Vergütung Impfpersonal

Ihr werdet vermutlich in der nächsten Sendung über die schlechte Organisation der Abrechnung und Kontrolle der Schnelltestzentren berichten. Thematisch ähnlich, aber vllt auch ein separates Thema ist die völlig überzogene Vergütung des Impfpersonals, speziell von Ärzt:Innen in Impfzentren und mobilen Impfteams. Die Stundensätze (115€ in Schleswig-Holstein bis 175€ in Sachsen) und Konditionen (teilweise Pauschale pro Tag, Vergütung trotz Ausfall von Schichten) liegen so hoch, dass Ärzt:Innen durch ihre Impftätigkeit ca 1200€ pro Tag bzw auf ein 3/4 Jahr gerechnet ca 216.000€ pro Jahr verdienen werden und damit fast so viel wie unsere Bundeskanzlerin. Hier haben die kassenärztlichen Vereinigungen gut für ihr Klientel verhandelt und die Landesregierungen / Landesgesundheitsministerien nicht gut hingeschaut.

Die Stundensätze waren ursprünglich so hoch, damit niedergelassene Ärzt:Innen Anreize haben, ihre Praxis für bestimmte Tage zu schließen, um in dieser Zeit stattdessen zu impfen und angemessen kompensiert zu werden. Doch selbst dafür ist der Satz zu hoch und in der Realität arbeiten überwiegend
Medizinstudiumabsolvent:Innen oder im Krankenhaus angestellte in den entsprechenden Impfteams und verdienen durch diese Vergütung ca 5x soviel, wie sie normalerweise pro Stunde verdienen würden.

Es darf bezweifelt werden, dass die Gefahr bestand, dass zu wenig Impfpersonal rekrutiert werden könnte - die Bereitschaft war im Vorfeld laut Umfragen sehr hoch. Zu Beginn gab es ohnehin sehr wenig Impfstoff, viele Impfungen wurden direkt in Krankenhäusern am eigenen Personal durchgeführt, so dass genügend Zeit für ein Nachjustieren vorhanden war. Durch die hohe Vergütung waren die ausgeschriebenen Stellen aber so begehrt, dass es ein vielfaches an Bewerbungen pro Stelle gab (fast alle Krankenhausangestellten und Absolvent:Innen haben versucht einen der begehrten Plätze zu bekommen). Allenthalben gab es in sehr ländlichen Gebieten weniger Bewerbungen für die mobilen Teams.

Weiterhin kommt es vor, dass Schichten geplant werden, aber aufgrund von Verzögerungen bei den Impfstofflieferungen abgesagt werden müssen. Erfolgt die Absage nicht zwei Wochen im Voraus, wird dennoch voll vergütet, so dass es dann also 600€ für eine ausgefallene Schicht oder 1200€ für eine ausgefallene Doppelschicht (10 Stunden - das ist der Standard) also fürs Nichtstun gibt. Hier ist die Verhältnismäßigkeit völlig verloren gegangen.

Und wie soll man das gegenüber den MFAs, die die Impfungen zumeist durchführen verargumentieren, die zu weit niedrigeren Konditionen arbeiten, aber die Impfungen tatsächlich durchführen?

Hier hätte eine differenzierte Abrechnung sehr viel Sinn ergeben. Der jetzige Zustand sorgt bereits jetzt für großen Unmut unter der Ärzt:Innenschaft / Krankenhausbelegschaft, da die Verhältnismäßigkeit einfach nicht mehr gegeben ist und für gleiche Tätigkeiten völlig unterschiedlich kompensiert wird, aber auch für großen Unmut im Rest der Gesellschaft, wenn sich ein Berufszweig so stark in der Pandemie „bereichert“.

Im Übrigen sind die Verrechnungssätze pro Impfung für Niedergelassene Ärzt:Innen ebenfalls sehr üppig. Während Standardimpfungen mit ca 7€ abgerechnet werden, wird die Corona Impfung (Erst- UND zweitimpfung) mit JEWEILS 20€ vergütet, also Faktor 3.

Für die zukünftigem Impfkampagnen sollten hier smartere Konzepte erarbeitet werden.

Quellen bspw:
https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/hohe-impfhonorare-aerzte-kritik-interview-kugler-100.html

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Ich kann bei den Impfzentren nur zustimmen - das ist wirklich etwas sehr üppig, und vor allem der Unterschied zwischen den extrem hoch bezahlten Ärzten und den sonstigen Fachangestellten ist so krass, dass es dafür keine plausible Erklärung geben kann.

