Verkehrsverbünde

Verkehrsverbünde haben eine Berechtigung gehabt, weil sie den lokalen Nahverkehr organisiert haben. Heute sind sie durch die komplizierten und überall unterschiedlichen Tarifstrukturen ein Hindernis für den Ausbau und die Digitalisierung des Nahverkehrs. Besonders spürbar ist das, wenn man ein Ziel abseits der Großstädte bereisen möchte und für die letzten Kilometer auf eine Busverbindung angewiesen ist. Für diese Streckenabschnitte kann man in der Regel bei Bahn.de keine Fahrkarte kaufen. Die bekommt man an einem Automaten, der nie auf Usability getestet wurde. Oder man muss die lokale Verbund-App installieren. Warum werden die Verkehrsverbünde nicht abgeschafft? Gibt es noch Gründe für diese Relikte einer vergangenen Zeit?

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Ich würde jetzt für die Tarifsysteme der Verkehrsverbünde nicht in die Bresche springen wollen - aber ich hab da wenig Probleme. Die lokalen Verkehrsmittel sind im +City-Ticket mit dabei, und wenn nicht kann man sie von über 38 Verbünden in die DB Navigator kaufen. Damit hab ich gute Erfahrungen für Brandenburg (VBB), Nürberger Raum (VGN) und Münchner Raum (MVV) als man doch mal eine Karte brauchte. In manchen Verkehrsbereichen geht die Abstimmung soweit das man mit Bustickets / zum Buspreis den DB Regio in die Stadt nehmen kann.

Ich verstehe den Ärger das es manchmal nicht geht - das kenn ich gar nicht - und das die Tarifsysteme v.a. für Einzelfahrkarten Murks sind, aber ich finde die Abstimmung untereinander schon gut. Gerade im Vergleich zu den ganzen leihbaren E-Scootern, Rollern und was man sonst so leihen kann.

Die Verkehrsunternehmen sind häufig kommunaler Besitz, und die Verbünde sind eben genau dafür dar das nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht. Zu den Aufgaben eines Verbundes siehe z.b. Verkehrsverbund – Wikipedia.

Was ich mir wünschen würde bei den Verkehrsverbünden sind offene Schnittstellen und Standards.
Soll-Fahrpläne müssen veröffentlicht werden in der EU,
wir brauchen aber auch den IST-Zustand.
Dazu ein einheitliches Format für Tarife, auch wenn das jeder Verbund und jedes Verkehrsunternehmen wieder leicht anders verrechnet + Schnittstelle für den Kauf.

OpenData/Access ist wichtig um fleissigen Leuten zu ermöglichen hier selbst Analysen und Verbesserungen vorzunehmen.
Auch könnte man dedizierte Apps bauen die unabhängig vom jeweiligen Verbund sind und andere Daten mit berücksichtigen. Multimodales Reisen, Rollstuhlfähige Bahnhöfe, kaputte Lifte etc.

Wenn man aus mehreren Verbünden wieder einen macht, hat man vermutlich wieder einen behäbigen Riesen der nicht flexible und schnell genug ist und zuviel Verwaltungskram. Auch wieder nich wünschenswert.

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Äh, was? Ohne Verkehrsverbund müsste man ständig beim Umsteigen neue Fahrkarten lösen. In Hamburg gibt es alleine im Stadtgebiet 3 Schnellbahnunternehmen, mindestens ebenso viele Busunternehmen und eine Gesellschaft für die Hafenfähren. Im Umland noch etliche mehr. Sich da jedesmal darum zu kümmern, dass man auch ja die richtige Fahrkartensammlung am Start hat, wäre extrem nervig. Ich verstehe auch die Logik nicht. Dass du Probleme damit hast, irgendwo abseits der Großstädte Busfahrkarten zu organisieren, liegt vielleicht eher daran, dass entsprechende Orte nicht in einem Verkehrsverbund Mitglied sind. Du darfst dabei aber nicht übersehen, dass der absolute Großteil der Fahrten im ÖPNV nicht von „Touristen“ unternommen wird, sondern von Einheimischen – Pendlern, Schülern usw. – für die verkehrsmittelübergreifende Abo-Modelle essenziell sind.

