UNRWA/ Palästinensische Flüchtlinge

Hallo,

wie ihr sicherlich mitbekommen habt, hat Deutschland seine Finanzierungsbeiträge zur UNRWA vor Kurzem eingestellt hat:

Es ist kaum bekannt, warum es die UNRWA gibt und welche Rolle sie in der Frage der Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge aus dem Krieg 1948/49 aus dem Libanon, aus Syrien, aus Jordanien, aus der Westbank und aus dem Gaza-Streifen in das Kernland Israel („law of return“) spielt.
Es gibt in der UN zwei Sonderorganisationen betreffend Flüchtlinge: UNHCR und UNRWA.
Laut UNRWAs Definition gelten solche Personen als Palästina-Flüchtlinge, „deren ständiger Wohnsitz zwischen 1. Juni 1946 und 15. Mai 1948 in Palästina lag und die ihren Wohnsitz und ihre Lebensgrundlage durch den Arabisch-Israelischen Krieg von 1948 verloren haben“. Die UNRWA registriert auch die Nachkommen von Palästina-Flüchtlingen und adoptierte Personen.

Es gibt aber in keinem anderen Fall noch Flüchtlinge aus einem Krieg, der sich in den 40er Jahren ereignet hat. Es gab nur ein weiteres besonderes Hilfswerk, und zwar für die Flüchtlinge des Koreakrieges: UNKRA (United Nations Korean Reconstruction Agency - Wikipedia). Dieses wurde nach fünf Jahren nach erfolgreichen Integration der nordkoreanischen Flüchtlinge in die Republik Korea (Südkorea) nach fünf Jahren eingestellt. Die Integration palästinensicher Flüchtlinge wurde hingegen seit jeher von den arabischen Staaten (außer Jordanien) abgelehnt, damit das Flüchtlingsproblem bestehen bleibt und ein Grund besteht, um den Friedensschluss mit Israel abzulehnen.
Die palästinensische Flüchtlingsbewegung sieht es als ihr unveräußerliches, absolutes, subjektives, unverhandelbares Recht an, in die 1949 verlassen Häuser in Israel zurückzukehren. Jedes Friedensangebot von israelischer Seite wurde abgelehnt, v.a. weil das Rückkehrrecht hier nicht vorgesehen war.

Die Gewalt bei den Intifadas begann immer in den „Flüchtlingslager“. Besonders angespannt soll die Lage in den Lagern im Südlibanon und in Gaza sein. Hier wurden über Jahre hinweg an UNRWA Schulen antisemitische Inhalte und das Bestehen eines Rückkehrrechts gelehrt und so jede Integration der Flüchtlinge in die Zielfluchtländer verhindert.
Ich würde mir wünschen, dass ihr erläutert, warum es zwei parallele Strukturen für Flüchtlingshilfe in der UN gibt und warum zwei unterschiedliche Definition von Flüchtlingen. Insb. solltet ihr das mit Willy Brandt und den Flüchtlingen aus den Ostgebieten des deutschen Reiches nach dem zweiten Weltkrieg vergleichen. Diese haben anfangs auch die Integration in die BRD abgelehnt und die Repatriierung in der ČSSR, Polen etc. gefordert. Aber Brandt hat die Ostgebiete dennoch aufgegeben. Sowohl Arafat als auch Abbas haben das nie getan. Das ist eines oder sogar das größte Hindernis für einen Frieden.

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Also ein Rückkehrrecht gerade für diejenigen, die durch den illegalen Siedlungsbau vertrieben wurden, steht auch international-rechtlich gar nicht zur Diskussion - das existiert selbstverständlich. Ein Rückkehrrecht für die während der Naqba vertriebenen ist da schon schwieriger, hier würde ich eher von einem Recht auf Schadenersatz und Reparationen sprechen, dem sich Israel aber auch verweigert.

Natürlich kann man diskutieren, ob es sinnvoll ist, den Menschen im Gaza-Streifen Hoffnung auf eine Rückkehr zu machen, aber man kann es den Menschen dort auch nicht vorwerfen, dass sie diesen Traum nicht aufgeben wollen.

Dass Antisemitismus im Gaza-Streifen allgegenwärtig ist, ist leider eine logische Konsequenz. Wären es nicht Juden in Israel, sondern Israel wäre von Sinti und Roma gegründet worden und alles wäre so gelaufen, wie es gelaufen ist, gäbe es nun Antiziganismus im gleichen Ausmaß. Antisemitismus ist ein Werkzeug, es ist nicht die Ursache des Problems. In einer Situation wie der zwischen Israel und den Palästinensern wird sich natürlich ein (rassistisch oder religiös begründeter) Hass gegen „den Feind“ bilden. Gleichzeitig bildet sich auch in Israel und im Rest der Welt immer mehr antimuslimischer Rassismus, aus den gleichen Gründen.

Dass die Gewalt immer in den Flüchtlingslagern startete, liegt einfach daran, dass diese Menschen am wenigsten zu verlieren haben. Flüchtlingslager sind immer eine Brutstätte für Terrorismus gegen diejenigen, die für die Existenz der Flüchtlingslager verantwortlich gemacht werden können.

Der UNRWA die Schuld an der Situation zu geben ist daher weit, weit zu kurz gegriffen. Die UNRWA macht unterm Strich eine gute Arbeit, aber natürlich gibt es bei einer Organisation dieser Größe, die auch Mitarbeiter aus den problematischen Lebensumständen unterhält und mit der problematischen „Führerschaft“ in Form der Hamas zusammenarbeiten musste, auch Problemfälle. Alles andere zu erwarten wäre illusorisch. Israels Versuche, die UNRWA als Ganzes zu diskreditieren, sind kein Stück besser als Versuche, Israel als Ganzes zu diskreditieren, weil es dort z.B. zu Siedlerextremismus kommt.

