaftler bei sowas frage: wie will man denn überprüfen ob die Maßnahmen auch den gewünschten Effekt haben? Welche Paramter wie zu betrachtende Zeiträume etc. sieht er denn vor?

Es ist billig kernige Behauptungen aufzustellen, deren Ergebnisse sich nicht überprüfen lassen.

Der EGMR hat eine Klage von einigen jungen Portugiesen im Dezember bewilligt, in der den Regierungen von über 20 Ländern (darunter auch Deutschland) vorgeworfen wird, nicht genug Maßnahmen gegen den Klimawandel zu treffen. Also ist es schon möglich, dass sowas auf juristischem Weg zu Konsequenzen führen kann, das ist ja gerade der Sinn von Gewaltenteilung. :slight_smile:

Das stimmt so wegen der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nicht. (Erb: „Dabei sind die Entscheidungsträger im Staat selbstverständlich nicht verpflichtet, allen denkbaren Lebens- und Gesundheitsgefahren um jeden Preis entgegenzutreten, sondern haben im Rahmen ihres politischen Gestaltungsspielraums normalerweise einen weiten Rahmen für die
Abwägung mit gegenläufigen Interessen. Dies gilt allerdings nur, soweit Beeinträchtigungen
im Raum stehen, die als Ausfluß des üblichen allgemeinen Lebensrisikos zu veranschlagen
sind, wie das z.B. bei den Auswirkungen einer normalen Grippewelle der Fall ist.“)

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Ich muss auch als Jurist dem zum Teil zustimmen… Es gibt natürlich eine Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, also der Politik… aber bei klar nachweisbaren Verhältnissen wird der Gesetzgeber zum Teil zum Handeln gezwungen sein. Aber die damit einhergehenden Abgrenzungsprobleme, die du zurecht ansprichst, sind wahrscheinlich eine eigene Reihe an interdisziplinären Dissertationen wert…

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Interessant, davon hatte ich nichts gehört. Naive Frage: Hat das irgendwelche Chancen? Eigentlich sind - mir zumindest - persönliche Konsequenzen für die Entscheidungsträger*innen relativ egal, das löst ja nichts an den Problemen.

aber bei klar nachweisbaren Verhältnissen wird der Gesetzgeber zum Teil zum Handeln gezwungen sein.

Pflege ist auch noch ein schönes Beispiel. U. a. politische Entscheidungen, die DRG etc. haben zu schlechteren Pflegeschlüsseln und Besetzungen geführt. Insbesondere für den Intensivbereich gibt es (lange vor CoViD!) Studien, dass weniger Pflege (bzw. mehr Patient*innen pro Pflegekraft) zu höherer Sterblichkeit führen. Und jetzt? Ist doch eigentlich alles bekannt.

Hier der Artikel auf LTO:

Ich denke schon, dass die Klage Chancen hat. Der EGMR hat sich mMn schon recht wohlwollend gezeigt, indem er den Staaten eine äußerst kurze Frist zur Äußerung eingeräumt und nicht auf die Ausschöpfung des jeweils nationalen Rechtswegs bestanden hat.
Es geht aber nicht um persönliche Konsequenzen für Entscheidungsträger, sondern um eine gezieltere Verfolgung der Klimaziele und dass sie international tätigen Konzernen eine stärkere Reduktion der Emissionen vorschreiben. :blush:
Jetzt sind wir aber ganz schön weit vom eigentlichen Thema.

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