US Expats + FACTA

Hallo zusammen,

ich habe ein Problem, was hierzulande ca. 100 000 Menschen betrifft: Ich besitze neben der Deutschen noch eine US Staatsbürgerschaft. Ich wurde aufgrund beruflicher Tätigkeit meiner Eltern dort geboren. Kurz nach meiner Geburt zogen wir wieder nach Europa, wo ich seitdem lebe. Klingt erstmal nicht nach einem Problem, ist aber bei genauerem hinsehen doch ein ziemlich großes und bizarres. Die USA betreiben (neben wenigen Ländern wie Eritrea) ein globales Steuersystem. Staatsbürger und nicht Einwohner sind hier steuerpflichtig (citizenship-based vs. residency-based taxation).

Wer ungern Steuererklärung macht kommt hier in den Genuss zwei Steuererklärungen mit wechselseitig inkompatiblen Vorschriften zu machen. Ich habe das vor ca. 3 Jahren herausgefunden, als ich meinen Pass erneuern wollte. Ich habe versucht selber die US Steuererklärung zu machen, bin fantastisch gescheitert und musste dann eine (super teure) Agentur beauftragen das für mich zu machen.

Meine erste US Steuererklärung war geschmeidige 181 Seiten lang (ca. 1 kg), da man, um straffrei fürs nicht-wissen auszugehen, rückwirkend für die letzten 3 Jahre die Unterlagen einreichen muss (streamlined tax filing procedures). Dies schließt auch alle Kontoinformationen (FBAR - Foreign Bank Account Reporting & FACTA - Fair and Accurate Credit Transactions Act) mit ein. Meine Steuersituation ist nicht komplex: Mittleres Einkommen, unverheiratet, keine Reichtümer, kein Haus oder ähnliches. US Steuern auf Einkommen muss ich nicht zahlen. Was ich nicht wusste war, dass ETFs doppelt besteuert werden (PFICs - Passive Foreign Investment Company).

Nun zahle ich also jedes Jahr mehrere hundert Dollar für die Agentur, habe einen Monat schlaflose Nächte weil es sehr kompliziert und die Strafen sehr hoch sind, schicke meine privatesten Finanzinformationen in ein, für mich, fremdes Land und zahle doppelt Steuern auf ETFs. Das sind aber nicht alle Folgen:

Ich wollte mich ehrenamtlich in einem Verein für Jugendarbeit als Kassenwart engagieren. Das hätte zur Folge gehabt, dass ich Zugang zum Bankkonto haben müsste. Das würde bedeuten, dass ich das Konto mit allen Finanzdaten bei FBAR und FACTA melden müsste. Insofern musste ich „freiwillig“ auf das Amt verzichten.

Banken in Europa sind gerade dabei die Konten von US Bürgern zu schließen, weil die Strafen für Verstöße gegen FACTA drakonisch sind. Einem mir bekannten US Staatsbürger wurden vor wenigen Wochen drei Konten auf einmal gekündigt. Von GILTI Steuern, die auch auf GmbHs anfallen will ich gar nicht anfangen.

Ein Ausweg bleibt: 5 Jahre lang Steuern erklären und dann für geschmeidige 2350$ die Staatsbürgerschaft abgeben. Das ganze würde insgesamt ca. 8000 – 10000€ kosten und kann doch nicht die Lösung sein. Anderer Ausweg ist, dass die USA ihre Steuergesetze ändern und das Problem obsolete wird, aber das tun die nicht ohne genügend Druck oder Beschwerden von Institutionen wie z.B. der EU.

Ich habe nichts dagegen Steuern zu zahlen, aber bitte nur in dem Land wo ich seit mehr als 30 Jahren lebe. In Deutschland sind die Steuern höher. Wenn ich also Steuern sparen will, dann würd ich doch in die USA ziehen.

Die Frage ist, ob man dieses Problem in der Lage mal beleuchten könnte. Vielleicht gerade vor dem Hintergrund, dass FACTA in meinen Augen gegen die EU DSGVO Regelung verstößt und mit dem Urteil Schrems II sich da rechtlich vielleicht einiges getan hat.

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Hallo @D0mi, ich stimme dir absolut zu! Ich finde es ein hochspannendes Thema, da vielen Menschen gar nicht bewusst ist, was diese Doppelstaatsbürgerschaft für Hürden mit sich bringt - nicht zuletzt denjenigen, die plötzlich aus heiterem Himmel vom US Steuerrecht und den damit verbundenen Pflichten erfahren. Auch über die Reaktionen im privaten Umfeld könnte man ein ganzes Buch schreiben. Die Reaktionen reichen von: „Das kann ja gar nicht sein.“ Über „Naja, dann machst du halt zwei Steuererklärungen.“ Bis hin zu: „Dann gib doch einfach die Staatsbürgerschaft ab.“ Ganz so einfach ist es leider nicht…

Das reine Reporting selbst, also die bloße Angabe von Einkommens- und Vermögenswerten, sehe ich persönlich zwar als Last, allerdings weniger als eine echte Benachteiligung an. Wenn man als deutscher Staatsbürger allerdings aufgrund der US-amerikanischen Staatsbürgerschaft in Deutschland systematisch benachteiligt werden, dann sehe ich darin durchaus ein Problem. Zwar ist diese ganze Situation durch das von den USA beschlossene FATCA Gesetz durch Wirken der USA entstanden, jedoch finde ich den Umgang seitens der deutschen Steuerbehörden und Banken mit betroffenen Menschen mangelhaft.

Wie du bereits schreibst, kommt es zu Kontoschließungen, Kredite und andere Finanzierungen werden aufgrund der doppelten Staatsbürgerschaft nicht gewährt und Depots können bei nicht US-amerikanischen Brokern kaum oder nur unter Verschweigen der US-Staatsbürgerschaft eröffnet werden.

Neben der von dir formulierten Bedenken vor dem Hintergrund der EU DSVGO frage ich mich, inwiefern die Umsetzung des FATCA Gesetztes in Deutschland in Konflikt mit dem Deutschen Grundgesetz (Art. 3, (3)) steht, da in meinen Augen eine klare Benachteiligung aufgrund der Herkunft vorliegt.

Eine Aufarbeitung der Sachlage und juristische Einordnung in einer Lage Folge würde mich sehr freuen und sicherlich etwas Licht in mein Dunkel bringen.