Hallo,
Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Vorschlag von PeterF nicht, ist Verkehrsverbuende abzuschaffen und durch Einzelanbieter von Verkehrsmitteln zu ersetzen, sondern diese Einzelanbieter ohne weitere Zwischenstation in einen bundeseinheitlichen, staatlichen Anbieter von ÖPNV zu integrieren.
Dieser Anbieter wäre dann der Anbieter von allen Fahrkarten, würde ebenso Verkehrsmittelübergreifende Abo-Modelle anbieten wie den Vertrieb von Bus-Fahrkarten.
Im IST Zustand gibt es m.E. zwei verschiedene Probleme:

  • Wie oben angemerkt ist das Kartenkaufen in „fremden“ Verkehrsbetrieben oft kompliziert, auch wenn es da Verbesserungen gibt weil Verbundstickets jetzt übre die bahn App gekauft werden können (Ich würde sagen, dort gibt es jetzt oft „ein“ Ticket, das beste/günstigste Ticket (oder ein Fahrradticket) zu bekommen ist immer noch recht tricky. Das oben erwähnte City-Plus Ticket (des Fernverkehrs) gibt es m.W. nur für ausgewählte Großstädte?
  • Die Tarifgestaltung (insbesondere bei Abo-Modellen) ist ziemlich schräg bis katastrophal wenn man Verkehrsverbundübergreifend pendelt. Die Grenzen vonerkehrsverbuenden sind fuer die Nutzer:innen voellig willkuerlich und von keinen Vorteilen behaftet. Ein auf Entfernung/Fahrtzeit basierendes System waere hier in meinen Augen viel sinvoller.

Auf der anderen Seite ist in meinen Augen ein Problem, dass nicht-subventionierte Abo-Fahrkarten (also alles ausser Job- Schueler:innen und Studierenden-tickets) und Einzelfahrkarten verhaeltnismaessig teuer sind. Das gilt insbesondere auch fuer die Abo-Streckentickets der DB.
Das ist ein Thema, das sich nur mit zusätzlicher Subvention regeln laesst, unabhaengig von der Organisationsform.

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Wie im Link erwähnt für 130 Städte in Deutschland (und es heißt nur City-Ticket bzw. ist auf der Fahrkarte als Ort+City-Ticket drauf). Zumal man im Fernverkehr auch in den Mittel- und Großstädten ankommt, woanders würde das City-Ticket keinen Sinn ergeben.

Das ist eine natürliche Eigenschaften von Grenzen, das sie aus Nutzersicht ärgern. Der Leih-Roller darf auch nicht überall hingefahren werden - sondern nur bis zur Gebietsgrenze. Es lohnt sich halt nicht. Genauso wenig lohnt es sich wahrscheinlich die letzten paar Verkehrverbünde, die auf eigene Prozesse pochen, an einen größeren Verbund oder der Bahn-App anzuschließen.

Abgesehen davon das Absprachen dauern, egal ob man die Entscheidung gerne direkt zentral getroffen hätte, finde ich schön zu sehen das es in manchen kleinen Verbünden WLAN in Bussen gibt. So bleiben die Verbünde im Austausch und manche eben vom Angebot weiter vorne.

Nur als Anregung: How public transport actually turns a profit in Hong Kong | Cities | The Guardian

Danke für die Konkretisierung, Hasenkoettel. Ich hätte es nicht besser formulieren können.
Ich habe das Gefühl, dass die Mitdiskutierenden verkehrsgünstiger wohnen als einige meiner Freunde und ich. Besuche mit den Öffis bedeuten bei uns zweimal Fahrkarten im Bus/am Automaten lösen: einmal, um zum Bahnhof zu kommen und einmal, um vom Bahnhof zum Ziel zu kommen. Und diese Fahrten muss ich auch dann bezahlen, wenn ich eine BahnCard 100 habe. Denn diese Verbünde haben keine Vereinbarung mit der Bahn. Also, ich wundere mich nicht, dass viele Leute da beim Auto bleiben.
Ich selbst bin vor Corona beruflich zu 100% mit Öffis gefahren, privat auch zu einem hohen Prozentsatz. Ich habe also Erfahrungen aus erster Hand.

Jau, für 130 Städte gibt es das und für die verbleibenden (googelt kurz) 10.669 Städte und Gemeinden in Deutschland eben nicht - das ist ein Grosststadtangebot - das ist ja auch okay, aber hilft auch an vielen Orten nicht.

Zu meinem zweiten Gesprächspunkt:
Du sagst: Naja, Grenzen sind nervig, ueberall da wo sie sind. Klar. Aber das war ja genau mein Punkt: Die Grenzen von Verkehrsverbuenden, voellig willkuerlich und sehr grannular, auch durch Metropolregionen gezogen, nerven die Nutzer:innen und sind ein entscheidender Aspekt der an der Verkehrsverbundsturktur ueberholt wirkt.

