Versetzung junger Lehrer

Ich schreibe aus Bayern und jedes Jahr werden Lehrererinnen und Lehrer, die ihr Referendariat beendet haben auf das Bundesland verteilt um ihr erstes Schuljahr zu unterrichten. Die Verteilung/Versetzung steht dabei häufig in der Kritik.

Zum einen ist der Zeitpunkt zu nennen. Der Landkreis wird den jungen Lehrern typischerweise Anfang/Mitte August mitgeteilt wenn das nächste Schuljahr bereit im September beginnt. Somit bleibt sehr wenig Zeit um eine Wohnung zu finden und umzuziehen.Blog Eintrag`

Zum anderen sind die Kriterien wonach Wünsche zum Einsatzort berücksicht werden anzuführen. Diese sind in absteigender Wichtigkeit: Eigene Kinder, Heirat(!) und Leistung gemessen an der Abschlussnote. In unserem Regierunsbezirk Mittelfranken werden z.B. nur die 3 besten Absolventen oder Absolventinnen im Grundschullehramt mit einer Bevorzugung für ihren Einsatzort belohnt.
Dem Gegenüber wird jede und jeder der sich nur Rechtzeit aufs Standesamt begeben hat mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit belohnt im Lieblingslandkreis zu unterrichten.
Aus meiner Sicht ist die Bervorzugung der Familien vollkommen nachvollziehbar und richtig. Das Kriterium Heirat betrachte ich jedoch höchst kritisch. Erstens bewegt es viele junge Lehrer eine evtl. voreilige Ehe zu schließen. Zweitens ist es ein Instrument der konservativen Regierung (CSU) ihre gesellschaftspolitische Vorstellung vom Zusammenleben von Paaren zu promoten („Ehe muss sich wieder lohnen“). Drittens möchte ich die Frage aufwerfen ob nicht lokales gesellschaftliches Engagement eine für die Allgemeinheit viel bedeutsamere Bindung an eine Region ist als ein Ehering.
Die Inkogruenz wie Heirat und Leistung über den Lebensort junger Lehrer entscheiden ist doch mindestens diskussionswürdig.

Mich interessiert an dem Thema besonders:

  • Wie läuft das in anderen Bundesländern ab?
  • Welche Methoden werden beim Zuordungsproblem verwendet? Es gibt doch eine signifikante Ähnlichkeit zum stable marriage problem wozu es ja eine optimale Lösung gibt.
  • Warum wird die Entscheidung erst so spät mitgeteilt? Prognosen über Kinderzahlen und Absolventen sollten doch recht robust deutlich früher vorliegen, sodass einem Gros der Lehrer deutlich früher mitgeteilt werden könnte wo es denn hingehen soll.

Artikel

Als Einwohner eines Stadtstaats kann ich zur Beantwortung der Fragen zwar wenig beitragen, aber mich würde schon interessieren, woher dieses offensichtliche strukturelle Problem kommt, dass es wohl insbesondere in München dauerhaft zu wenig Lehrkräfte gibt, die dort freiwillig unterrichten. Normalerweise würde man doch davon ausgehen, dass ein weitverbreiteter Beruf wie Lehrer in der Bevölkerung einigermaßen gleichverteiltes Interesse hervorruft, so dass dann mal vielleicht ein paar hierhin oder dorthin verschoben werden müssten, und ein paar Jahre später läuft’s andersrum.

Die im Artikel erwähnten 35% der Schülerinnen und Schüler entsprechen ja nun ziemlich exakt dem Anteil Oberbayerns an der bayrischen Gesamtbevölkerung. Wollen einfach viel weniger Oberbayern (bzw. wohl insbesondere Münchnerinnen und Münchner) den Lehrberuf ergreifen als anderswo? Oder werden die mangels Kapazitäten an den Münchner Unis gezwungen, auswärts zu studieren und wollen dann nicht wieder zurück?

Ich könnte mir in beiden Fällen vorstellen, dass die hohen Mieten und Lebenshaltungskosten in München ein Grund sind. In dem Fall sollte man vielleicht mal darüber nachdenken, den LuL dort einen Metropolenzuschlag auf ihr Gehalt anzubieten, statt Jahr um Jahr junge Leute von weit her zwangszuverpflichten.

BTW: Ein Zyniker könnte vermuten, dass der späte Mitteilungszeitpunkt vielleicht Absicht ist, um gerichtliche Klagen bzgl. des Einsatzortes zu erschweren.

In meinen Freundeskreis aus Lehrern ist München genau wegen den genannten hohen Lebenshaltungkosten sehr unbeliebt.
Ich denke auch, dass der Wunsch den Lehrerberuf zu ergreifen relativ flach über Bayern verteilt sein dürfte. Die Ausbildung findet aber neben München primär in Nordbayern (Würzburg, Bamberg, Nürnberg) statt. Im Studium bilden sich natürlich soziale Bindungen und Partnerschaften. Dementsprechend möchten dann nur wenige nach Oberbayern.