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Sorry, aber das kann man so nicht stehen lassen. Das ist wirklich pro-israelische Propaganda, bei der den anderen Akteuren stets das Negativste unterstellt wird.

Es gibt unheimlich gute Gründe, warum die arabischen Staaten die Flüchtlinge nicht aufnehmen wollen und warum Ägypten z.B. aktuell auch die Grenzen zum Gaza-Streifen geschlossen hält. Israel will natürlich, dass die umliegenden Staaten die Flüchtlinge aufnehmen - idealerweise sollen alle Menschen aus dem Gaza-Streifen einfach nach Ägypten und Jordanien auswandern und das Problem hat sich erledigt. Israel gewinnt, Palästina als Staat ist dauerhaft tot, die illegale Landnahme durch Israel ist unumkehrbar.

Der Vergleich mit Korea passt hier eben auch nicht. Eben weil Südkorea natürlich jeden Flüchtling aus Nordkorea mit Kusshand aufgenommen hat (und Umgekehrt genau so), beide Länder sogar teilweise um die Flüchtlinge aus der demilitarisierten Zone geworben haben. In Israel ist die Situation eben anders: Dort geht es nicht um einen Staat mit einem Volk, der in zwei Teile aufgeteilt wurde, was zu Fluchtbewegungen führte, sondern es geht um eineinhalb Staaten und zwei Völker - und Israel will gerade keine der Flüchtlinge aufnehmen, im Gegenteil, Israel will, dass andere Staaten die Flüchtlinge von dem Gebiet aufnimmt, welches Israel für sich beansprucht. Das ist eine zu 100% andere Lage als in Korea und vor allem eine um ein vielfaches schwierigere Lage als in Korea, sodass es auch nicht wundern kann, dass diese Lage um ein vielfaches länger andauert.

Man kann zu der langen Flüchtlingsproblematik, wenn man nicht der Propaganda einer der Seiten folgen will, eigentlich nur sagen: Beide Seiten versuchen es auszusitzen, beide Seiten wollen keine Zugeständnisse machen.

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Wenn der Antisemitismus eine „logische Konsequenz“ ist - von was eigentlich genau? - unterstellt zum einen, dass Menschen quasi unausweichlich antisemitisch werden müssen und impliziert zumindest, dass hierfür das Handeln Israels - also von Juden verantworlich ist. Das finde ich schon harten Tobak.

Für die UNRWA arbeiten zu 98% Palästinenser. Das heißt nach deiner Argumentation, dass eine UN-Organisation fast ausschließlich aus Menschen besteht, die „logischerweise“ antisemitisch denken. Das aber ist für dich per se „gute Arbeit“. Das beißt sich meiner Meinung nach. Mehr noch: Die Arbeit dieser Organisation grundsätzlich infrage zu stellen (nochmal zur Klarstellung: Die Kritik an UNRWA richtet sich dagegen, was die Organisation macht, nicht dagegen, dass sie auch Palästinensern hilft!) setzt du mit einer Delegitimierung Israels gleich - also mit Antisemitismus. Das finde ich schon abenteuerlich.

Nein, es ist keine „Propaganda“ festzustellen, dass einige arabische Staaten den palästinensischen Flüchtlingen in ihrem Land sehr lange Zeit die allermeisten Rechte vorenthalten haben, sondern eine historische Tatsache. Das bestätigen auch palästinensische Wissenschaftler, etwa hier. An erster Stelle ist da der Libanon zu nennen. Was denkst Du denn ist der Grund dafür, dass so überdurchschnittlich viele Palästinenser aus dem Libanon u. a. nach Europa geflüchtet sind?

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Es geht nicht um die Flüchtlinge aus dem jetzigen Krieg. Das hast du missverstanden.

Es geht um die Nachkommen der Flüchtlinge aus dem Krieg 1948/49, deren Status vererbt wird.

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Es geht auch nicht um Abschiebung von Palästinenserinnen aus der Westbank und Gaza nach Jordanien.
Es geht darum, dass über 5,5 Mio. Nachkommen von damals 700.000 Geflüchten ein Recht zustehen soll, dass sie exactly in die Häuser in Haifa, Safed oder Jaffa.
Man beruft sich da immer auf Resolution 194 der UN. Resolutionen sind aber nicht verbindlich. Zudem gab es zum damaligen Zeitpunkt auch kein Völkergewohnheitsrecht, dass die Rückkehr gestatten würde. Es gab auch nie eine Praxis der Rückkehr gegen den Willen des Aufnahmelandes, das sich immer noch im Kriegszustand mit den Zielfluchtländern (Libanon, Syrien) befindet. Zumal ist es unbedingt, also egal ob die Menschen friedlich sind oder nicht, es sollen alle ein Recht haben, nach Jaffa, Haifa etc. zurückzukehren.
Fast 6 Mio. Personen in einen Staat, der nur 9 Mio. Einwohner
innen hat.
Man stelle sich mal vor, die ausgewiesenen Menschen aus Britisch Indien z.B. aus Pakistan würden ein unbedingtes Rückkehrrecht nach Indien als existent ansehen.
Zumal die Flüchtlinge v.a. in Jordanien schon die dortige Staatsbürgerschaft haben. Teilweise leben die aus den Lagern in Syrien - Al Yarmouk z.B. in Damaskus, während des Bürgerkrieges in Syrien vertriebenen in Deutschland und sind dabei, sich hier einbürgern zu lassen. Dennoch sind sie bei der UNRWA immer noch registriert und Nachkommen der 1948/49 Geflüchteten.

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