Die Verkehrsverbuende koennten - wenn man denn eben keine Deutschlandweite Struktur haben moechte - ja zB auf Bundeslandebene vereinheitlicht werden. Das waeren zumindest Grenzen die die Buerger:innen gewohnt sind, und die Doppel-Fahrkarten-Formate ala Bayern ticket, NRW Ticket, vs. tagestickets der Verkehrsverbuende entfallen.

Ich glaube du unterschätzt das Angebot, überlege mal welcher Raum alles zu den etwa 130 eher größten Städten gehört. Da sind eben die Städte ab ca. 75.000 Einwohner dabei, die tatsächlich auch einen Fernverkehrsanschluss haben. Alle anderen können mit hoher Wahrscheinlichkeit das Anschlussticket in der App kaufen / von Bahnhof nachhause laufen weil kleine Stadt.

Natürlich gibt es dann trotzdem noch kleine Städte mit kleinen überörtlichen Verkehrsverbünden die auf Eigenständigkeiten wie eine komplizierte Tarifstruktur bestehen. Das ist dann aber kein Problem des City-Tickets mehr.

Und da wäre ich halt sehr vorsichtig, wenn man sich mal über die Arbeit der Verkehrsverbünde informiert. Grenzen sind immer ein Ergebnis eines realen Dilematas das man gewisse Sachen überörtlich abstimmen will, aber auch eine gewisse Eigenständigkeit schätzt. Die Abstimmung der Verkehrsverbünde ist halt unterschiedlich, es gibt landesweite, aber auch kleine die auf Eigenständigkeit pochen.

Die viel wichtigere, praxisnahere Frage wäre nicht ob man „Verkehrsverbünde“ abschafft, sondern wie Tarifsysteme vereinfacht und digital werden können. Das wird ohne Abstimmung nicht gehen. Und für diese Abstimmung hat man die Verbünde geschaffen.

Ich glaube wir sind nicht eigentlich weit auseinander: Ich verstehe absolut, dass erstmal die Kommunen die primären Träger des ÖPNVs sind, dass Verkehrsverbünde historisch gewachsen sind um überkommunal zu organisieren und zu verwalten, und das erstmal alles sinnvoll ist.
Ich wollte betonen, dass ich - als regelmäßiger und verkehrsverbundübergreifender Nutzer des ÖPNVs - PeterFs Unmut über komplizierte und überall unterschiedliche Tarifstrukturen absolut nachvollziehen kann.
Meine Lieblingsverbesserung für dieses Problem ist eben eine stärkere Zentralisierung in der Tariflandschaft (gerne Deutschlandweit, notfalls auf Bundeslandebene). Wenn dannach aus organisatorischen Gruenden die Verkehrsverbuende noch eine Daseinsberechtigung haben koennen die auch gerne bestehen bleiben.

PS: FunFact ohne sinvollen Beitrag zur Diskussion: Wenn ich mich nicht verzählt habe gibt es 260 Bahnhöfe mit IC-Anbindung in Deutschland :slight_smile:

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Na dann muss ich wohl mich korrigieren oder aber darauf hinweisen, das manche Städte auch mehrere Fernbahnhöfe haben und eine Haltestelle kein Bahnhof ist :wink: In Stuttgart weiß man schon Bescheid.

Der Hinweis auf die relevanten Aufgaben der Verbünde auch nur, weil man hier das Gefühl gewinnen konnte es ging aus Unzufriedenheit einfach mal gegen irgendwas („Einmal abschaffen bitte, mein Zug war zu spät!“), selbst wenn man sich mit den Aufgaben - und ja, dem Nutzen - der Verkehrsverbünde nicht beschäftigt hat.

Da glaube ich auch nicht das man soweit entfernt ist :slight_smile:

Kann @PeterF Meinung zumindest für das ländliche Gebiet im Nordschwarzwald bestätigen. Z.B. gibt es im Landkreis Calw je nach dem welcher Verkehrsträger (S-Bahn, Bus) verwendet wird auf dem selben Streckenabschnitt mind. drei verschiedene Tarife (Verkehrsverbund Karlsruhe, Verkehrsverbund Pforzheim/Enzkreis und Verkehrsverbund Calw).
Wenn BaWü auf Kreisebene herunter gebrochen wird, ist es oft der Fall dass ein Landkreis einen eigenen Verkehrsverbund hat. Z.B. Enzkreis, Calw, Freudenstadt, Schwarzwald-Baar usw.

Das ist alles andere als effizient, mMn eignet sich z.B. der Badische Landesteil sehr gut für wenige dafür funktionierende Verkehrsverbünde. Südbaden (ab Achern bis Basel und nach Waldshut) besteht aktuell aus vier Verkehrsverbünden.
Alleine der Wasserkopf ist immens. Es gibt vier Firmen, vier Verwaltungen, vier Geschäftsführer, etc. pp. alles viermal.