Einen Metropolenzuschlag bzw. Münchenzuschlag wird auch immerwieder gefordert.

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Gibt es doch, nennt sich Ballungsraumzulage, wird für Wohnsitze in München und den Vororten gezahlt.
Allerdings in viel zu geringem Umfang. On top kommt hinzu, dass die meisten ihre Wohnung dann in München haben (oft STADI = nicht sehr schön) und Wochenende wieder heim zu den Eltern pendeln, weil einem Sonst die Stadt zu sehr aufs Gemüt schlägt.

Fakt ist: Es ist kompliziert, auch hier das Problem vielschichtig und komplex und nicht nur mit Geld lösbar.

Danke für die Richtigstellung zur Ballungsraumzulage.

Ich verstehe nicht ganz das Problem an der Versetzung generell. Lehrer sind nun mal im Staatsdienst und dürfen dort eingesetzt werden, wo Bedarf ist. Das ist beim Finanzamt nicht anders. Das sollte man wissen, wenn man den Beruf als Lehrer anstrebt. Ich würde ehrlich gesagt auch nur Kinder als Ausnahme gegen eine Versetzung gelten lassen. Heirat, besonders kurz bevor die Versetzung kommen sollte, darf da kein Grund sein. Man hat Vorteile in dem Beruf, aber eben auch Pflichten. Cherry Picking finde ich hier nicht richtig.

Es ist natürlich fragwürdig die Versetzung zu kurzfristig bekannt zu geben. Und zum Thema Wohnraum. Da muss geklärt werden, welcher Arbeitsweg vertretbar ist bei den Zuschüssen. Man könnte auch wieder günstigere Lehrerwohnungen wie früher einführen.

Ich wollte meinen Beitrag auch nicht an der Versetzung generel verstanden wissen. Ich bin komplett bei Ihnen: dass mit den Privileligien des Beamtentums auch Pflichten einhergehen, finde ich gerechtfertigt.
Die Kritik ist in erster Linie an die Kriterien der Vesetzung gerichtet.

@Tris , es geht ja nicht nur darum, Ausnahmen gegen eine Versetzung festzulegen. Sondern es geht darum, wie man die Stellen und die Bewerber einander zuordnet. Wenn sich ein Bewerber einen Ort wünscht, die sonst keiner will, kann er die ja bekommen. Nur wenn sich zu viele einen Ort wünschen, muss man Kriterien festlegen, die über Priorität 1 (Kinder) hinausgehen. Oder losen.

Mein Vorschlag wäre „Heirat“ mit geringerer Priorität durch das Kriterium „gefestigte Partnerschaft“ zu ersetzen, z.B. ähnlich zur Bedarfsgemeinschaft im Sozialrecht. Ohne Berücksichtigung könnte es sonst dazu führen, dass die Partner/innen (ob verheiratet oder nicht) der Lehrenden gezwungen werden, mitzuziehen, (oder eine Fernbeziehung einzugehen). Wenn sie mitziehen, ohne sofort einen Job zu haben, würde dadurch wieder ein traditionelles Rollenbild vom Hausmann/frau verstärkt. Außerdem ist es gerade in spezialisierten Berufen schwierig, in einer von außen festgelegten Stadt mal eben eine Stelle zu finden. (siehe auch Dual Career-Paare in der Wissenschaft, Doppelkarrierepaar – Wikipedia)

Ich glaube es ist ein First World Problem, und es redet sich immer leicht solange es einen nicht betrifft. Wenn man viele Freunde hat und dort dann weg muss ist das immer blöd.
Eigentlich ist es nur bei er Bundeswehr schon immer gang und gäbe das dort einfach versetzt wird, gerade bei den bayerischen Beamten hegt man immer die Hoffnung das man irgendwann (möglichst schnell) Heimatnah eingesetzt wird.

Ich sag ja das Problem ist kompliziert.

Im Dienstrecht steht sogar ein Satz: " Der Beamte hat seinen Wohnort so zu wählen, das er seinen Dienstgeschäften usw…"

In Deutschland nennt sich das Residenzpflicht:

Rechsgrundlage aus Österreich:

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Ganz ehrlich: Beamtenstatus für Lehrer abschaffen und sie wie ganz normale Angestellte behandeln.

Dann löst sich das Problem sauertöpfischer Junglehrer nach der Versetzung von ganz alleine

und schafft neue Probleme:

In und bei den Unistädten gibt es Lehrerüberfluss und im ländlichen wo sie nicht hin wollen Mangel …

Führt weiter oben in Schweden zu Schulwegen von 50km+x

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Das wäre überfällig, auch um die Qualität des Unterrichts hoch zu halten. Die Unkündbarkeit ist der größte Unfug überhaupt.

Und nicht jeder Lehrer kann in der Unistadt arbeiten Es müssen sich je nachdem auch viele ländlich bewerben.

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