Aber folgenden Punkt sehe ich etwas anders:

Mit den Coronaimpfungen haben Hausärzte weit mehr Aufwand als mit den üblichen Standardimpfungen. Praktisch alle Praxen mussten beginnen, aufwendige Wartelisten zu führen, müssen Telefonate an laufenden Band annehmen, die Kandidaten nach Priorität sortieren, jede Woche den Impfstoff bestellen, die tatsächlich gelieferte Menge dann auf Kandidaten verteilen, diese kontaktieren und Termine vergeben, bei der Hälfte erfahren dass sie schon anderweitig geimpft worden sind, Nachrücker einladen, dann den Impfstoff vorbereiten (der nicht wie sonst in Fertigspritzen kommt, sondern aufwendig in Spritzen aufgezogen werden muss) und verimpfen, eine Nachbeobachtung über 15 Minuten machen und schlussendlich jede geimpfte Person tagesaktuell ans RKI melden.

Wenn da Faktor 3 für den zeitlichen Aufwand gegenüber Standardimpfungen reicht, wäre ich verwundert. Ich glaube (ohne Detailkenntnis, einfach nur von dem was ich von außen sehe) dass die 20€ da eher zu sparsam kalkuliert sind und Ärzte hier schon auch einen gewissen Idealismus bemühen müssen, um den Extraaufwand vor sich zu rechtfertigen.

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Das stimmt - die ganze Organisation ist für die Praxen relativ aufwendig und die Kostensätze in diesem Bereich noch gerechtfertigt.

Andererseits kann man hier, ähnlich wie bei der Organisation der Schnelltests, die Frage stellen, weshalb es einer (Landes-) Regierung mit mehr als einem Jahr Vorlaufzeit nicht gelingt, ein zentrales Buchungssystem für die Praxen einzurichten, um sie vor diesem ganzen Chaos zu bewahren. Es ist immens, mit wie vielen Anfragen kleine Praxen seit Wochen überhäuft werden.

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Kurzes Update hier noch, anlässlich der Debatte um Schließung/Aufrechterhaltung der Impfzentren und 3. Dosis / Auffrischungsimpfungen:

In immer mehr Ländern vermischen sich zurzeit die Überlegungen zur Schließung und Aufrechterhaltung der Impfzentren. Auf der einen Seite sind Schließung der Impfzentren in einigen Bundesländern schon fest eingeplant, da ihre Kosten extrem hoch sind (je Dosis ca. 7x höher als in niedergelassender oder betriebsärztlicher Praxis) [Impfen im Zentrum sieben Mal teurer als beim Arzt | hessenschau.de | Gesellschaft]; jedoch ist das je nach Bundesland auch wieder anders. So planen einige Länder bereits eine Aufrechterhaltung der Impfzentren bis ins Jahr 2022 hinein. Eine Notwendigkeit dafür besteht nicht, denn:

Die Kapazität von niedergelassenen Praxen und Betriebsärzt:Innen liegt bei ca. 4,5 - 5 Mio. Dosen (hergeleitet aus den stärksten Impffortschritte je Woche), es könnten aber je nach Belieferungssituation und Art des Impfstoffs noch sicherlich mehr sein.
Eine Verimpfung von noch einmal 70 Mio. Dosen als Auffrischung bspw. 6 Monate nach Zweitimpfung, würde also konservativ gerechnet innerhalb von 16 Wochen realisiert werden können.

Es ist daher überhaupt nicht nachvollziehbar, weiterhin an Impfzentren festzuhalten - einzig die mobilen Impfteams könnten für Einsätze in ländlichen Regionen oder wie zu Beginn in Altenheimen noch sinnvoll sein. Alles andere riecht, wie so vieles der letzten Monate aus den Gesundheitsministerien, nach Klientelpolitik und Taschenvollschlagen. Eine absolute Verschwendung von Steuergeldern.

Das irritiert mich ein bisschen.
Jeder der Kontakt zum einem Hausarzt unter Normalbedingungen vor Corona hatte, kann sicher eins bestätigen, dass Hausärzte vor allem von einem zu wenig hatten - Zeit.

Das unter den besonderen Umständen der Pandemie die Hausärzte ihren Beitrag gleisten haben bzw. leisten ok, aber als Dauerzustand halte ich das für kontraproduktiv bzgl der regulären medizinischen Versorgung der Patienten.

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Ich sehe das ebenfalls etwas anders:

Die Vergütung der Ärztinnen und Ärzte in den Impfzentren ist zu hoch, da stimme ich zu. Dass man anfangs einen hohen Stundenlohn angesetzt hat, um nicht an zu wenig ärztlichem Personal, das mitten in der Pandemie ohnehin schon breit eingebunden ist, zu scheitern, halt ich für korrekt. Allerdings hätte man das zeitnah deutlich reduzieren sollen. Ich habe selbst auch ein paar Schichten mitgeimpft und dabei ein Vielfaches meines normalen Gehaltes verdient, für das ich sonst hauptsächlich im Schichtdienst auf der Intensivstation arbeite.