Dazu kann ich eine anekdotische Geschichte beisteuern: Fahre ich mit dem lokalen Verkersverbund von Köln nach Aachen, zahle ich aktuell 16,29€. Nehme ich den IC (der nur 3 mal am Tag fährt), zahle ich 21,40€. Ist man nun wie ich Bahncard 50 Inhaber, löst man nun immer den IC Preis (halbiert sich) und fährt ggfs. eben RE. Tolle Idee. Früher war es noch doller, da fuhr man zum selben Preis wie nach Aachen eine Station weiter (nach Hergenrath in Belgien). Da das aber über den Rand des Verkehrsverbunds hinweg ging, konnte man wieder seine BC benutzen.

Wieso nicht einfach alles unter einen Hut? Wozu braucht man so viele Verkehrsverbünde, die alle ihr eigenes Süppchen kochen, es regelmässig Stress gibt bei Fahrten zwischen den Regionen, ganz davon abgesehen von dem Wirrwarr für den zahlenden Kunden?

Weil ein Verkehrsverbund jeder für sich zahlreiche unterschiedliche Aufgaben und Interessen im Hintergrund hat. Historisch sind dabei übrigens die Verkehrsverbünde - was viele hier wohl nicht wissen - Teil der Lösung, die Integration unterschiedlicher Tarifsysteme ist da nur ein Teil. Nich zuletzt hat da auch der Träger der Verkehrsleistung (also z.b. die Stadtwerke), die örtliche Politik mit eigenen Vorstellungen und viele mehr einen Einfluss.

Es geht darum das die Gemeinden eine Eingeständigkeit haben, auch was ihren Verkehr angeht. Alles darüber ist mehr oder weniger ein aufwendiges Komplex aus rechtlich abgesicherten Absprachen untereinander. Die Entscheidungskompetenzen kann man auch soweit ich weiß nicht mit Fingerwisch auf das Land oder Bund übertragen und selbst wenn man es könnte würde es den Abstimmungsbedarf nicht veringern.

Nur um das abzuschließen: Ich bin per Hand in der Wikipedia die Liste der Städte mit Intercityanschluss durchgegangen, da wird unterschieden zwischen Stadt und dazugehörigen Bahnhöfen/Haltestellen und ich hab nur Städte gezählt :wink:

Im Prinzip auf lokaler Ebene sind kleinere Organisationen agiler und flexibler und können sich um Details kümmern.
Je weiträumiger das verwaltete Gebiet desdo zäher wird es weil mehr Leute und Gemeinden und Firmen unter einen Hut gebracht werden müssen.

Wo das so richtig schmerzhaft wird ist meist wenn man über eine Verbundsgrenze pendeln will und beide Seiten sich nicht abgestimmt haben.

Ich glaube aber nicht dass sich das lösen lässt in dem man alle einzel Verbünde in einen umwandelt.
Die kleinteilige angepasste abgestimmte Planung muss man dennoch irgendwie hinbekommen.

Es löst vielleicht den Preiswirrwarr auf lange Zeit, aber das bedeutet noch lange keine abgestimmte Planung.

Das scheitert sogar innerhalb von Verbünden wenn nicht jeder Zug nen Busanschluss hat obwohl genügend Busse vorhanden wären :wink:

Das scheinen mir eindeutig zu viele und zu kleinteilige Verkehrsverbünde… In ganz Berlin und Brandenburg gibt es mit dem vbb nur einen Verkehrsverbund.

Kann so klappen, muss aber nicht. Je kleinteiliger das wird, desto besser müssen die kleinen Teile zusammen spielen. Und hier hakt es imho ziemlich. Zumindest ist das oft intrasparent für den Kunden. Regelmässig ändert sich etwas irgendwo (Preise, Fahrzeiten, Anschlüsse, etc) und es gibt oft keine Möglichkeit sich zu informieren, wenn sich die Änderung ausserhalb des eigenen Gebiets passiert.

Wieso macht man z.B. keine zentrale Tarifstruktur?

In BaWü wurde neulich eine Landesweites E-Ticket beschlossen. Weg frei für IT-Personal an Schulen: Staatsministerium Baden-Württemberg Zweifelslos macht es die Nutzung für den einzelnen besser, aber geht am eigentlichen Problem vorbei. Es gibt in BaWü sage und schreibe 22 Verkehrsverbünde, ein Großteil der Verbünde sollte zusammengelegt werden.

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Das war auch nicht mehr ganz ernst gemeint, das kommt im Internet aber immer schwer rüber :smiley: