Danke Tillmann für deinen Beitrag, mir ging es ganz ähnlich.
Liebes Lage-Team, ihr bringt schon hin und wieder mal das Thema Biodiversität ein, meist aber relativ kurz und in Verbindung mit Ausbau der Windenergie oder Ähnlichem. Ich bin schon sehr froh, dass ihr den Faktencheck Artenvielfalt überhaupt in die Sendung übernommen habt, hatte sehe aber auch große Probleme bei der Übermittlung der Thematik.
Eure Argumentation, warum das Thema wichtig sei, geht mir nicht weit genug. Ihr habt davon gesprochen, dass die genetische Vielfalt wichtig ist, damit Populationen sich auch an Umweltbedingungen anpassen können. Diese geht mir nicht weit genug. Die Lebewesen dieser Welt leben in unglaublich komplexen Beziehungen zueinander und die Art und Weise, wie der Mensch auf der Erde lebt, bringt diesen ökologischen Komplex komplett durcheinander. Das hat weitläufige Auswirkungen auf viele verschiedene „Ökosystemdienstleistungen“ und wird von Experten langfristig als größere Gefahr gesehen als der Klimawandel. Wenn daher von „kuschligen“ Hummeln gesprochen wird oder der Song von Biene-Maja gespielt wird, dann wirkt das einfach auf mich einfach nur grotesk.
Neben dieser rein auf den Menschen bezogenen Sicht finde ich es sehr wichtig hier auch von der Ethik zu sprechen. Albert Schweitzer sagte einst: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das Leben will.“ Der eigene Wert und die eigene Existenzberechtigung von Lebewesen, unabhängig von dem Nutzen für den Menschen, sehe ich als wichtigen ethischen Wert. Alleine wie Tiere täglich in unvorstellbaren Massen gequält und getötet werden, lässt mich erschaudern.
Ein Beitrag dazu hier: Wie die Ampel beim Tierschutz versagt
Desweiteren nehmen wir den zukünftigen Generationen durch unser Handeln ebenfalls die Schönheit und Vielfalt des Lebens. Bereits jetzt werden die Kinder nicht mehr wissen, wie viel Leben früher einmal in Wiesen zu finden war (sog. „Shifting-Baseline“). Man kann zwar nicht vermissen, was man nicht kennt, ich halte es ethisch aber für höchst problematisch, den nächsten Generationen eine karge Erde zu hinterlassen. Wenn ich mir vorstelle, dass in Deutschland in 50 Jahren ein Klima wie in Italien vorherrschen soll und die Regenwälder platt sind, dann frage ich mich wirklich, ob sich unser Handeln und unser wahnsinniger einseitiger Blick auf die Ökonomie wirklich gelohnt hat. Welche dominoartigen Auswirkungen es haben wird, wenn Arten nach und nach aussterben, lässt sich kaum erahnen.
Es wird mittlerweile auch juristisch scharf diskutiert, ob es neben natürlichen und juristischen Personen auch ökologische Personen geben sollte, denen ebenfalls Grundrechte zugeschrieben werden sollten. In Ecuador wird die Natur schon als Rechtssubjekt behandelt. Hier würde mich auf jeden Fall auch Ulfs Einschätzung interessieren.
Ein aktueller Artikel dazu hier: Dieselverfahren: LG Erfurt erkennt Rechte der Natur an
Den Wald als Positiv-Beispiel zu benennen, finde ich auch schwierig, in der Ökologie ist leider alles sehr kompliziert. Hier kommt es natürlich wieder darauf an, worauf man genau schaut. Dass mehr Totholz liegt ist auf jeden Fall eine wichtige Sache, die Bewirtschaftung wird aber beispielsweise immer noch mit riesigen Maschinen vollzogen, die den Boden extrem verdichten, sodass Bodenlebewesen und Wasser dort weniger Räume finden. Und Urwälder sind übrigens nicht bunt und gemischt, wie ihr erwähnt habt, sondern wären vermutlich in Deutschland größtenteils dichte Buchenwälder, in denen sehr viel weniger Artenvielfalt vorherrscht. Gleichzeitig brauchen wir solche großflächigen Bereiche, in denen Natur Natur sein darf (Prozessschutz), da sich hier vor allem Pilze, Moose, Flechten und sogenannte Urwaldreliktarten bilden können, die es in unseren Wäldern nicht mehr gibt.
Zum Thema Erneuerbare Energien:
Ihr spracht in einer früheren Folge davon, dass die Beschleunigung wichtig ist und den betroffenen Arten ja durch das Artenhilfsprogramm geholfen wird. Die Ausgleichsgelder wurden nun aber nach und nach weniger und die gesamten Naturschutzmaßnahmen wurden im Haushalt in der Ampelregierung extrem gekürzt:
Mit den Beschleunigungsgesetzen der EU werden für alle Projekte, die mit erneuerbaren Energien zusammenhängen, UVP-pflichtige Umweltprüfungen wegfallen, was ein ökologischer Super-GAU ist. Herr Wissing möchte zudem, dass der Ausbau von Autobahnen ebenfalls überragend öffentliches Interesse wird.
Es würde mich freuen, wenn ihr dazu nochmal einen größeren Beitrag macht, da die Bedeutung für die Menschheit immer noch enorm unterschätzt wird. Ja, ihr seid ein Politikpodcast und das ist meiner Ansicht nach ein hochpolitisches Thema, in dem das Interesse der Machtlosen sich ständig anderen Interessen unterordnen muss.
Liebe Grüße
Fabian