Die Impfzentren dagegen halte ich für extrem sinnvoll. Der Aufwand, der für eine Covid-Impfung nötig ist, ist enorm. Ich kenne keinen hausärztlichen Kollegen, der nicht seine Praxis umorganisieren musste, um den enormen Ansturm an Anrufen und Mails inkl. teils relativ emotionaler Diskussionen abarbeiten zu können. Hausärzte hatten vorher schon viel zu wenig Zeit für ihre Patienten, dass sie jetzt den Großteil der Impfungen durchführen sollen, halte ich für falsch. Ich plädiere klar dafür, die laufenden Impfzentren offen zu halten, bis sie nicht mehr benötigt werden. Hausärzte, Betriebsmediziner, etc. können zusätzlich impfen. Die Kostenrechnung halte ich für unterkomplex, da sie z.B. die Folgekosten der schlechteren Versorgung anderer Patienten in den Hausarztpraxen nicht berücksichtigen kann. Abgesehen davon ist ein früheres Ende der Pandemie eine formal höhere Summe für Impfzentren meiner Meinung nach wert.

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Dass die Impfungen in Praxen auf Kosten der üblichen Behandlung geht, höre ich zum ersten Mal. Durch die Lockdowns gab es eine massive Entlastung im gesamten Gesundheitssektor exklusive der Intensivstationen. Typische Allgemeinmedizinbeschwerden wie Erkältungen/grippale Infekte etc. sind doch fast komplett ausgeblieben. Die Tropenmedizin war fast arbeitslos, weil keine Fernauslandsreisen möglich waren. Kinderärzte/Pädiatrien in Krankenhäusern ebenfalls stark entlastet. Sport in Gruppen kaum möglich - kaum Unfälle. Es hatte schon seine Gründe, weshalb die Krankenhäuser anfingen herumzutricksen mit ihren Abrechnungen.
Aber zurück zum Thema: die Praxen haben sich stark dafür eingesetzt zu impfen, und das ja auch nicht 24/7 sondern meist an ausgewählten Tagen. Klar gab es anfangs ein riesen Chaos, weil Impfstoff und Termine knapp und das Telefon dauerbelegt von Leuten, die nach Impfresten fragen. Aber schon seit etwa zwei Wochen fällt es den meisten Praxen schwer, sämtliche Termine zu vergeben. Das Impftempo geht stark zurück.

Ich habe nicht das Gefühl, dass es an Impfkapazität im System mangelt, sondern an Impfstoff. Für das, was aktuell verimpft wird, braucht man keine Impzentren mehr.

Update zum Thema Vergütung von Impfpersonal:
Bis heute hat sich nichts an den Vergütungungen geändert.
Das führt immer noch dazu, dass Ärzt:Innen unabhängig von Qualitfikation und Berufserfahrung das 3-fache des Gehalts im Krankenhaus verdienen. Die entsprechenden Plätze und Schichten sind so begehrt, dass es überall zugeht wie auf dem Schwarzmarkt.

Die Politik hätte längst mit den Kassenärztlichen Vereinigungen nachverhandeln müssen. Es gibt überhaupt keinen Anlass davon auszugehen, dass sich nicht genügend Impfpersonal findet. Jeder Platz hat ca. 50 Bewerber:Innen.

Um nochmal eines zu verdeutlichen: Der ausgehandelte Satz von meist 115€ pro Stunde (in manchen Bundeslängern mehr) entspricht einem Satz im Bereitschsaftsdienst von ausgebildeten Notfallmediziner:Innen. Beim Impfen geht es schlicht darum, Anamnesebögen zu checken, die Impfung zu injizieren und zu dokumentieren. Das ist vergleichbar mit dem, was beim Blutspenden gemacht wird.

Es gibt zahlreiche Berufsanfänger:Innen, die just mit ihrem Studium fertig geworden sind und jetzt jeden Monat mit 20.000€ - 30.000€ nach Hause gehen, sozialabgabenbefreit, weil gemeinnützige Tätigkeit. Nimmt man die anstehenden Booster-, Omikron, etc. spezifischen Impfungen hinzu werden hier Tausende Ärzt:Innen nach 2 Jahren mehr als eine halbe Million Euro damit verdient haben, Anamnesebögen zu kontrollieren und einen Stempel auf die Impfausweise zu drücken. Das ist unfassbar ungerecht und führt zu massiven Verwerfungen im Gesundheitssektor.

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In quer (Bayerischer Rundfunk) gab es dazu einen Bericht, dass nun Notärzte fehlen, da die Vergütung für Impfungen derart gut ist, dass die Ärzte lieber das machen.
Natürlich ist das nicht der einzige Grund, sondern auch die grundsätzlich niedrige Vergütung für das, was ein Notarzt leistet, aber es scheint die Situation noch einmal zu verschärfen.

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